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nicht ganz gethan: das war als Student, und das einzige, was er bedauere, sei. damals zu wenig gearbeitet zu haben. Als Dank für das Erscheinen der akkademiichen Abordnungen überreichte der Fürst jedem Studenten eine Rose. Unter den Glückwunschtelegrammen befindet sich ein solches von dem Prinzregenten von Bayern.
Jever, 1. April. Die „Getreuen von Jever" haben gestern die übliche Sendung von Kibitzeiern mit folgendem Spruch an den Fürsten Bismarck abgehen lassen:
Mag ok de Welt ut Fogen gähn
In Leev to di blievt alltied stahn
Die Getreuen.
Karlsruhe, 1. April. Die Begehung des Geburtstags des Altreichskanzlers Fürsten Bismarck findet hier am nächsten Mittwoch durch eine Feier im Anbausaale der Festhalle statt. Eine Feier ganz besonderer Art für den Fürsten ist in diesem Jahre das Dankesfest auf dem Feldberg am morgigen Sonntag-Abend, wozu Teilnehmer aus dem ganzen Lande sich einfinden. Als Huldigungsgeschenk für den Fürsten sind aus diesem Anlaß prachtvolle Schwarzwaldbilder in Albumform bestimmt
Graf Balle st rem beim Papst. Der von einem Besuche beim Papst aus Rom zurückkehrende Führer des Zentrums, Graf Ballestrem, hat seiner Partei aus dem Munde des Papstes eine Direktive mitgebracht, welche lautet: „Einheit und Weisheit, besonders Weisheit!" Will man diese Aeußerung des kirchlichen Oberhauptes der Katholiken auf die große Frage des Tages anwenden, so ist die päpstliche Mahnung wohl dahin zu verstehen: das Zentrum soll der Einheit seiner Aktion jeden anderen Gesichtspunkt unterordnen, d. h. gegen die Vorlage stimmen, wenn die Mehrheit der Fraktion dagegen ist. für die Vorlage, beziehungsweise eine an diese hinreichende Verständigung, wenn sie in der Fraktion die Mehrheit hat. Wie das zu machen, bleibt der Weisheit der Führer anheimgestellt.
Der Gouverneur von Köln, General von Sch ko pp, der am Kaisersgeburtstage durch eine etwas lebhafte Rede von sich reden gemacht hatte, wird demnächst in den Ruhestand treten.
In Deutschland machen sich wieder Anfänge einer Streikbewegung in diesem Frühjahr geltend z. B. streiken in Hamburg die Heizer und Trimmer, in Karlsruhe und in Mainz haben die Brauburschen die Arbeit eingestellt, in Berlin feiern die Schneider freiwillig u. s. w. Nach allen Anzeichen zu urteilen, werden in nächster Zeit die Angestellten Verschiedener anderer Gewerbe ebenfalls größere Streiks inscenieren.
Augsburg, 4. April. Der schwäbische nationalliberale Parteitag beriet heute den Programmentwurs. Die Hauptredner, Bürgermeister v. Fischer, Kommerzienrat Reichel und Professor Vogt, sprachen für einen ausgiebigen Schutz der nationalen Produktion, für eine landwirtschaftliche Bewegung, gegen die Handelsverträge, für eine selbständige Kritik gegenüber der Regierung und für freie staatliche Schulen.
Coblenz, 24. März. Unter den Offizieren unserer Garnison befinden sich augenblicklich drei ausländische, die zur Dienstleistung abkommandiert sind. Schon seit längerer Zeit macht ein türkischer im 8. Pionierbataillon, ein japanischer im 68. Infanterie-Regiment und seit kurzem ein schwedischer im 28. Infanterieregiment den Dienst mit.
Grimma, 30. März. Großes Aufsehen erregte vor einigen Wochen in dem benachbarten Städtchen Kolditz das Verschwinden eines I8jähr., hübschen, jungen Mädchens, einer Waise, die dort bei dem Stockmannschen Ehepaar in Pension gewesen war. Das Mädchen, Lina Müller ist ihr Name, war auf einem Fastnachtsballe, von wo sie schon sehr zeitig mit den Stockmannschen Eheleuten nach Hause zurückkehrte; seitdem war sie spurlos verschwunden. Die Angelegenheit rief um so größere Erregung unter der Einwohnerschaft in Kolditz hervor, als allgemein bekannt war. daß das Verhältnis zwischen dem jungen Mädchen und den Eheleuten Stockmann, welche die reiche Waise mir einem ihrer Verwandten verheiraten wollten, nicht das beste war. Sogar die Staatsanwaltschaft Leipzig
wurde verschiedene Male zum Einschreiten »er. anlaßt. Jetzt endlich hat man, wie sächsische Blätter melden, das junge Mädchen als Leiche in der Mulde aufgefunden und zwar noch im vollen Ballstaate, wie es die Wohnung seiner Zeit verlassen hatte. Seil dem Auffinden der Leiche hat sich die erregte Stimmung unter der Kolditzer Einwohnerschaft noch bedeutend erhöht. Bor dem Stockmannschen Hause fand eine große Menschenansammlung statt, die erst durch polizeiliches Einschreiten zerstreut werden konnte.
