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rech, durch Annahme der Artikel 27 und 35 Eußbestimmungen des Entwurfs) beendigt wurde. Zu Art. 33 u. 34, welche den für den Wneb von Eisenbahnen und Telegraphen not­wendigen polizeilichen Schutz gewähren, gab Ministerpräsident Dr. Frhr. v. Mittnachl die Zusicherung. es solle hier seitens der Verwaltung mit möglichster Liberalität vorgegangen und ins­besondere bei Legung von Leitungsdrähten den in Weg stehenden Bäumen, so viel wie möglich, wo es ohne erhebliche Mehrkosten geschehen könne, ausgewichcn werden. Die Endabstimmung über das Gesetz wird stattfinden nach Anfertigung der Zusammenstellung der Beschlüsse. Darauf trat das Haus in die Beratung des Etats des Justiz- departements ein. Zu Kap. 10 (Ministerium. Kollegien, und Staatsanwaltschaft 1 564 571 ^ pro Jahr) ist die Schaffung der Stelle eines Kanzleidirektors im Justizministerium, sowie zweier neuer Landrichlerstellen in Ulm und Tübingen beantragt. Sachs sprach sich gegen die Anstellung eines Kanzleidirektors aus. die jedoch von Minister v. Faber als absolute Not­wendigkeit bezeichnet wurde. Der Posten wurde mit 60 gegen 19 Stimmen angenommen. Bei den weiteren Titeln dieses Kapitels wurden noch mancherlei Anfragen und Wünsche vorgebracht betreffs Besserstellung der Gerichtsschreiber, Lieferung einer Dienstkleidung an die Landge- richtsdiener u. s. w., ohne daß der Minister jedoch ein Entgegenkommen zu versprechen ver­mochte. Das Kapitel 10 wurde schließlich nach dem Regierungsantrag angenommen und damit die Beratung abgebrochen. Tags darauf hatten beide Häuser des Landtags Sitzungen. Die Kammer der Abgeordneten erledigte den Erat des Juslizdepartemcnls durch Annahme der Kom- missioiisanlräge. Bei Kap. 11 sprach Schnaidt den Wunsch aus, daß württembergische Pfleg­schaften auch in Reichsanleihe möchten angelegt werden können, worauf Minister v. Faber versprach, der Sache anläßlich der Einführung des bürgerlichen Gesetzbuchs näher zu treten. Bei Kap. 12 brachten Prälat v. Wittich und Frhr. v. Seckendorf die Frage der Seelsorge in den bezirksgerichtlichen Gefängnissen zur Sprache, worauf der Justizminister unter Be­tonung des Grundsatzes der Gewissensfreiheit versprach. daß bei den neuen Hausordnungen die Erleichterung des Zutritts der Geistlichen in die Bezirksgefängnisse in Betracht gezogen wer­den solle. Auf weitere Anregungen Hauß manns machte der Minister Mitteilungen über die Beschäftigung der Gefangenen in Amtsge­richts-Gefängnissen und versprach, die Frage größerer Erholungspausen für die Zuchthaus­ausseher. namentlich in Stuttgart, in Erwägung zu ziehen. An der geforderten Summe für Verpflegung der Gefangenen mit je 367 289 empfahl die Finanzkommission mit Rücksicht auf die billigeren Preise von Kernen und Weizen je 20 000 A abzustreichen. Spieß trat sür die Verköstigung mit dem billigeren Hammelfleisch ein,worauf Ministerialpräsident Dr. Weizsäcker Mitteilung machte, daß schon angeordnet worden sei, Hammelfleisch in Abwechslung mit Ochsen­fleisch zu reichen; es komme auf das Resultat dieses Versuches an, ob sich elfteres in gewissen Grenzen in unseren Gefängnissen einbürgern könne. Der von der Kommission beantragte Abstrich wurde angenommen; die folgenden Kap. l3> 14, 15 gaben zu keiner Debatte mehr An­laß. Die Kammer der Siandesherrn erledigte den Gesetzentwurf, betreffend die Abstufung der Malzsteuer, ganz in Uevereinstimmung mit den Beschlüssen des anderen Hauses.

Der Wichtigkeit entsprechend. welche das Zeichnen für das gewerbliche Leben hat. findet dasselbe als fakulatives Fach immer mehr Ein­gang in den Volksschulen und die Behörden lassen es sich angelegen sein, daß die Lehrer >ur dieses Fach gründlich vorbereitet werden.

