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Die Glückwunsch- und Verehrungsschreiben, sowie die Geschenke, welche das ganze Osterfest bindurch in Friedrichsruh eingcgangen sind, zählen nach Tausenden. Die Geschenke sind so mannig­faltiger Art. daß cs schwer hält, sie einiger­maßenzu gruppieren. Viele der Spender sandlen. des leiblichen Wohles des Fürsten gedenkend. Torten, Kuchenaussätze. Baumkuchen. Zwiebäcke usn,. andere Bismarck Bittern. Weine u,w.; auch die Küche des Schlosses warb reichlich versorgt und vergnüglich schmunzelnd erzählte der Chef derselben von einem eingemachten Hasen, von einer zwei Meter langen, mit Staniol umwickelten Riescnmettwurst. von einer aus Bologna einge- lroffenen kugelrunden Mortadella. 4050 om jm Durchmesser, und vielem Anderen. Aus Charlottenburg kam ein eigenartiger Briefbe­schwerer aus Stein: Auf einem Osterei ein Hase, zu ihm hinaufschielend ein Hund, aut der Platte die Worte:Wenn ich nur erst wüßte, wie der Hase läuft." AuS Laage in Mecklen­burg waren u. A. ein Paar Müffchen einge- troffen mit dem eigenhändigen hübschen Begleit­schreiben der jugendlichen Spenderin:

Lieber Herr Fürst Bismarck!

Mein Papa hat mir gesagt, daß heute Ihr Ge« burtstag ist. Ich gratuliere Ihnen auch. Die bei­folgenden Müffchen habe ich für Sie gemacht, wenn Sie auf die Jagd gehen und es draußen kalt ist. Mehr konnte ich noch nicht machen, denn ich muß noch erst lernen. Jm nächsten Jahre giebt es schon etwas Besseres, aber was, will ich lieber noch nicht sagen."

Seiner Zeit hat Fürst Bismarck geäußert, daß zu seinem Bedauern am 1. April die Eiche noch kein Laub habe. Eine Dame aus Mecklen- burg'Schwerin ließ es sich nun nicht nehmen, eine Eiche künstlich zu ziehen und Se. Durchlaucht ein Kästchen mit Laub derselben zu übersenden als Geburtskagsangebinde. Ein Brief aus Mannheim trägt die Aufschrift:Seiner Durch­laucht dem Alt-Reichskanzler, Baker von Europa. Fürst von Bismarck-Schönhausen. Friedrichsruh." ein Glückwunsch aus Nebrasca (Vereinigte

Ltaaten) als Adresse nur die Worte ,,Bismarck Germany", und ohne jeden Vermerk auch seitens der Post traf er pünktlich an seinem Bestimm­ungsort ein. Bon der Spitze des Eiffelturmes in Paris sandten fünf treue Verehrer (aus Pirmasens) ihre herzlichsten Glückwünsche. Aus Algier ist genau am 1. April folgendes Telegramm abgesandt worden: Sr. Durchlaucht dem Fürsten Bismarck, Friedrichsruh. Die Passa­giere und Beamten des Hamburger DampierS Fürst Bismarck" senden dem erlauchten Paten des Schiffes in tiefster Verehrung die wärmsten Glückwünsche zum heutigen Geburtstage, die Deut­schen dem edelsten Patrioten, die Amerikaner dem großen Staalsmanne, welcher der Neuzeit ihre Bohnen wies, die Engländer dem hochgeschätzten Förderer des Friedens der Völker, (gez.) Gödeke.

Wir schließen diese nur kleine Nachlese vom Geburtstagstisch Bismarcks mit folgendem Glück­wunsch-Telegramm, welches die Mitglieder eines Damen-Pensionats im Harzstädtchen Stolberg dem Fürsten bereitet haben:

Stets heiter gelaunt und jung noch au Jahren, Politisch ganz harmlos und unerfahren,

Den Haushalt zu lernen mit Eifer bedacht,

Zu dessen Studium wir hierher gebracht,

Heut in dem jubelnden Festgebraus Rufen auch wir begeistert aus:

Der Kanzler hoch, der in deutschen Landen So meisterlich hauszuhalteu verstanden!

Gott schenk' ihm noch lange Gesundheit und Kraft, Der Ordnung in deutscher Küche geschafft!

Dies widmet Dir aus waldumrauschten Städtchen Jm Harzgebirg' ein Dutzend junger Mädchen."

Der Reichsinvalidenfonds.

Die betrübenden Vorkommnisse der beiden letzten Reichslagssitzungen haben die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Entstehung des Reichs lnvalidenfvnds gelenkt. Nicht um uns gegen die wohl von Niemand ernst genommenen Be­schuldigungen des Reichstogsabgeordneten Ahl- wardtzu wenden, sondern lediglich aus historischem

^nlercsse gehen wir hier auf diesen Gegenstand ein.

