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Deutsches Weich.

Zur geplante» Reform der Reichsfinanzeil.

Die ziemlich umständliche und manchmal auch sehr verdrießliche Art der Feststellung des Reichsbudgels scheint in Berbindnng mit der Deckungsfrage des Militäretats im Schovße der Reichsregierung, bez. des Bundesrates den Plan gereist zu haben, eine Reform der Reichsfinanzen durchzusühren. und wird sich mit diesem Reform­projekt. dessen treibende Kraft in dem preußischen Finanzminister Dr. Miguel zu erblicken ist, wohl auch die deutsche Konferenz, welche die deutschen Finanzministcr am 8. August in Frankfurt a. M. abhalten. beschäftigen. Um über die Ziele dieser Reform klar zu werden, muß man sich mit der Art der bisherigen Aufbring­ung der Reichsfinanzen beschäftigen. Nach der Verfassung sorgen außer den eigenen Einnahmen des Reiches die Bundesstaaten durch die Matri- kularbeiträge für die gemeinsamen Reichsaus­gaben. also die Kassen der Bundesstaaten haben auch für die Reichskassen dafür aufzukommen. Dies ist nun aber im Hinblick auf die wachsenden Reichs- und Slaatsausgaben eine oft schwierige Sache für die Feststellung der Etats. Kompli­ziert wird die Stellung der Reichsfinanzen und deren Verhältnis zu den Bundesstaaten aber noch dadurch, daß die Einnahmen (nach der Frankenstein'schen Gesetzklausel) aus den Zöllen, sobald und soweit sie die Summe von 130 Mill. Mark übersteigen, an die Einzelstaaten überwiesen werden, welche diese Einnahmen aber gewöhnlich nicht zu ihren Staatszwecken verwerten können, sondern in Gestalt der Matrikularbeiträge an das Reich mehr oder weniger zurückzahlen müssen. Dabei werden offenbar die Etats der einzelnen Bundesstaaten auch durch die jährlich neu er­folgende Festsetzung der Matrikularbeiträge stark beeinträchtigt. Ein Resormgedanke will nun zu­nächst die Festsetzung der Matrikularbeiträge auf drei oder fünf Jahre erstreben, weil dadurch so­wohl das Reichsbudget als auch die Budgets der Einzelstaaten erleichtert werden würden. Da die hauptsächlichsten Ausgaben des Reiches, zumal jetzt nach der Heeresrefocm, als stabile angesehen werden können, so wäre wahrscheinlich finanziell kein Bedenken für die mehrjährige Fest­stellung der Matrikularbeiträge vorhanden. Der hauptsächlichste Reformgedanke besteht aber wohl darin, für bestimmte Ausgabezwecke auch mög­lichst bestimmte Einnahmen zu schaffen. also ganz bestimmte Arten von Steuern dem Reiche, dann den Bundesstaaten und ferner den Ge­meinden zu überweisen. Eine solche prinzipielle Reform des deutschen Steuer- und Finanzwesens kann natürlich nur unter den Bundesstaaten selbst angeregt werden und nicht etwa vom Reichstage allein, der in staatlichen Angelegen­heiten keine Competenz hat. Von der Reichs­gesetzgebung aus soll aber die Reform durchge- sührt werden, daß die Bundesstaaten nicht mehr einen schwankenden Teil der Zolleinnahmen, sondern einen nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre berechneten bekommen, also einen viel festeren Etat erhalten sollen. Sache des Reiches soll es aber bleiben, etwaige Defizits in den Reichseinnahmen zu decken. Man darf sagen, daß dieser Reformplan gute Tendenz hat.

Wegen stürmischen Wetters auf der Ostsee haben der Kaiser und die Kaiserin am Samstag ihre Rückreise nach Kiel unterbrochen und haben der Insel Rügen einen Besuch abge­stattet. Die Rückfahrt nach Kiel erfolgte des­halb seitens des kaiserlichen Paares erst am Montag.

Berlin, 25. Juli. Der Handelsminister macht bekannt: Nach Mitteilung der russischen Regierung tritt der russische Maximaltarif am 1. August Deutschland gegenüber in Kraft.

