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Zeiten, wo der Hammer nicht auf dem Ambos erklang, das Gebläse verstummte und der Herd schwarz und tot dastand. Meister Winkler hatte seine Perioden. Da litt es ihn nicht im Hause, da saß er im Krug und predigte denen, die es hören wollten, das Evangelium der Zukunft, die den Himmel mit all' seinen Freuden der Freiheit, der Gleichheit, der wahren Menschenwürde auf die Erde bringen sollte. Die Leute hatten freilich kein Verständnis für seine Ideen. Sie nannten ihn einen Narren und nahmen es ihm übel, daß er auch den Knechten die Köpfe zu verdrehen, sie gegen ihre Herren aufzureizen versuchte. Sie konnten es nicht begreifen, wie ein früher ganz vernünftiger Mensch so verrückt werden konnte. Und doch war die Sache so einfach. Martin war nach Beendigung seiner Lehrzeit auf die Wanderung gegangen und hatte höse und gute Tage erlebt. Namentlich in einer großen schönen Stadt lachte ihm das Glück. Er bekam in einer großen Werkstätte reichlichen Verdienst, der ihm gestattete, das Leben zu genießen. Hier aber lernte er auch die neuen Lehren kennen, denen er mit Begierde lauschte. Bald ward er einer der Eifrigsten und da er ein Heller Kopf und um Worte nicht verlegen war, so gab er bald den Ton an unter den Genossen. Das konnte seinen Vorgesetzten natürlich nicht lange verborgen bleiben und eines schönen Tages wanderte Martin zum Thore hinaus. Da starb plötzlich sein Vater und der junge Mann übernahm die Schmiede, verheiratete sich und lebte so lange glücklich, bis die in den neuen Verhältnissen etwas verblaßten Ideen durch den Vortrag eines Wanderredners wieder aufgefrischl wurden. Martin hielt sich für berufen, der Apostel seines Dorfes zu werden. Die Pausen, in denen es dunkel und still war in der Schmiedewerkstatt, wiederholten sich immer öfter und wurden immer länger. Er hatte den Geschmack an der Arbeit verloren und beschäftigte sich lieber mit dem Schoppen als mit dem Hammer. Die Bauern bekamen ihre Arbeiten nur langsam oder gar nicht gemacht. Das verdroß sie» und als sich draußen am Ende des Dorfes ein anderer Schmied etablierte, wandten sie diesem ihre Kundschaft zu. Von jetzt an ging es mit Winkler schnell abwärts. Nicht die Vorstellungen und Bitten seiner Frau, nicht der Anblick seines hungernden Kindes vermochte ihn, ein neues Leben anzufangen. Alles Unglück schob er der „Gesellschaft" in die Schuhe und immer drohender wurde sein Schimpfen auf den Kapitalismus, die Geldsäcke der Bauern und seinen strebsamen Konkurrenten. Man mied ihn mehr und mehr, nur einen Freund halte er sich erworben: den krummbeinigen, etwas verwachsenen Müller. Ging der Wind, so saßen die beiden Gesinnungslosen in der Mühle und tranken gebranntes Wasser. Ging der Wind nicht, so saßen sie im Kruge und — thaten dasselbe. —
Eines Tages kam er in besonders heiterer Stimmung nach Hause.
„Lore", sagte er zu seiner Frau, „das Hungerleben Hab' ich satt, das muß sich ändern und es wird sich ändern." Lore seufzte, sie hatte den Glauben an bessere Zeiten verloren.
„Du kannst's glauben, Lore", fuhr Martin fort, „ich mein's ernst. Unsere gesellschaftlichen Verhältnisse sind morsch, faul, faul sag' ich Dir. Der ehrliche Arbeiter wird an den Bettelstab gebracht und die Reichen nähern sich von seinem säuern Schweiß und seinem Blut. Dos muß anders werden, sag' ich Dir. Aber ich habe keine Lust, darauf zu warten. Ich werde dem elenden Europa den Rücken kehren und nach Amerika gehen. Da ist wahre Freiheit."
Seine Frau sah ihn von der Seite an und beugte sich über ihr in seinem Bettchen schlummerndes Kind, um ihre Thränen zu verbergen
„Da bist betrunken, Martin," sagte sie vorwurfsvoll.
„Oho", lachte er auf, „betrunken hin, betrunken her. Ich habe meine fünf Sinne nie mehr bei einander gehabt als gerade heut, 's ist Alles richtig und abgemacht. Unser Haus Hab' ich Schierig, dem Müller verlaust. Eine Hälfte des Geldes nehm' ich mit und kaufe uns dort
drüben ein Stück Land dafür oder sonst etwas. Von der andern Hälfte lebst Du mit der Kleinen, bis ich komme und Euch hole. „Na? Was sagst Du dazu? He?"
