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vom Papst verabschieden, und die Kunstsammlungen. sowie die Peterskirche besuchen.
In Belgien herrscht seit einiger Zeit eine revolutionäre Bewegung, hervorgerufen durch die dortigen Sozialisten, welche absolut dem Parlament die Einführung des allgemeinen und geheimen Wahlrechts abtrutzen wollen. In vielen Städten Belgiens und auch in der Hauptstadt kam es zu lärmenden Aufzügen und zu erbitterten Kämpfen mit der Polizei und dem Militär. Ein großer Teil der belgischen Arbeiter hat überdies die Arbeit niedergelegt, und die Streikenden versuchen die arbeitenden Genossen mit Gewalt von der Arbeit wegzutreiben. Bei den Zusammenstößen der Manifestanten mit der Polizei und dem Militär kam es auch mehrfach zu schwerem Blutvergießen. Der Bürgermeister von Brüssel erhielt mit einem bleigefüllten Rohrstock auf dem Spaziergange einen schweren Hieb. Zur Aufrechterhaltung der Ruhe wurden sogar die Militärreferven unter die Fahne einberufen. Die belgische Kammer will zwar das Wahlrecht erweitern, aber dessen Ausübungen an gewisse Bedingungen anknüpfen. Wahlberechtigt soll unter anderem auch nur derjenige werden, der wenigstens lesen und schreiben kann; viele belgische Arbeiter können dies aber nicht. Indessen geben sich die Arbeiter auch mit dem erweiterten Wahlrecht zufrieden und haben die Arbeit wieder ausgenommen.
Unterhaltender Heil.
Unter falschem Verdacht.
Kriminal-Novelle von H. v. Miss eck.
(Fortsetzung 5.i
Der Auditeur steckte den Degen wieder ein, schrieb und legte dann dem Grafen Plötzlich ein Portemonnaie vor.
„Kennen Sie dieses Portemonnaie, Herr Lieutenant?"
Der Angeredete wechselte die Farbe und schwieg anfangs, faßte sich aber schnell und antwortete:
„Gewiß ich kenne es, es gehört Frau von Sterneck."
„Das Portemonnaie fand ich in Ihrer Wohnung. Wie sind Sie in den Besitz desselben gekommen?
Der Graf erzählte wahrheitsgemäß den Hergang der Sache.
Der Auditeur nahm die Aussage zu Protokoll und wandte sich dann abermals an den Grafen.
„In Ihrem Schreibpult sind 5000 vkL in Banknoten gefunden worden. Sie sind in der Zeit von einem gewissen Lewy hart gedrängt worden, wenigstens einen Teil Ihrer Schulden zu zahlen. Sie haben ihn noch vorgestern früh mit den Worten: Warten Sie noch 8 Tage, dann zahle ich Ihnen eine größere Summe, vertröstet. Heute früh haben Sie nach ihm geschickt. Beabsichtigten Sie vielleicht dieses Geld an Lewy zu zahlen?"
„Allerdings," erwiderte der Graf, indem er auf dem Stuhle hin und her rückte. Nach und nach fing ihm die Sache an, peinlich zu werden. Er wurde doch nicht xtwa eines Diebstahls beschuldigt! —
„Wie sind Sie zu dem Gelde gekommen?"
Der Graf halte diese Frage erwartet, war aber fest entschlossen, darauf nicht zu antworten.
Eine verwandte junge Dame, die ihn trotz des Verbotes ihres Vaters liebte und stets bereit war, ihm von dem Erbteil ihrer Mutter jede Summe zu opfern, durfte er nicht bloßstellen, ganz abgesehen von der Herabsetzung der eigenen Würde. Lieber hätte er sich eine Kugel durch den Kopf gejagt. Er schwieg.
„Es steht nicht in meiner Macht, Herr Graf, Ihnen irgend welche Antwort zu erlassen, und gerade von dieser hängt viel ab. Also nochmals, wie kamen Sie zu dem Gelde?"
Der Graf stand ruhig auf und trat an den Tisch.
„Ich muß hier versichern, daß ich bis jetzt aus dem Allem, was hier vorgeht, nicht klug geworden bin. In welchen Beziehungen ich zu Frau von Sterneck stehe, ist doch wohl lediglich
Privatsache. Gleichwohl ist der Name der Dame in diese Verhandlung mit verflochten worden. Wie ich in den Besitz des Geldes gekommen bin, ist gleichfalls Privatsache, und da diese ebenfalls mit einer Dame in Verbindung steht, so gebe ich Ihnen hiermit mein Ehrenwort, daß ich hierüber kein Wort verlieren werde."
