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Mer erholen und weiter entwickeln. Besser ist der Stand der Luzerne. Bei den Wiesen Kd vielfach der schöne Ansatz von Ochmdgras, besonders auf frühgemähten Wiesen und guten Thalwicscn. bemerkt, so daß. weitere Regensälle vorausgesetzt, eine ordentliche Oehmderntezu erwarten ist- Wo freilich, wie namentlich in den obengedachtcn Bezirken des Jagstkreises, die Niederschläge unbedeutend waren, sowie an Hängen ist der Graswuchs ein schlechter. Her­vorgehoben wird in den Berichten, daß Dank den Niederschlägen die jungen Nachsaaten von Mis. Wicklutter u. s. w. ein befriedigendes Gedeihen hoffen lassen. Die Aussichten auf einen guten Obst- (Kernobst.) Ertrag haben sich in den meisten Bezirken erhalten. ja sogar gebessert. Nur in denjenigen Gegenden, welche Mer noch unter Trockenheit leiden, wird über fortwährendes Abfallen der Früchte geklagt.

Stuttgart, 21. Juli. In dem berechtig­ten Bestreben, den Handwerkerstand vor weiteren schweren Schädigungen zu schützen, ihn über­haupt zu heben und zu kräftigen, haben die Stuttgarter Handwerker sich zu einem Bunde zujammengethan, der alsSchwäbischer Hand- mkerbund" nach und nach alle Handwerker Württembergs und Hohenzollerns unter eine Fahne sammeln will, um mit vereinten Kräften ein Ziel zu erreichen, das der einzelne Hand­werker unmöglich erreichen kann. Es dürfte deshalb öffentliches Interesse beanspruchen, aus dm Statuten des genannten Bundes die For­derungen und Bestrebungen desselben kennen zu lernen. Die diesbezüglichen Statuten des Schwäb. Handwerkerbundes lauten:

Z 1. Der Schwäb. Handwerkerbund mit dem Sitz in Stuttgart ist ein nicht politischer Verein selbständiger Handwerker und anderer Gewerbe­treibender in Württemberg und Hohenzollern zur Wahrung und Förderung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen, zur Hebung und Kräftigung des Handwerks und des ganzen Mittelstandes gegenüber allen Mißständen und Auswüchsen des Erwerbslebens.

§ 2. Zur Erreichung dieses Zieles fordert er unter Festhaltung einer mit Ordnung ge­paarten Gewerbesreiheit die gesetzliche Einführ­ung des Befähigungsnachweises für die selbst­ständige Ausübung eines Handwerks, nicht im Sinne mittelalterlichen Zunftzwanges, sondern entweder durch eine innerhalb des deutschen Reiches vor einer Meisterkommission zu erstehende Prüf­ung oder durch den Nachweis einer mindestens öjährigen praktischen Ausübung des betreffenden Handwerks dies ohne Rückwirkung auf schon ansässige Handwerker und mit ausdrücklicher Freigebung der sogenannten Nebengewerbe ein­zelner Handwerksarten, ferner Ordnung und Hebung des Lehrlings- und Gesellenwesens, Förderung der freiwilligen Innungen durch bessere Regelung des Submissionswesens und der GesängniSarbeit. Er fordert ferner die Einführ­ung einer progressiven Gewerbesteuer zur Er­schwerung und Fernhaltung kapitalistischer An­griffe auf das Handwerk, Errichtung selbständiger Handwerkerkammern, scharfe Besteuerung und strenge Kontrolle der Hausierer, der Detailreisenden mit Erzeugnissen des gewöhnlichen Handwerks, gänzliches Ver­bot der sogen. Lieferantenverträge der Konsum- und ähnlicher Vereine mit Handwerkern.

I 3. Der Schwäb. Handwerkerbund erstrebt die Schaffung von Wohlfahrtseinrichtungen aller Art zu Gunsten aller Handwerker, insbesondere zur Erleichterung und Selbständigmachung der sogen. Kleinmeister, die Errichtung von auf Nealkredit beruhenden Handwerkerkassen behufs sObschafsung eines ausreichenden Kredits für selbständige Handwerker, zur gründlichen Be­seitigung allzulanger Kreditgewährung an die Kundschaft und zu gleichzeitigem Schutz gegen saule Runden.

8 4. Der Schwäb. Handwerkerbund unter- W^,.die Bestrebungen der großen Handwerker- Verbände in Norddeutschland und Bayern, ver- undet sich mit dem Württb. Schutzoerein für Handel und Gewerbe zu einem Mittelsiands- "v-d und hält einer ähnlichen wirtschaftlichen

Vereinigung der Landwirte den Beitritt in diesen Mittelstandsbund offen.

