431

nd die von der Regierung über die Deckungs- sraae abzugcbenden Erklärungen betrafen. Ob­gleich in diesen Beziehungen noch nicht alle Meinungsverschiedenheiten beseitigt sind und die Kruppe der Antisemiten betreffs ihrer Abstimm. M uneinig ist. wird an der Annahme der Vor­lage nicht gezweifelt. Die Tagung dürfte schon Eude der nächsten Woche geschlossen werden können.

Berlin. 7. Juli. Die Kommissions­beratung der Mllitärvorlage wird keiner­seits beantragt werden.

Berlin. 6. Juli. Die Konservativen im Reichstage beantragen Ermäßigung der Eisen­bahnfrachttarife nicht blos für Futtermittel, sondern auch für Vieh, damit solches ohne große Kosten aus futterarmen Gegenden in futierreiche zur Mast geschafft werden könne. Der volksparteiliche Antrag auf zeitweilige Be­seitigung der Futterzölle ist aussichtslos, da be­züglich derselben auch da, wo man überall die Verbilligung der Futterpreise (Mais und Reis) wünscht, große Bedenken bezüglich der Wirkung der Zollaufhebung bestehen.

Berlin, 7, Juli. DcrJesuitenantrag nnd die andern Anträge des Zentrums sind nur gestellt, um für den Fall der Vertagung statt des Schlusses der Session den Vorrang zu haben Ein rascher Verlauf der Tagung wird allge­

mein angenommen.

Berlin. 7. Juli. Der russ. Botschafter Gras Schuwalow zeigte dem Hose an, daß der Großfürst-Thronfolger am II. auf der Durchreise nach Petersburg dem Kaiser und der Kaiserin seinen Besuch abzustatten wünsche. Ein laiserl. Extrazug wird dem Großfürsten auf der Grenzstation zur Verfügung gestellt. Abends findet Tafel im Neuen Palais in Potsdam statt, worauf der Großfürst die Reise fortsetzt.

Berlin, 6. Juli. DerReichsanzeiger" veröffentlicht einen Erlaß des Arbeitsministers an die Eisenbahndirektionen, wonach außer den bereits genehmigten Frachtermäßigungen für Torfstreu und Futtermittel ferner in Aussicht genommen ist, für besonders hart betroffene Kreise eine Frachtermäßigung von 25 Prozent aus Anforderung der Empfänger zurückzuerstattcn. wenn nachgewiesen wird, daß die bezogene Streu und die Futtermittel in dem landwirtschaftlichen Betriebe des Empfängers Verwendung finden-

Der Mei ni ngens ch e Land tag ist heute zusammengetreten. Die Regierung verlangt in­folge des Futtermangels 300 000 Staatshilfe.

Nach den Urwahlen zur bayerischen Abgeordnetenkammer ist in München I die Wahl der liberalen Kandidaten, in München II. die Wahl der sozialistischen und in Hof und Regenburg diejenigen der ltberdlen Kandidaten gesichert. Bei der Nürnberger Landtagswahl siegten die Sozialdemokraten über die vereinig­ten Liberalen. In Fürth haben die vereinigten Liberalen den Sieg davongelragen. Die Pfalz entsendet wieder ausschließlich 20 liberale Abgeordnete nach München.

Aus der Pfalz, 2. Juli. (Obst und Wein.) Obwohl der Sommer auch bei uns zu trocken ist, so giebt es Heuer bei uns sehr viel Obst und ebensoviel Wein und daß der letztere auch eine vorzügliche Qualität bekommt, läßt sich m einem so warmen, regenarmen Jahr mit ziem­licher Sicherheit erwarten.

AusdemElsaß. Hangweiler, 5. Juli. Daß es noch reichstreue Gemeinden giebt, das hat die unsere bei der letzten Wahl bethätigt. Om ander Kandidat wie Küchly war nicht be­kannt. Aber den wollten unsere Bauern nicht Wahlen, weil er gegen die Mllitärvorlage war Als nun am Wahlabend die Wahlurne geöffnet wurde, da lagen 70 giltige Zettel darin, auf welchen ohne Ausnahme der NameDr. Petri «traßburg« geschrieben stand.

Der neue Sturz des Silberpreises, wcht hervorgerufen aber beschleunigt durch die Anstellung, der Silberprägungen seitens der in- llchen Regierung hat nicht nur zahlreiche Silber- winen in Nord- und Süvamerika zur Einstellung Nes ganzen Betriebs genötigt, sondern auch die , g'i -wg der Bereinigten Staaten in arge Ver- ^gen M gebracht. Gold ist in den Vereinigten

zu einer förmlichen Rarität geworden

und Präsident Cleveland will den Kongreß auf den Monat September einberufen, um zunächst die Shermanbill abzuschaffen, durch welche bis­her die Regierung gezwungen war, monatlich 4'/, Mill. Unzen Silber anzukaufen und aus­zuprägen.