Kürzlich brachte dasDresd. Journ." die Mitteilung, daß Dr. zur. Prinz Max von Sachsen, ein Neffe des Königs, seine mili­tärische Laufbahn aufgegeben habe und seine Studien in Eichstätt in Bayern fortzusetzen be­absichtige. Inzwischen ist, wie aus Oschatz ge­meldet wird, der Prinz von dort ohne Diener­schaft und Begleitung abgereist, nachdem er auf Nimmerwiedersehen von seiner Umgebung Ab­

schied genommen; er ist in ein Kloster gegangen. Dazu bemerkt ein Mitarbeiter des Oschatzer Amtsblattes Folgendes:Da auch bei uns in Sachsen der Grundsatz gilt, daß jeder nach seiner Fasson selig werde, so würde diese Thatsache an sich Niemand näher berühren; allein sie hat einen hochbedcutenden politischen Hintergrund, der jeden Vaterlandsfreund mit Sorge in die Zukunft blicken läßt. Es handelt sich hier nicht um eine Privatperson, sondern um einen Prinzen des kgl. Hauses, den Neffen des Königs. Man fragte sich unwillkürlich: Wie war es nur mög­lich, daß der jugendliche, hochbegabte Prinz, der sich die Doktorwürde erworben hat, seine Lauf­bahn auigegeben und den verhängnisvollen Schritt thun konnte? Ganz sicher nicht völlig aus sich, aus eigener Entschließung heraus, sondern nur unter dem Drucke eines mächtigen Einflusses. Und wo dieser zu suchen ist, darüber kann niemand im Zweifel sein. Man geht sicher nicht fehl, wenn man hier aus den Einfluß des Jesuitismus zurückkommt, wie er in dem Bischof Wahl zu Dresden (der Genannte hat auch dem Prinzen während seines Aufenthaltes in Oschatz zweimal einen Besuch abgestattet) vertreten wird. Man weiß, wie regelmäßig der Prinz die von gehaltenen Gottesdienste besuchte, und man er­innert sich, wie gerade diese Mann es war, der gegen den Schluß des vorigen Landtags sich berufen fühlte, in der 1' Kammer auf besondere Weisung aus Rom die Aufhebung des die kath. Kirche betreffenden Gesetzes vom Jahre 1876 zu verlangen. Es gelang ihm nicht, damals den Kulturkampf nach Sachsen zu tragen, aber daß er im Sinne und Geiste Roms die Macht des Katholizismus in Sachsen mit allen Mitteln auszudehnen nicht unterlassen werde, das be­fürchtet Jedermann von ihm. Der Gang des Prinzen ins Kloster ist eine Wirkung dieser Be­strebungen."

Fürst Bismarck wird im Laufe dieser Woche seine durch die Krankheit der Fürstin verzögerte Reise nach Kissingen antreten. Er wird wieder, wie in früheren Jahren, auf der oberen Saline wohnen. Der Prinz-Regent von Bayern stellt dem Fürsten für die Darre,r seines Kissinger Aufenthalts Hofwagen und Hofdiener­schaft wieder zur Verfügung. Ueberhaupt wird Fürst Bismarck überall auf bayerischem Boden seitens der Behörden genau so behandelt, wie zu der Zeit, als er noch der mächtige deutsche Reichskanzler war.

Mit der Roggenernte ist vielfach schon begonnen. Der Ertrag ist zum Teil recht be- friedigend, mitunter aber auch mehr als dürftig. Da aus dem Osten meist gute Nachrichten kommen, ist für Deutschland doch im Ganzen eine befriedigende Mittelernte zu erwarten.

Das bayerische Alpenvorland ist im All­gemeinen von der Futternot verschont geblieben. Die Heuernte ist nach Güte und Menge dort zur vollen Zufriedenheit ausgefallen.

Posen, 17. Juli. Ein hiesiges Dienst­mädchen liegt fast seit einer Woche in ununter­brochenem, festem Schlaf. Das Mädchen ist, abgesehen von einigen kleinen Anfällen von Hysterie, vollständig gesund. Es kann nur durch Nadelstiche oder Auftröpfeln von heißem Siegel­lack so weit aus ihrem Schlummer geweckt werden daß es die Augen ausschlägt. Zum eigentlichen Bewußtsein kommt die Kranke indessen an­scheinend nie Die Nahrung, die ihr in den Mund eingeflößt wird, besteht aus einem Milchbrei.

Karlsruhe, 23. Juli. Von dem Dar­niederliegen der Bauthätigkeit giebt ein Bericht unserer Handelskammer Zeugnis, wonach die Anzahl der Neubauten sich gegen 1889 auf nahezu ein Drittel vermindert hat. Es ent­standen 52 Nordergebäude mit 918 Zimmern und 265 Küchen. Außerdem 12 Stockaufbauten 6 kleinere Hinter-, bezw. Seitengebäude. Auch in der Ausstattung bemerkt man eine Zurück­haltung aus Sparsamkeitsrücksichten. Verhält­nismäßig bedeutender sind die öffentlichen Bauten, zu welchem im laufenden Jahre noch die neue Jnfanteriekaserne und die Oderrealschule kommen. Trotz mancher finanziellen Stockungen und ge­richtlichen Versteigerungen ist es doch zu keinem Baukrach" gekommen.

