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Helldorff (kons.): Wir dürfen uns freuen, daß in der jetzigen Lage an der Spitze des Reichs ein so sachverständiger Reichskanzler steht. sIehr gut!) Die fortwährenden Militärforder, unaen waren die notwendigen Folgen der poli­tischen Verhältnisse. Der Kern der jetzigen Vorlage liegt in der Hebung der Offensivkraft und in der Beschleunigung der Mobilisierung. Wenn die Vorlage angenommen wird, so wird uns Frankreich nicht mehr erreichen können. Die vorhandene ernste Gefahr wird dringend, wenn in Rußland das neue Gewehr fertig ist. Red­ner wendet sich sodann gegen Lieber und erklärt, der preußische Staalsgedanke allein habe das Reich möglich gemacht. Ich danke Lieber, daß er die Erwiderung des Reichskanzlers bismarckisch genannt hat. Man wird das in Deutschland überall verstehen. (Beifall.) Bismarck bedeutet die Verkörperung des Reichsgedankens. (Beifall.) Echt bismarckisch war die Verteidigung der Vor- läge durch den Reichskanzler. (Zustimmung.) Das wird namentlich in Süddeutschland ver­standen werden. (Beifall.) Der Jubel in Paris, daß die Vorlage vielleicht abgelehnt wird, der Druck der Franzosen auf die Elsäßer. daß sie hierhergereist sind, um gegen die Vorlage zu stimmen. Das ist verständlich genug! Die Klugheit sollte die Elsäßer lehren, im eigenen Interesse für die Vorlage zu stimmen. Im Volke erkennt man die Gerechtigkeit der Vorlage an. Mancher Abg. stimmt vielleicht gegen die Vorlage nur aus falscher Furcht vor den Wählern. Die Fraktions­politik ist ein Stück der alten deutschen Eigen­tümlichkeit, das Zentrum ist dafür ein bezeichnen­des Beispiel. Vergessen Sie niemals, daß Sie Vertreter des ganzen Volkes sind, stimmen Sie in diesem Sinne ab! (Beifall.) v. Horn­stein (wild): Er werde im Sinne der badischen Bevölkerung für den Antrag Huene stimmen. Gegen die Falschmünzerei, die in der Presse die katholische Sache und die Milirärvorlaqe ver­mengt, lege ich Verwahrung ein. Wir Badener Minen nicht mit den Elsäßern, welche nach Meldungen aus Paris dort bejubelt worden sind. (Lebh. Beifall.) Nach erfolgtem Schluß der Debatte erfolgt die Abstimmung. Z I der Regierungsvorlage (Präsenzstärke) wird gegen die Stimmen der Konservativen abgelehnt. Es folgt die namentliche Abstimmung über Z 1 des Antrags Huene.

Die Abstimmung ergicbt die Ablehnung mit 210 gegen 162 Stimmen, eine Enthaltung. (Es sind also von 394 Abg. 373 anwesend; cs fehlen nur 21 , zumeist Kranke, auf Reisen Be­findliche rc.) Der Reichskanzler verliest da­rauf eine Kaiserliche Botschaft, welche den Reichstag auflöst.

Das Ereignis der Auflösung des Reichstags haben wir unfern sämtlichen Lesern mittelst eines Extrablattes am Samstag abend mitgeteilt. Ein weiteres Telegramm, welches abends noch eintraf, lautete:Berlin, 6 Mai. 8 Uhr 20 Min. Der Reichsanzeiger veröffent- "cht kine kaiserliche Verordnung, welche die Wahlen zum Reichstag auf Donnerstag Juni ausschreibt." (Nach Artikel 25 der Verfassung des deutschen Reiches müssen 'Echalk, eines Zeitraumes von 60 Tagen nach Auflösung die Wähler und innerhalb eines Zeit­raumes von 90 Tagen nach derselben der Reichs­tag versammelt werden)

Berlin, 6 . Mai. Der Bund es rat ist zu einer vertraulichen Besprechung auf heute Rachmittag 1 Ahr eingeladen.

is ^ Zahl der Rekruten, welche im Jahre 891/92 bei der Einstellung in das Heer nicht oder schreiben konnten, beträgt in "^"0,02 Proz.. in Bayern und Sachsen D * in Preußen dagegen 0,69 Proz.

^ >e höchste Ziffer nimmt unter den übrigen ruschen Ländern Elsaß-Lothringen ein mit io Zahl der Analphabeten ist seit

n,^on also 1881 dis 1892 von 1.57 auf 0>4-> Proz. zurückgegangen, m.j^'vl^öburg' 5 . Mai. In dem nahen wurde gestern eine alte Jungfrau ^ ^ flnd ihre vier Stück Vieh hat lebt lassen. Auch hier in Pfalzburg

w ein halb närrisches Frauenzimmer, die

ihr Vieh mit Tannennadeln den Winterdurch­gebracht" hat. Zwei Stück Vieh sind auch ihr schon verhungert, die anderen beiden warten auf ein gleiches Schicksal. Ein Ochse ist beim Weidengang vor Mattigkeit den Berg hinab­gekollert.

