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Verfahrens, beruhend auf dem Prinzip der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit. Er halte gesetzliche Bestimmungen für notwendig, durch welche die Einquartierungslasten er­leichtert werden sollen. Er halte fest an den Schutzzöllen für die Landwirtschaft und Industrie. Gegenüber der Behauptung der Gegnerin gegenwärtiger Zeit sei das Vaterland nicht in Gefahr, wohl aber die Volksrechte" nimmt Herr v. Gültlingen energisch Stellung, indem er feine früheren Er­klärungen wiederholte, daß er an den ver­fassungsmäßigen Rechten des Volks festh alten und zu einer Aenderung in dieser Hinsicht nie seine Hand bieten werde. Prüfen Sie alles, schließt der Redner, was ich leiden­schaftslos vorgetragen, prüfen Sie auch die gegnerischen Vorschläge. Wie Sie wählen sollen, kann ich Ihnen nicht vorschreiben, aber behalten Sie dabei im Auge das Wohl unseres geliebten deutschen Vaterlandes. Reicher Beifall wurde dem von patriotischer Ueberzeugung durch­drungenen Bortrag zuteil und alle Anwesenden dürften die Ueberzeugung gewonnen haben, daß unser seitheriger Abgeordneter Frhr. v. Gült­lingen ein aufrichtiger Freund des Volkes ist.

Hr. Loos sprach namens des Komites noch den innigsten Dank aus und macht noch speziell auf die hochpatriotische Gesinnung des Hrn. v. Gültlingen aufmerksam. Die Frage, die uns jetzt bewegt, sei in der Thal eine so tiefernste und schwerwiegende für unser Volk und Land. Er bittet einzustehen zum Heil und Segen für unser Vaterland. Es sprachen noch Hr. Amts­pfleger Kübler bei trefflicher Ausführung aller jetzt in Betracht kommenden Punkte, ferner Hr. Graf v. Uxkull. In tiefergreifenden Worten voll patriotischer Begeisterung führte letzterer aus: Wenn man Deutschland ansiehl, wie da nun seit Monaten um die Militärvorlage ge­marktet wird, um eine Vorlage, die von unserm Kaiser und den Heerführern als unbedingt not­wendig anerkannt wird, so sei ihm dies rein unbe­greiflich. Auf den Kandidaten übergehend sagte Hr. Graf, Gültlingen sei ein alter Bekannter von ihm, welcher gerade und wahr zu Werke geht, welcher nicht Wahrheit mit Unwahrheit vermischt. Begeisterte Zustimmung folgte auch diesem Appell an die Wähler. Noch erwähnte Hr. Maurcrm. I. Müller, daß er am Sonntag auch bei der volksparteil. Versammlung anwesend gewesen sei und daß er heute einen andern Eindruck bekommen habe. Hr. Cleß sei ihiy schon seit etwa 25 Jahren als Bauunternehmer bekannt, der es verhältnismäßig rasch zum Privatier ge­bracht habe. Er stimme entschieden für v. Gült­lingen. Nach weiterer anregender Unterhaltung trennten sich die Versammelten mit dem Wunsche, unser nationaler Kandidat, Landgerichtsrat Frhr. W. v. Gültlingen möge wieder den Wahlsieg davontragen.

Die weitreichende Bedeutung, welche die be­vorstehende Reichstagswahl besitzt, und jeder deutsche Wähler, der das Wahlgeschäft nicht als einen bloßen politischen Sport, sondern als einen ernsten und wichtigen Akt betrachtet, wird sie hoffentlich zu würdigen wissen. Leider ist die Militärfrage gleich von ihrem ersten Auf­tauchen an viel zu sehr als Parteisache, und weit weniger als das aufgefaßt und behandelt wor­den. was sie in Wahrheit darstellt, als eine eminente, nationale Angelegenheit. Nunmehr ist endlich der Tag der Klärung gekommen, die Entscheidung in dem scharfen Wahlkampfe, von der so viel und so Ernstes abhängt.

In letzter Stunde.

Der Wahn der militärischen Unbesiegbar­keit. in welchem das französische Volk vor 1870 befangen war, scheint zu unserer tiefen Be­schämung auch einen Teil des deutschen Volkes ergriffen zu haben. Der Chauvinismus, Größen­wahn, der für Frankreich 1870/71 so verhängnis­voll geworden, der eine empfindliche Demütigung und Niederlage zur Folge hatte, würde, wenn die deutsche Reichsregierung sich von den sie be­kämpfenden Parteien leiten und verhindern ließe, die militärische Streitmacht Deutschlands in dem

Maße zu vergrößern und verstärken, wie von den Nachbarstaaten geschieht, weit Unheilvolleres für Deutschland zur Folge haben, nämlich seine Unterdrückung. Zerstückelung und seine Abhängig­keit von fremden Eroberern.