In Mannheim ist dieser Tage im offene» Rhein e,n mit 17 000 Backsteinen beladene« Schiff gesunken. Die Mannschaft konnte nur mit Mühe gerettet werden.

Pforzheim, 23. Juli. Dem Reichstags, abgeordneten Frank übersandte eine Versamm­lung von Landwirten des Bezirks, die hstr tagten, eine Dankadresse für seine energische Einsprache im Reichstage gegen die diesjährige Abhaltung der Manöver. Die geplante land­wirtschaftliche Gauausstellung wird der Futtcr- not wegen in diesem Sommer hier nicht gehalten werden, dagegen findet Anfang September eine Gartenbauausstellung im hiesigen Stadtgarten statt, welche mit einer besonders festlichen Be­gehung des Geburtstages des Großherzogs (S. Sept.) verbunden werden soll. Die Saal-' baufrage, welche von der letzten Bürgeraus- schußsitzung abschlägig beschieden wurde, läßt sich dadurch nicht zur Ruhe bringen. Es wird nämlich vom Saalbaukomite eine Denkschrift, die von 20 hiesigen Bereinsvorständen unterschrieben wird, ausgearbeitet. Dieselbe soll das Verständnis für diese hochbedeutsame städtische Angelegenheit unter der Bürgerwelt fördern und eine noch, malige Inangriffnahme dieser Frage bezwecken.

Württemberg.

Der Staatsanz. ist in der Lage, die Er­gebnisse der amtlichen Erhebungen des K. Statistischen Landesamts über den Saaten- stand im Monat Juli für das Land im ganzen, wie für die einzelnen Kreise mitzuteilen. Während der letzten 4 Wochen sind im größten Teile des Landes häufige und mehr oder weniger ausgiebige Gewitterregen niedergcgangen, welche allen Gewächsen sehr zu statten kamen und bei mehreren die nachteiligen Wirkungen der vor­ausgegangenen Trockenheit nahezu wieder aus­geglichen haben. Einige Gegenden allerdings, hauptsächlich der mittlere und südliche Teil des Jagstkceiscs (Bezirk Crailsheim, Gerabronn, Gaildorf, Gmünd, Ellwangen, Aalen, Neresheim, Heidenheim) hatten bis jetzt nur ungenügende Regenfälle, weshalb dort der Stand der Felder mit Ausnahme der Winterfrucht als ein geringer bezeichnet und insbesondere über diejenigen der Futterpflanzen noch immer sehr geklagt wird. Hagelschläge sind bisher verhältnismäßig wenig vorgekommen. Die Winterhalmfrüchte zeigen im allgemeinen einen befriedigenden, viel­fach sogar einen guten Stand. Die Witterung war fast überall der Körnerausbildung und einem langsamen Ausreisen der Frucht überaus günstig. Nur vereinzelt wird wegen vorherrschender Trockenheit ein zu rasches Reisen befürchtet. Der Strohertrag allerdings wird durchschnittlich kaum mehr als ein mittlerer werden. Der Win­terroggen, welcher zum Teil bereits geerntet ist, zum Teil soeben geschritten wird, übertrifft viel­fach die Erwartungen. Die Dinkelernte hat in einigen Bezirken des Neckarkreises ebenfalls be­reits begonnen. Von den Sommerhalm­früchten hat sich besonders die Gerste, weniger dagegen Sommerweizen und Haber erholt. Die Gerste steht in mehreren Bezirken sogar gut und dürfte im Durchschnitt eine Mittelernte liefern. Der Haber wird vielfach als dünn, doppelwüchsig und kurz im Stroh bezeichnet. Der Stand der Kartoffeln ist einige wenige Bezirke, wo von einer Krankheitscrschcin- und von Schaden durch Käfer berichtet wird, (Bezirk Baihingen, Rottenburg, Heidenheim) ausgenommen ein guter, hie und da wird er sogar als sehr gut gerühmt. Dagegen lauten beim Hopfen die eingekommenen Berichte nicht günstig. In vielen und hauptsächlich den wich­tigsten Hopfenbezirken werden die Hopfenpflanz­ungen von Ungeziefer aller Art, Schwarzbrano und Kupferbrand heimgesucht. Nur einzelne hievon verschonte Lagen versprechen eine GluclS- ernte. Der erste Schnitt von Klee un Wiesen hat nur in einigen (oberschwädlschen) Bezirken des Donaukreises einen onnahcrn vollen Ertrag geliefert; im übrigen ergab > Ernte im günstigsten Fall einen Drittelser rag. meistens aber viel weniger. Dagegen M Qualität des geernteten Heus befriedigend, den zweiten Schnitt betrifft, so kannst Rotklee trotz der günstigeren Witterung