559

der zu Besuch anwesenden Familie Walter nicht mehr möglich war. Das Verhalten der Aufsichts- ledrerin ist hienach nicht recht erklärlich und ebenso ist es auch nicht gerade rühmenswert, wenn sie am Tag nach dem Brandunglück dem Schreiber ds. gegenüber nicht einmal die Namen der ver­mißten Kinder anzugeben vermochte, der Kinder, welche seit mehr als drei Wochen in dem Man- mdenzimmer untergebracht und doch ebenso ihrer speziellen Obhut anvertraut waren. Wie gesagt, es wird dies Verhalten angesichts des schweren Falles allgemein besprochen und wir geben nur der öffentlichen Meinung freimütigen Ausdruck, wenn wir darüber kein Lob aus- sprcchen. Dagegen muß dem Schullehrer Uhl. der in dem brennenden Gebäude des Löwen bis zu dem Augenblick, da das Schul- u. Rat­haus selbst urplötzlich von den Flammen ergriffen war, in uneigennütziger, aufopfernder Weise hilfreiche Dienste leistete, volle Anerken­nung entgegengebracht werden. Mit dem Wunsche, daß die Eltern und Angehörigen der 4 Opfer des so schweren Unglücks mit der Zeit Trost finden und daß die Gemeinde von solchem sürderhin verschont bleiben möge, schließen wir unseren Bericht. Der Urheber des unheil­vollen, schrecklichen Feuers aber wird der Ge­rechtigkeit sicher nicht entzogen werden.

Deutsches Aeich.

Der deutsche Kaiser wird nach seiner Rückkehr von den Manövern in Oesterreich und den Reichslanden einer Jagdeinladung des Königs von Schweden Folge leisten, ohne die dänische Hauptstadt zu berühren und dem gegen­wärtig dort weilenden russ. Kaiser einen Besuch zu machen.

Eoblenz. 1. Sept. Das Kaiserpaar ist heute Vormittag hier eingetroffen und von dem Prinzen Albrecht, dem Reichskanzler Grafen Caprivi und der Generalität empfangen worden. Kurz nach 6 Uhr fand der Empfang des italienischen Kronprinzen am rhein. Bahnhof statt. Der Kaiser umarmte und küßte den Kronprinzen von Italien wiederholt. Die Musik spielte die italienische Königsfanfare und die Ehrenkompagnie zog an dem Prinzen und dem Kaiser vorbei. Zu der für heute Abend vorbereiteten Festfahrt auf dem Rhein wird das große SalonschiffKaiser Wilhelm" benutzt werden.

Das Abschiedsgesuch des Kriegsministers v. Kaltenborn-Stachau ist gutem Vernehmen desHamb. Korr." nach vom Kaiser nicht ge­nehmigt. Jetzt beabsichtigte der Kriegsminister sich zunächst nach Koblenz zu begeben, um dann auch den großen Manövern in den ReichslandcH beizuwohnen.

Berlin, 1. Sept. Zur gesetzliche Regel­ung des Hausirwesens melden dieBerl. Pol. Nachr.": Dem Bundesrate ist bekanntlich im November v. I. von Bayern ein den Ge­werbebetrieb im Umherziehen betreffender Gesetz­entwurf zur Beschlußnahme vorgelegt worden. Dieser Entwurf ist im Bundesrate einer Er­örterung unterzogen worden, die letztere ist je- doch nicht zum Abschluß gediehen. Der Ab­schluß hat sich wegen der Schwierigkeit der Materie verzögert. Zudem hatte die zuständige Reichsbehörde durch Anfragen bei den Einzel­regierungen im Laufe der letzten Jahre Mate­rial in dieser Frage gesammelt, welches natür­lich bei den Beratungen innerhalb des Bundes- rals Berücksichtigung finden muß. Auch ist eine große Anzahl von Petitionen beim Bundesrate eingegangen, welche meist die Verhältnisse be­stimmter Gewerbszweige behandeln und deshalb eingehend geprüft werden müssen. Schließlich erheischen die Verhandlungen des Reichstages und die in demselben gestellten Anträge Berück­sichtigung. Kurz es liegt gerade auf diesem Gebiete eine solche Fülle von Material vor, daß die Verzögerung eines Abschlusses wohl er­klärlich ist. Es dürfte jedoch als ziemlich sicher anzunehmen sein, daß der Bundesrat nach Wieder­aufnahme seiner Arbeiten sich bald von Neuem der Beschäftigung mit der gesetzlichen Neuregel­ung des Hausierhandels zuwendet.