Das plötzliche Sinken des Silber­wertes hat auf unser Silbergeld einen sehr niederschlagenden Eindruck gemacht. Der Thaler fühlt nur noch etwa I*/, ^6 Wert in sich, das Fünfmarkstück 2Ui das Zweimarkstück 90 und das Markstück 45 ^s. Auf den inländischen Verkehr hat das glücklicherweise keinen Einfluß.

Württemberg.

Stuttgart, 7. Juli. Kriegsminister Generallieutenant Schott v. Schotten st ein ist. begleitet von dem Geh. Kriegsrat v. Horion und Major Funk, gestern nach Berlin abgereist, um an den Verhandlungen des Reichstags über die Mllitärvorlage Teil zu nehmen.

Stuttgart, 7. Juli, kost kesta xro- pllota d. h. die Selbstüberhebung, vergangene Dinge richtig prophezeit zu haben, ist von je­her ein billiges Vergnügen gewesen. So wollen jetzt gewisse Blätter schon im April gewußt haben, daß auch der ganze Mai und der halbe Juni trocken bleiben und die Futternot, die jetzt vorhanden ist, verursachen werde. Dieselben Blätter machen nun der Regierung einen Vor­wurf daraus, daß diese nicht schon vor 2 Mona- ten, als das Heu noch billiger war, solches massenhaft aufgekauft habe. Wenn die Regier­ung dieses wirklich gethan und es Mitte Mai noch rechtzeitig geregnet hätte, so wären ihr von derselben Seite aus die schwersten Vorwürfe über Verschleuderung der Staatsgelder nicht er­spart geblieben. Der Regierung wird auch jetzt der Vorwurf gemacht, daß sie mit ihrem Vor­gehen auf die Anregung aus landw. Kreisen ge­wartet habe, während sonst dieselben Ankläger überall ein genossenschaftliches Vorgehen der Bürger als Allheilmittel betonen; kurz der Jude. d. h. in diesem Falle die Regierung wird verbrannt. Im ganzen Lande anerkennt man es aber dankbar, was die Staatsregierung bis jetzt zur Linderung der Futternot überall ge- lhan und angeordnet hat. Die überstürzten Viehverkäufe um jeden Preis haben aufgehört, weshalb auch die Fleischpreise schon wieder in die Höhe gegangen sind. Freilich zeigt gerade die gegenwärtige Futternot, wie notwendig es ist, unfern Bauern prinzipiell, d. h. nicht nur für außerordentlich schädliche Ereignisse und in vor­übergehender Weise zu helfen. Von gewisser Seite sieht man mit merklichem Bangen einer wirtschaftlichen Organisation des Bauernstandes entgegen, wie ihr denn auch die Organisation der Handwerker, bevor diese vollzogen ist, schwer im Magen liegt. Es gebe doch gewiß nichts Ein­facheres, um die Handwerker für irgend eine politische Partei einzufangen, als diesen nicht nur durch Worte, sondern auch durch die That zu zeigen, daß man ihnen helfen kann und will. Aber gerade in dieser Frage der wirklichen Hilfe liegt der Hund begraben. Wie man hört, wird durch den provisorischen Ausschuß, welcher in der anfangs voriger Woche abgehaltenen großen Handwerkerversammlung gewählt wurde, das in dem Entwurf bereits vorliegende Statut eines Schwäbischen Handwerkerbundes" noch in dieser Woche durchberaten, um so bald als möglich einer konstituierenden Generalversammlung zur Annahme vorgelegt zu werden.

Im 1. württemb. Reichstagswahlkreis dauert die Erbitterung der Sozialdemo­kraten gegen die Demokraten wegen des Durch­falls des Schreiners Kloß, der aber seit Jahren keinen Hobel mehr gesehen hat, noch immer fort. Be­sonders ärgerlich sind die Sozialisten auch über die Filderbauern, und da jene Generalpächter aller Freiheit über Jedermann, dem sie beizukommen vermögen, den Boykott verhängen, wenn man ihrem Machtgebot sich nicht unterwirft, so werden die Stuttgarter Herren Arbeiter wohl demnächst beschließen, daß kein überzeugter Sozial­demokrat die nächsten 4 oder 5 Winter hindurch mehr Sauerkraut von den Fildern essen darf, dann mögen die Filderbauern zusehen, an wen sie ihr Sauerkraut verkaufen !!!

