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Mniss- für die Ausbildung der Truppen zu ernstlichem Schaden werden soll. Nimmt man noch dazu, daß die Militärverwaltung allen von den Herbstübungen berührten Gegenden gegen­über die weitgehendsten Zugeständnisse Hinsicht- lich Verpflegung von Mann und Pferd machen wird, daß, wo es nötig ist. selbst die Streu­mittel für die Pferde geliefert werden sollen, daß die Füllung der Manövermagazine durch Ankauf in den Manövergeländen ausgeschlossen sein wird, daß den Truppen die größtmöglichste Schonung der Felder, insbesondere der An- Pflanzungen mit Futtcrkräutern. zur Pflicht ge­macht werden wird, so ist wohl zu erwarten, daß nun diejenige Beruhigung in den beteiligten Kreisen Platz findet, welche sich aus sachlicher Erwägung aller einschlagenden Verhältnisse er- giebt. Hiezu muß nochbesonders beitragen, daß Se, Mas. der König in weiterer Rücksicht auf die Landwirtschaft auch hinsichtlich der Kaisermanöver Schritte gethan hat. welche dazu führten, die Zustimmung Sr. Maj. des Kaisers dahin zu er­wirken, daß an Stelle der beabsichtigten Manöver des 13. und 14. Armeekorps, solche der einzelnen Armeekorps in sich und (e auf eigenem Landes­gebiet staltfinden sollen unter gleichzeitigem Ver­zicht aufdieAufstellungder württ. Reserve­division. Es bedeutet dies, abgesehen von dem Wegfall der Durchmärsche des badischen Armee­korps und von der zeitlichen Einschränkung des Kaisermanövers, für das württ. Armeekorps 41 Bataillone, 20 Eskadrons und 23 Batterien weniger in dem für die Manöver vor Sr. Maj. dem Kaiser vorgesehenen Terrain sich bewegen werden und dort unterzubringen und zu ver- pflegen sind.

(lieber die Thätigkeit der württb. No,t- standskommission.) Um eine genaue Ueber- sichl über die räumliche Ausdehnung des Not­standes, wie über den Grad der Intensität desselben nach Landesgegenden zu gewinnen, wurden, wie schon früher mitgeteilt, Fragebogen versendet, welche zum größten Teil beantwortet zurückgekommen sind. Aus diesen Antworten wird sich nach dem Landw. W.-Bl. ergeben, wie hoch der Ertrag an Wiesenheu, Oehmd, Klee- Heu, Winter- und Sommerfruchtstroh und wie der Stand des Stoppelklees geschätzt werden kann. Gleichzeitig sollte beantwortet werden, der wievielste Teil des Gesamtackerfeldes einer jeder Markung im August und September d. I. mit Reps- und Futterpflanzen (heuriger Klee, Stoppelklee, Brachfrüchle, Stoppelrüben, Herbst- suttersaaten) eingebaut sind. Jetzt schon kann man sagen, daß die Verhältnisse lokal, sogar innerhalb eines und desselben Bezirks nach der geognostischen Formation und je nachdem Ge­witterregen fielen oder nicht, sehr verschieden sind, und daß es Gegenden giebt. in welchen kein Oehmdertrag zu erwarten steht. An Heu wurden bis jetzt bei der Kommission über 9000 D.Ztr. bestellt, deren Bezug durch Handelsleute direkt vermittelt wurde. An Mais, Biertreber rc. wurden bis jetzt von der Kommission 60000 D.Ztr. im Gesamtgeldwert von 824 215 ^ ver­kauft. Zur Verfügung stehen noch 21600 D.Ztr. Mais, 1300 D.Ztr. Biertreber, 8400 D.Ztr. Reisfuttermehl, 1400 D.Ztr. Repskuchen, 2600 D.Ztr. Erdnußkuchen, 1800 D.Ztr. Palm­kuchen, 3600 D.Ztr. Sesamkuchen, 950 D.Ztr. Baumwollsaatmehl, 550 D.Ztr. Malzkeime. An holländischer Torfstreu stehen noch 4200 D.Ztr. zur Verfügung. An Sämereien 0; an künst­lichen Düngmittel 5000 D.Ztr. Chilisalpeter, »M D.Ztr. ThomaSphosphatmchl von Supper­phosphat, Kainit und Knochenmehl jedes Quan­tum.

Stuttgart, 29. Juli. In Untertürkheim wurde heute morgen der 42 Jahre alte Wein­gartner Friedr. Diener von da bei Entladung eines Wagens Langholz auf dem Güterbahnhofe von den auf ihn herabfallenden Langholzstämmen erdrückt und war auf der Stelle tot. Der Ver­unglückte, welcher eine Frau mit 8 Kindern hlnterläßt, findet allgemeines Bedauern.

Ausland.