Aus Baden, 5. Mai. Aus Riegel (Amt Emmendingen) meldet dieBreisgauer Ztg.", daß gestern früh der Kaufmann Willkomm und seine dreizehnjährige Tochter im Leopoldkanal liegend erschossen aufgefunden worden sind. Nach der ganzen Sachlage nimmt man an, daß Will­komm in geistesgestörtem Zustande seine Tochter erschossen und dann Hand an sich selber gelegt hat. Eine weitere Mitteilung besagt, daß Will­komm, der dort als am Säuferwahnsinn leidend dargestellt wird, am Sonntag versucht habe, seine Frau mit Karbolsäure zu vergiften.

Württemberg.

Stuttgart, 3. Mai. Abgeordneten­kammer. Die Kammer der Abgeordneten setzte heute die Beratung des Eisenbahnetats fort. Bei Titel 49 hatte die Regierung für Unter­haltung der Lokomotiven u. Tender je 1,160,000 Mark und für Unterhaltung der Güterwagen je 1,150,000 exigiert. Die Kommission da­gegen beantragt, diese Summen auf 1 , 100,000 vtL und 1,080,000 ^ zu reduzieren, während die Abgg. v. Wöllwarth, v. Wolfs und v. Sand­berger den Antrag einbringen, die volle Exigenz zu genehmigen. Das Haus beschloß auch demge­mäß, nachdem Minister-Präsident Dr. Frhr. von Mittnacht die absolute Unmöglichkeit hervorge­hoben hatte, mit einer geringeren Summe als der exigierten auszukommen. Die Voranschläge der Werkstätten seien sogar noch wesentlich höher gewesen, als die eingebrachten Exigenzen. Mache man die Abstriche, so müsse man eventuell zu Arbeiterentlassungen schreiten und für die nächste Etatsperiode werden die Ausgaben um so größer sein. Der Reinertrag unserer Eisenbahnen wird pro 1893/94 mit 13,239,595 vkL, pro 1894/95 mit 13,474,882 eingestellt. In der fol­genden Sitzung nahm die Kammer der Abge­ordneten die Wahl von 2 Mitgliedern in die Kommission für den Gesetzentwurf, betr. die Kunstweinfabrikation vor. Gewählt wurden die Abgeordneten v. Seckendorf und Bayha. So­dann trat man in die Spezialberatung des Ge­setzentwurfs, betr. die Entschädigung für an Maul- und Klauenseuche gefallenes Rindvieh ein. Bei Art. 1 , welcher bestimmt, daß die Entschädigung nur für gefallenes Rindvieh, nicht für notgeschlachtetes gewährt werde, wurde von verschiedenen Rednern (Spieß, Dentler) auch für die Entschädigung bei Notschlachtungen plai- diert, während sich die Mehrzahl der Redner und auch der Minister dagegen aussprachen. Der Art. 1 wurde sodann in obiger Fassung angenommen.

Reutlingen, 4. Mai. Die hiesige Handels- und Gewerbekammer hielt heute unter dem Vorsitz des Kommerzienrats G. Lam- parter eine längere Sitzung, in der namentlich die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung zu leb­haften Erörterungen Anlaß gaben. Die zur Be­ratung des Jahresberichts 1892 eingeforderten Berichte der Handels- und Gewerbevereine des Bezirks sprachen sich ziemlich einstimmig un­günstig über die Geschäftslage im Kleinhandel und Gewerbe aus, und die Berichte von Balingen, Urach und Kirchheim. die günstiger lauteten, standen damit auch ziemlich vereinzelt da. Durch­gehend ist das Motto des vergangenen Jahres Preise gedrückt, Verdienst geschmälert", zumeist ist sogar die Lage gegenüber dem Vorjahr noch ungünstiger. Auch die Großindustrie hat nicht viel Gutes zu berichten; nur die Leinenspinnerei hat einen flotten Umsatz erzielt, und in der Trikotwarenfabrikation ist die Krisis glücklich überwunden; Metall- und Papierindustrie da­gegen klagen über schlechten Geschäftsgang. Der zweite Punkt betraf den Detailreisenden, den Hausierhandel und die Wanderlager, gegen welche 9 Gcwerbevereine Eingaben eingereicht hatten. Gegen den Bericht von Gutmann-Göppingen, der zu Gunsten der Detailreisenden eintrat, wandte sich Eisenlohr-Reutlingen, und nach aus­führlicher Debatte einigte man sich über folgende

zwei Punkte: 1) die Detailreisenden sollen ebenso wie die Hausierer Kommunalsteuer entrichten, 2) die Wanderlager sollen von Sachverständigen eingeschätzt und im Falle eines Verdachts von Steuerwächtern streng kontrolliert werden. Der letzte Punkt der Tagesordnung behandelte einen Entwurf landesgesetzlicher Bestimmungen zur Beseitigung von Mißbräuchen im Geschäftsbetrieb der Konsumvereine. Auch er fand einstimmige Annahme.

