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Bott", die Stirn hat. in ihrem Leitartikel vom 7 Mi die Verwerfung des Antrages Huene eine befreiende That" nicht nur für Deutschland sondern für das gesamte Mitteleuropa iouch für Frankreich?) zu nennen und an den beherzigenswerten und ti-fbewegenden kaiserlichen Worten aus dem Tempelhofer Felde eine höchst ungebührliche und ungezogene Kritik zu üben, und daß der endlich erschienene Wahlaufruf des decimierten früheren Zentrumsvorslandes in kurz- sichüger Verblendung die Lage Deutschlands zu beurleilen glaubt als der Kaiser und seine hohen Verbündeten. Die Schwenkung des Hkliirums zu einer demokratisch-oppositionellen Partei mag mitmachen, wer will; für mich als armidkonservaliver Man» ist ein ferneres Verbleiben in dieser Fraktion ausgeschlossen! Möchte ouch das katholnche Volk sich dreimal besinnen, bevor cs sich rückhaltlos einer Führung preis- gjebl, die unter vielen schönen Phrasen schließlich doch nur die Geltendmachung der eigenen Person und kleinlicher Herrschaftsgelüste bezweckt und die Sache, der sie zu dienen vorgiebt. mitsamt dem Vaterlande zugrunde richtet! — Fast könnte man Mitleid empfinden mit einer Par- lei, die, nachdem sie lange Zeit hindurch den heftigsten Angriffen der Gegner siegreich stand- gehalten hat, nunmehr mit derartiger Schonungslosigkeit von ihren eigenen bisherigen Mitgliedern und besten Freunden behandelt wird. Doch das Mitleid bleibt der Politik fern, und an der Zentrumspartei muß sich lediglich ihr Geschick erfüllen.
Durch die Presse ging dieser Tage die Mitteilung, daß im Laufe dieses Sommers wieder eine Zusammenkunft der F i n a n zminijter der größeren deutschen E i nz e l staa t e n behufs Besprechung der Stcuersragcn stattfinden werde. Von unterrichteter Seite wird jedoch nunmehr versichert, daß eine derartige Ministcrdcratung für dieses Jahr bisher weder in Anregung gebracht noch wahrscheinlich sei. Sollte die Ausarbeitung neuer Steuerentwürfe für die Herbsttagung des Reichstags erforderlich werden, so würde der Staatssekretär im Reichsschatzamte, Frhr. v. Maltzahn, wie im vorigen Jahre in München, Stuttgart und in anderen Hauptstädten vorsprechen und dort eine Verständigung mit den leitenden Kreisen zu erlangen suchen, nachdem er sich zuvor mit dem preußischen Finanzminister ins Einvernehmen gesetzt hätte. Vorläufig beschäftigt man sich bekanntlich im Reichsschatzamt damit, Anregungen, die von findigen Sleuerquellen-Entdeckern ausgehen, auf ihre Durchführbarkeit zu prüfen. Bisher soll dabei freilich noch schlechterdings kein annehmbarer Gedanke herausgekommen sein, wohl aber werden die Behörden mit höchst abenteuerlichen Plänen überlaufen.
Hamburg, 31. Mai. Der allgemeine Gesundheitszustand hier ist derzeit außerordentlich befriedigend und es erscheint nicht ausgeschlossen, daß der neulich gemeldete Cholerafall vereinzelt bleibt.
Berlin, 30. Mai. Im Feuerwerkslaboratorium zu Spandau ereignete sich ein entsetzliches Unglück. Bei der Mischung einer Zündmasse explodierte dieselbe, und der dabei beschäftigte Chemiker Dr. Schloer wurde buchstäblich zerrissen.
Berlin, 25. Mai. Vor ungefähr einem Jahre war ein zu Schöneberg wohnender Arbeiter namens Groß von einem Hunde gebissen worden. Die Wunde heilte jedoch, ohne daß sich weitere Folgen zeigten. Noch am Abend des gestrigen Tages begab sich der Mann ruhig zu Bette. In der Nacht aber kam. wie die „Nordd. Allgem. Ztg." berichtet, die Wasserscheu Plötzlich zum Ausbruche. Der Mann zerkratzte und zerbiß seine Frau derart, daß sie schwer krank darnieder liegt. Auf ihr Jammergeschrei üürzlen ihre beiden Töchter herbei, und auch dlefe wurden von dem tollgewordenen Mann gebiffen. Schließlich warfen ihm der Wirt und dessen Sohn nasse Tücher über den Kopf und banden ihn mit Stricken fest, um ihn ärztlicher Behandlung übergeben zu können.
