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stellung der Ordnung trug der Umstand nicht am wenigsten bei. daß die Droschkenkutscher, die sich bekanntlich schon seit längerer Zeit im Aus­stand befanden, die Arbeit im vollen Umfange wieder ausgenommen haben. Eine Ministerkrisis scheint gleichwohl in Aussicht zu stehen. Der überwiegend radikale Pariser Gemeinderal hat in feiner gestrigen Sitzung bereits eine Reso­lution angenommen, wonach der Polizeipräfekt Lozä und der Minsterprästdent Dupuy für die Vorfälle der letzten Tage verantwortlich gemacht werden sollen. Die Kammer hat zwar dem Wunsch der Regierung Rechnung getragen und die Beantwortung der Interpellation mit ziem­licher Mehrheit auf Montag vertagt. Für das Ministerium Dupuy scheint dies jedoch nur eine Galgenfrist zu fein und ein Mißtrauensvotum schier unausbleiblich.

Unterhaltender Teil.

Um Tod und Leben.

Eine Erzählung aus den Ausläufern des Rothhaar.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung 12.)

8 .

Am Rande des Grabes.

In der Gesindestube von Schloß Holzhausen herrschte unter den anwesenden Knechten und Mägden lebhafte Erregung. Wie überall, so drehte sich auch hier das Gespräch um das rätselhafte Verschwinden des beliebten Ober­försters. Der Graf selbst war auf die erste Nachricht hin in die Schwärze geritten, wo man das Gewehr des Vermißten gefunden; er hatte selbst feine Leute zur Untersuchung des wild angewachsenen Flusses angespornt. Alles war vergebens gewesen. Man wußte, der Herr liebte den neuen Forstbeamten sehr und hatte deshalb die Erregung begriffen, in welcher er hinaus­geritten war. Vom Flusse aus war dann der Graf nach des Wildwärters Häuschen auf der Waldhöhe geeilt und war von dort beruhigter nach Hause gekommen, hatte auch bald den Befehl gegeben, die Rettungsversuche einzustellen. Er wolle Nachrichten aus dem Thal abwarten, hatte er gesagt.

War so wie so alles Suchen vergebens!" sagte eben der Oberknecht an der langen Tafel der Gesindestube, auf welcher das dampfende Mahl für die von anstrengender Arbeit zurück­gekehrten aufgetragen wurde,es war so wie so alles vergebens; wen der aufgeregte Fluß mitführt, gibt er erst weiter unten im Thal wieder frei, dafür ist die Strömung viel zu stark, meinst Du nicht auch. Hanjost?"

Der Angeredete nickte.

Ganz unten an dem langen Tische saß der kurze Kuhschweizer. Vor sich hatte er einen gewaltigen Haufen Kartoffeln aufgepflanzt, hinter dem er kaum zu sehen war. Sein Mundwerk war wacker in Thätigkeit, wenn auch kein Wort über seine Lippen kam, an dem laut gewordenen Gespräch nahm er nicht Anteil, ruhig widmete er seine ganze Aufmerksamkeit dem vor ihm liegenden Kartoffelvorrate. Und doch nicht, er sorgte nicht für sich allein. Neben ihm stand des Oberförsters gewaltiger Tyras. und der Hirt warf dem Hunde von seinem Teller alle die Brocken Fleisch zu. sich selbst mit den Kar­toffeln begnügend. Wie kam der Hund zu dem Hirten? Niemand wußte es, auf alle Fragen war Josthenner stumm geblieben.

Na. Henner, wie geht's", fragte der Ober- knechl, mehr aus Gewohnheit als aus Teilnahme mit dem armen Menschen; kannte man doch feine ständige Antwort.

So la la," klang es dann auch wieder zurück,wenn man sich nicht heranhält, kommt man zu kurz beim Essen!"

Alle lachten, wie es gewöhnlich geschah, wenn Josthenner von seiner Lieblingsbeschäftig­ung sprach. Sein Kartoffelvorrat schwand sicht­bar dahin, und seine Fleischbrocken verschwanden in dem gewaltigen Rachen des ihn anstarrenden Jagdhundes.

