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Kandidaten überall die ernste Absicht bekunden, daß die Kosten der neuen Militärvorlage nicht auf die Schultern des Mittelstandes und des kleinen Mannes abgewälzt werden dürfen. Einer der interessantesten Wahlkämpfe ist im 13. Wahl­kreis (Ellwangen, Aalen, Gaildorf und Neres- heim) zu erwarten, wo der gut katholische Land­wirt Mayer in Pommertsweiler dem heißblütigen Parteigänger des Dr. Lieber, Pfarrer Wengert in Dirgenheim gegenübersteht.

Der langersehnte Regen ist endlich in allen Teilen des Landes gefallen, wenn auch in ungleich verteilter Menge. Die Hoffnungen unserer Landwirte beginnen sich wieder zu be­leben, obgleich noch immer mehr Regen er­wünscht wäre, der übrigens in Aussicht zu stehen scheint. Bei einem großen Teil unserer Land­tagsabgeordneten hat die langanhaltende Trocken­heit und die dadurch entstandene Not unter den Landwirten eine Art Panik hervorgerufen, die um ein Haar weittragende politische Folgen gehabt hätte. Bekanntlich hat der neue Finanz­minister zur Deckung des Defizits im württem- bergischen Staatshaushalt eine kleine Erhöhung der direkten Steuern, aber nur in dem Um­fange, wie dieselben früher in Württemberg er­hoben wurden, verlangt und die Mehrheit der Finanzkommission des Abgeordnetenhauses wollte die Steuer-Erhöhung ganz ablehnen. Das Kammerplenum aber beschloß zunächst eine Er­höhung des Betriebsfonds der Staatskassen um I Mill. Mark, nachdem der Finanzminister eine solche Erhöhung als ganz unabweislich darge­stellt hatte, und nun mußte auch die geforderte Steuer-Erhöhung wenigstens für das übernächste Jahr genehmigt werden, wogegen es für das nächste Jahr bei dem Abstrich verblieb. Der Finanzminister, welcher die Solidarität des ge­samten Staatsministeriums in dieser Frage feier­lich verkündigte, behielt sich über letzteren Ab­strich zwar noch seine Erklärungen vor, doch wird derselbe voraussichtlich diesem Beschluß sich fügen, nachdem wenigstens für das 2. Budget­jahr seine Forderung bewilligt ist. Wäre auch letztere abgelehnt worden, so wäre es entweder zu einer Ministerkrisis oder zu einer Auflösung der Kammer gekommen.

Eisenbahnsache. Ueber die Pfingst- feiertage vom 20.23. Mai d. I. sind auf den Württembergischen Staatseisenbahnen mit den fahrplanmäßigen Zügen und 162 Sonderzügen etwa 400000 Personen ohne die Durchgangs- reiscnden befördert worden. Die Gesamt­einnahmen aus dem Personenverkehr betragen rund 330000 Die Gesamtzahl der nach und von Eßlingen beförderten Personen beläuft sich zusammen auf etwa 34000; diese außerordent­liche Frequenz ist hauptsächlich durch den am 21. und 22. d. M. daselbst abgehaltenen Krieger­bundestag veranlaßt worden.

-s- Stuttgart. (Einges.) Die Wirte Würt­tembergs treten jetzt auch wieder auf den Plan, indem der Landes-Verband derselben seinen 8. Verbandstag am 6. und 7. Juni in Reutlingen abhält. Aus kleinen Anfängen emporgewachsen, umfaßt derselbe jetzt ca. 45 Bezirksvereine in allen Teilen Württembergs und allerorts rüsten sich die Wirte zum Besuche des Verbandstages. Die Tagesordnung ist ebenso reichhaltig wie interessant, und für jeden Wirt sollte es nichts Wichtigeres geben, als an diesen seinen Stand fördernden Beratungen teilzunehmen. Daß die Umgeldsfrage einen Hauptpunkt der Verhand­lungen bilden wird, ist selbstverständlich. Mit dem Verbandstage ist eine Ausstellung verbunden, welche von ca. 75 Ausstellern beschickt wird, und bei welcher die neuesten Erzeugnisse, Ma­schinen und Bedarfs-Artikel für Wirtsgewerbe zu sehen sein werden. Mit dieser Ausstellung ist eine Lotterie verbunden und werden sämtliche Gewinne ausschließlich den Ausstellern abgekauft. Um aber auch das Angenehme mit dem Nütz­lichen zu verbinden, ist auf den 7. Juni ein Ausflug auf den Lichtenstein, Olgahöhle rc. ge­plant, an welchem sich auch hauptsächlich die Familienangehörigen der Wirte beteiligen wer­den. Allem Anschein nach dürfte die Zahl der Besucher des Verbandstages die der früheren bei Weitem übertreffen.

