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Bekleiduligsgegenstände in den Strafanstalten Herstellen zu können und Herstellen zu lassen. Au diesem Zwecke werden jedem Armeekorps mehrere Strafanstalten zur Beschäftigung über-
annover, 2. Aug. Man liest zuweilen, daß M Ablieferung von Fischottern, Raubvögel- köpfen u. dergl. Prämien ausgezahlt werden. Daß aber auf die Einlieferung von Bett- lern ein Preis gesetzt wird, scheint neu zu sein. Die »Fr. Ztg " ließ sich aus Gronau im Landkreise Hildesheim melden, der Kreisausschuß habe beschlossen, jedem Gemeindediener, der einen Bettler in das dortige Polizeigefängnis einliefert, außer der aus Staatsmitteln zu entrichtenden Wegcvergütung eine Vergütung von 3 zu zahlen. Wenn die Herren Bettler boshaft wären uud es darauf abgesehen hätten, die Kreiskasse des Landkreises Hildesheim aufs Trockene zu setzen, würden sie eine Massenwanderung nach Gronau unternehmen.
J„ Karlsruhe schenkte ein Ungenannter der Stadt zur Verwendung für arme kränkliche Schulkinder 10000
Elzach i. bad. Schwarzw., 3. Äug. Hier sind mehr als 40 Kinder an der Diphtheritis gestorben.
Württemberg.
Ulm, 4. Aug. Gestern nachmittag hatte Finanzminister Dr. v. Riecke hier im russischen Hof eine Besprechung mit dem von Friedrichs- Hasen eiugetroffenen Ministerpräsidenten von Mittnacht, deren Gegenstand vermutlich die Frankfurter Finanzministerkonferenz war.
Anstand.
Cowes, 5. Aug. Die Reihe der Wettfahrten ist mit der gestrigen abgeschlossen. Niemals hat Cowes vorher so viele Besucher gesehen, niemals waren so viele Jachts auf der Rede versammelt, und zwar ausschließlich dank der durch den Kaiser angeregten Begeisterung, wie allgemein zugestanden wird. Bei dem gestrigen Feuerwerk zeichneten sich die königlichen Jachts durch elektrische Regenbogenbeleuchtung aus, besonders die „Hohenzollern".
Die Gerüchte über eine bevorstehende Reichsrats-Auflösung werden von den Wiener Offiziösen entschieden dementiert. Man wird also im lieben Oesterreich noch gemütlich „weiterwursteln!"
Die französische Pulverfabrik in kont. äs dui8 ist in die Luft geflogen, wo 1500 kA Pulver aufgespeichert lagen. Drei Arbeiter wurden getötet, viele gefährlich verletzt.
Petersburg, 4. Aug. Von der abermaligen Steigerung der russischen Zölle scheinen die russischen Blätter wenig erbaut zu sein. Das läßt sich deutlich durch die Zeilen lesen. Ihr Ton ist fortgesetzt ruhiger, untermischt mit Stoßseufzern, wie: „Zweifellos wird cs Rußland in diesem guten Erntejahr nicht leicht haben", oder: „Wenn wir nicht hofften, daß trotz der neuesten Maßregeln nicht doch der deutsch-russische Handelsvertrag zustande kommt, würden wir die jetzige Sachlage bereits für unerträglich halten." Aergerlich verstimmt ist die „Nowoje Wremja", wozu wesentlich die neueste deutsche Auffassung der Polenfrage beigetrageu hat. Eins glauben wir nach unseren Erkundigungen bereits seststellen zu können: in den unmittelbar beteiligten russ. industriellen, finanziellen und kaufmännischen Kreisen teilt man keineswegs die Siegesgewißheil. welche die leitenden russischen Finanzmänner W beseelen scheint. Man befürchtet vielmehr Bankerotte und den schließlichen Rückgang des Rubelkurjes, der vorläufig noch durch teure Auskäufe gehalten wird.
