131

Deutsches Weich.

Berlin. 25. Febr. Bei dem gestrigen Abendessen bei dem Staatssekr. v. Bötticher brachte der Kaiser dem Vernehmen nach einen Toast auf den abwesenden Reichskanzler aus. Der Kaiser unterhielt sich bis gegen Mitternacht lebhaft mit den Gästen des Staatssekretärs und berührte auch große schwebende Tagesfragen, namentlich die Militärvorlage.

Berlin, 26. Febr. Anläßlich des Ge­burtstags Sr. Mas. des Königs von Würt­temberg fand gestern Abend bei den Majestäten ein Essen statt, woran der württemb. Gesandte Staatsrat v. Moser, der Militärattacho Oberst Frhr. v. Walter, der Reichskanzler. Staatssekr. v. Marschall und Generalkonsul Monts teil- nahmen. Hieran schloß sich eine musikalische Abendunterhaltung mit 90 Einladungen.

Straßburg, 25. Febr. Der Geburtstag des Königs von Württemberg wurde heute hier in der üblichen Weise gefeiert. Nach dem Festgottesdienst, an welchem sich die Generalität und sämtliche dienstfreien Offiziere, sowie die Jnfanterieregimenter Nr. 105König von Würt­temberg" und Nr. 126Grobherzog Friedrich von Baden" beteiligten, fand in der Margarethen­kaserne Regimentsappell für das württembergische Infanterieregiment statt. Die Mannschaften des Regiments wurden festlich bewirtet.

Der Reichstag genehmigte am Donners­tag zunächst den Handelsvertrag mit Aegypten in dritter Lesung debattelos und unverändert. Dann führte das Haus die Tags zuvor be­gonnene Beratung des Kapitels:Reichsgesund­heitsamt" beim Etat des Reichsamtes des Innern zu Ende. Die Diskussion galt ausschließlich der Frage der ärztlichen Approbation der Frauen, welche Frage durch einen die Approbation der Frauen als Aerzte befürworteten Antrag der freisinnigen Abgeordneten Baumbach und v. Bar angeregt worden war. In der Debatte sprachen sich fast sämtliche Redner aus dem Hause im Prinzip für die Zulassung der Frauen zum medizinischen Studium und Examen aus, nur der Elsäßer Dr. Höffel (Reichspartei) be­kannte sich als grundsätzlichen Gegner dieser Forderung. Regierungsseitig legte Staatssekretär v. Bötticher in wiederholten Ausführungen dar, daß in der beregten Angelegenheit vorerst die Gesetzgebungen der Einzelstaaten maßgebend seien und daß daher eine Erörterung der ganzen Frage im Reichstage keinen praktischen Zweck habe. Schließlich wurde der Antrag Baumbach- v. Bar bis aus Weiteres von der Tagesordnung wieder abgejetzt und hierauf das KapitelReichs- gesundheitsaml" genehmigt. Die alsdann an- hebende Beratung des KapitelsReichsversicher­ungsamt" mußte abgebrochen werden.

Wenn es nach den Wünschen derZentrums Partei geht, so wird schon an einem der nächsten Mittwoche der Jesuiten-Antrag im deutschen Reichstage zur Beratung kommen. Das Zentrum gicbt sich ersichtliche Mühe, damit alle anderen Anträge aus dem Hause zu Gunsten des Jesuiten- Antrags zurückgestellt werden. Man weiß, wa­rum dies geschieht. Das Zentrum muß endlich einmal der Militär-Borlage gegenüber definitive Stellung nehmen; vorher aber will es sich darüber vergewissern, ob die Reichs­regierung sich anders besonnen hat und die Wiederzulaffung des Jesuiten-Ordens gewähren will.

Osnabrück. 25. Februar. Reichskanzler Graf Caprivi, der Ehest des hies. 78. Regi­ments ist, telegraphierte auf einen Geburtstags­glückwunsch an den Oberbürgermeister Mollmann, er wünsche von ganzer Seele das Gelingen der Militärvorlage und hoffe, das deutsche Volk werde deren Wert für sein Dasein und seine Zukunft erkennen.

Oldenburg, 25. Febr. Der Obcrkirchen- rat von Oldenburg beschloß, beim Reichstage gegen die Aufhebung des Jesuitengesetzes zu Protestieren.

Hamburg, 25. Febr. In den Aus­wanderer-Baracken ist die Pocken-Epidemie ausgebrochen.

