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im Etat ein Posten nicht vor für Entschädig­ungen für Hilfeleistungen bei Waldbränden. Die Gemeinden seien nach der Waldfeuerlöschordnung beauftragt, einem Brand im Wald entgegenzu- irelcn. Dies sei aber oft mit Kosten verknüpft. Nach der Ordnung hat der Waldbesitzer diese Kosten zu tragen. Diese Ordnung erkennt die fforstdirektion nicht an. Die neue Feuerlösch­ordnung weist ebenfalls die Kosten dem Besitzer bes Brandobjekts zu. Es sei nicht recht, wenn die Löschmannschaften für ihre Zeitversäumnis rc. keine Entschädigung erhalten. Dies habe auch die Forstdirektion früher anerkannt. Jetzt fei ihr Standpunkt ein anderer. Es liege eine solche Entschädigung im Interesse der Forstdirek- lion selbst. Redner erzählt einen Brandfall, wo 7 Gemeinden aufgeboten wurden, die einen großen Schaden verhütet haben. Als die Ge­meinden ihre Kostenzettel eingereicht haben, wurden sie zurückgewiesen mit der Bemerkung, die Gemeinden müssen umsonst diese Arbeiten lhun. Die Stadt Calw habe aus ihrer Kasse einen Teil dieser Entschädigungen übernommen, nur um mißlichen Folgen für die Zukunft vor­zubeugen. Dazu komme noch, daß dieser Brand durch Funken einer Lokomotive entstanden sei; da nun aber der Brandstifter die Kosten zu tragen habe, so hätte in diesem Falle die Eisen­bahnverwaltung die Kosten übernehmen müssen. Dies sei nur zum Teil geschehen. Außerdem sei bemerkenswert, daß die Untersuchungen nicht die Forstdirektion, sondern die Eisenbahnver- waltung selbst geführt habe. Er stelle nach all dem Gesagten den Antrag, den Herrn Finanz- minister zu ersuchen, mit thunlichster Beschleunig­ung eine neue Waldfeuerlöschordnung bei der Siändekammer einzubringen. Der Antrag Haffner wird genehmigt. Haußmann (Gera- dronn) beklagt sich über die chicanöse Behand­lung die den angrenzenden Jagdberechtigten oft durch das Forstpersonal zu teil werde, worauf Minister v. Riecke antwortet, die Behörden seien solchen Chicanen entgegengetreten. Der Amrag Hart mann ebenso wie ein Antrag Aldingers auf Ermäßigung der für Schuß- und Fanggclder ausgesetzlen Summe wurden abgelehnt und dann nach Genehmigung des Kap. 113 die Sitzung abgebrochen.

Stuttgart, 19. April. In der Kammer der Abgeordneten stand heute der Bericht der staatsrechtlichen Kommission über die Beschwerde des suspendierten Oberbürgermeisters Hegel­maier von Heilbronn auf der Tagesordnung. Die Tribünen waren dicht besetzt. Der Bericht­erstatter v. Schad trat in seinen einleitenden Bemerkungen insbesondere dem Irrtum entgegen, als ob es sich, nachdem die Sache vor die Stände gekommen, hier um eine General-Revision des ganzen Falles handeln könnte. Hier handle es sich nur um eine Petition, die eine Petition sei wie andere auch. Darauf müsse man sich be­schränken. Dies habe die Kommission beabsichtigt. Und wenn dadurch eine stürmische Debatte ver­mieden werde, so werde nur um so eher die Möglichkeit gegeben, das Drama einem Ende entgegenzusührcn. wo das Recht nach gleichen Teilen zu beiden Seiten verteilt würde. Da­rauf sprach Staatsminister des Innern von Schmid; er drückte seine Befriedigung darüber aus, daß diese Angelegenheit durch den Komis- swnsbericht eine objektive und gründliche Be­leuchtung vor dem ganzen Lanve gefunden habe. Der Fall Hegelmaier fei ein ganz besonderer, b»e er im ganzen Jahrhundert nie vorgekommen se>, und man wolle hoffen, daß ein solcher Fall nie wieder eintreten möge. Es stehe eine ganz ^gentümliche Persönlichkeit im Mittelpunkt dieses Dramas, eine Person, die eine ganze Reihe von unerträglichen Konflikten mit der Gemeinde, privaten und dem Staat hervorgerufen. Es >ege ein Material von ganz riesigen Dimensionen beispiellos seien. Es seien 76 An- j^/bigungspunkte von schwerwiegender Art vor- yaiMn, Hiebei seien die kleineren Gegenstände ^ öAassen. Die Regierung sei sich bc- lcki n.Pflicht gethan zu haben; sie sei ent- dpm volle Schuldigkeit bis zu dem