Wie kommst Du zu dem Hunde?" fragte einer der gräflichen Bedienten.Du scheinst

Dich bereits als Erbe des Verunglückten anzu­sehen. Das Tier bei der Heerde zu verwenden wird doch wohl nicht angeh'n. dazu ist es zu edel."

Josthenner lächelte und gab keine Antwort. Plötzlich neigte er sich von seiner Bank hinab zu dem Ohre des Hundes und flüsterte unhörbar:

Laß sie reden, Tyras. wir müssen mehr als sie alle, wir beide, wir haben ihn gerettet, gelt alter Freund?"

Das edle Tier schien ihn zu verstehen, die heftigen Bewegungen seiner Rute ließen fest darauf schließen.

Der Hirte Josthenner soll sofort zum gnädigen Herrn kommen!"

In der Gesellschaft der Gesindestube ent­stand heftige Bewegung. Der Kuhschweizer beim gnädigen Herrn? Was sollte das bedeuten? Doch als der Befehl von dem in der Thür stehenden Kammerdiener des Grafen kategorisch wiederholt wurde, rutschte Josthenner von seiner Bank, strampelte mit seinen kurzen Beinen ein paar Mal in der Stube auf und ab, um die in die Höhe gerutschten Beinkleider in Ordnung zu bringen, wischte sich mit dem Rücken der Hand über den schmutzigen Mund und folgte dem rasch davonschreitenden Diener. Knechte und Mägde blieben in gewaltiger Aufregung zurück und ergingen sich in den gewagtesten Vermutungen, weshalb wohl dem Schweizer die Ehre teilhaftig wurde, vor dem Grafen zu erscheinen.

Ich glaube, er bekommt seinen Abschied," sagte der Oberknecht,er hat in den letzten Tagen kaum noch seine Heerde gesehen und ist im Walde umhergestreift wie ein Förster."

Man schloß sich der Ansicht des Gestrengen allgemein an, und es waren nicht wenige unter den Knechten, die im Geiste erwogen, welch' schönes und vor allen Dingen bequemes Geschäft es sei. als gräflicher Kuhschweizer den Sommer hindurch in Feld und Wald zu liegen, den Himmel anzusehen und die Mundharmonika zu spielen. Das Letztere konnte gewiß nicht so schwer sein, wenn ein Josthenner das schwierige Instrument bewältigte, dann konnte man es ge­wiß auch fertig bringen!

Die Mütze in der Hand drehend, mit einem Gesicht so dumm wie irgend thunlich, stand Josthenner nach wenig Minuten vor dem Schloß­herrn. Mit freundlichem Kopfnicken, ja mit kräftigem Händedruck wurde er von dem Grafen empfangen. Was er hier sollte, er wußte es nicht, aber cs war ihm, als könnte er's ahnen. Die bündige Frage des Herrn riß ihn bald aus allen Zweifeln.

Also Ihr habt den Oberförster Dornap gerettet, Josthenner?" Aus der Frage klang innere Bewegung des Redenden.

Josthenner stand da und seine Mütze drehte sich schneller und schneller, von einer Seite wiegte er den Körper auf die andere, jetzt machte er gar eine krampfhafte Bewegung, als wollte er sein geliebtes Instrument zum Munde führen. Freundliches Zureden endlich löste die schwere Zunge und unter vielfachem Stottern erzählte der Hirte:

Ich hatte vor dem herannahenden Gewitter meine Heerde eben in den Kamp getrieben, als die Waldarbeiter bei mir vorübereilten. Ich sollte mich unter Dach und Fach bringen, riefen sie mir zu, das Wetter könne arg werden, dann hörte ich noch, wie sie sich wunderten, daß bei solchem Wetter der Förster noch so weit in den Wald ginge. Den Gedanken an den Förster konnte ich nicht los werden; denn ich wußte, daß zwischen ihm und dem Wilderer Vesroth aus irgend einem Grunde Feindschaft bestehe. Da war's mir, als hörte ich von rechts, von der Schwärze her einen Schuß. Nicht lange darauf und das Unwetter brach plötzlich los. Mich litt's nicht noch Hause zu eilen, ehe ich mich versah, war ich auf dem Wege zur Schwärze. In Strömen goß der Regen herab, ich glitt bei jedem Schritte auf dem schlüpfrigen Waldboden aus. Da brauste vor mir die Schwärze wie ein kleiner Fluß. Und immer weiter ckrieb's mich vorwärts. Da bewegte sich vor mir auf der kleinen Bretterbrücke über den Bach eine Gestalt; sie schleifte eine andere hinter sich her.