Lore blickte ihn starr an. Im Grunde genommen kam ihr die Sache gar nicht so unvernünftig vor. Sie hatte sich im Stillen oft genug bei dem Gedanken ertappt, daß es am besten wäre, wenn er ginge. Sie wollte sich mit ihrem Kinde schon durchbringen, besser als jetzt. Wer konnte wissen, welchem Elend sie noch ausgesetzt war, wenn er blieb und seinen lüoerlichen Lebenswandel fortsetzte. Jetzt aber traten doch die Erinnerungen an die besseren Tage, die sie mit dem Manne genossen, in den Vordergrund. Sie weinte. Marlin fühlte etwas wie Gewissensbisse und redete ihr zu. so gut er vermochte. An dem Verkauf der Wirtschaft ließ sich bei dem besten Willen nichts ändern, der war perfekt. Aber der Müller hatte es ihm mit Handschlag gelobt, die Frau bis über's Jahr wohnen zu lassen und dann — nun dann war er ja bereits ein reicher Mann, der sein Weib hinüber holen würde in das Land der goldenen Freiheit und
der goldenen Berge.
* *
Das Osterfest war gekommen. An den Bäumen und Sträuchern öffneten sich die glänzenden Knospen dem milden Frühlingssonnenschein und in den Lüften jubelten die Lerchen. Die Dorfgaffcn waren sauber gefegt und vor den Thüren war weißer Sand gestreut. Die blank geputzten Fenster funkelten im Sonnenlicht und hinter ihnen prangten blütenweise Gardinen und dufteten blaue Veilchen ihren Frühliugsgruß Die Leute legten ihren Festtagsschmuck an und rüsteten sich zum Kirchgänge. Als die Glocken läuteten, trat auch Martin Winkler mit seiner Frau aus dem Hause. Sie schritten aber nicht der Kirche zu, sondern dem Bahnhofe. Ueber- morgen ging das Schiff von Hamburg, das den Mann einer neuen Heimat entgegenführen sollte und bis dahin war noch mancherlei zu verrichten. Auf dem Bahnhof trafen sie den Müller, in dessen Schutz Marti» sein Weib stellte. An ihn sollte sie sich wenden, wenn sie des Rates oder starker Hülfe bedurfte, und Schierig versprach hoch und heilig, für die Frau und das Kind zu sorgen, wie ein Vater. — Martin hatte Abschied genommen. Jetzt stand er im Wagen und nickte noch einmal heraus. „Meine Ankunft werde ich Dir melden, Lore", sagte er, „dann aber schreibe ich nicht eher, als bis ich das Glück gefunden habe. Es wird nicht lange dauern, verlaß Dich drauf. Und nun, bleib mir gut und treu. Leb' wohl und lehre unser Kind, gut von mir zu denken." — Die Maschine pfiff und langsam setzte sich der Zug in Bewegung. Martin winkte mit dem Taschentuch zum Wagenfenster heraus, wenige Augenblicke noch — nun war er verschwunden, fort, vielleicht auf lange Zeit, vielleicht für immer. Lore konnte ihren Thränen nicht wehren. Ihr war, als kehre sie von einem Begräbnis heim und die Trostcsworte verhallten ungehört im linden Morgenwinde. (Fortsetzung fogt.l
Passionszeit.
Die Passionsblume, die Passiflora, trägt den Namen nach der Zeit, in der wir jetzt stehen. In ihrer Tiefe liegen das Kreuz und die Dornenkrone, die Geißel und die Nägel und die blutigen Wundenmale und blicken zu uns auf, redend von der Passion, dem Leiden Christi. Alte schöne Sitte war cs, daß in dieser Zeit lärmender Jubel verstummte und rauschende Feste schwiegen, damit die Gedanken ungestört in die Betrachtung des Leidens unseres Heilandes sich versenken möchten. Unser deutsches Volk mit seinem tiefen Gemüt hat die Passionszeit stets besonders hoch gehalten. Es ist eine Trauerzcit, in der die Kirchen, Altäre und Kanzeln schwarzen Schmuck tragen, denn wir denken daran, daß der Heiligste und Reinste von allen, die je auf dieser Eide gewandelt, zum Leiden und Sterben am Kreuz geführt wurde. Wessen Herz kann kalt bleiben bei dem Krcuzesleiden Christi? Das Kreuz ist das Zeichen des Christentums geworden, das Kreuz
war das Panier, unter dem einst die christliche Krieger siegten, mit dem Kreuz schmückten sich die Kreuzfahrer, als sie die Passtonsstätte den Ungläubigen entreißen wollten. Jedes Krem redet von Christi Passion. Passionszeit, Leidens- zeit haben wir alle durchzumachen, mancher recht schwere. Von Christo können wir lernen wie wir uns zum Heil alles Leiden tragen und überwinden sollen.