, ö" erwartenden Ende Vieser Angelegen- am .Herr Minister teilte mit, daß

- d. M. die K. Kreisregierung in Ludwigs-

l bürg die förmliche Verweisung Hegelmaiers vor den Disziplinarhof beschlossen, und das Mini­sterium am 10. diesen Beschluß bestätigt habe, v. Luz erklärte namens der Landesparlei, daß dieselbe die Beschwerde Hegelmaiers in allen Punkten für völlig unbegründet erachte. Abg. v. Ebner gab namens der Linken die Erklär­ung ab, daß dieselbe angesichts des Kommijsions- berichts auf einen besonderen Antrag in dieser Sache nunmehr verzichte, und bekannte sich für seine Person gleichfalls mit den Anträgen der Kommission einverstanden. Die Veröffentlichung des Gutachtens des Medizinalkollegiums in der Neckarztg." bezeichnete Redner als grobe Takt­losigkeit, gegenüber der er gewünscht hätte, daß der Urheber hätte erhoben werden können. Redner schloß mit einem Appell an den Be­schwerdeführer. auf sein Amt freiwillig zu ver­zichten. v. Wolfs billigt das Bemühen der Behörden, eine gütliche Lösung herbeizuführen, er bezeichnet den Beschwerdeführer als einen Halbirren, den unschädlich zu machen auch der Minister keine Wundermittel habe. Dr. v. Göz fügte hinzu, daß die Fraktion der deutschen Partei einstimmig beschlossen habe, den Anträgen der staatsrechtlichen Kommission deizutreten. Im Einzelnen griff dagegen der Redner das gegen Hegelmaier eingeschlagene Verfahren, namentlich die Handlungsweise des Präsidenten v. Häberlen an. Darauf nahm der Herr Slaatsminister des Innern v. Schmid das Wort. Weiter sprachen Ref. v. Schad, Fr. Haußmann und Göz. Der Antrag der Kommission:Uebergang zur Tages­ordnung" wird mit 74 gegen 10 Stimmen an­genommen.

Die Kammer der Abgeordeten widmete den größten Teil der letzten Woche den Etats­beratungen, nachdem sie das landwirtschaftliche Nachbarrechtsgesctz einstimmig angenommen hatte. Am Mittwoch kam die langerwartete Hegelmaier­frage auf die Tagesordnung, nachdem in voriger Woche der Bericht der staatsrechtlichen Kom­mission bezüglich der Beschwerde des Heilbronner Oberbürgermeisters gegen die ihm widerfahrene Behandlung in den Besitz der einzelnen Abge­ordneten gelangt war. Die staatsrechtliche Kom­mission, welcher nebenbei bemerkt auch einer der beiden Brüder Haußmann angehört, beantragt über alle Beschwerdepunkte Hegelmaier's zur Tagesordnung überzugehen. Die Gegner des Hrn. Staatsministers des Innern mußten natür­lich noch einen Sturmangriff wagen; daß dabei aber etwas herauskommen werde, war schon mehrere Tage vor der Beratung recht zweifel­haft geworden, und wenn man die leidenichaft- lichen Artikel, die in verschiedenen Parteiblättern noch vor wenigen Monaten erschienen sind, mit dem Resultat der Hegelmaier-Debatte in der Ab­geordnetenkammer vergleicht, wird man sich eines Lächelns nicht erwehren können. Auch hier ist wieder einmal Schillers Wort wahr geworden: In den Ozean schwimmt mit 1000 Masten der Jüngling, Still auf gerettetem Boot kehrt in den Hasen der Greis.

Je mehr man sich in die Hegelmaiersrage ver­tieft, desto klarer wird einem, daß der Heil­bonner Oberbürgermeister, so gescheit und ener­gisch er sonst ist, eben doch an Querulantenirrsinn leidet, und daß die Staatsregierung auch dann nicht hätte anders gegen ihn auftrcten können, wenn etwa die Lebensläuglichkeit der Ortsvor­steher abgeschafft gewesen wäre.

Stuttgart. Dr. Karl Peters, der Afrikaforscher, hat dem Hofrat Dr. Beyer hier die Mitteilung gemacht, daß er am 19. April von Egypten abreifen und Ende d. Mts. in Stuttgart eintreffen werde, wo er einige Tage Aufenthalt zu nehmen gedenkt. Von hier be­zieht er sich nach Berlin, wo er einen Vortrag über den Erfolg seiner Kilimandscharo-Ver­messungen halten wird.