Der Graf setzte sich.
Da erhob sich der Auditeur und begann mit ernster Stimme:
„Herr Graf! Ich für meine Person und. wie ich weiß, auch die hier anwesenden Herren sind von Ihrer makellosen Ehrenhaftigkeit überzeugt und würdigen die Gründe, die Sie zum Schweigen veranlassen. Als Vertreter der Justiz dürfen wir uns indeß nicht von persönlichen Ansichten leiten lassen. Das Gesetz fordert Beweise. Wir geben ihnen daher Ihr Ehrenwort zurück und erwarten genaue Mitteilung darüber wie das Geld in Ihren Besitz gelangte. Sie werden die Notwendigkeit dieser Forderung um so mehr begreifen, wenn ich auf die näheren Umstände des entsetzlichen Todes der Frau von Sterneck Hinweise." —
Der Graf sprang entsetzt auf. Mit beiden Händen sich am Tisch hallend, fragte er mit tonloser Stimme:
„Frau von Sterneck tot?"
„Leider ja, und zwar ermordet und beraubt!"
„Ermordet — und — beraubt," flüsterte der Graf.
Die hohe Gestalt zuckte plötzlich, wie vom Blitze getroffen, zusammen. Die Hände ließen den Tisch loß, der Körper schwankte und wäre der Länge nach zu Boden gestürzt, wären die Offiziere nicht herzugesprungen, um ihn in ihren Armen aufzusangen.
Der schleunigst herbeigerufene Arzt vermochte nur mit Mühe und Anwendung kräftiger Mittel feststellen, daß noch Leben in dem Körper sei. zur Besinnung war der Graf nicht zu bringen. Er wurde nach dem nächsten Lazarelh übergeführt und hier stellten die Aerzte fest, daß Kurt von Zackwitz von einem hitzigen Nervenfieber befallen sei, das ihn lange Zeit an das Bett fesseln werde.
8 .
In der Schänke zu Czesczlawice, einem zu den Sterneck'ichen Gütern gehörigen Dorse nahe an der polnischen Grenze, ging es lustig zu.
Maruschka, die Tochter des Voigtes Krupa, feierte ihre Hochzeit mit dem Schmied des Dorfes.
Der Bruder der Braut war unlängst vom Militär gekommen. Er behauptete, als Bursche eines reichen Offiziers viel Geld gespart zu haben, und zeigte sich nun bei der Hochzeit als reicher Herr, indem er mit dem Gelde um sich warf. Bier und namentlich Branntwein ließ er für die Hochzeitsgäste in Strömen fließen.
Die Köpfe waren bereits erhitzt, als das gemeinsame Hochzeitsmahl aufgehoben wurde und drei Dorfmusikanten einen Kojawiak aufspielten. Mit vielstimmigem Juhschrei stürzten die Paare auf den Tanzplatz und markierten mit lautem Stampfen der Füße beim Tanze den Takt der Musik.
Da trat der von Sterneck'fche Förster, ein junger Deutscher ein, übergab seine Büchse dem Wirte zur Aufbewahrung, legte den Hirschfänger neben sich auf den Tisch und sah dem Tanze zu.
Er hatte ein Auge auf die Tochter des ersten Inspektors und sah hier mit ziemlichem Unbehagen, wie diese gerade mit dem wildesten und ausgelassensten Burschen, dem Bruder der Braut, tanzte.
Jaschu Krupa hatte ihm vom Hause aus nicht gefallen: Er hatte in dessen Blick stets etwas Lauerndes gefunden und sich nie mit ihm eingelassen, soviel jener sich auch eine Zeit lang bemüht hatte, ein freundschaftliches Verhältnis mit ihm anzuknüpfen.