^rde erst neuerdings sür die katholische Praparandenanstalten angeordnet, daß von Georgij ab das geometrischen (lineare) Zeichnen >n den Lehrplan aufzunehmen ist. Ebenso wurde lur die evang. wie sür die kathol. Sonder- onfercnzen bestimmt, daß die Schulinspektorate Züchtigt sind, sür die Prüfung, Besprechung "d Korrektur der Zeichnungen und die Anleitung

der jüngeren Lehrer zur Fortübung des Zeichnens einen tüchtigen Zeichenlehrer beizuziehen.

Der Sohn des ersten Bahnwärters auf der Strecke zwischen Nagold und Wildberg wurde nachts, als er auf dem Geleise der Bahn von der Rekrutenmusterung heimkehrte, vom Zug überfahren. Der Vater selbst fand den schreck­lich verstümmelten Sohn auf der Bahnlinie.

Ausland.

Die Franzosen kommen aus ihren Skan- dalasfairen gar nicht mehr heraus. Das Neueste dieser Art ist derSkandal-Turpin". Herr Turpin, der Erfinder des Melinits, be­schuldigt die Verwaltung des früheren Kriegs- Ministers Freycinet höchst kompromittierender Dinge, eines förmlichen Schachergeschäkts mit dem von Turpin erfundenen Sprengstoff; auch droht Turpin mit weiteren, noch sensationelleren Enthüllungen. Vorläufig hat das Ministerium Dupuy noch keine klare Stellung zu der Affaire Turpin genommen, es wird jedoch um die Ein­leitung einer Untersuchung schwerlich herum­kommen.

Der große Wechsel der Dinge in Serbien scheint sich zunächst in voller Ordnung zu voll­ziehen. Aus allen Teilen des Landes gehen Glückwünsche bei dem jungen König ein. Die bisherigen Minister Ribarac und Vilikövic sind in das Ausland abgereist; Ristic dürfte bald folgen. Die Illumination und der Fackelzug. durch die die Belgrader Bevölkerung das Er­eignis feierte, sind glänzend ausgefallen. Die Ruhe ist nirgends gestört werden. Biele Städte in der Provinz veranstalten ebenfalls Festlich­keiten. Es soll sich bestätigen, daß der Exkönig Milan dem Staatsstreich nicht fern stehen soll, man behauptet sogar, daß Milan sich auf der Reise nach Belgrad befinde. In Budapest war gestern bereits das Gerücht verbreitet, der ehe­malige Serbenkönig habe die Stadt passiert. Der erste Regierungsakt des 17jährigen Königs dürfte die Auflösung der Skupschtina und die Ausschreibung von Neuwahlen sein. Eine durch­greifende Aenderung des ganzen administrativen Körpers wird unmittelbar vorgenommen werden.

Aus Rußland. Eine neue Drangsalier­ung Deutscher wird unterm 13. April aus Lodz in derKreuzztg " gemeldet: Hundert­fünfzig deutsche Fabrikmeister, welche die Kennt­nis der russischen oder polnischen Sprache nicht Nachweisen konnten, erhielten gestern den Be­fehl, Lodz und russisches Gebiet heute zu ver­lassen. Die Fabrikbesitzer sind aufgefordert worden, die Ausführung dieser Maßregel unter eigener Verantwortung zu überwachen.

Telegramme an den Enzthäler.

Kiel, 17. April. Der Kaiser begab sich gestern vormittag von dem AvisoHohenzollern" nach der Marine-Akkademie, woselbst die Vor­stellung der Cadetten erfolgte. Hierauf wohnte der Kaiser dem Gottesdienste in der Marine Garnisonskirche bei und kehrte mittags auf die Hohenzollern" zurück. Hier fand eine größere Tafel statt. Abends 5 Uhr begab sich der Kaiser zur Rückreise nach Berlin zu Fuß nach dem Bahnhof, wobei er von der Volksmenge enthu­siastisch begrüßt wurde.

Brüssel, 17. April. Als Bürgermeister Burls gestern nachmittag in der Avenue Louise spazieren ging, erhielt er von einem Teilnehmer eines Manisestantenzuges, der ihn erkannte, einen Schlag mit einem mit Blei gefüllten Rohr­stock und wurde schwer verletzt. Der Verwun­dete wurde nach seiner Wohnung gebracht.