Die weiteren ßZ 58 betreffen interne An­gelegenheiten des Bundes, von denen wir nur hervorheben, daß der Jahresbeitrag auf 3 ^ festgesetzt ist. Die Verfasser dieser Statuten sind sich bewußt, den Vorwurf rückschrittlicher Ten- denzen nicht zu verdienen, wie namentlich aus den Bestimmungen der ßZ 2 u. 3 zu ersehen ist. Der Forderung des Befähigungsnachweises ist jede reaktionäre Spitze abgebrochen und die Durchführung dieser Forderung in Verbindung mit der weiteren Forderung einer progressiven Gewerbesteuer dürfte gleichwohl in hohem Grade geeignet sein, gerade die Angriffe des Groß­kapitals auf das Handwerk bedeutend zu er­schweren und so dem letzteren diejenigen Existenz­bedingungen zu sichern, deren es nun einmal absolut bedarf und die es auch ohne Verletzung des Rechts und der Billigkeit fordern kann. Eine Kritik dieser Forderungen scheuen die Hand­werker nicht; sie erwarten aber von jedem Kritiker, daß er an Stelle des einen oder anderen von ihm bemängelten Punktes andere und bessere Vorschläge macht, wie das Handwerk thatsächlich erhalten und gekräftigt werden kann.

Stuttgart, 21. Juli. Das kgl. stati­stische Landesamt veröffentlicht im St. A. eine Uebersicht über die vorläufigen Hauptergebnisse der Statistik der Bevölkerungsbewegung in Württemberg für das Jahr 1892 14169 Eheschließungen (gegen den lOjähr. Durchschnitt mit 13115 -j- 1054) statt, geboren wurden (einschl. Totgeborene) 71829 (gegen den lOjähr. Durchschnitt mit 73 616 1687), gestorben sind 54 377 (gegen den lOjähr. Durchschnitt mit 53 403 -j- 974), der Ueberjchuß der Ge­borenen über die Gestorbenen beträgt 17 452 (gegen den lOjähr. Durchschnitt mit 20112 2661).

Stuttgart, 24. Juli. (Fcrienstrafkammer.) Nach hies. ortspolizeiliche Vorschriften sind die Bäcker verpflichtet, die Preise ihrer Backwaren im Schaufenster zu allgemeiner Kenntnis aus­zuhängen und etwaige Veränderungen dieses Brotpreiszettels der Polizei anzuzeigen. Ein hies. Bäckermeister, welcher 12^ billiger als auf dem ausgehänglen Preiszettel notiert, ver­kauft hatte, wurde deshalb vom Stadtpolizeiamt um 2-^L bestraft. Diese Strafe wurde zufolge seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung, sowohl vom Schöffengericht als auch heute in der Berufungsinstanz von der Ferienstrafkammer aufrecht erhalten mit der Begründung, daß es zwar den Bäckern jederzeit freistehe, ihre Preise herabzusetzen, jedoch im Sinne der hiesigen orts­polizeilichen Vorschriften darauf gehalten werden müsse, daß eine solche Preisermäßigung sowohl in dem Aushang ersichtlich sei, als auch zur Kenntnis des Sladtpolizeiamts gebracht werde, wie es das Interesse des Publikums erfordere.

Eli wangen, 19. Juli. Der vom letzten Schwurgericht zum Tode verurteilte Raubmörder Barth von Königsbronn wurde vom König zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigt.

Ulm, 24. Juli. Die am Samstag ge­haltene Amtsversammlung hat einstimmig be­schlossen, gegen die Abhaltung von Kavallerie­manövern auf der benachbarten Alb Einsprache zu erheben und wegen Abbestellung derselben beim Kriegsministerium vorstellig zu werden.

Oehringen, 20. Juli. Der fürstliche Hofkellermeister Knoll, der älteste Mann Oehr- ingens, der vor wenigen Wochen sein 94. Lebens­jahr angetreten hat, bis vor kurzem gesund war und sich rühmte, nie einen Tropfen Bier ge­trunken zu haben, ist heute Nacht sanft ver­schieden.

Anstand.

Wien, 23. Juli. Der Reichskriegsminister Frhr. v. Bauer ist gestern Abend 10 Uhr 45 Min. gestorben. Als sein Nachfolger wird der ungarische Minister der Landesverteidigung, Feldzeugmeister und Geheimer Rat Freiherr v. Fejörväry bezeichnet.

