Aus Stadt. Bezirk und Umgebung.

Eingescndet zur Reichstagswahl. In der jetzigen Wahlbewegnng wird dem bisherigen Abgeordneten v. Gül klingen immer noch seine Abstimmung in Sachen des Gesetzes über die Entschädigung der Familien der im Frieden Einberufenen zum Vorhalt gemocht. Der Eins, ds. möchte dem gegenüber an die Rechtfertigung des Herrn v. Gültlingen, die er bei der am LO.Nov. 1892 in Neuenbürg gehaltenen Wähler- Versammlung mündlich vorgebracht hat. erinnern. Dieselbe lautete:Er habe gegen das Gesetz gestimmt, nicht weil er etwa eine Unterstützung nicht gewähren wolle, sondern weil ihm die Anträge nicht zusagend waren, nach welchen die Angehörigen der Einberufenen zusammen nicht weiter als 60 Prozent des ortsüblichen Tage­lohns, der zudem im Reiche und sogar in neben- einonderlicgenden Gemeinden verschiedener Ober­amtsbezirke sehr verschieden sei. hätten bekommen sollen, wodurch gerade die Bedürftigsten mit zahlreicher Familie benachteiligt werden. Die Kommission habe zwar die Unterstützung erhöht, oder mit einer gewissen Beschränkung, denn die Unterstützung solle nurauf Verlangen" ge. währt werden, was nicht zu billigen sei ; die Entschädigung sollte von selbst gegeben werden müssen. Diese und andere Bedenken seien so schwerwiegend für ihn gewesen, daß er sich für die Kommissionsanträge nicht habe erwärmen können, um jo weniger, da der Staatssekretär v. Bötticher gesagt habe, die Regierungen werden das abgcänderle Gesetz nicht annehmen, sondern eine neue Vorlage einbringen; später wurde aber doch dieselbe Vorlage beim Bundcsrat ein» gebracht und angenommen und so sei ihm der Weg abgcschnitten gewesen; über die Regierungs­vorlage selbst sei gar nicht abgestimmt worden. Er habe in guter Absicht gehandelt, als er gegen die Anträge stimmte in der Hoffnung, daß eine neue Vorlage für die betreffenden Re­servisten noch günstiger ausfallcn werde. Von jeher sei er ein Freund der Bedürftigen gewesen und werde es auch fernerhin sein. Daß er den Angehörigen gerne mehr verwilligt hätte, be­weise sein Eintreten für die Abänderung der Bestimmungen über den Abzug an Jnvaliden- pensionen, deren Berücksichtigung nun auch von der Reichsregierung zugesagt sei. Redner teilte mit Genugthuung mit, daß er in den letzten Versammlungen zu Calw, Nagold und Herren­berg Zustimmung über sein Verhalten in vor­liegender Frage gefunden habe und so soll es ihn freuen, wenn dies auch hier der Fall sei. Mit Bezug auf weitere Angriffe gegnerischerseits erklärt der Hr. Abgeordnete, daß wenn er für eine Sache überzeugt sei, er auch stets den Mut habe, für dieselbe einzustehen."

Bezüglich der Militärvorlage sagte damals vor der großen Versammlung (am 20. Nov. 1892) Hr, v. Gültlingen: Er werde die Begründung der neuen Vorlage abwarlen und den Nachweis der Notwendigkeit gewissenhaft prüfen. Wird dieser Nachweis bündig und unfehlbar geliesert, so wird sich kein ächter Patriot der Sache ent­ziehen im Hinblick darauf, daß wir das nationale Unglück haben sollten, in einen Krieg verwickelt zu werden, der sür unser Vaterland die schwersten Folgen haben würde. Er wolle damit der Vorlage nicht das Wort reden, da er sich ja von deren Notwendigkeit noch nicht über­zeugt habe, aber er glaube, daß es einen Schocher hierbei nicht geben dürfe. Was wir bewilligen, bewilligen wir nicht den Regierungen, sondern unserem Vaterland und unserer Existenz. Man dürfe überzeugt sein, daß er unparteiisch die u^ge ^nit Rücksicht auf das Vaterland und dessen Tteuerkraft prüfen werde. Jedenfalls sei er nicht dafür, daß die Mehrkosten durch die -Nairlkularbeiträge erbracht werden; wenn das Reich Ausgaben machen will, so soll es auch mr Clnnahmeii sorgen. Als Gegenleistung werde le zweijährige Dienstzeit, welche aber nicht ge- irtzlich, sondern nnr im Weg der Verwaltung ^rsührt werden solle, geboten. Er glaube »der, daß die gesetzliche Einführung möglich ist.

