Lebensmittel, des Bieres und ähnlicher Bedürf- Me. Keine neue Steuern! Die Kosten, die bei Einführung der 2jährigen Dienstzeit nach dem Angebot der Volkspartei erwachsen. seien durch progressive Reichseinkommenssteuer aufzu- dringen. Auch angenommen, die Kosten der Milärvorlage würden durch jene 3 Steuer, projekie und die Börsensteuer gedeckt, was dann? Dann sei der letzte Tropfen aus dem Volk her- ausgepreßt. Die Kosten der Vorlage werden mi, den Jahren nicht geringer werden, im Gegenteil; womil sollen denn die Mehrkosten, die übrigen auch im Wachsen begriffenen Be­dürfnisse des Reichs und der Einzelstaaten. die Reichsichulden gedeckt werden! Mehr noch als seühec müssen dann alle Ausgaben für Kultur- zweckein beschämender Weise- zurückgesetzt werden. Die 2jährige Dienstzeit muß gesetzlich festgclegt werden, damit das Volk nicht in einigen Jahren das Fortbestehen derselben aufs neue durch schwere Opfer erkaufen müsse. Es muß im Militärwesen mehr gespart werden, im Uni­formen-, Parade« und namentlich Pensionswesen; die Wünsche des Volkes bezüglich der Reform des Beschwerderechts und der Militärgerichls- barkeit müssen endlich erfüllt werden. Die Militärvorlagc sei nicht allein der Schwerpunkt dieser hochwichtigen Wahl; es gelle noch einen andern heftigen Kampf. Die Militärvorlage werde in spätestens zwei Monate erledigt sein; der Reichstag sei aber auf 5 Jahre gemäht. Wähle das deutsche Volk eine konservativ-national- libcrale Mehrheit, so werden die finstern reak­tionären Strömungen des preußischen Junker­tums. dem das freie Wahlrecht schon lange ein Dorn im Auge sei, die Gelegenheit nicht unbe- nützt vorübergehen lassen. um Hand an die Volkscechtc zu legen. In gegenwärtiger Zeit sei das Vaterland nicht in Gefahr, wohl aber seien es die freiheitlichen Rechte des Volkes. Reicher Beifall folgte diesen ernsten, aus tiefster Ueberzeugung kom­menden Worten. Nun ergriff Hr. Dr. Richter aus Pforzheim das Wort, um die Ausführungen des Kandidaten in einzelnen Punkten noch zu ergänzen. Ec besprach das französ. Heer, dem das unsrige an Stärke fast gleich, an Tüchtig­keit weit überlegen sei. In überzeugender Weise schildert er den Fluch des Militarismus in Europa, von dem dre Amerikaner und Engländer allein den Vorteil hätten. Er beklagt, daß die Bestrebungen der Friedensvereine in den deut­schen Parlamenten so wenig Unterstützung finden, während die Mehrzahl der französ. Abgeordneten, die doch allenthalben im Geruch des Chauvinis­mus stehen, denselben angehörcn. Wozu diese ewigen Rüstungen, da man doch alle Streitig, keilen auf schiedsgerichtlichem Wege schlichten könnte! Wenn wir jetzt die Militärvorlage bewilligen, so machen es uns alle europäischen Völker nach, und nach 5 Jahren müssen wir wieder vorn anfangen, und nichts ist erreicht, als daß die europäischen Völker unter neuen schweren Lasten seufzen. Nun wandte der Red ner seinen Blick in die Zukunft und schilderte an der Hand offiziöser Auslassungen und konser­vativer Wahlstugblätter die Gefahren, die dem allgemeinen geheimen und namentlich freien Wahlrecht drohen, und zu eben der Partei, welche sich mit solchen Plänen trage. gehöre der seitherige Abg. v. Gültlingen. Der Reichs­tag mit seinem freien Wahlrecht sei die höchste Errungenschaft, den uns das deutsche Reich ge­bracht habe; seine Ehre, seine Rechte müsse das deutsche Volk eifersüchtig hüten. Es müsse freie und unabhängige Männer in den Reichstag schicken, die des Volkes Rechte wahren, die den schon unzähligemal vorgebrachten Wünschen um Bewilligung von Diäten, um Reform der Mili­tärgerichtsbarkeit rc. endlich Geltung verschaffen und die einen wirksamen Damm bilden gegen gewisse absolutistische Neigungen. Diese form­gewandte Ansprache wurde mit reichem Beifall ausgenommen. Nachdem der Vorsitzende etwaige Gegner aufgefordert hatte, sich zum Bwrl zu melden, erhob sich H. Bohnenberger °n hier, der eine Erklärung gegen H. v. Gült- Mgen bezüglich dessen neuliche Verwahrung «achen der Unterstützung der Reservisten nv Landwehrmänner abgab. H. Cleß erklärte

hierauf, daß er über sein eigenes Programm spreche, daß er sich nicht berufen fühle, über die Thätigkeit und die Ansichten des seitherigen Abg. hier zu Gericht zu sitzen, und daß er es verschmähe wie auf der ganzen Wahlrcise so auch hier seinen Gegner persönlich anzugreifen. Wem er so nicht recht sei, dem könne er nicht helfen. Stürmischer Beifall folgte diesen Worten. Nachdem noch H. Fieß den Kandidaten in warmen Worten empfohlen und zu zahlreicher Beteiligung an der Wahl aufgefordert hatte, wurde die Versammlung geschloffen.