.Kaiserslautern, 23. Februar. Dem »Pfalz. Kur." wird von hier folgende erschütternde

Familiengeschichte gemeldet. Die Ehefrau des Schreiners Schmidt ließ gestern ihrem Iljähr. Söhnchen eine empfindliche Züchtigung zuteil werden. Anstatt nachmittags in die Schule zu gehen, begab sich der Knabe, mit einem Körbchen und Messer versehen, in den Wald, angeblich um für den Lehrer Pflanzen zu suchen. Als das Kind sich aber weder in der Nacht noch heute Morgen in der elterlichen Wohnung ein- and, kam es zwischen den Eheleuten zu heftigen Erörterungen. Während der Mann sich auf die Suche nach dem Kinde begab, erhängte sich die Frau im dunkelsten Winkel des Speichers und wurde dort tot aufgefunden. Von dem Kinde hat man bis jetzt keine Spur.

Metzger Mayer in Kusel in der Pfalz hatte am Samstag Nacht verlangt, daß ihm eine Nachbarsfrau zur Linderung seiner rheu­matischen Schmerzen Morphium-Einspritzungen mache. Da diese Frau B. schon seit Jahren einer Angehörigen solche Einspritzungen macht, nahm dieselbe keinen Anstand, dem Wunsche des Mayer nochzukommen, scheint aber Io wenig wie Mayer die schlimmen Folgen einer übermäßigen Morphiumdosis gekannt zu haben. Als die erste Einspritzung nicht sofort lindernd wirkte, wurde dieselbe nochmals wiederholt (man spricht sogar von 5 Einspritzungen), bis Mayer in einen Schlaf verfiel, von dem er nicht wieder erwachte. Zwei Aerzte, die herbeigeholt wurden, waren nicht mehr imstande, den Kranken zum Bewußt­sein zu bringen. In der Nacht von Montag auf Dienstag trat der Tod ein.

Württemberg.

Stuttgart, 23. Jan. Dem Reichstags­abgeordneten Frhrn. v. Münch wurde dem Vernehmen nach bis zur Erledigung seiner An­gelegenheit durch den Reichstag Strafaufschub bewilligt, nachdem die Mitteilung des Reichs­kanzlers, gegen v. Münch schwebe kein Straf­verfahren, vom Reichstag an die Geschäftsord­nungskommission verwiesen wurde.

Die bürgerlichen Kollegien von Stuttgart wollen nun der Ausnützung der elektrischen Kraft, welche bekanntlich von Marbach nach Stuttgart geleitet werden soll, näher treten. Eine Kom­mission des Gemeinderats mit dem Stadtschult- heißen an der Spitze hat eine Reise angetreten, um in anderen Städten die zur Beleuchtung und zu Motorzwecken dienenden elektrischen Ein­richtungen zu studieren und gleichzeitig auch bezüglich der Kosten des Betriebs genaue Er­kundigungen cinzuziehen. Durch das Gasglüh­licht ist übrigens der Ausbreitung der elektrischen Beleuchtung ein schweres Hindernis erwachsen. Das Gasglühlicht ist bereits in zahleichen Bureaux, Comptoirs und auch Familienwohnungen einge­richtet. Die ersten Anschaffungskosten, 20 cstL pro Flamme, machen sich durch die ungeheure Gasersparnis (nicht ganz 2 pro Stunde) in sehr kurzer Zeit bezahlt; dazu kommt, daß das Gasglühlicht an Helligkeit wirklich nichts mehr zu wünschen übrig läßt. Dagegen ist für elek­trischen Kraftbetrieb noch ein weites Feld offen und es ist nicht unmöglich, daß vielleicht binnen Jahresfrist ein Teil der Stuttgarter Pferdebahnen ausschließlich mit Elektrizität betrieben wird. Auch zahlreiche Kleingewerbetreibende hoffen von den elektrischen Motoren für sich einen großen Vorteil. Allerdings darf die Sache nicht zu teuer kommen, wenigstens was den regelmäßigen Betrieb anlangt. Die ersten Einrichtungen kämen bezüglich der Kosten weniger in Betracht.

Anstand.

Paris, 25. Febr. Andrieux. der von den Boulangisten des 7. Pariser Arrondissements als Kandidat für die nächsten allgemeinen Wahlen aufgestellt ist, versprach in seiner Kandidatenrede, zur geeigneten Zeit die Namen aller am Pana­maskandal beteiligten Deputierten mitzuteilen; sie machten, so behauptete er. ein Drittel aller Parlamentsmitglieder aus.