Der Konflikt Frankreichs mit Siam ist in das Stadium getreten, wo der offizielle Kriegsausbruch unmittelbar bevorsteht. Die

siamesische Regierung am 23. Juli auf das französische Ultimatum geantwortet, daß sie die Gebietsabtretung am Mekong bis zum 18. Breitengrade bewilligen und 3 Millionen Francs Schadenersatz zahlen wolle. Diese Antwort der siamesischen Regierung ist aber von der fran­zösischen Regierung nicht als genügend be­zeichnet und abgelehnt worden. In Folge dessen wird, wenn sich Siam nicht in letzter Stunde zu weiteren Bewilligungen entschließt, der französische Gesandte Pavie die siamesische Haupt­stadt am 26. Juli verlassen und am 27. Juli wird offiziell der Krieg Frankreichs gegen Siam beginnen. Ueber die von Frankreich beabsichtigte Blokade der Küsten Siams sind die Großmächte am 24. Juli durch ein Rundschreiben der französischen Regierung verständigt worden. Sehr auffällig ist cs, daß während zwischen Frankreich und Siam noch offizielle Beziehungen bestanden, doch bereits der französische Schiffs- kommandant von der Insel Khone die dortigen siamesischen Festungswerke angegriffen, vier Forts erobert und 500 Siamesen niedergemacht hat. Möglich ist nun allerdings, daß die Siamesen zuerst auf die Franzosen gefeuert haben, aber es liegt auch der Gedanke nahe, daß die Franzosen direkt auf einen Eroberungs­krieg gegen Siam ausgehen, um der nationalen Eroberungslust und Eitelkeit wenigstens in Asien das zu gewähren, was ihr in Europa ver­sagt ist.

Die englischen Zeitungen aller Par­teien wüten wegen des Vorgehens Frank­reichs gegen Siam gegen die französische Regierung. Sie nennen die französischen Forder­ungen von Siam einfach unverschämt, denn die Länder am Mekong gehörten bereits seit 100 Jahren zu Siam und Frankreich verlange keines­wegs eine bloße Grenzreguliernng, sondern große siamesische Ländergebiete, um seinen Einfluß und Handel über ganz Hinter-Jndien auszudehnen und womöglich das Königreich Siam zu unter­werfen. Das offizielle England giebt sich des­halb auch alle Mühe, um unter dem Deckmantel der Friedesvermittlung zwischen Frankreich und Siam weiteren Ansprüche der Franzosen die Spitze abzusprechen und die Annäherung der französischen Besitzungen an Englisch-Indien zu vereiteln, die Franzosen haben für die eng­lischen Vorstellungen taube Ohren, und offiziöse französische Zeitungen haben bereits erklärt, daß in den französisch-siamesischen Streit keine andere Macht etwas hineinzureden habe. Der Aerger Englands über das Vorgehen Frankreichs in Siam ist zwar begreiflich, aber nicht berechtigt. Denn wenn auch über die Eroberungslust der Franzosen in Asien nicht der geringste Zweifel bestehen kann, so muß doch auch den Herren neidischen Engländern in's Stammbuch ge­schrieben werden, daß dieselbe Art, welche die Franzosen jetzt gegen Siam anwenden, von den Engländer schon oft angewandt worden ist, um ihre Besitzungen in Indien zu vermehren.

Antwerpen, 1. Juli. (Originalbericht.) Ein merkwürdiges Projekt will ein gewisser Tobiansky, Ingenieur seines Zeichens, bei Ge­legenheit der Antwerpener Weltausstellung zur Ausführung bringen. Derselbe beabsichtigt näm­lich, auf einem aus Bambusrohr und Aluminium hergestellten Boden ein prächtiges Restaurant zu erbauen und dieses mittels Fesselballons in einer Höhe von 500 Metern schweben zu lassen. Der Verkehr zwischen dem Restaurant und der Erde soll durch kleine Luftballons vermittelt werden, die notwendige Nachfüllung des Fessel­ballons dagegen unter Anwendung von langen seidenen Schläuchen erfolgen. Es mag ja gar nicht übel sein, 500 Meter über der Erde, bei wunderbarer Aussicht und sanft von den Lüften geschaukelt einen Skat zu spielen und dazu sein Bier zu trinken. nur dürfte ein solches Ver­gnügen mit Rücksicht auf die bedeutenden Kosten des fliegenden Restaurants etwas teuer werden. Herr Tobiansky hat nämlich in voriger Woche mit einigen Brüsseler Kapitalisten einen Vertrag abgeschlossen, wonach dieselben 275000 Franks für das Unternehmen hergeben. Auch ein anderes interessantes Projekt kommt ganz sicher zur Ausführung. In dem auf dem Ausstellungs­terrain zu errichtenden Kongodorfe werden n äm