Neuenbürg. 13. Juni. Die Wahlver­sammlung für Freiherr« v. Gültlingen, welche schon am l. d. M. statlfinden sollte, wegen Un­wohlseins des Hrn. Kandidaten aber verschoben werden mußte, nahm heute nun, nachdem der­selbe vorher in Grunbach und Engelsbrand und gestern in Simmersfeld und Wildbad gesprochen hatte, einen sehr befriedigenden Verlauf. Herr Verw. Loos eröffnete an Stelle des Hrn. Stadt- schultheißen, welcher wegen des hier stattgehablen Bcandunglücks erst zu späterer Stunde erscheinen konnte, die Versammlung mit herzlichen Worten des Dankes für das Erscheinen des Hrn. von Gültlingen. Dieser selbst nahm nun das Wort und führte aus: Bevor er zur Begründung seines Programms übergehen könne, sei er leider genötigr, mehrere Unwahrheiten, die in den letzten Tagen von den Gegnern noch vorge- brachl worden sind, richtig zu stellen. Da sei es zuerst sein Verhalten in Sachen des Gesetzes über die Entschädigung der Familien Einbe­rufener. welches immer noch gegen ihn ausge­beutet werde, obwohl er doch wiederholte Er­klärungen abgegeben habe. Es werde ihm in letzter Stunde weiter unterschoben, daß er bei der Versammlung in Calmbach von einem Tag­lohn gesprochen habe, den er in Höhe von l ^ 20 bis 1 60 L für genügend halte.

Dies sei unwahr, man sollte ihm auch einen solchen Blödsinn nicht zutrauen; zudem habe er in Calmbach gar keine Veranlassung gehabt über zureichenden oder unzureichenden Taglohn zu Iprechen. Ferner werde jetzt von gewisser Seile behauptet. die Adeligen dürften keine Steuern bezahlen; dies sei ebenfalls unwahr, denn jeder Gesetzeskundige weiß, daß der Adel ebenso zu den Stenern herangezogen sei, wie jeder andere Bürger auch. Auch die z. Z. oft erwähnte sog. Verjüngung der Armee, die durch die neue Militärvorlage mitbezweckt wird, werde absicht­lich so dargestellt, als ob das Alter der Re­kruten künftig um 23 Jahre herabgesetzt würde. Es gehöre eine unglaubliche Dreistigkeit dazu, solche Unwahrheiten zu behaupten.

In längerer von vielem Beifall begleiteter Rede bezeichnet Hr. v. Gültlingen unsere Lage als Hochernst, der Parteigeist und die Parteileidenschaften wallen leidenschaftlich, der Klaffenhaß werde geschürt, die Partei komme zu­erst, das Vaterland zuletzt. Er wolle für das Wohl des Volkes einlreten wie auch seither, das könne man aber nur. wenn man für das Vater­land sorge. Redner kam hierauf zur Militär­vorlagc. Bismarck sei nur deshalb ein Gegner der neuen Militärvorlage, weil er kein Anhänger der Aufhebung der 3jährigen Präsenzzett sei. Redner glaubt, daß die Vorlage im neuen Reichstage durchgehe, denn von dieser Not­wendigkeit hätten sich auch solche überzeugt, die früher derselben widerstrebten. Auf letzterem Standpunkt stand anfänglich auch Huene, ein alter Offizier, der s. Z. auf dem Schlachtfelde gestanden Halle. Es seien 1003 Eingaben für und nur 247 gegen die Vorlage eingebracht worden. Die Bewegung gehe so tief durch das deutsche Volk und die deutsch-freisinnige Partei habe sich durch diese wichtige Frage geteilt. An der Hand amtlicher Zahlen aus den Akten der Kommission beweist er die Notwendigkeit der Heeresverstärkung. Die Friedenspräsenzstärke des Dreibundes betrage Million weniger als die von Frankreich und Rußland zusammen. Die Zahlen, welche die Gegner angeben, seien mit Vorsicht aufzunehmen. Leider werden ge­genwärtig so viele Unrichtigkeiten dem Volke vorgelragen, worüber Redner mehrere Beispiele aufzählt und seine Angaben mir genauen Zahlen