, . Paris, 29. Juli. Der siamesische Ge- 1 ndte bestätigte heute Vormittag in einer Unter­gang mit dem Minister Develle, daß Siam

alle Bedingungen des französischen Ultimatums angenommen habe.

London, 29. Juli. Kaiser Wilhelm ist an Bord der kaiserlichen JachtHohenzollern" auf der Rhede von Dover eingetroffen und hat nach kurzem Aufenthalt seine Fahrt fortgesetzt. Prinz von Wales fuhr an Bord der Jacht Osborne" der JachtHohenzollern" bis einige Meilen über Spithead in See entgegen, worauf beide Jachten nach Cowcs segelten. In Ports­mouth und Cowes wurde bei Ankunft der Fahr­zeuge der Königssalut abgegeben.

In Zermatt wurden nächtlicher Weile die Motoren für die seit 14 Tagen im Betrieb stehende elektrische Beleuchtung zerstört. Einige Maurer, auf die der Verdacht fällt, sind flüchtig. Der Schaden beträgt 7000 bis 8000 Frs. Die Beleuchtung ist für 14 Tage unterbrochen.

Unterhaltender Heil.

In Wasserstiefeln?)

Von Johannes Ziegler.

(Nachdruck verboten.)

Wer kennte nicht das frohe Aufatmen des entlasteten Menschen, der, fern von dem staubigen Einerlei des Werktagslebens, sich unbefangen und glücklich fühlt zur Hochsommerzcit in der kühlen, luftigen Natur, umweht von ihrem Hauch, angelächelt von ihrem großen blauen Blick! Jeder kennt diesen Atemzug aus voller Brust, denn jeder weiß sich schöner Tage zu erinnern, die. fessellos und frei, das Leben ihm voll Duft und sonder Erdgeschmack zu kosten gaben.

Zu keiner Zeit weiß man solche Ausnahms­tage höher zu schätzen und gibt sich ihnen eif­riger hin als in der frühen Jugend, in jener Zeit, die sonst an Knechtschaft und Mühsal reich ist, mit ihren Werktagen voll Schreiberei und Klassensorge, mit ihren Feiertagen voll Tinten­schauder. Aus solcher Zeit bleibt eine Reihe von Wochen, die frei von Plage sind, ewig in der Erinnerung.

Diesen kindlichen Betrachtungen gab ich mich hin, als ich auf Helgoland den herrlichsten Sommer verlebte in einem Alter, wo man mich einen jungen Burschen hätte nennen können, wenn es nicht noch zu früh gewesen wäre. Oft betrachtete ich mit stiller Freude den Mittelfinger meiner Rechten, an dessen Spitze keine Spur von dem zu finden war. was betriebsame Schreib­federn, wenn man sie lange quält, zu hinter- laffen pflegen. Das Meerwasser hatte alles weggespült. Fern von aller Schreiberei, führte ich auf der roten Felseninsel ein fast ungebun­denes Leben in Gesellschaft eines erfahrenen Mannes, der mehr ein Freund mir war als ein Lehrer. Wenn er mich auch zuweilen mahnte, täglich wenigstens eine Stunde in den Reise­beschreibungen zu lesen, die man mir mitgegeben hatte, jo quälte er mich doch nicht mit jener Weisheit, welche so oft älteren Personen anklebt.

Wir verkehrten daher in voller Eintracht» die sich nur dann zu trüben drohte, wenn wir verschiedener Meinung waren darüber, ob ein großes Stück Pudding gesunder sei oder ein kleines. Zur Zwietracht kam es indessen nie, denn sobald der verehrte Herr an seinen weißen Vatermördern zu ziehen begann und sich dabei räusperte, schwieg ich bescheiden still. In dringen­dem Verdachte hatte er mich übrigens, daß ich seine Rasiermesser benützte, Holz und andere harten Gegenstände damit zu schnitzen; auch glaubte er, wie es den Anschein Halle, steif und fest, daß ich nn geheimen Versuche im Tabak- rauchen anstellre und mich dabei seiner Zigarren bediente. Er war überhaupt etwas argwöhnisch, denn, als er eines Abends unter seiner Belt­

*) Wir entnehmen diese Geschichte voll schönen Humors, die wir mit Fug als ein Musterstück deutscher Prosa bezeichnen dürfen, dem Buche: Vom grünen Wasser. Seegeschichten und Schilderuirgen von Joh. Ziegler. Berlin 1892. Verlag des Vereins der Bücherfreunde. Preis geheftet M. 3., schön ge­bunden M. 3.75. Bei Bezug des ganzen I. Jahrgangs ver Veröffentlichungen obengenannten Vereins stellt sich der Preis dieses Buches, dem wir weiteste Ver­breitung wünschen, auf M. 1.55 geheftet, M. 1.90 ge­bunden. Die Geschäfte des Vereins werden besorgt von der Verlagsbuchhandlung Friedrich Pfeilstücker Berlin V7., Bayreutherstraße 1, die auch Satzungen und ausführliche Prospekte versendet.

decke einen feuchten Hummer fand, der die spindeldürren Beine, wie es Gewohnheit dieser Tiere ist, langsam bewegte, warf er mir einen bedeutsamen Blick zu; nicht minder that er dies, als er einmal bei der Mittagsmahlzeit in seiner klaren Fleischsuppe plötzlich einen kleinen leben­digen Fisch schwimmen sah; doch sagte er nichts, sondern nahm den Fisch still heraus und setzte ihn in meine Suppe. So freundlich war der Mann.