Das Oberhaupt der „Rappisten" Jakob Henrici, ist in Economy, Pa., 88 Jahn alt, gestorben. Ec stammte aus Großkarlbach in Bayern, wanderte im Alter von 2l Jahren nach Amerika aus, schloß sich der Economisten- oder Harmonistcn-Gemcinde an und wurde 1888 ihr Leiter. Der Gründer dieser Sekte war Georg Rapp, ein Bauer aus Iptingen (Württemberg), der 1803 mit 600 Gefährten nach Amerika zog und am 15. Februar 1805 die Gmossenschast organisierte. Etwa 25 Meilen nördlich von Pittsburg erwarb sie billig große Länderstrecken. Sie führte völlig Gütergemeinschaft ein und verpflichtete seit 1807 die Mitglieder auch zur Ehelosigkeit. Im Jahre 1814 zog die Gemeinde nach Indiana, gründete die Stadt Harmony, verkaufte diese aber 9 Jahre später an einen Schotten und zog sich nach Economy zurück. Im Jahre 1831 erlitt die Gesellschaft eine Einbuße von 250 Seelen, die ein Schwindler, dee sich auch an der Kaffe vergriff, losriß. Rapp starb 1847 im Alter von 90 Jahren, immer der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft Christi gewiß. Das jetzige Vermögen der Gesellschaft bei dem sehr im Werte gestiegenen Grund und Boden 10 Millionen Doll, betrage». Die Ge- sellschast zählt noch etwa 500 Seelen.
Vom Wetter! Mit der Reihe prächtiger Frühlingstage, in denen wir stehen, dürfen wir recht zufrieden sein. Als günstig ist anzujehen, daß die kühlen Nächte den allgemeinen Werdedrang noch etwas zurückhalten ; aber um so mehr wirkt die Sonne am Tage und entfesselt erwachende Kräste. Blühende Veilchen schmücken die Wiesen in reicher Fülle, und die Knospen einzelner Obst- und Kastanienbäume sind ini Ausbrechen begriffen. Auch in den Gärten merkt man an der frühen Bestellung des Landes den zeitigen Einzug des Frühjahrs. Ueberall lachen uns schon wohlbestellte Beete entgegen, und bereits ist mit dem Stecken der Erbsen, der frühen Kartoffeln, dem Säen des Spinats, der Kresse, der Persilien u. s. w. begonnen. Zu wünschen bleibt nur, daß der Spätfrühling nicht etwa all' die Hoffnungen und Erwartungen, die der zeitig erwachende Lenz erzeugte, wieder vernichtet. Falb kündet Unheil. Er hat für den I. April einen kritischen Tag zweiter Ordnung angekündigt und uns dadurch nicht nur die Aussichten auf ein schönes Osterwetter, sondern auch die auf eine so üppige Fortentwicklung der Vegetation getrübt. Für den 9. April kündet er neue Depressionen an und zu dem 16. April, dm stärksten kritischen Tag des Jahres, der mit einer Sonnenfinsternis verbunden ist, erwartet er eine Zunahme der Niederschläge mit Gewittern und Schneefällen vom 14. ab und dann uw den 23. das Eintreten äquatorialer Strömungen. Das soll uns aber für die sonnigen Tage die Freude am Lenz nicht verderben, und für die Zukunft hoffen wir das Beste — trotz Falb!
Auflösung des Rätsels in Nr. 49. Paulus — Jihaka — Lorch — Aristipfl -
Taglioni — Uganda — Sandbank.
Pilatus. — Kaiphas.
Telegramme an den Enzkhäler.
Berlin, 29. März. Der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge zieht die Forderung eines selb/ ständigen Reichssinanzministeriums logischer Weist die Forderung eines kollegialischeu Reichs»»»!- steriums nach sich, was zu Konflikten mit dem Bundcsrat führen würde.
Rom, 29. Mürz. Berardi verweigert fortdauernd Auskunft und Nahrung. Er genoß seit Samstag nichts. Morgen wird ihm künstlich Nahrung zugeführt falls er auf seu>e Weigerung beharrt.
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Nr. 51.
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Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.