Calw. 22 . April. Heute fand auf dem Brühl die staatliche Bezirks-Rindvieschau statt. Vor Beginn der Schau gab Hr. Regier­ungsrat Clausnitzer eine eingehende Schilderung des Prämierungswesens und der in Betracht kommenden 8 Maaße, sowie der 9 Wertzahlen für Körperteile und Eigenschaften. Vorgeführt wurden II Stück Fairen, von denen 8 Stück in Betracht kamen und vier prämiert wurden. Es wurden überreicht zwei III. Preises. 100. an Farrenhalten Roller, bezw. Gemeinde Liebelsberg, und Wilhelm Hauser in Simmoz- heim; ferner zwei IV. Preise ä -/L 80 an I. Friedr. Stepper in Oberhaugstett und Bal­thasar Dongus in Deckenpfronn. Die nächst­schönen Farren gehörten: Mich. Rentschler in Unterhaugstctt, Hirschwirt Kugele in Sommen- Hardt, Jakob Angerhofer in Althengstett, Oskar Goez auf Hof Dicke. An Kühen wurden von 19 angemeldeten 18 vorgeführt; in Betracht kamen 12 Stück, von denen 4 prämiert wurden und zwar gelangten zur Ausgabe ein III. Preis (^ 80) an Schultheiß Flik, Althengstett, und vier IV. Preise (^ 60) an Mühlebe­sitzer Münsinger Wwe., Ostelsheim, Hugo Rau in Calw. Kronenwirt Wörner, Simmozheim, Mühlebesitzer Karl Haisch, Liebenzell. Die nächst­schönen Tiere gehörten den HH. Oettinger-Calw, Kopp-Möttlingen, Aichele-Deckenpfronn, Gebr. Emendörfer Liebenzell, Fr. Linkenheil-Simmoz- heim, Gleich-Möttlingen. Ganzhorn-Hirsau. In den hiesigen Bezirk gelangten somit in diesem Jahre Preise im Betrag von 680 gegen 420 Mark im Vorjahre. Herr Regierungsrat Csaus- nitzcr sprach sich dahin aus, daß das heurige Bild ein anderes gegen das Vorjahr und ein ganz entschiedener Fortschritt bemerkbar sei, es würde ihn freuen, wenn das sichtbare Bestreben kräftige Fortsetzung finden würde.

Alten steig, 4. Mai. Der gestrige Vieh­markt mar gering befahren; es war kaum die Hälfte Tiere aufgestellt wie sonst, wo ihre Zahl 1000 und darüber betrug. Auch war viel minderwertige Ware da. Der Handel gieng ganz flau und die Preise gingen bedeutend zu­rück. weshalb der in den letzten Wochen bei den Metzgern eingetretene Fleischausschlag 6 pro Pfund, wohl wieder aufgehoben werden dürste. Auch beim Fettvieh machte sich ein Preisabschlag bemerkbar. Für fette Ochsen im Gewicht von ca. 34 Ztr. wurden kaum 2830 vkL für den Zentner lebend Gewicht statt 32 und 34 wie sonst erlöst. Der Schweinemarkt war gut beschickt und ging auch der Handel gut. Bei den Läuferschweinen machte sich gegen den letzten Markt ein kleiner Preisrückgang bemerkbar. Die Saugschweine hielten sich auf dem Preis fest und wurde das Paar mit 2636 vkL be­zahlt.

Ausland.

Paris, 6 . Mai. Zu der deutschen Militärvorlage sagt derSiecle:Niemals seit 23 Jahren .hatten die Elsaß-Lothringer eine schönere Gelegenheit, zu zeigen ihre unbesieg- bareAnhänglichkeitan ihrw ahres Val erla nd» das das französische ist, und ihre unüber­windliche Abneigung, die ihnen der Eroberer einflößt, der es nicht verstanden hat, sich auch nur erträglich zu machen. Mögen die Elsaß- Lothringer ihre Stimmen mit verfingen der Opposition vereinigen, das ganze Frankreich wird ihnen applaudieren und für diesen neuen Liebesbeweis Dank wissen."

Brüssel. 29. April. Dieinternationale Association für die Fortschritte der Hygieine" veranstaltet im Juni d. I. Hierselbst eine Aus­stellung, welche einer ernsten Beachtung auch bei uns durchaus würdig erscheint. Die Ausstellung ^ umfaßt 1 ) Weine jeder Art 2 ) in- und aus-