Aus Bayern, 28. März. Die Aufregung über den Salmdorfer Mord, dem vier Personen zum Opfer gefallen sind, hat sich, da die Entdeckung der Urheber des gräßlichen Verbrechens noch nicht mit Gewißheit erfolgt ist. noch nicht gelegt, und schon vernimmt man wieder von neuen Unlhaten. Nach einer Meldung der „Amberger Volkszeitung" soll in dem fränkischen Dorfe Birk bei Castell in einer Leheersfamilie ein vierfacher Raubmord verübt worden sein. Nähere Einzelheiten fehlen noch. Ferner ist heute Früh in nächster Nähe von München ein frecher Raubmordversuch verübt worden. Der Bauer Stroblmeier von Martinsried fuhr in der Frühe zur Stadt, um eine Fuhre Heu zu verkaufen. Auf der Forsten- riederstraße nächst Sendling wurde er Plötzlich von einem jungen Burschen Hinterrücksangefallen und mit einem Beil zu Boden geschlagen. Der Verbrecher bemächtigte sich des Fuhrwerks und fuhr zur Stadt weiter. Da er an der Zollstation aber den Heuzoll nicht entrichten konnte, entspann sich zwischen ihm und dem Beamten ein Wortwechsel, in dessen Verlauf der Wagenführer dem Beamten so verdächtig wurde, daß elfterer es für geraten hielt, auszureißen. Man setzte ihm nach und hat ihn, wie eine letzte Meldung der „Münchener N. Nachr." besagt, auch eingeholt und einen Gärtner namens Anton Haß ermittelt. An dem Aufkommen des schwerverletzten Bauern wird gezweifelt.
Mannheim, 28. März. Ein hier wohnhafter Techniker Reindel ist nun ebenfalls mit seinem kugelsicheren Stoff an die Öffentlichkeit getreten. Die gestern auf dem Militärschießplatz vorgenommenen Schießproben ergaben eine selbst auf kurze Entfernung vollständige Kugelsicherheit. bezw. Undurchdringlichkeit der Masse. In den nächsten Tagen sollen Versuche mit dem Lebelgewehr, sowie mit dem Mannlicher- und dem deutschen kleinkalibrigen Gewehr vorgenommen werden. Der Stoff soll zweimal so leicht wie die Dowesche Masse sein, und sich besonders zum Einlegen in die Uniform eigenen.
W Ersingen bei Pforzheim. Letzten Mittwoch Nachts zertrümmerte ein Arbeiter namens Schuster am Hause seines Schwiegervaters, wohin sich seine Frau vor ihm geflüchtet hatte, nicht weniger als ein Dutzend Fensterscheiben durch Steinwürfe und mit einem Prügel.
Württemberg.
Oberes Murgthal. 31. März. Am Gründonnerstag fand unter dem Vorsitz des Reichstagsabgeordneten Fabrikanten Holtzmann von Weiffenbach in Forbach im unteren bad. Murgthal eine von den Interessenten des württ. und badischen Murgthals überaus zahlreich besuchte Versammlung statt, um über die längst schwebende Frage einer Murgthalbahn und ein gemeinsames Vorgehen gegenüber den beiderseitigen Regierungen und Ständen sich zu verständigen. Eine solche Verständigung ist denn auch erfolgt; nach den eingehenden Darlegungen des Landtagsabg. Stadtschultheiß Hartranft von Freudenstadt, des Bürgermeisters Abel von Gernsbach und verschiedener anderer Redner ist beschlossen worden, eine durchgehende normal- spurige Bahn von Freudenstadt nach Gernsbach (Weiffenbach) als im dringenden Interesse des Verkehrs- und industriereichen Murgthals gelegen, dem Wohlwollen der beiderseitigen Regierungen und Stände angelegentlichst zu empfehlen. Der Mafientransport von Holz und Sägwaaren für sich allein ohne den zu erhoffenden Fremdenverkehr in dem landschaftlich hervorragenden Murgthal mit seinen zahlreichen Kurorten und Sommerfrischen würde eine Bahnverbindung voll und ganz rechtfertigen; ist doch zahlenmäßig
nochgewiesen, daß täglich durchschnittlich ya Wagen Holz mit der künftigen Bahn thM. wärts an den Rhein gingen.