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Ulm, 1. Juni. Gestern beim Einfahren des Orientexpreßzugs wollte Lokomotivführer Speidel von Eßlingen an seiner Maschine etwas Nachsehen. Kurz vor der Einfahrt in den Tunnel beugte er sich etwas heraus; hiebei schlug er den Kopf an die Mauer an und erlitt schwere Verletzungen. Ein Auge ist ganz verloren.

(S. M.)

Vom Lande. Der Handel mit Gerb­rinde ist in verschiedenen Gegenden Württem­bergs bald beendigt. Alle Sorten wurden vor­züglich eingeheimst. Die Preise stellten sich per Zentner bei Glanzrinde von 3,804.30 -M, bei Raitelrinde von 3,203,60 bei Gerbrinde auf 1,50 und bei Fichtenrinde auf 1,60 bis 1,80 ^

Altensteig, 25. Mai. Unserem sonst so bedeutenden Viehmarkt waren diesmal nur etwa 750 St. zugeführl. nämlich 200 Paar Ochsen und Stiere. 150 Kühe, 200 Stück Kalbeln und Rinder. Der Handel ging in Fettvieh flott bei seitherigen Preisen. Sonst war der Handel flau und gingen die Preise noch mehr zurück. Bei Schmalvieh und Rindern war der Handel gleich Null. Drei Waggons Machstochsen wurden an Niederrhein verladen. Der Preis für Ochsen bewegte sich zwischen 8001050 v-L Der Ztr. lebend Gewicht kostete 2830 bei I. Quali­tät wurde bis 32 cM erlöst. Melkkühe kosteten 200300 es waren schöne Exemplare auf­gestellt, Rinder 70120 Auf dem

Schweinemarkt war die Zufuhr sehr stark, namentlich mit Läufer, die Preise gingen aber sehr zurück. Milchschweine kosteten pro Paar 1827 vlL Der Abschlag beträgt pro Paar beiden Sorten Schweine wenigstens 10 ^

Ausland.

Die Franzosen hoffen wieder einmal auf den Besuch einer ruffischen Flotte in Brest oder Cherbourg. Die gegenwärtig in Amerika weilen­den russischen Schiffe sollen auf der Rückfahrt von dort einen französischen Hafen anlaufen, wobei dann wieder einmal ein russisch-französi­sches Berbrüderungsfest gefeiert werden könnte. Die Auflösung der französischen Kammer ist nunmehr beschlossene Sache. Die Parteien rüsten sich schon allenthalben zum Wahlkampf. Viele Franzosen wünschen den vormaligen energischen Minister Constans wieder an die Spitze des Ministeriums des Innern gestellt zu sehen, weil dieser am besten republikanische Wahlen machen könne. Allein Präsident Carnot will Constans nicht ins Ministerium aufnehmen, weil er sonst bei der nächsten Präsidentenwahl dessen Kon­kurrenz zu fürchten hätte.

Biskra (Algier), 30. Mai. Heuschrecken­schwärme haben hier die Oasen überflutet und die Gemüsepflanzungen völlig zerstört. Die Palmenhaine sind bedroht und der ganze Süden ist angegriffen.

Vermischtes.

Mannheim. Unter der Spitzmarkebrot­lose Künste" meldete der hiesigeAnzeiger" nach­stehendes Vorkommnis: Kürzlich kam ein fahren­der Künstler in eine Wirtschaft am Marktplatze, um seine Kunst im Jonglieren und Heben von Stühlen mit den Zähnen zu zeigen. Als der Mann im Tricot seineArbeit" verrichtete, be­gab er sich von Tisch zu Tisch, um zu sammeln. Bei dieser Gelegenheit bemerkte er einer Tisch­gesellschaft gegenüber, daß er noch mehr leisten könne als das, was er soeben gezeigt. Gesagt, gelhan. Es ging nunmehr an logen. Scherz­produktionen. Zuerst ließ der Künstler sich von drei starken Männern den ausgestreckten Arm halten und bemerkte, daß er dennoch das in der Hand haltende gefüllte Bierglas austrinken würde. Er brachte dies auch fertig, denn er ergriff mit der andern Hand das Glas aus der Hand des festgehaltenen Armes und trank es ruhig aus. Darob verdutzte Gesichter! Nun sagte unser Künstler, indem er zwei der Männer je ein großes Tranchiermesser in die Hände gab, beide dürften ihm in die Brust stechen, wenn er aus drei zähle. Die Beiden stellten sich mit den Messern vor ihn und der Mann zählte eins, zwei hier machte er eine kurze Pause, um