Eine Partei, die mit der größten Energie gegen die Reichsregierung ankämpft, thut solches aus politischem Fanatismus, indem sie ein neues Evangelium, einen neuen Himmel und eine neue Erde verkündigt, den Untergang der nach ihrer Meinung korrumpierten, unverbesserlichen und hoffnungslosen Staaten prophezeit und die Herr­schaft des Sozialismus anstrebt.

Deshalb spricht sie dem heutigen Staat seine Existenzberechtigung vollständig ab und ver­weigert ihm die zu seiner Erhaltung und Ver­teidigung erforderlichen Mittel. Eine andere Partei hat die Gesellschaftsrettung auf ihre Fahne geschrieben:Zurück ins 13te Jahrhundert, in's goldene Mittelalter." Ihre Parole ist der Ab­solutismus, leibliche und geistige Knechtschaft, die Hierarchie, die Gottesherrschaft auf Erden in ihrem Sinn.

Eine dritte Partei bekämpft die Militär- Vorlage aus angeblicher Freiheitsliebe, aus Rechthaberei und gebärdet sich dabei als die Wächterin der Rechte und Freiheiten des Volkes, während sie in Wirklichkeit der Verbündete der reak­tionären und revolutionären Parteien ist und deren Widerstand gegen dieNeichsregierung verstärkt und unterstützt. Diese Partei, welche sich schmeichelt, für Geistesfreiheit und für die idealen Kultur­aufgaben einzustehen, spielt die verzweifelste Rolle. Mil der Phrase, der französische und russische Bauer wolle ebensowenig einen Krieg wie der deutsche Bauer und das deutsche Volk, ist gar nichts gesagt. Es ist bekannt, daß in Frankreich der Pöbel von Paris regiert. Die bisherigen Kriege wurden gegen den Willen und das Einverständnis der französischen und anderen Bauern geführt und so wird es auch in Zukunft sein. Ist denn der Bauer schon einmal gefragt worden, ob er Krieg oder Frieden will?!

Im Jahre 1871 hat Deutschland die ge­raubten Provinzen Elsaß-Lothringen zurückge­nommen. Statt daß Frankreich mit Einschluß seiner Bauern bekannt haben sollte:Unsere Väter haben an Deutschland gesündigt, daß Deutschland die ihm geraubten Provinzen zurück­nimmt. ist nicht mehr als billig", statt dessen heißt es Revanche. Zurückeroberung der deut­schen Provinzen Elsaß-Lothringen und fürchter­liche Rache an Deutschland.

Wenn das französische Heer oder eine feind­liche Armee einen einzigen Tag in Deutschland operiert, dann kostet es uns mehr als die ge­forderte Auslage für die Heeresvermehrung in 20 Jahren. Magdeburg hatte 1870 noch Kriegs­schulden von Kriegen aus dem vorigen Jahr­hundert. Der Feind nimmt nicht nur was augenblicklich vorhanden ist. er saugt durch seine Brandschatzungen ein Land oft auf hundert Jahre hinaus aus. Der Feind würde uns beweisen, daß trotz der heutigen Knauierei noch sehr viel bei uns zu holen wäre. Die Verstärkung der deutschen Heeresmacht ist eine Notwendigkeit, sie ist eine Pflicht der Selbsterhaltung, dringend geboten durch das Vorgehen anderer Staaten.

Haben die Deutschen vergessen, was sie bei dem Einfall feindlicher Heere durchzumachen halten, und welche schwere Opfer sie bringen mußten, wie ihre Söhne gezwungen wurden, in den feindlichen Reichen, gegen ihre eigenen Väter und Brüder die Waffen zu kehren. Deutsche er­wachet aus eurem Taumel!

gegen die Militärvorlage bedeute für De>M land militärische Schwäche, lähmende Unsjch heit auf allen Gebieten. Schädigung von HMg und Wandel und Vermehrung der Krieasakiak. Die Wähler möchten sich der Julitage v/n 1870 erinnern. Damals sei man froh über jedes zum Rhein ziehende Regiment. ZM- Tage könnten wiederkehren, dann werde der Militarismus zu Ehren kommen, welchen die verbündeten Regierungen ernster, gewissenhafter Fürsorge empfohlen hätten. in dem Bestreben Deutschlands Heer stark genung zu erhalten' um die Sicherheit und die Existenz der Vaters landcs erfolgreich zu verteidigen.