belegt. Die Volkspartei war schon längst für Erhöhung der Präsenzziffer und Payer habe s. Z. ebenfalls in diesem Sinne gesprochen, auch derBeobachter" habe 1886 und 1887 die­selben Grundsätze dargelcgt, auf dem die jetzige Militärvorlage stehe. Auffallend ist nur, daß die Vorlage gerade jetzt auf so heftigen Wioer- stcmd von seiten der Voltsparrei und des Frei­sinns stößt. Jetzt sagen sie:Wir haben eine solch gute Armee, daß sie siegen muß." Ja, wenn es mit dem Reden gethan wäre, aber die Feinde werden vor den Sprüchen eines Herrn Payer, eines Herrn Richter, eines Hrn. Dr. Lieber, eines Herrn Bebel u. s. w. nicht Halt machen. Da gehöre die That. her und die Mannhaftigkeit. Handel und Wandel stocke, wir müssen aus dieser Lage herauskommen. Frank­reich würde seine Heeresmacht nicht so sehr ver­größern, wenn es nicht auf Revanche sinnen würde. Dieser Anschauung sei inrBeobachter­auch einst gewesen, er habe geschrieben:rine Abrüstung gegenüber Frankreich und Rußland sei unmöglich." Es sei in der Weltgeschichte noch nicht vorgekommen, daß eine solch kräftige Nation wie Frankreich eine Scharte nicht aus­wetzen wollte. Wenn ihm jemand Garantie biete, daß Frankreich nicht angreife, werde er gegen die Vorlage stimmen. In drei Jahren sei die Vereinbarung des Dreibunds abgelaufen, ob immer Geneigtheit zur Erneuerung vor­handen , sei fraglich. Eine absolute Sicherheit liege immer in uns selbst. Ec könne nur be­dauern , daß in der französ. Kammer niemand den Mut habe, gegen die Steigerung ihrer Heeresmacht aufzutrcten, in welchem Fall wir dies auch nicht nötig hätten, aber jo viel Pa­triotismus wie die Franzosen sollten wir doch auch haben. Die allgemeine Verstimmung und Unzufriedenheit, der man allerwege begegne, liege z. T. in den Witterungsverhälrnissen; cs sei dies außerordentlich zu bedauern, aber es lasse sich nicht ändern, auch die Gegner der Vorlage könnten nicht regnen lassen. Viele seien auch unzufrieden über den neuen Kurs, zu diesen ge­höre in einer Beziehung auch er, indem er die Entlassung des Fürsten Bismarck bedaure. Es kümmere ihn hiebei nicht, wenn derBeobachter­schreibt, daß er sich damit blamiere. Diese all­gemeine Unzufriedenheit können wir aber nicht an unserem Vaterlande auslassen. Was wir der Regierung zum Schutze des Vaterlandes bewilligen, das bewilligen wir uns selbst. Was nun die Kosten anbetrifft, so sollen dieselben, wie er in seiner Erklärung bereits gesagt, auf die Reichen abgewälzt werden, allerdings er­kläre derBeobachter- diese seine Ansicht für den reinsten Schwindel, er aber sehe nicht ein, ob dies nicht zuwege gebracht werden könne durch eine Börsen st euer und eine Luxus­steuer. auch wäre er für eine Wehr st euer und zwar nicht pro Kopf, sondern daß der vom Militärdienst befreite Sohn eines Millionärs oder eines vermöglichen Mannes mehr zu be­zahlen hätte, als der weniger Bemittelte. Eine Bier- und Branntweinsteuer würde er ablehnen. Die Militärvorlage belaste pro Kopf der Bevölkerung mit 1,01 Diese Be­rechnung werde auch als Schwindel hingestellt, dieser liege aber auf der andern Seite. Der Beobacher" berechne hienach die Steuer auf 6 Kinder L ---6 1.10 «iL 6.60. Das wäre nun das Neueste, daß die Kinder auch besteuert würden. In Preußen wird pro Kopf eine Steuer von 20,62 in Frankreich 59,77 -/L, in Oesterreich 30,24 in Italien 32,31, in Rußland 16,72, in England 44,70 c/L erhoben. Redner kommt nun auf weitere Punkte seines Programms zu sprechen. Wie bekannt, will Hr. o. Gültlingen möglichst wenig Gesetze. Die be­stehenden, welche sich nicht bewährt haben, seien abzuschaffen oder doch abzuändern. So besonders die Versicherungsgesetze, die zwar gut gemeint seien, aber für unsere kleinbäuerlichen und klein­gewerblichen Verhältnisse nicht paffen und da­her entweder aufgehoben, oder durch Beschränk­ung auf die Fabrikarbeiter so abgeändert werden müssen, daß sich das Publikum eher mit ihnen befreunden kann. Redner wird ferner eintreten für Verbesserung des Beschwerderechts und Einführung eines neuen Straf-