(Eingesendet.)

Ich lese im Calwer Wochenblatt zu meinem Erstaunen, daß an den früheren Reichstags­abgeordneten Frhrn. v. Gültlingen die Anfrage gerichtet wird: Wo bleibt da die Wahrheit?? Herr Baron!

Ich erwidere darauf, daß nach meiner persönlichen Kenntnis der Abgeordnete Frhr. v. Gültlingen sr. Zt. seine Abstimmung be­gründete, warum er sich gegen die Annahme aussprach und daß seine Ablehnung den Wert hatte, zu beweisen, daß er mit diesem Gesetz nicht zufrieden war. sondern verbesserungsfähig sei, was schon von den Regierungsvertretern zu­gegeben war.

Ich will hoffen, daß Herr v. Gültlingen wieder in den Reichstag kommt und seine Ansicht durchbringt, daß eine Familie mit 8 Köpfen mehr braucht, als eine mit 4! daß ihr des­halb auch mehr Entschädigung gehört.

Das ist doch wohl auch in Calw die Ansicht??

Dann noch etwas wegen demHerrn Baron!" Damit soll demselben wohl eins versetzt werden? Aber sagen Sie mir doch, soll er sich denn umtaufen lassen? Ist es nicht der ehrliche Name seines Vaters, den er hat?? Der Adel zahlt heutzutage genau dieselben Steuern wie jeder Andere unter uns (es ist so und nicht wie ein Volkspartei, licher Kandidat einmal im Wahleifer vermutete). Der Landgerichtsrat v. Gültlingen ist aber ein Mann von eisenfestem Charakter, der, wie man gerade auch an der oben besprochenen Abstim­mung sieht, auf seiner Meinung beharrt und keine Wahlrücksichten kennt.

Auch ein Feldsoldat von 70/71.

Dobel. Mit demEingesendet" im Enz- thäler Nr. 88, die Wahlreise des Hrn. Clcß betr. sind wir insofern einverstanden. als Hr. Cl. auch in Dobel wegen der ruhigen Behand­lung der in Betracht kommenden Fragen einen guten Eindruck gemacht hat. Dies konnte auch in Dobel nicht anders sein, da man auf dem Dobel gewohnt ist, Gästenobel" zu behandeln. Was aber die sachliche Behandlung der ein­schlägigen Fragen betrifft, so können wir hiemit das Zeugnis abgeben, daß der Beifall, der Herrn von Gültlingen auf seiner Wahlreise zu Teil geworden ist, dem demokratischen Kan­didaten versagt blieb.

Mehrere Patrioten.

** Dobel. Heute den 11. Juni fand hier im Gasthaus zum Waldhorn eine sehr zahlreich besuchte Wahlversammlung für den Kandidaten Freiherrn v. Gültlingen statt. Die äußerst sachlich und eingehend behandelten Fragen, welche von mehreren Rednern besprochen wurden, fan­den allgemeinen Beifall. Mehrere von einem Gegnern vorgebrachte Gcgengründe fanden nicht die Genehmigung der Zuhörer. Es ist daher alle Aussicht vorhanden, daß der vaterländische Kandidat hier eine große Anzahl von Stimmen auf sich vereinigen wird.

Deutsches Weich.

Die Entscheidung in der Wahlbe­wegung ist endlich herangenaht, nur noch wenige Tage trennen uns von dem bedeutsamen 15. Juni. Stellte schon bislang das Wahltreiben alle sonstigen politischen Vorgänge in Deutschland in den Hintergrund, so ist dies jetzt, im letzten Stadium der Wahlbewegung, natürlich noch mehr der Fall, da vorläufig nur die Frage nach den Ergebnissen der vor der Thür stehenden Reichstagswahlen allein interessiert. An neuen bemerkenswerteren Erscheinungen der Wahl­agitation giebt es kaum mehr etwas zu ver­zeichnen. Zu erwähnen ist da vielleicht nur eine Erklärung hochgestellter Katholiken des Rheinlandes; die Kundgebung beklagt es, daß die Majorität des Zentrums gegen die Militär­vorlage gestimmt habe, und betont. Windthorst würde bei dem heutigen Stande der Dinge keine Fraktion über das Vaterland gestellt haben. Wie dieser Vorgang erneut von der Spaltung, welche durch die Militärfrage in das Zentrum hineingetragen worden ist, zeugt, so grlt dies auch von der am Mittwoch in Reichenbach in Schles. stattgefundenen und sehr zahlreich be­

suchten Versammlung von Vertrauensmännern der katholischen Wählerschaft des Wahlkreises Reichenbach-Neurode. Die Versammlung gab ihrem lebhaften Bedauern über die Mandats­niederlegung des bisherigen Vertreters des Wahlkreises, Dr. Porsch, zugleich aber auch ihrer Würdigung der Verdienste des genannten Ab­geordneten. weiter ihrer Mißbilligung der An­griffe Ausdruck, welche Dr. Porsch wegen seiner Haltung in der Militärfrage seitens des Zentrums­blattes erfahren hatte.