Ich erkannte den Wilderer. Wer mochte der andere sein, war er tot? Eine gräßliche Ahnuna sagte mir, wer der Tote sein könnte. Da sprang der Vesroth durch das strömende Wasser warf sich einen ausgewirkten Rehbock über die Schulter und verschwand im Walde. In wenigen Sätzen war ,ch zum schwanken Brette geeilt, bis an die Brust schon ging mir das Wasser.' der Steg zitterte, hob sich, ich greife die leblose Gestalt, ich ziehe und zerre, woher ich -ie Kraft genommen, ich weiß es heute noch nicht, aber durch das brausende Wasser zog ich den Ober­förster bis unter eine Tanne am Ufer, dann lief ich davon. Wohin? Ich wußte es nicht, nur daß ich rasche Hilfe holen mußte, wußte ich Keinen trockenen Faden am Körper kam ich ani Forsthause an. Doch da war nur die alte Haushälterin; aber der Tyras kam mir bellend entgegen. Da faßte ich den Hund, der mich kennt, am Halsband und rascher wie ich ge­kommen, ging's wieder zurück. Rein außer sich war der Hund, als er seinen Herrn sah, er leckte ihm Hände und Gesicht, ich ließ ihn als Wächter zurück und was mich meine müden Beine nur trugen, ging's zum Hause des Wild­hüters. Wir beide haben den leblosen Körper in das Wildwärterhäuschen geschleppt; der Weg dahin war der bequemere. Das ist alles, was ich weiß."

Der Graf nickte.Ihr habt wacker ge­handelt, Josthenner. Wem habt Ihr von der Sache erzählt?"

Niemanden, der alte Ehrhardt und ich gaben uns gleich das Wort, zu schweigen, dis der Herr Graf von der Geschichte wüßte." »W

Schön lieber Josthenner, schweigt auch weiter, und hier nehmt."

Einige blanke Thaler glitten in die Mütze des erstaunten Hirten, der rasch zur Thür hinaus­stolperte. Draußen besah er das blanke Geld ganz genau.

Wahrhaftig, eine solche Summe hatte er noch nie im Besitze gehabt. Seine gute Laune bekam nach der ernsten Situation im gräflichen Zimmer wieder die Oberhand. Ein Sprung in die Luft, daß der Diener, der auf dem Flur lautlos hantierte, erschreckt zusammenfuhr.

Was wagt Ihr hier-!"

Doch was kümmerte den Glücklichen die barsche Anrede. Mit einem zweiten Satze stand er auf dem Hofe.

So", murmelte er für sich,das Copulier- geld hätten wir, nun wird sich das Frauen­zimmer auch noch finden!"

Fort war er und hinter ihm schloß der gräfliche Diener mit Worten des Unwillens die

Hausthür.-

- (Fortsetzung folgt.)

Stachelbeeren einzumachen. Unreife Stachelbeeren werden mehrfach durchstochen, mit kochendem Wasser abgebrüht und eine Viertel­stunde hingesteüt, dann auf ein Sieb gegossen, daß das Wasser abläuft. Zu 1 Pfund Stachel­beeren läutert man 1 Pfund Zucker mit l Glas Wasser, kocht die Beeren einmal damit, dann drei- bis viermal nur die Sauce, die man heiß über die Beeren schüttet.

(Musikalische Veranlagung.)Ist 3hre Frau auch musikalisch?"Gewiß. U"i eme Neuigkeit auszuposaunen, trommelt sie gleich d> ganze Nachbarschaft zusammen!"

Bilderrätsel. (Nachdruck verboten.^

Redaktion, Druck und Berlag von Chrn. Meeh io Neuenbürg.