Die Anregung zu der Bildung eines solchen Fonds ist gleich nach Beendigung des Krieges lm >;ahre 1871 erfolgt. Die Vorlage selbst ist "ft zwei Jahre später an den R :chstag ge- wngt. Der Fonds wurde aus der >. anzösischen ittiegsentjchädlgung gebildet. Der Krieg hatte

eine große Militärpensionslast geschaffen; eS fragte sich, ob man die zahlreichen Pensionen der in den Jahren 1870 und 1871 invalide gewordenen Offiziere und Soldaten auf den ge­wöhnlichen Pensionsetal übernehmen sollte, so daß sie aus den laufenden Einnahmen des Reiches zu bestreiten wären, oder ob behufs Entlastung dieser ein besonderer Fonds gebildet werden sollte. Indem man sich für das Letztere und für die Dotierung des Fonds aus den Kriegsentschädigungs-Milliarden entschied, konnte es sich selbstverständlich nur darum handeln, ihn so hoch zu normieren, wie der Zweck es erforderte, d. h. so hoch, .daß er bis zum Tode des letzten Kriegsinvaliden ausreicht. Es wurde daher berechnet, welche Summe zur Deckung des Bedarfs erforderlich sei, wenn außer den Zinsen des Fonds allmählich auch das Kapital für die Pensionszahlungen verwendet würde. Demgemäß ward der Jnvalidenfonds mit 187 Millionen Thalern oder 561 Millionen Mark dotiert. Wie sich später herausstelltc, war die Rechnung insofern nicht ganz zutreffend, als auch ein geringeres Kapital ausgereicht hätte; der Ueberschuß, welcher sich somit ergiebt. macht es erfreulicherweise möglich, die Pension der Kriegsinvaliden eben jetzt einigermaßen zu er­höhen. Nach der von der Verwaltung des Jnvalidenfonds für den 30. Juni 1891 ausgestellten Bilanzberechnung ergab sich ein Aktivbestand von 463 084078 während sich der Kapitalwert der gegenüberstehenden Ver­bindlichkeiten einschließlich der Berwaltungskosten auf 346115 704 ^ bezifferte, so daß die Aktiv- maffe des Fonds den Kapitalwert der Verbind­lichkeiten um 116968374 c/lL überstieg. Seit­her hat sich dieser Ueberschuß noch erheblich er­höht. Was die Einrichtung anlangt, so wurde das Kapital in verzinslichen Schuldverschreib­ungen angelegt, teils bei deutschen kommunalen Korporationen, teils bei deutschen Eisenbahnge- sellschaften, teils bei landschaftlichen oder kom­munalen Bodenkreditinstiluten. H^stHAich pxx Verwaltung des Fonds beschloß der Reichstag >. Z, daß diese dem direkten Einfluß des Reichs­kanzlers untergeordnet, daß die vom Bundesrat zu wählende Kommission nur eine indirekte Mit­wirkung bezüglich der Gesetzmäßigkeit aller Ver- walrungsmaßregeln und außerdem die Reichs­schuldenkommission eine Kontrolle ausüben solle, die zu diesem Zwecke um fünf Mitglieder ver­stärkt wurde, darunter drei vom Reichstage ge­wählte. Am 7. Februar 1876 wurde durch die Annahme der Novelle zum Reichsinvalidenfonds­gesetz die Institution endgültig geordnet.

Württemberg.

Stuttgart, 26. März. Bezüglich der Lage der unständigen Lehrer hat eine Stutt­garter Gauversammlung folgende Thesen ange­nommen: i) Der Lage der Unständigen ii. g.) in der Besoldungsfrage, b) in den AnsieH- ungsverhältniffen und e) in der Krankenver­sorgung dringend eine ^ .derung nötig. 2) Be­züglich der Besoldung ist die Mindestforderung 800 für Lehrgehilfen bis zum 22. Jahr. 900 für Unterlehrer bis zum 25. Jahr und 1000 als pensionsberechtigt vom 26. Jahr an. 3) Die Lchrgehilfenzeit soll bis zum 22. Jahr, die Unterlehrerzeit bis zum 25. Jahre gehen, von da an sollen die Stellen ständige und penstonsberechtigte sein. 4) Um der noch herrschenden Ueberproduktion vorzubeugen. soll die jährliche Aufnahme von Schulamtszöglingen in rin näheres Verhältnis zu dem definitiven Jahresverbrauch an Kandidaten gesetzt werden. 5) Nach zurückgelegtem 25. Jahre sollte kein Kandidat von der zweiten Dienstprüfung zurück gewiesen werden dürfen. 6) Ein kranker Un­ständiger sollte vor Mangel und Entblößung durch gesetzlich geordnete Einrichtungen wie in Baden und Bayern geschützt sein.

Die vorläufigen Hauptergebnisse derVieh - zählungen Württembergs vom 1. Dez. 1892 sind nunmehr bekannt. Württemberg zählt über 100 000 Pferde, welche seit Januar 1883 um nahezu 5000 Stück zugenommen haben. Die Esel sind bis aus 76 Stück zufammengeschrumpft (natürlich nur die viersilbigen.) An Rindvieh zählt das Land nahezu 1 Million Stück (ca.