Berlin, 3l. Aug. Am 29., 30. und ok- Aug. sind dem kaiserlichen Gesundheitsamt

6 Cholerafälle gemeldet worden; in Schulitz 1 Todesfall, in Berlin 2 Erkrankungen, in Emmerich 1 Todesfall, in Weiderich 1 Erkrank­ung, in Neuwied 1 Erkrankung.

Nicht mit Unrecht hat man dem jetzigen Reichskanzler einen Vorwurf daraus gemacht, daß er beim Abschluß der Handelsverträge mit Oesterreich-Ungarn, Italien und der Schweiz die deutschen Interessenten von der Industrie und dem Handel nicht vorher in genügender Weise gehört habe, und darauf ist ja auch wohl das Wort des Fürsten Bismarck zu beziehen, er fürchte einen Kanzler, der nur auf sich selbst oder seinen Adjutanten höre." Bei der Bevor­stehenden Wiederaufnahme der Handelsvertrags­verhandlungen mit Rußland trifft aber den Grafen Caprivi ein solcher Vorwurf nicht mehr, denn er hat umfangreiche Erhebungen sowohl bei den Landwirten als den Kaufleuten und Industriellen in dieser Frage anstelleu lassen und ebenso werden auch bezüglich der bevor­stehenden Ausdehnung der Sonntagsruhe auf die Großindustrie zahlreiche Arbeitgeber wie Arbeiter, namentlich auch Bergwerksarbeiter ge­hört. Das hätte man auch bezüglich der Sonn­tagsruhe im Handelsgewerbe thun sollen, dann wären über deren Anwendung nicht so viele Klagen laut geworden. An eine nahe Ein­führung der neuen Sonntagsruhebestimmungen für die Industrie und Handwerk ist noch nicht zu denken; die Bewegung dagegen ist weniger laut, aber so ungemein ausgedehnt, daß es den verbündeten Regierungen nicht möglich sein wird, die Sache über das Knie zu brechen.

Würz bürg, 29. Aug. Die General­versammlung der Katholiken Deutsch­lands ist gestern eröffnet worden. Die Zahl der Teilnehmer beläuft sich auf ca. 3000. Der Präsident Graf Galen betont die Bedeutung eines christlichen Familienlebens als Fundament der Rettung der Gesellschaft. Bischof Stein- Würzburg weist auf die Gefährlichkeit und Ver­derblichkeit des Sozialismus hin. Erzbischof Schorck-Bamberg erklärt die Gerechtigkeit und Liebe als allein vermögend, die soziale Frage zu lösen. Professor Schöll-Würzburg weist die Intoleranz und Anmaßung des modernen Un­glaubens auf den Hochschulen zurück. Dekan Hammer verlangt positives Christentum in allen Schulen und polemisiert scharf gegen den Un­glauben in der Volkserziehung. Prof. Schädler erklärt es als Ehrensache, nicht zu ruhen, bis alle Orden wieder im Lande sind. Professor Staudt-Aschaffenburg berichtete über den Unter­richt an den Mittelschulen und beklagte das Ueberhandnehmcn des Realismus. Redner ver­langt dagegen mehr Religion, mehr Kirchengehen und Sakramente-Empfangen. Reichstagsabge­ordneter Gröber-Heilbronn sprach über die soziale Frage, deren Geisteskampfauf märkischem Sand seinen Austrag finden würde." In einer nicht- öffentl. Sitzung soll die Errichtung eines Bauern­bundes auf kat. Grundlage beschlossen worden sein. In der letzten öffentlichen Sitzung sprach Pater Schoch über Transvaal. Benefiziat Hauser-Augsburg hielt eine eindrucksvolle Rede über den Unglauben der Masse. R.-A. Schmidt-Mainz hielt einen Vortrag über die Papstfrage, er wurde stellenweise grob, nament­lich gegen die Auchkatholiken, die den jetzigen Zustand in Rom befriedigend fänden; scharf eiferte er gegen die Sozialdemokratie und pries den Arbeitcrpapst. Präsident v. Galen betonte in der Schlußrede die Notwendigkeit der christl. Familie als Grundlage des christlich-sozialen Staates und lobte die Einigkeit der Katholiken.

Trier, 31. Aug. Frhr. v. Schorlemer- Alst ist bekanntlich durch Krankheit verhindert gewesen, an dem Würzburger Katholikentag teil­zunehmen. Heute ist. wie dieKöln. Ztg." meldet, Herr v. Schorlemer mit seinem Sohne, dem Landrat Frhrn. v. Schorlemer in Neuß, hier eingetroffen, um die am 2. September statt­findende Kaiierparade zu besuchen. Jetzt wird Herr Lieber wohl nicht mehr daran zweifeln können, woran Herr v. Schorlemer-Alst er­krankt war.