. In Petersburg macht sich, wie verschiedene Meldungen aus der russischen Hauptstadt besagen, ein Umschlag in der bisherigen überreizten Stimmung gegen Deutschland de- werklich. Die größeren Blätter schlagen in Besprechung des deutsch-russischen Zollkonfliktes einen ruhigeren, versöhnlicheren Ton an und sprechen sie zum Teil die Ueberzeugung aus, daß die für den Herbst in Aussicht genommenen g w'ssarischen Beratungen in Berlin trotz des Zollkrieges ein für beide Teile befriedigendes
Ergebnis zeitigen werden. Andere Blätter sprechen es sogar offen aus, daß Rußland sich in seinen Berechnungen beim Eintritt in den Zollkampf mit Deutschland getäuscht habe, weil die deutsche Ernte besser ausgefallen sei, als vermutet wurde, und weil sich Deutschland auch ohne russisches Getreide behelfen könne. — Ob man auch bereits in den russischen Regierungskreisen zu der letzteren sehr richtigen Anschauung gelangt ist, erscheint freilich noch zweifelhaft, hier wird man sich wenigstens mit Händen und Füßen sträuben, den gemachten Irrtum einzugestehen und demgemäß zu handeln.
Moskau, 2. Aug. Wie erinnerlich, wurde während der letzten Anwesenheit des Zaren in Moskau in einem Kloster auf dem Kreml ein großartiger Diebstahl verübt. Die geheime Unlersuchungskommission entdeckte nun die Diebe in den Personen zweier Laienbrüder, die im Kloster Tscheudorff zum Glockenläuten verwendet worden waren. Die erbeuteten Wertgegenstände hatten sie in ihrem Kloster unter einem Altar geborgen; von dem gestohlenen Gelde fand sich kein Heller mehr vor. Die diebischen Mönche wandern nach Sibirien.
Die in Argentinien und Brasilien erneut ausgebrochcne aufständische Bewegung schreitet siegreich vorwärts. Besonders scheint der vollständige Sieg der Revolutionäre in Argentinien nur eine Frage der nächsten Woche zu sein.
In Nordamerika ist eine Bankkatastrophe ousgebrochen, die mit der Silberkrisis zusammenzuhängen scheint. Zahlreiche Banken fallierten, was wiederum den Zusammenbruch vieler anderen Geschäfte nach sich gezogen hat.
In Dahomcy müssen die Franzosen schon wieder eine Expedition gegen den König Be- hanzin unternehmen, da die schwarze Majestät an keine Unterwerfung an Frankreich denkt. General Dodds wird auch diese Expedition, welche Mitte September aujbrechen soll, wiederum befehligen.
Telegramm an den Enzthäler.
Paris, 7. Aug. Temps-Meldung aus Saigon: Die Aufregung in Cambodscha nimmt zu. Der König von Cambodscha erklärte, der Augenblick zur Wiedergewinnung Bottambangs sei gekommen. Wenn Frankreich nicht darauf einginge, würde der König ohne dessen Ermächtigung handeln. Das Land sei enttäuscht, da nichts für dasselbe gethan worden sei. Er sei bereit selbst die Rechte zur Geltung zu bringen.
Unterhaltender Heil.
Aschenbrödel.
Eine Skizze aus dem Leben von Reinhold Ottfried.
Nachdruck verboten.
Die Strahlen der scheidenden Morgensonne fielen in das einfache freundliche Gemach und überfluteten mit ihrem letzten rosigen Schimmer die lieblichen Züge eines jungen Mädchens, das sich eifrig über eine Häkelarbeit beugte, deren Maschen schnell und leicht durch ihre schlanken Finger glitten. Mit dem Ausdruck innigsten Stolzes ruhten die Blicke der alten Matrone, die ihr gegenüber in der Ecke des altmodischen Sophas saß, auf der anmutigen Erscheinung und es war der besorgte Ton einer liebenden Mutter, als sie sagte:
„Es wird dunkel, Wally; willst Du die Arbeit nicht vorläufig ruhen lassen?"
„O, laß mich nur, liebe Mama! Du weißt, daß ich jetzt so mancherlei zu thun habe; da muß ich zu solchen Luxusarbeiten schon die Dämmerstunde benutzen!"
Die alte Dame seufzte leicht.
„Es will mir fast scheinen", sagte sie, „als sähe cs Arnold nicht einmal gern, wenn Du Dir Deine Aussteuer selbst anfertigst, er hat in diesem Punkt so sonderbare Ansichten."
„Das laß nur meine Sorge sein, Mama- chen!" erwiderte Wally mit fröhlichem, silbernen Lachen. „Ich glaube, er ist nur eifersüchtig auf
meine Arbeit, weil sie mich verhindert, immer an ihn zu denken. Das wird sich bald geben."