66 000 Stück mehr als 1883.) Schafe (384 335 (weniger 165 769), Schweine 384 482 (mehr 102 196). Auch die Zahl der Ziegen. Bienen­stöcke, Gänse. Enten und Hühner hatten in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen. Der im ganzen so erfreuliche Aufschwung unserer Viehhaltung beweist, daß auch das Volksvermögen im allgemeinen zugenommen hat. Die Abnahme der Schafe in Württemberg zeigt sich ganz ent­sprechend der Abnahme auch in den übrigen deutschen Ländern und ist einerseits die Folge der durch die australische Wolle sehr gedrückten Wollpreise und andererseits der durch die fran­zösische Zollerhöhung außerordentlich erschwerten Masthammel-Ausfuhr nach Frankreich. Obgleich die Hühnerzucht bei uns um nahezu 17"/ zu- genommen hat, sollte doch in dieser Richtung noch vielmehr als bisher geschehen; wurden doch im vorigen Jahre für mehr als 80 Millionen Mark Eier vom Ausland in Deutschland einge­führt und Württemberg allein hat für auslän­dische Eier mindestens 1'/, Millionen Mark gezahlt. Zieht man von dieser Summe sogar '/» Million für Fütterungskosten der Hühner ad. was entschieden zu hoch gegriffen erscheint, so könnten unsere Bäuerinnen die noch verbleibende 1 Million recht gut gebrauchen, umsomehr, als die Getreidepreise so tief gedrückt sind, daß unsere Bauern nicht mehr auf ihre Selbstkosten bei dem Getreidebau kommen. Bei dem Eierhandel bleibt allerdings zu viel an den Händen der Zwischenhändler hängen, und eine Hebung der Eierproduktion ist nur dann zu erwarten, wenn das Prinzip der Molkerei-Genoffenschaft auch auf andere landwirtschaftliche Produkte ausge­dehnt wird.

Stuttgart. 7. April. Strafkammer. Jm November v. Js. wurde in hiesiger Stadt eine große Anzahl von Diebstählen verübt, wegen deren nicht weniger als 8 junge Leute vor die Strafkammer verwiesen wurden, darunter 6 im Alter von 12 bis 14 Jahren, einer von 15, einer von 16 Jahren. Es waren deshalb für 7 derselben, weil unter 16 Jahren, gesetzlicher Vorschrift gemäß, Offizialverteidiger gestellt. Die ihnen zur Last gelegten strafbaren Handlungen bestanden in 13 teils schweren, reils einfachen Diebstählen, einfacher Hehlerei, 4 Fälschungen von Privaturkunden und damit vollendeten oder versuchtem Betrug, woran sie je in verschiedenen Gruppen beteiligt waren. Sämtliche Angeklagten wurden überführt und zu Gefängnisstrafen von einer Woche bis zu 9 Monaten verurteilt.

Ausland.

Brüssel. 1. April. Eine interessante Neuerung auf dem Gebiete des Fahrkartenwesens wird demnächst das belgische Eisenbahnmini­sterium eiuführen. Neben den bis dahin üblichen Fahrkarten werden nämlich auch solche ausg^- geben erden, welche da" Recht verleihen, samt- liehe Züge in ganz Belgien während der Dauer von 7 resp. 14 Tagen zu benützen. Ein der­artiges Abonnemenls-Billet mit siebentägiger Gültigkeit wird für die erste Klaffe 30, für die zweite 22,50 und für die dritte 15 Frcs. kosten, und diesem Satze entsprechend werden auch die Preise für die 14tägigen Fahrkarten festgesetzt werden. Es läßt sich nicht leugnen, daß mit dieser nachahmungswerten Einrichtung für viele Personen eine große Annehmlichkeit geschaffen werden wird, und was die Preise anbelaiigt. so kann man sich wohl kaum ein billigeres Ver­gnügen denken, als z. B. für 15 Frcs. sieben Tage und Nächte ohne fortwährend aus der Eisenbahn herumfahren zu dürfen.

Aus Asien. DieGazetta di Venezia" berichtet schreckliche Einzelheiten über ein Erd­beben in der Stadt Malaltia in Mesopotanien. Von 10 875 Häusern sind 2885 zerstört, 5690 unbewohnbar. Fast alle Moscheen und Kirchen sind verwüstet. 800 Magazine gleichen Trümmer­haufen. Nach amtlichen Angaben sind 130 Menschen umgekommen.

Telegramm an den Euzthiiler.

§§ Karlsruhe, 10. April. Der wegen Raubs und versuchten Mords angcklagte Schüler von Eutingen wurde zu 15 Jahr Zuchthaus, 10 Jahre Ehrenverlust u. Polizeiaufsicht verurteilt.