Baden-Baden. 31. Aug. Der deutsche Fuchshengst Nickel, welcher am letzten Dienstag den großen Goldpokal unseres Großherzogs

und 40 000 ^ im Jubiläumsrennen gewonnen, hat mit diesem Siege seine Renncarriöre abge­schlossen , da er bereits alle hohe Preise der Rennplätze Deutschlands und Oesterreichs er­rungen hat. Der 6jährige Renner ist nunmehr das siegreichste Pferd, das je in Deutschland ge- l aufen ist, und mit Recht kann sein Besitzer, Frhr. E. v. Fürstenberg, auf seinen brillanten Hengst stolz sein.

Württemberg.

Der Umsatz der württb. Notstandkom­mission beläuft sich nach dem W.Bl. f. Landw. bis 24. Aug. auf 745 Doppelwaggons Mais im Werte von 949 000 ^, auf 150 Doppel­waggons künstlichem Dünger im Werte von 128 155 auf 96 Doppelwaggons Torfstreu mit 28 600 cM und 30 Doppelwaggons Sämer­eien mit 85 566 zusammen also auf 1021 Doppelwaggons mit einem Werte von 1191391 Mark.

Von de» Geld- und Warenbörsen.

Stuttgart, 31. Aug. Die großen Finanz­mächte haben offenbar ein Interesse daran, die Entmutigung der Geldbörsen nicht so weit um sich greisen zu lassen; deshalb öffneten sie ihre Kassen und sorgten zunächst für einen flüssigeren Geldbestand, anderseits waren auch die Baisse- Spekulanten zu Deckungskäufen veranlaßt, welche unterstützt von Meinungskäufen, eine wesentliche Besserung der Kurse herbeisührten, nachdem zu­vor schon die deutsche Reichsbank davon abge­sehen hatte, gleich der Bank von England ihren Diskonto abermals zu erhöhen. Angesichts der freundlicheren Stimmung an sämtlichen europä­ischen Börsen konnten die meisten Spekalations- werte und ebenso die Renten eine Kursbesserung erfahren. Staatsbahnaktien gewannen 2 */,, Lombarden 1, Gotthard 2 "/<,, Kreditaktien

4°/o. Von Jndustriewerten stiegen Köln-Rott- weiler Pulverfabrik 1 °/o, Bochumer Gußstahl 1^/-°/o, Bauernhütte 1°/»°/o, Gelsenkirchener über 2 u. Harpener 1 '/» °/o. 3 o/oige Deutsche Reichsanleihe stieg von 84,60 auf 85,30. Auch die übrigen deutschen Staatsfonds sind durchweg etwas besser. Italiener gewannen ^/«°/o, un­garische Goldrente, ebenso österr. Renten ca.

1 °/o und russ. Werte ca. V- °/o. russ. Banknoten stiegen von 210.30 auf 211.60. Der Privat­diskonto siel in Berlin von 4 '/« auf 4 '/s °/o.

Die Getreidemärkte verkehrten in der abge­laufenen Woche in ziemlich fester Haltung bei teilweise gebesserten Preisen, namentlich für effek­tiven Hafer. Die Mehlpreise blieben unver­ändert und ebenso der Preis für Mais in Wien.

Die etwas bessere Haltung der Baumwoll- märkre hielt auch in der abgelaufenen Woche an, wozu wohl hauptsächlich die Nachrichten über teilweise Beschädigung der amerik. Baum­wollernte durch einen Cyklon beigetragen haben mögen.

Auf den Zuckermärkten setzte sich die matte Haltung der letzten Woche abermals fort und die Preise erlitten weiteren Abschlag.

Auf den Kaffeemärkten entwickelte sich ein regelmäßiges Geschäft bei etwas gebesserten Preisen.

Zustand.

Wien, 1. Sept. Der Herzog Wilhelm von Württemberg reist zu den Divisions­manövern nach Stuttgart. Bei den Kaiser­manövern im Elsaß wird er nach demFremden­blatt" den König von Württemberg offiziell ver­treten.

Bon der Kommission des internationalen Saatenmarktes in Wien ist soeben zum ersten Male eine ziffermäßige Zusammen­stellung der Ernteergebnisse in Europa für das Jahr 1893 veröffentlicht worden. Wenn man eine Mittelernte gleich 100 setzt, so stellen sich für die einzelnen Länder folgende Resultate heraus: Oesterreich: Weizen 90, Roggen 89, Gerste 94, Hafer 83. Ungarn: Weizen 98100 Roggen 8592 Gerste 83110, Hafer 79 bis 97. Deutschland: 75 105, Roggen 80 bis 109, Gerste 75-105, Hafer 4582. Dänemark: Weizen 100, Roggen 100, Gerste 70, Hafer 50. Schweden: Weizen 100, Roggen