(Fortsetzung folgt.;
Aus der Schweiz. In der guten alten Zeit hat der Bericht eines Inspekteurs der Cavallerie hierzulande ein sonderbares Aussehen gehabt. Der „Aargauer Anz." bringt solch ein Schriftstück aus den Archiv.en der Schweizer
„Gavallerey" insonderheit der „Tragung (Dragoner)zumAbdruck. Es lautet: „Gavallereb- Reserve. Rapport von G.. Hauptmann der Cavallerie. Jnspektionsmusterung am 18. Aua 1818. Bei der heute statt gefundenen Jnspek! talionsmustcrung haben zu meinem größten Ver. druß gefehlt, folgende Reserve Traguner, obwohl ihnen wie den anderen geruffen und getrompetet wurde. Hunziker, Heinrich von Reinach. Holliger Joseph von Zezweil. Die übrige Mannschaft ist zum Teil ohne montierung erschienen, auch haben die meisten, meinen strengsten Befehlen Zuwider, die mantelsäke leer; und ich bin darüber so mißvergnügt, daß ich meinen allergrößten Abscheü darüber bekennen muß; mich aber darüber entschuldige, weil ich von house aus nicht jeden, habe in den Mantelsak, und die Pistolen Hulftcrn guken können. Jedoch werden sie nun wohl bald alles anschaffen, was sie haben müssen, weil ich im höchsten Zorn, und schrecklichen! Grimme zu ihnen also sprach: Hört, ihr Soldaten, wenn ihr nicht wollet, daß euch der tausend saßa, alle Elemente, bestehend i» Wasser, Feüer, Luft und Erde, zur türkischen Musik verwandeln solle, so befolget in Zukunst meine Befehle besser als bis dahin. Nun in Gottes Namen reitet vor und bildet ein spitzig zulausendes Viereck, der Trompeter blase hallelujahsaßa, Also verfertigt von mir." — Schneidiger Gaval- lerey-Hauptmann! Was?
Breisach, 16. April. Der Hochaltar unseres Münsters hat eine merkwürdig scharf nach unten gebogene Spitze. Daran knüpft sich eine rührende Liebesgeschichte. Der Künstler, der diesen Hochaltar zu bauen halte, liebte die Tochter des Bürgermeisters der alten Reichsstadt. Dieser wollte von einer Verbindung mit dem „Steinhauer" nichts wissen und versprach ihm höhnisch die Hand seiner Tochter, wenn er einen Altar baue, der höher als die Kirche sei. Ja einer Rosenlaube sahen nun die verzweifelnden Liebenden ein Rosenbäumchen, das bis zum Dache emporgewachsen war und dessen obere Zweige sich demütig nach unten biegen mußten. Dies war dem jungen Meister ein Wink von oben: er baute den Hochaltar mit jener seltsamen Krümmung und zwang so den harten Vater, seine Einwilligung zu geben.
(Gräßlich.) Wir dürfen darauf gefaßt sein, nunmehr aus Chicago täglich die amerikanischsten Dinge zu vernehmen. Schwerlich wird aber folgende Tollheit übertrumpft: Ein Amerikaner stellt eine Pyramide von 400 Klavieren aus, Die Klaviere sind untereinander elektrisch verbunden und werden von einer Dame sämtlich zugleich zum Ertönen gebracht. Da man es schwerlich dahin bringt, daß sie alle gleichgestimmt sind, so wird es einen netten Ohrenschmaus geben.
(Zwecklos.) Richter: „Warum gaben Sie das gefundene Portemonnaie nicht sofort aus der Polizei ab?" — Angeklagter: „Es war W spät abends!" — Richter: „Und am nächste» Morgen?" — Angeklagter: „Herr Jerichtshos, da war bereits nischt mehr d'rin!"
Gemeinnütziges.
(Zur Radieschenzuchl.j Die Radieschen verlangen ein feuchtes, gut gedüngtes Erdreich und viel Sonne. Wenn man Radieschen recht irnh haben will, muß man sie ins Mistbeet anfangs Februar säen. Um fortwährend frische Ware zu haben, geschieht die Aussaat in Zwischenräumen von 3 zu 4 Wochen, und zwar von April an ins freie Land. Wenn die Radieschen das vierte Blatt erreicht haben, kann man sie zur Speist ausziehen. Es ist zu bemerken, daß die Aussaat sehr dünn geschehen muß. so daß jedes Pflänzchen 4 Zoll Raum erhält. Dichtere Saaten müssen verzogen werden. Versäumt man das Verziehen, so wachsen die Radieschen mehr ins Kraut un liefern schlechte Wurzeln. Bei trockener Witterung werden sie leicht Pelzig, weshalb sie dann fleißig begossen werden müssen. Jedoch nehme sie diesen Fehler auch an, wenn man sie zu lang stehen läßt. -
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.