Frhr. v. Schorlemer-Alst veröffentlicht eine Erklärung, in welcher er die Ablehnung des Huene'schen Antrages bedauert, der ohne unerträgliche Belastung des Volkes die zwei­jährige Dienstzeit, die Verbesserung der Organi­sation des Heeres und dessen Verstärkung, ferner eine Erleichterung für die ältere Landwehr sowie die Ebenbürtigkeit unserer Armee gegenüber dem Feinde und damit die Erhaltung der Friedens sicherte. Die ländliche Bevölkerung sei, weil sie die meisten Dienstpflichtigen stellen müsse, ganz besonders bei der Forderung nach Einführung der zweijährigen Dienstzeit und einer Erleichter­ung der älteren Landwehrjahrgänge interessiert. Liebers Antrag bedeute eine innere Verschlechter­ung des Heeres und der Wehrkraft gegenüber dem Feinde. Huenes Antrag widerspreche nicht den Resolutionen Windhorsts. Der bewaffnete Frieden sei billiger als der Krieg. Im Hinblick auf die bedrohte Lage des Vaterlandes, zur Wahrung der Ehre, Größe und Unverletzlichkeit des deutschen Reiches, vor allem im Interesse der Erhaltung des für die wirtschaftliche Ent­wicklung notwendigen Friedens wünsche und hoffe er, daß die Militärvorlage nach dem An­träge Huenes angenommen werde.

Ueberall werden an die Bewerber um einen Reichst« gsitz die größten Anforderungen ge­stellt. deren gewissenhafte Erfüllung oft mit den bedeutendsten Schwierigkeiten verknüpft ist. Nirgends aber wird von ihnen soviel verlangt, wie in einzelnen bayerischen Wahlkreisen, wo sie durch ihre Reden dazu beitragen müssen, den Durst und die Eßlust ihrer Zuhörer derart zu reizen, daß die Gegner einfach in Grund und Boden getrunken und gegessen werden. Das ist nicht etwa ein Scherz, sondern voller Ernst, wie aus folgendem Bericht des Siglschen Vaterland" aus Solln hervorgeht:Die sozialdemokratische Versammlung am Sonntag war auch nach dem Herzen des Wirtes und der Kellnerin, welche wieder in ihrer Welse dafür Propaganda machen; und gegessen und getrunken haben die Sozialdemokraten auch viel mehr, während bei Zentrum und Antisemiten von den paar Erschienenen jeder nur zwei Glas Bier trank. Eine Zentrumsversammlung, wo nur aus Halbgläsern getrunken wird, verlangt er (der Wirt vermutlich) nicht mehr." Das Zentrum ist also nach diesem trefflichen Bericht für Bayern abgcthan. Daß aber die Sozial­demokraten durch ihren Konsum an festen und flüssigen Genußmitteln nicht nur den Wirt, sondern sogar die Kellnerin vollständig zufrieden gestellt haben, giebt die beruhigende Gewißheit, daß der Notstand der arbeitenden Bevölkerung nicht ganz so entsetzlich ist, wie die sozialdemo­kratische Hetzpresse glauben machen möchte.

(B. N. N.)

Noch ist der neue Reichstag nicht ge­wählt. und schon sind vielfach Erörterungen da­rüber im Gange, ob vielleicht auch er im Falle einer abermaligen Ablehnung der Militärvorlage ausgelöst werden würde. Es muß als selbst­verständlich angenommen werden, daß man in den leitenden Berliner Kreisen sich mit einer solchen Möglichkeit noch nicht befaßt hat. Immerhin erscheint es beachtenswert, daß die Nordd. Allg. Ztg." der z. B. von denHamb. Nachr." und derFreis. Ztg." bekundeten An­schauungen, eine nochmalige Reichstags-Auflös­ung würde dem Geiste der Verfassung wider­streiten. in einem hochossiziösen Artikel entschieden entgegentritt.

Prinz Ludwig von Bayern hat an­läßlich der Eröffnung der deutschen landwirt­schaftlichen Ausstellung in München daselbst eine sehr bemerkenswerte Rede gehalten. In derselben sprach sich der bayerische Thronfolger nament-