Stuttgart. 5. Juli. (Korresp) Der deutsch-konservative Verein hier hielt heute abend im großen Saal des Herzog Christoph eine Monatsversammlung ab. Auf der Tages­ordnung standen: 1) Bericht über die Reichs­tagswahl insbesondere im IV. Wahlkreis und 2) Besprechung der Handwerkerbewegung. Der Vorsitzende Gemeinderat Gundert eröffnte die Versammlung und erteilte sodann dem Re­dakteur Schrempf das Wort. Dieser war als Kandidat für den IV. Wahlkreis (Böblingen. Leonberg, Vaihingen, Maulbronn) seitens der konservativen Partei ausgestellt und berichtete über die von ihm unternommenen Wahlreisen und die Agitation der Gegner. Hieran schloß sich eine kürzere Debatte, worauf zur Besprech­ung der Handwerkerbewegung übergegangen wurde. Auch hierüber sprach Redakteur Schrempf als Referent. Redner führte aus. der Mittel­stand sei in Gefahr zermalmt zu werden, dringend notwendig sei die Organisation desselben. Die Gründung einer besonderen Wittelstandspartei sei aussichtslos, vielmehr sei es das einzig richtige, daß sich die Angehörigen vom Gewerbe- und Handwerkerstand derjenigen von den schon be­stehenden Parteien anschließen, welche von jeher ihre Interessen kräftig vertreten habe. Bedauer­lich sei, daß die Genannten zum großen Teil in Verkennung ihrer wahren Interessen der Demokratie folgen, welche ihnen weder etwas bieten wolle noch könne. Kaufmann Müller wies darauf hin. daß die Mittelstandsbewegung im Fluß begriffen und daß der Schutzverein für Handel und Gewerbe bereits in der letzten Wahl mit selbständigen Forderungen an die Kandidaten herangetreten sei. Redakteur Schrempf enlgeg- nete, die konservative Partei habe schon längst in dieser Beziehung das Richtige verfolgt, ins­besondere in der Bekämpfung der schrankenlosen Gewerbefreiheit u.s w. Leider sei im Volk das richtige Erkenntnis hievon vielfach nicht vor­handen und gelte die konservative Partei eben alsRegierungspartei", während sie doch dem Grundsatz lebe, nach Oben und Unten gleich Farbe zu bekennen.

Stuttgart. 7. Juli. Der gestrige Donnerstag hat Gewitter und guten Regen und die letzte Nacht einige Abkühlung gebracht (12° R). Der Barometer verharrt seit mehreren Tagen genau auf mittel.

Freud ensta dl, 2. Juli. Eine schlimme Erfahrung mußte ein Heuer bei der Oberersatz­musterung als tauglich befundener Rekrut machen. Derselbe trank, wohl im Bewußtsein, als Vater- landsverteidiger tauglich zu sein, einige Glas Bier über den Durst und legte sich auf dem Heimweg, um sich von den ausgestandenen Stra­pazen zu erholen, auf eine dicht an der Straße stehende Ruhebank zum Schlafen nieder, nach­dem er zuvor seine funkelnagelneuen Stiefel aus­gezogen hatte. Wer beschreibt seine Bestürzung, als er beim Erwachen wahrnahm, daß die Stiefel verschwunden waren. Es blieb ihm nun nichts anderes übrig, als seinen Heimweg barfuß an­zutreten. Taschenuhr und Schirm, die neben den Stiefeln lagen, hatte der Dieb ihm ge­lassen.

Ausland.

In Paris ging es auch am 5. Juli bis spät in die Nacht tumultuarisch genug zu, doch scheint der Janhagel sich ausgetobt und die Bewegung ihren Höhepunkt überschritten zu haben, falls nicht die langsam wiederkehrende Ruhe nur eine Kunstpause in dem wüsten Höllen- breughel der letzten Tage bedeutet. Am gestrigen Nachmittag errichtete eine Bande halbwüchsiger Burschen mittels Balken, die vom Bauplatz der Sorbonne herbeigeschafft wurden, eine Art Barrikade in der Rue Cujas. Die Polizei nahm die Barrikade nach lebhaftem Widerstand, wobei mehrere Polizisten durch Steinwürfe ver­wundet wurden. Gegen 1l Uhr Abends er­folgte in der Rue des Ecolcs neuerdings ein blutiger Zusammenstoß. Die republikanischen Garden gingen mit blanker Waffe vor, die Polizeisoldaten gaben Revolverschüsse ab, ein Mann wurde durch einen Säbelhieb tätlich ge­troffen. Heute Morgen hatte sich die Aufreg­ung einigermaßen gelegt, und zur Wiederher-