Petersburg, 17. April. Das Journal de St. Petersburg erklärt, es sei ein Akt der Kraft und Weisheit gewesen, womit König Alexander dem mißlichen und gefährlichen Zustand Serbiens beendigt habe. Die Ruhe, mit welcher die Umwälzung sich vollzog, beweise, daß dieselbe den Wünschen der Nation und den

Interessen des Landes entspreche. In Rußland verfolge man mit viel zu großer Sympathie die freie Entwickelung Serbiens, um nicht aufrichtig zu wünschen, daß dieses Ereignis unter dem Schutze des Königs zur Beruhigung und Unab­hängigkeit Serbiens diene.

Unterhaltender Heil.

Unter falschem Verdacht.

Kriminal-Novelle von H. v. Miss eck.

(Fortsetzung 3.1

Zwei Kriminalbeamte waren aus Berlin nach F. berufen worden, um nach dem Mörder zu forichen. Sie fanden trotz aller Bemühungen keine Spur. Nur die Anwesenheit eines Garde- Offiziers, dessen Hin- und Zurückgehen nach dem Friedhose der Posten vor dem in der Nähe be- legenen Garnison-Lazaret bemerkt hatte, erschien ihnen auffällig.

Das zufällige Zusammentreffen der Zeit dieses Besuches mit der wahrscheinlichen Zeit deö Mordes erweckte bei dem Mangel jeder sonstigen auf­fallenden Erscheinung den Verdacht der beiden Kriminalbeamten.

Während der eine derselbe zur Fortsetzung der Recherchen in F. zurückblieb, eilte der andere sofort nach der Meldung des Soldaten, der dem Garde-Offizier zweimal die Honneurs erwiesen hatte, nach dem Bahnhofe um dort in Berlin weitere Ermittelungen anzustellen.

Im Wartesaal erkundigte er sich bei dem Kellner anscheinend nebenbei, ob dieser gestern Nachmitag einen Garde-Offizier gesehen habe. Mit einer Wichtigthuerei erzählte der Kellner des Langen und Breiten von dem sonderbaren Benehmen des Leiutenants und vergaß auch nicht das Portemonnaie mit den Buchstaben A. v. S. zu erwähnen.

Mit der gespanntesten Aufmerksamkeit lauschte der Beamte. Glaubte er doch auf der richtigen Fährte zu sein. Auch Personalbe­schreibung, die der Kellner von dem Offizier gab, war von Wichtigkeit und gewährte die Möglichkeit weiterer Nachforschungen.

Der Lieutenant hatte nämlich die Mütze abgenommen und der Kellner hatte bemerkt, daß dicht neben dem Scheitel eine fingerlange kahle Stelle, wie von einem Streifschüsse herrührend, sichtbar gewesen war.

Der Beamte notierte angelegentlich Namen und Wohnung des Knellners, schrieb seinem Kollegen einige Zeilen und brauste dann mit dem nächsten Schnellzuge nach Berlin.

6 .

Graf Zackwitz hatte am zweiten Tage nach der Ermordung der Frau von Sterneck keinen Dienst. Er saß behaglich in einem Fauteuil und betrachtete das Bild eines vor ihm liegen­den Medaillons.

Die Wohnung war elegant ausgestattet. Ein besonderer Schmuck derselben war die kleine, aber aus seltenen Stücken bestehende Waffen­sammlung, welche an der Wand seines Salons angebracht war. Hier sah man neben dem Bogen des Kalmücken das Chassepot der Fran­zosen aus den Jahren 1870 und 1871 und den Tomahawk des Indianers.

Hatte Graf Zackwitz Besuch von Kameraden, so kam es ihm nicht darauf an, zu jeder dieser Waffen irgend eine Schauergeschichte zu erzählen, und wenn auch die Kammeraden wußten, daß kein Sterbenswörtchen von dem Erzählten wahr war, so ließen sie sich doch eine kleine Schnurre aufbinden und lobten schließlich das Erzähler- ralent des freigebigen Gastgebers.

Namentlich von einem kleinen Dolch, einem wahren Meisterwerke eines Waffenschmiedes in Toledo, erzählte der Graf mit Vorliebe. Die Waffe spielte in einem Liebesdrama während der Kämpfe der Spanier gegen Napolen eine wichtige Rolle.

Graf Zackwitz legte das geöffnete Medaillon bei Seite.

Ist es wohl möglich, daß man eine Frau wirklich bis zum Wahnsinn lieben kann? Wie oft habe ich die Kammeraden verlacht, wenn sie mir ihr Herzeleid klagten und in ihrem Liebes«