Wir wohnten im Unterlande, dicht an der hohen Felswand, die im Sonnenschein rötlich zwischen unser und das Nachbarhaus hinein­schimmerte. Die Thüren der beiden alten Häuser sahen sich sozusagen in den Augen, denn sie lagen einander ganz nahe. Da saß ich morgens auf den Stufen vor der Thür und las meinem Freunde und Lehrer zu Gefallen eine Weile in der Reisebeschreibung, die, in Großquart auf rauhem vergilbten Papier mit groben Lettern gedruckt und mit' altfränkischen Kupfern ausge­stattet. mir nicht sonderlich gefiel; doch ein an­genehmer Duft von gebratenen Seefischen und ein leises Prasseln von Fett drang aus dem Nachbarhause herüber und erleichterte mir das Lesen.

Gemeiniglich dauerte es denn auch nicht lange, bis gegenüber in der dunklen Thüröff­nung ein allerliebstes Mädchen erschien, fast eine kleine Jungfer, mit rosenrotem Gesichte; die hielt in der einen Hand 3 schöne Kartoffeln, aus deren geplatzten Schalen es wie mehliges Gold hervorschimmerte; mit den Fingerspitzen der anderen Hand hatte sie am äußersten Ende seines Schwanzes einen kleinen Bratfijch gefaßt und brachte mir beides mit freundlichem Lächeln. Die Kartoffeln legte sie auf Seile 10 meiner Reisebeschreibung, den Fisch auf Seite 11, was ich ihr schon oft verboten hatte, denn der ge­bratene Fisch ließ Spuren auf dem Papier zu­rück, so daß man mit einiges Aufmerksamkeit die Buchstaben der nächsten Seite lesen konnte, ohne umzuwenden; aber sie machte sich nichts aus meinem Verbot, sondern wischte die Hände an ihrer Schürze ab, sagte, ich solle es mir gut schmecken lassen und setzte sich eine Zeitlang neben mich mit ihrem Geplauder und Gelache. Treuherzig hörte sie zu, wenn ich ihr meine Betriebsamkeit in der Stadl als eine lästige schilderte, dagegen den Aufenthalt auf Helgo­land als höchst angenehm, und wenn ich für das schlechteste Element die Tinte erklärte, für das beste aber das Seewasser. Sie nickte ber- fällig, meinte hier und da höchstens, daß Syrup ihr viel lieber sei und, aus Weißbrot gestrichen, auch kein übles Element abgebe. So verkehrten wir in anregendem Gespräche. Sobald aber Fisch und Kartoffeln verzehrt waren, klappte ich das Buch zu und fröhlich wie einer, der seine Pflicht gethan, lief ich durch die paar Gassen des Unterlandes zum Strande hinab, um die Vorgänge dort zu beobachten und den Lotsen und Fischern auf die Finger zu sehen.

Diese Helgoländer, Friesen von prachtvoller Gestalt, voll Kraft und Verschlagenheit in ihren verwetterlen Zügen, beneidete ich über alles. Ich wünschte selbst ein solcher zu sein, um immer auf Helgoland bleiben und nie mehr in die Stadt zurückkehren zu dürfen, in welcher es nichts für mich gab, als Mühsal und strenge Zucht. Ich beneidete sie um ihre Freiheit, ihr Leben auf der See und zunächst um ihre hohen Wasserstiefel, die bis auf die Schenkel hinauf-* reichten und zum Waten in tieferem Wasser vorzüglich geeignet waren, während ich mich behutsam auf den Steinen halten mußte, die aus dem Wasser heroorragten, und doch selten ohne nasse Füße davonkam. Solche Wasser­stiefel zu besitzen, war mein großer Wunsch und ich halte meinen Freund und Lehrer gebeten, nur ein Paar machen zu lassen, jedoch kein be­sonders günstiges Gehör gefunden.

Eines Morgens bald nachher ich ver­gesse diesen Morgen nie, denn er war der schönste meines Lebens standen, als ich die Augen aujschlug, vor meinem Bette ein Paar wunder­schöne Wasserstiefel, welche in ihrem mallen Schwarz mild nach Thran dufteten. Der freund­liche Mann hatte sie insgeheim machen lassen, mir zur Uederraschung, vielleicht auch als Ent-