Metz. 13. Juni. Gestern abend 10 Uhr erfolgte ein Zusammenstoß des fälligen Saar- brücker Personenzuges mit dem nach Saarbura abgelassencn Güterzug zwischen Peltre und Courcelles. Vierzehn Personen sind verletzt davon einer schwer. Der Verkehr auf der a^ nannten Strecke ist bis jetzt gesperrt.

Württemberg.

Am. 15. d. M. wird wegen der Rcichstags- wahlen die Dienstzeit der allgemeinen Tele­phon an st alten, Umschaltstellen und öffent- lichen Telephonstcüen bis II Uhr nachts ver­längert.

Stuttgart. Oberstlieutenant a. D. Hch, v. Moser ist auf der landwirtschaftlichen Aus­stellung in Münchei? von einem Pferde so un­glücklich auf die Brust geschlagen worden, daß er den Folgen dieser Verletzung erlegen ist.

Herrenbcrg, 9. Juni. Die Ausführ­ungen des Hrn. v. Gültlingen wurden im Bezirk überall mit Beifall ausgenommen, nament­lich die ländliche Bevölkerung begrüßte die Zusicherung der Beibehaltung der Getreidezölle und der Verbesserung der Versicherungsgesetze immer mit Freuden. Nicht so warm stehen viele Wähler der Militärvorlage gegenüber, weil sie nicht an den Krieg glauben wollen und sie eine Mehrbelastung für die breiten Massen befürchten, doch hat der Redner durch seine treffliche Schilderung unserer poli­tischen Lage und durch seine Ausführungen über die Deckungsfrage manchen überzeugt, daß dieselbe zur Verteidigung des Vaterlandes und damit auch zur Erhaltung und Hebung unseres Erwerbslebens nötig ist und übelangebrachte Sparsamkeit der falsche Weg wäre. Man kann sagen, daß die warmen, patriotischen Worte unseres seitherigen Reichsbotens doch überall durchschlagend waren und nicht daran zu zweifeln ist, daß derselbe auch diesesmal wieder die meisten Stimmen auf sich vereinigen werde.

Bern eck, L. Juni. Unsere Gutsherrschaft, Frhr. v. Gültlingen. welche ja im Landtag für die Unterstützung der Bauern im gegen­wärtiger Zeit des Futter- und Strcumanges so warm eingetreten ist, gehl als Private mit gutem Beispiel voran und verabreicht Streu und Waldgras. Letzteres giebt sie in Losen ab und nur an Bedürftige, d. h. an solche Bieh- besitzer. die in Wirklichkeit heulos sind, nicht an solche, die Wässerwiesen besitzen und in Folge dessen Heuer den anderen gegenüber in großem Vorteil sind.

Rudolf Falb sagt: Der gegenwärtige Hochdruck dürfte eine neue Zunahme der Regen­mengen erst im Anschluß an den kritischen Termin vom 14. Juni (2. Ordnung) gestatten. Namentlich erwarten wir größere Niederschläge am 16. und 20. Juni.

Deutsches Keich.

Die offiziöseNordd. Allg. Ztg. ergreift aufs neue das Wort zur Militärvorlage, indem sie in einem längeren Artikel ausführt, daß die Gründe der Opposition gegen die Vor­lage nur bis zur Verneinung reichten. Die Verantwortung für die Folgen der Ablehnung würde anderen überlassen. Kein Gegner der Militärvorlage könne von der abermaligen Ver­werfung derselben einen Abschluß derart erwarten, daß die Frage der Verstärkung der Armee auch nur zeitweilig von der Tagesordnung verschwinde oder gar definitiv begraben werde. Das Votum

Anstand.

Fünskirchen. 13. Juni. Bei der Räumung des Dorfes Szabolcs von fremden Arbeitern mußte das Militär gegen die Wider­strebenden einschreiten. Zwölf Personen wurden leichter verletzt, die Anstifter des Widerstandes verhaftet.

Petersburg, 12. Juni. Minister v> Giers wurde heute vom Kaiser empfangen und übernimmt wiederum die Leitung des Ministeri­ums des Auswärtigen.

Redaktion, Druck und Vertag von Chrn. Mied in Neuenbürg.