selbstverständlich nicht das Wort drei aus!», sprechen. Einer der Männer, der offenbar das Kommando drei im Moment erwartete, stach der Hast dennoch mit großer Wucht zu und brachte dem Künstler eine breite klaffende Wunde in der Brust bei. Augenzeugen behaupten, daß es ein Glück war. daß das betreffende Messer von dem Wirte zum Schneiden des Brätes be­nützt wird, und vorn nicht spitz zugeschliffen war sonst wäre dem Jongleur unfehlbar die Brust durchstochen worden. Der Verletzte mußte sich in das Allgemeine Krankenhaus begeben, während die Schutzmannschaft von dem Vorfall Notiz nahm. So können brotlose Künste enden!

In Schwenningen ist eine Kunstuhr fertig gestellt worden. Ausgestellt ist dieselbe im dortigen Rathaussaal. Die Uhr zeigt die Stunden, Tage. Monate und Jahre bis Luna 10 999. 70 Figuren werden durch das Wer! in Bewegung gesetzt. Die Figuren, die das menschliche Lebensalter vorstellen, schlagen die Stunden und um 12 Uhr erscheint der Tod. Am Morgen früh 5 Uhr bringt das Werk eine Arbeitergruppe zum Vorschein, welche an einer Ritterburg vorbeimarschiert. Ein auf der Burg befindlicher Trompeter bläst das Lied:Früh Morgens, wenn die Hähne krähen". Um acht Uhr erscheinen Kirchengänger, bei welchem An­laß der Küster läutet; hat die Kirchenthüre sich geschlossen, so spielt das Werk einen Choral. Um 7 Uhr Abends bläst der Trompeter auf der Burg die Melodie:Still ruht der See" und Abends 9 Uhr spielt ein FlötenwerkGute Nacht". Aus diesen Andeutungen ist zu ersehen, daß das Werk sehr kunstvoll gebaut ist. Die Eigentümer, die Herren Schlenker und Faller, haben das Werk innerhalb Jahresfrist unter Mitwirkung des Kunstuhrenmachers Häusle in Villkngen erstellt.

fWie dient das Schlafzimmer am besten der Gesundheit?) Dies ist bei warmer Jahreszeit eine Frage von besonderem Werte. Da gerade während der Schlafzeit durch das tiefere Atmen der Lunge die meiste Luft eingeführt wird, ist auch eben zu dieser Zeit die Reinheit derselben ein besonders zu beachtxnder Faktor, auf welchen umsomehr wiederholt hingewiesen werden muß, da man oft gerade in diesen Räumen gewöhnlich beim Eintritt am Morgen eine Luft findet, vor welcher man zurückschreckt. Luftzirkulation während der Nacht ist darum, trotz mancher gegenteiligen Behauptung, ein unbedingtes Er­fordernis. Manche behaupten freilich, das Fenster- öffnen während der Nacht erzeuge bei ihnen Kopfschmerz, Haarausfallen, Augendrücken und dergleichen. Es kann auch nicht geleugnet wer­den, daß schon Kopf- und Augenkraukheilcn da­durch entstanden sind, jedoch nur, wenn der Zug direkt den Schlafenden getroffen hat, was auf alle Fälle zu vermeiden ist. Es wäre die Sitte zu empfehlen, in Schlafzimmern angemessene Ventilationsvorrichtungen anzubringen. Der Eintritt der Morgenluft erfrischt den Schläfer, daß er sich schon von selbst zeitiger vom Lager erhebt und das ermattende Langschlafen ver­meidet. Wollene Decken und Roßhaarkissen sind im Sommer viel empfehlenswerter, als Betten, weil diese die Hautausdünstungen hindern, des­wegen sei auch die Bekleidung die denkbar leichteste. Daß das Schlafen vieler Personen in einem Zimmer für die Gesundheit nachteilig ist, lehrt schon das instinktiye Gefühl.

(Beruhigung.) Tante: - Ja, wenn

die Herren Neffen Geld brauchen, dann denken sie an die alten Tanten sonst nie!" " Neffe:Wie Unrecht thust Du uns! Wärst Du nur Abends bei uns auf der Kneipe, da hörtest Du nichts als:Meine Tante, Deine Tante!"

(Herkules am Scheidewege). Kadett. Zwanzig Pfennige habe ich noch von meinem Taschengeld übrig; soll ich mir nun dafür Bon­bons kaufen, oder soll ich mich rasiere lassen?!"

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.