Stuttgart, 20. April. In der Nacht vom 19./19. ds. Mts. wurde im Ludwigs­spital hier ein mehrfacher, schwerer Diebstahl verübt und in den Speiseräumen Schinken, Würste rc. sowie auch Kleidungsstücke von Dienst­boten gestohlen. Ein Feldwächter hat gestern Vormittag im Hasenbergwald in einer jungen Forchenkultur eine Manns- und eine Weibsperson beisammen getroffen, welche 4 Körbe voll solcher Waren bei sich hatten. Der Feldwächter hat

diese 2 Personen zum Stadtpolizeiamt verbracht, woselbst festgestellt wurde, daß die Körbe die ganze im Ludwigsspiral gestohlene Beute ent­hielten. Während der Feldwächter beim Stadt­polizeiamt die betr. Meldung machte, zog der Mann eine scharf geladene Pistole aus seiner Tasche und wollte sich erschießen. Die Pistole wurde ihm aber entwunden. Hierauf ergriff der Mann ein Stiletmesser und brachte, ehe dies verhindert werden konnte, zuerst der Weibsperson

3 Stiche und sodann sich selbst 2 Stiche rn die linke Brust bei. Die Weibsperson starb, trotz sofort angestellter ärztlicher Hilfe, nach wenigen Minuten beim Stadtpolizeiamt und der Mann auf dem Transport ins Math.Hospital. Beide sind wegen verschiedener Einbruchsdiebstähle steck­brieflich verfolgt und haben auch in letzter Zeit mehrere Einbruchsdiebstähle im Diakonissenhaus hier verübt.

Stuttgart. Auf dem Pferdemarkt wurden, wie man hört, befriedigende Geschäfte gemacht; cs seien 700 bis 800 Pferde verkauft worden. Auch der Hundemarkt hatte ein befriedigendes Resultat, und in der Gewerbehaüe wurden mit Wagen, Fahr- und Reitrequisiten gute Geschäfte gemacht.

M Wiernsheim O.A. Maulbronn. Die Voruntersuchung gegen den seit mehreren Mo­naten verhafteten hiesigen Gemeindepfleger B. ist immer noch nicht geschlossen. Es sind in letzter Zeit wieder neue Unterschleife aufgedeckt worden. Insbesondere hat sich ergeben, daß B. auch dekretierte Armenunterstützungsbeträge an die Empfangsberechtigten gar nicht auszahlte. Die Auszahlungen aber in Ausgabe verrechnete.

W Pinache (OA. Maulbronn). Dieser Tage wurde der Sohn eines hiesigen Bewohners wegen ungebührlichen Benehmens vor dem hies. Schultheißen von letzterem in eine Ordnungs­strafe von 5 c/fL genommen. Alsbald erschien der Vater des Gerügten vor dem Schultheißen und erlaubte sich ungeziemende Ausfälle gegen den Ortsvorsteher! Dieser verkündigte ihm, daß er gegen ihn eine Ordnungsstrafe von 12 erkenne. Der Gerügte entfernte sich, trank sich Courage an und erschien abermals vor dem Schultheißen. Da er sich wieder ungebührlich benahm, nahm ihn der Otsvorsteher abermals in eine Ordnungsstrafe von 12 ^ Der Stören­fried entfernte sich mit den Worten:das hätte er nicht geglaubt, daß ihn der Schultheiß zwei­mal an einem Tag bestrafen könne."

Ausland.

Rom, 20. April. Das deutsche Kaiser­paar ist wohlbehalten hier eingetroffen und wurde auf dem Bahnhof von dem ital. Königspaar und den Prinzen empfangen, von der Bevölker­ung jubenld begrüßt. Die ganze Stadt prangt im Festschmuck. Von den meisten Häusern wehen Fahnen in den deutschen und italienischen Farben. In den Straßen der Stadt herrscht das regste Leben. Der Zuzug von Fremden dauert fort. Die Via Nazionale ist bis zum Quirinal von Flaggenmasten eingefaßt, die Wappen und Fahnen in den Farben der italienischen Städte tragen. Alle Fenster und Ballone sind mit Teppichen und Blumengewinden behängen. Das herrliche Wetter begünstigt die überaus rege Beteiligung der Bevölkerung.

Rom, 20. April. Der Kaiser legte um

4 Uhr einen Lorbeerkranz am Grabe Victor Emanuels nieder. Auch die Kaiserin be­suchte das Pantheon in Begleitung Martinis. Nachher wurde sie, als sie mit der Königin von Italien über den Corso nach der Villa Borghese fuhr, Gegenstand einer unvergleichlichen Bolks- yuldigung im Herzen der Stadt. Der Besuch des Kaisers beim Papste wird nach folgendem Programm stattfinden: Um 12'/» Uhr am Sonntag erscheint der Kaiser beim preußi­schen Gesandten v. Bülow zum Frühstück. Unter den 14 Eingeladenen befindet sich auch Cardinal Ledochowski, der neuerdings wieder angenehmere Beziehungen zur preußischen Re­gierung unterhält. Kurz nach 2 Uhr kommt die Kaiserin nach und fährt um 2 Uhr 30 Min. mit dem Kaiser nach dem Vatican, wo auf 3 Uhr der Empfang beim Papst angesetzt ist. Die Kaiserin wird sich früher als der Kaiser