Jtt Biberach erhaschte das einzige Kind des Beinringlers Sommer ein Dreimarkstück und verschluckte es. Trotz aller angewandten das Kind in kurzer Zeit.
In Großküchen bei Neresheim sind in der Zeit von '/« Stunde 8 Wohngebäude nebst Scheunen und Stallungen abgebrannt. Drei Stück Rindvieh des Wirts Mayer sind mitverbrannt. Einer der Abgebrannten ist als der Brandstiftung verdächtig sofort eingezogen worden
In Vaihingen a. Enz' brannten zirkr 6 Morgen des Stadtwaldes am Auricher Bern nieder. ^
Nagold, 2. April. Ohne großes Gepränge wurde gestern des Geburisfcstes unseres hochverehrten Alt-Reichskanzlers Bismarck gedacht. Ein Telegramm folgenden Inhalts wurde abgesandt: „Die Verehrer Ew. Durchlaucht senden dem sicheren, bewährten Steuermann des deutschen Reichs in unveränderter Dankbarkeit und Verehrung ihre aufrichtigsten Glückwünsche". Das im Museumlokal aufgehängte, lebensgroße, von Hofphotograph Pilartz in Kissingen künstlerisch gefertigte Brustbild des Fürsten vom 28. Juli 1892. mit Namenszug unterzeichnet, war zu Ehren des Tages mir Ephen umrahmt und mit einer Schleife in deutschen Farben geschmückt, — Allgemeine Teilnahme wird unserem verstorbenen um das Allgemeinwohl sehr verdienten Mitbürger, dem Konditor Heinrich Gauß und dessen Familie cntgcgengebracht. Vor etwa 18 Tagen ritzte sich der Verstorbene ganz leicht an der Hand durch einen Nagel. Er schenkte der kaum bemerkbaren Verwundung keine Beachtung, aber die Hand schwoll nach ewigen Tagen an und die berufenen Aerzte mußten Blutocrgist- ung feststcllcn, welche zur Folge halte, daß der ganze Arm heute früh abgcnommen werden mußte. Nach vollzogener Operation starb heute Nacht Gauß im Alter von nur 43 Jahren.
Ausland.
Die französische Volksvertretung hat sich noch unmittelbar vor Ostern das billige Vergnügen einer abermaligen Ministerstürzerei „geleistet." Der Fmanzmiiiister Tirard hatte in der Kammersitzung vom 30. März die Trennung der Getränkesteuer vom Budget gefordert, worin er vom Cabinetsches Ribot unterstützt wurde, aber die Kammer war wieder ein» mol mißvergnügt und in dieser Stimmung lehnte sie den erwähnten Negierungsantrag mit einer Mehrheit von fünf Stimmen ab. Das Ministerium zog sofort die einzig richtige Consequenz aus vielem Kammerbeschluß, indem cs beim Präsidenten Carnot seine Demission einrcichte. Hiermit hat der Panamaskandal ein neues Opfer verschlungen, denn es bedarf keiner näheren Versicherung, daß das Kabinet Ribot an seiner kläglichen Haltung in der Panamakrisis zn Grunde gegangen ist, die genannte Budgelfrnge wurde lediglich zur äußerlichen Ursache seines Sturzes. Vorläufig herrscht m Paris wieder das große Chaos, die widersprechendsten Mutmaßungen über das zu bildende neue Ministerium sind im Umlauf und daneben taucht auch flüchtig der Vorschlag einer Kammerauflösung erneut auf. Die eingclretene Crisis wird noch durch die Budgelstreitigkeiten zwischen Senat und Kammer verschärft, sollten sich beide Häuser nicht einigen können, so müßte ein provisorisches Budget Platz greisen
istaris , 4. April. Das neue Ministerium ist wieder zusammengesetzt: Präsidentschaft und Inneres Dupuy, Aeußeres Develle.
Das russische Kaiserpaar traf nebst seinen Kindern aus der Reise nach der Krim am Freitag Vormittag wohlbehalten in Sebasto- pol ein. Die Weiterreise sollte zu Schiff erfolgen. — Die Königin Natalie von Serbien ist in Jalta (Krim) eingetroffen.
Auflösung des Rätsels in Nr. 51.
Orion Schiller Theologe Elefant Ramses Ningpo. Ostern.
Richtig gelöst von A. Dipper, Not.-Cand., Reuenbürg, Haut Buck von Gräfenhausen, Hermann Gan, Realschüler von Conweiler. _.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.
Mt einer Zteik««e.