CHeinnitz, 29. Mai. Ein unerhörter Fall on Selbstmord ist hier vorgekommen. In ^sbGießerei sprang ein 40jähriger Mann vom utzboden aus in die geschmolzenen Eisenmassen
des Schmelzofens, die eine Hitze von etwa 1600 Grad hatten. Der Leichnam war in wenigen Augenblicken so vollständig von der Glut verzehrt, daß nichts übrig blieb.
Mannheim, 29. Mai. Die hiesigen Blättern entnommene Notiz, daß Einrichtung, Möbel, Kleider u. s. w. Heinrich Domes, des Eifinders der „kugelsicheren Uniform", zwangsweise unter den Hammer gekommen seien, ent- hält nun folgende Richtigstellung: „Es ist un- wahr, daß das dem Genannten in Mannheim versteigerte Mobiliar im Zwangswege veräußert worden ist, vielmehr war die Versteigerung eine freiwillige und erfolgt aus Wunsch des nach Berlin verzogenen Herrn Dome."
Während es bei uns noch ungewiß ist, ob das deutsche Volk die zur Verteidigung des Reiches nötigen Menschen und Gelder bereit stellen will, ist man in Frankreich in aller Stille an der Arbeit, der etwaigen Deutschen Heeres-- verstärkung jetzt schon enlgegenzuwicken. Nach dem Progres militaire vom 24. dS. Mts. har der Abgeordnete Raiberti im Monat April der Kammer den Gesetzesvorschlag eingebracht, daß die zum militärischen aktiven Dienste im Frieden nicht tauglichen nunmehr zum Hilfsdienste als Arbeiter, Ordonanzen, Burschen, Schreiber einberufen werden, um so die Truppen zu entlasten. Die genannte Militärzeitung empfiehlt diesen Vorschlag auf das dringendste, da nach ihrer Ansicht eine anderweitige Verstärkung des französ. Heeres nicht mehr möglich ist, weil die Zahl der Geburten hiezu nicht ausreicht. Nach dem seitherigen Gesetze waren, während alle taugliche Mannschaft wirklich eingestellt wurde, jährlich etwa 20—24000 körperlich nicht vollständig brauchbare Leute nur für den Dienst im Kriege bestimmt worden, wo sie bei den Verpslegungsanstalten, bei den Etappen, Bäckereien, Proviantämtern, der Eisenbahn, den Telegraphen, ferner als Schneider und Schuster, als Lazaret- gehilfen, Burschen u. s. w. verwendet werden sollen. Daran, daß diese Leute bei Beginn eines Krieges noch keine militärische Ausbildung genossen, hatten, wird dort ganz richtig eine Gefahr für die Disziplin erblickt. Werden sie jetzt aber schon im Frieden zum vollen Dienste eingestellt, so wird nicht nur dieser Gefahr vorgebeugt. sondern es werden die Truppen von ihrem lästigen Anhang befreit und in der Ausbildung befördert. Es wird aber, worauf wir den Hauptwert legen, der Friedensstand des französischen Heeres wieder um nahezu 20000 Mann erhöht. So wird, wenn der Vorschlag, woran nicht zu zweifeln, angenommen wird, von den Franzosen ohne viel Lärmen und Geschrei das erreicht, was wir an unseren 4. Bataillonen oder Halbbataillonen zum Teile wenigstens erreichen wollen. Die Feinde geben uns auch hiemit wieder ein Beispiel dafür, daß die rechte Liebe zum Vaterlande darin besteht, daß man keinOpfer scheut, sich zur Verteidigung desselben zu rüsten.
Vom Bruder Jonathan.
Ein berühmter Bühnenkünstler in New-Iork stand lange Zeit in ganz Amerika in dem Rufe, ein Meister des Humbug zu sein. Er war eine Autorität auf dem von Bruder Jonathan eifrig gepflegten Gebiet, die Anderen „hineinzulegen"; niemand aber konnte sich rühmen, ihn gchum- bugt zu haben. Eines Tages aber fand auch er seinen Meister. Dieser, den des Mimen Ruhm nicht schlafen ließ, erforschte den Rasierladen. welchem sich der Künstler täglich kurz vor der Vorstellung zur Verschönerung seines edelsten Körperteiles anvertraute. Eines Tages, als der Künstler in großer Eile dem Laden zusteuerte, besetzte der geriebene Unbekannte schnell den einzigen noch leeren Sessel. „Mein Herr", rief der Schauspieler hastig, „ich bin in großer Eile, wenn Sie mich zuerst rasieren lassen, bezahle ich für Sie!" „Meine Herren", sagte der Unbekannte, „Sie sind Zeugen, daß Herr X. für mich bezahlt". Als der Schauspieler fortging, ließ sich der Unbekannte rasteren, frisieren u. s. w. kaufte etliche Flaschen Haaröl. Kämme, Bürsten und sonstige Toilettengegenstände. Als er mit seinen ausgedehnten Einkäufen fertig war, betrug die Rechnung unge
fähr 50 Dollar. Herr T. bezahlt es. wie Sie gehört haben, sagte der Unbekannte und verschwand. Das war ein genialer Humbug, aber in kleinem Stil.