In diesem Augenblick wurde an die Thür geklopft, und eine hohe Männergestalt trat in das Zimmer. Er wurde von den beiden Damen herzlich begrüßt, aber Wally legte ihre Arbeit nicht aus der Hand, als sie ihm ein zärtliches: „So spät, mein Arnold?" entgegenflüsterte. Es flog etwas wie ein Schatten über die edle Stirn des Mannes, während er sich, nachdem er der Matrone ehrfurchtsvoll die Hand geküßt, über seine angelobte Braut neigte und seine Lippen auf ihre rosige Wange drückte.
„Du arbeitest noch, Kind?" sagte er mit leisem Borwurf. „Ich bitte Dich, laß es damit für heute genug sein; die Abenddämmerung ist nicht das rechte Licht dazu."
Sie gehorchte, wenn auch zögernd, den mahnenden Worten und bald war. nachdem sich der Geliebte neben ihr niedergelassen, eine jener süßen Plaudereien im Gange, wie sie nur die Liebe kenne, so leer und inhaltslos für jeden Anderen und so wichtig und zugleich wonnig für die beiden Herzen, deten Pulse nur in dein einen seligen Bewußtsein schlagen: Du bist mein!
Arnold Sellwitz war ein junger Schriftsteller. der bereits einen ziemlich bedeutende» Ruf erlangt hatte und dem seine Arbeiten eine gesicherte Existenz verschafften; er hatte zufällig bei einem Spaziergange Wally's Bekanntschaft gemacht und ihr liebreizendes, anspruchsloses und unbewußt anmutiges Wesen hatten ihn angezogen und gefesselt. Die in ziemlich bescheidenen Verhältnissen lebende Mutter Wallys, seit langen Jahren Witwe, hatte gegen eine Verbindung mit dem jungen, allgemein geachteten Manne nichts einzuwenden gehabt, und so stand der zur Hochzeit bestimmte Tag nahe bevor. Da gab es denn natürlich mancherlei zu besprechen und zu beraten, und wenn sich auch die Unterhaltung durch die Impulse, die Wally dazu gab, immer nur um prosaische und praktische Dinge drehte, so ging Arnold doch halb scherzend auf Alles ein. was der kleinen Hausfrau erwähnenswert schien. Eine halbe Stunde mochten sie so traulich bei einander gesessen haben, als Wally sich dann sanft von dem sie umschlingenden Arme des Geliebten losmachte und aufsprang.
„Verzeih' mir einen Augenblick, mein Herz," sagte sie lächelnd, „aber ich habe in der Küche noch einige Vorbereitungen zum Abendessen zu treffen."
„Könnte das von dem Dienstmädchen nicht eben so gut besorgt werden?" sagte er ein wenig verstimmt.
„Nein, nein, das laß' ich mir nicht nehmen, aber ich bin gleich wieder da!" Damit huschte sie hinaus.
Arnold trat schweigend ans Fenster; die finstere Wolke lag wieder auf seiner Stirn und lange starrte er hinauf in den abendlichen Himmel, bis er sich auf die Anrede der Dame, die ihn besorgt betrachtet hatte, fast erschreckt umwandte.
„Hat es Sie verletzt, Arnold, daß Wally gegangen ist?" fragte sie mit etwas unsicherer Stimme.
„Ich muß gestehen, daß es so ist, liebe Mama," erwiderte er rasch.
„Wally hängt an ihren häuslichen Obliegenheiten mehr, als an mir, sie zerstört mir die schönste Freude des ganzen Tages, damit das Dienstmädchen um Himmelswillen nicht an irgend einer Speise das Salz vergesse. Ich schätze solche Tugenden sehr hoch, aber die Maria darf über die Martha nicht ganz zu Grunde gehen."
„Sie ist arbeitsam und fleißig, lieber Sohn, und wer weiß, ob das nicht Ihnen und ihr noch einmal zu Gute kommen kann."
„Verzeihen Sie, Mama, aber das ist eine Weisheit, zu der ich mich nicht bekennen kann. Wally soll nicht meine Dienstmagd, sondern Gattin werden. Ihre Erziehung ist ohne Zweifel eine sehr gute gewesen, aber in diesem Punkte war sie gewiß verfehlt. Meine Braut hat bis jetzt beharrlich ausgeschlagen, einen Ball oder sonst ein Vergnügen mit mir zu besuchen, weil sie dergleichen nicht kennt und stets davon fern.