Bruder Jonathan lud zu einer Weltausstellung in Chicago ein und that recht ehrbar und zutraulich. Bald liefen Nachrichten ein über die unerhörte Tarifausbeutung, welche die Ausstellungsgüter auf den amerikanischen Eisenbahnen erfuhren. Weiter hörten wir von den unglaublichen Geldschneidereien, denen die Besucher Chicagos ausgesetzt waren, und die zu verhindern Sache des Komites gewesen wäre. Dann lief die Nachricht ein, daß den Ausstellern verwehrt sein soll, die Preise an ihren Waren anzugeben. Auf diese listige Weise suchte man den Vorzug der europäischen Staaten, billiger zu produzieren, wirkungslos zu machen. Hiermit noch nicht zufrieden, beging man die ungeheure. allen Anstands- und Rechtsbegriffen widersprechende Perfidie, das Urteil des Preis- gerichls zu fälschen. Es ist nie bezweifelt worden, daß auf jeder Weltausstellung das Preisgericht aus den Mitgliedern aller beteiligten Nationen gebildet werden muß. Dieses Axiom des internationalen Verkehrs gilt nicht für Bruder Jonathan. Das Preisgericht in Chicago bleibt, wie wir mitteilten, ganz „unter sich". Die Folge war, daß die anderen Nationen sich gegen diese Hinterlist wehrten und ein eigenes Preisgericht ernannten. Das Alles genügte noch nicht. Wir mußten auch melden, daß die für alle Maschinen gewährleistete freie Betriebskraft plötzlich ohne Grund verweigert worden ist.
Voraussichtlich wird hiermit die Liste der Ueberraschungen Bruder Jonathans noch nicht erschöpft sein. Die ganze Weltausstellung wird vielfach schon als ein genialer Humbug, aber in großem Stil, geschildert. Dies ist hoffentlich eine Ueberlreibung.
Mit einer gewissen Erregung muß man aber heute daren denken, mit welchem ungeheuren Aufgebot aller verfügbaren Kräfte die deutsche Regierung eine starke Beteiligung an der Chica- goer Weltausstellung herbeizuführen suchte, wie sie die Gewerbetreibenden, die Künstler, die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Verbände zur Beteiligung an der Ausstellung auffordcrte. Und mit noch stärkerer Erregung wird man daran denken müssen, daß zu gleicher Zeit der Plan einer Berliner Weltausstellung ins Wasser gefallen ist — ins Wasser auf die Mühle der Chicagoer Weltausstellung!
Mit sehr zweifelhaften Gefühlen wird unsere Regierung die Berichte von der Chicagoer Weltausstellung verfolgen; mit ganz unzweifelhaften Gefühlen aber thun dies die beteiligten Kreise. Wie man hört, bereiten dieselben eine Kundgebung in diesem Sinne vor. (D. W.)
Württemberg.
Marienwahl, 31. Mai Heute Abend begab sich Seine Majestät der König in Begleitung des Oberjägermeisters v. Plato zur Abhaltung einer Jagd nach Wildbad.
Die kaiserliche Ordre, daß diejenigen Ueb' ungen des Beurlaubtenstandes im Bereich de* preußischen Armee, welche in die Wahlzeit gefallen sein würden, nicht verschoben werden- sondern mit Rücksicht auf die bald darauf beginnende Ernte ganz aussallen (s. die Notiz in Nr. 80 ds. Bl.), findet nun auch für das 13. (württ.) Armeekorps Anwendung.
Die Agitation für die bevorstehenden Reichstagswahlen hat zwar nun auch in Württemberg allenthalben begonnen, von einer besonderen Erregung im Volk ist aber bis jetzt kaum etwas wahrzunchmen. Bor allem berührt es wohlthuend, baß die sonst nicht selten vor- kvmmenden persönlichen Verunglimpfungen der politischen Gegner bis jetzt unterlassen werden und der Wahlkampf mit sachlichen Gründen geführt wird, lieber den Wahlausfall in den einzelnen Wahlbezirken heute schon Mutmaßungen anzustellen, wäre etwas gewagt. Daß aber die Freunde der Militärvorlage eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Stimmen mehr erhalten werden, als die Gegner derselben anzunehmen scheinen, kann heute schon mit einiger Sicherheit behauptet werden, da die nationalgesinnten