Das große Frankreich und die kleine Schweiz sind wieder einmal ein bischen an­einander geraten. Die Verspottung des Prä­sidenten Carnot auf der Baseler Fastnacht unter Andeutungen auf den Panamaskandal hat der französischen Regierung eine im Hinblick auf den

Zollkonflikt mit der Schweiz wohl nicht unwill­kommene Gelegenheit gegeben, der schweizerischen Bundesregierung etwas am Zeuge zu flicken. Im Aufträge des Pariser Kabinets machte der französische Gesandte in Bern, Arago, dem eid­genössischen Departement für das Auswärtige ernste Vorstellungen wegen des Baseler Fast- nachtsulkcs. Die schweizerische Bundesregierunng hat infolgedessen amtlich ihre ernste Mißbilligung der dem Präsidenten Carnot zugefügten Be­leidigung ausgesprochen und sich bereit erklärt, Frankreich die nötige Genugthuung zu verschaffen. Demnach dürfte der Baseler Zwischenfall wohl ohne ein politisches Nachspiel bleiben.

M ü n z t y a l - S t. L o u is , 22. Febr. Der römische Graf Didierjcan, Leiter der hiesigen be­rühmten Kristallfabrik, sandte in den letzten Tagen eine Gratulations- und Huldigungsadresse an den Papst ab. Dieselbe trug die Unterschrift sämt­licher in der Fabrik beschäftigten Arbeiter und war begleitet von einer Summe von 2000 »kL, welche die Arbeiter demArbeiterpast" widmeten.

San Francisco, 24. Februar. Heute schoß ein 73 jähriger Mann, namens Ratcliffe, den bekannten vielfachen Millionär John Mackay in den Rücken. Ratcliffe schoß sich sodann in die Brust; sein Zustand ist gefährlich. Mackays Wunde ist nicht rötlich. Der Beweggrund des Mordversuchs ist unbekannt.

Telegramm an den Enzthäler.

M Pforzheim, Heute früh 7 Uhr ist* der Orientexpreßzug bei Vaihingen entgleist und fuhr die Bösckmng hinab. Zugführer schwer verletzt.

Vermischtes.

Hleöer Kennzeichen und Verwendung guten Wuhßolzes. m.

Der Wert des Dämpfens wird übrigens durch die Untersuchungen, welche der um die Kenntnis der technischen Eigenschaften der Hölzer hoch­verdiente Oberforstrat Dr. Nördlinger in derDeutschen Bau-Ztg." (Jahrg. 1892, Nr. 56. S. 333) veröffentlicht hat, stark in Zweifel ge­zogen. Er sagt:Werkzeug- und Möbelfabriken haben die Gewohnheit, das bei ihnen zur Ver­wendung kommende Holz beschleunigter Aus­trocknung und, wie vielfach angenommen wird, minderen Schwindens halber zum dämpfen, d. h. einer Dampf-Temperatur von 6090 ° 0. aus­zusetzen. Tischler sollen annehmen, daß Eichen­hölzer für jeden Zoll Dicke zu genügender Aus­trocknung je ein Jahr gebrauchen; doch glaubt Nördlinger, daß für dickere Hölzer die Aus- trocknungszeit in höherem Verhältnis wachse. (In trockener Luft würde das Holz natürlich seinen Dunst noch rascher verlieren, aber auch unfehlbar Risse bekommen. Wir haben es da­her als einen Vorteil anzusehen, daß das Holz beim Dämpfen durch den von ihm angehauchten Dunst sich selbst gegen das Aufreißen schützt.)"

Die Möbelfabrik zum Bruderhaus in Reutlingen dämpft die Mehrzahl der zur Ver­wendung kommenden Holzarten, außer Eiche, Fichte und Pappel; letztere beiden wohl deshalb nicht, weil sie auch ohne Steigerung der Tem­peratur rasch austrocknen und zu den wenig schwindenden Holzarten gehören. Eichenes Schnittholz dagegen erträgt das Dämpfen nicht, weil die Bretter dabei muldenförmig krumm werden und ihre so beliebte Helle Farbe ver­lieren, auch auf der gewölbten Seite so viele kleine Riffe bekommen, daß sie unbrauchbar würden. Deshalb wird das Eichenholz nicht gedämpft, sondern gewässert, d. h. in ein Kalt- wasferbad gesetzt, welches zwei Wochen lang alltäglich erneuert wird. Die sonstige Behand­lung ist die gleiche, wie bei den gedämpften Hölzern."

Nach dem 56 Tage währenden Dämpfen kommen die Hölzer zunächst unter Dach in freie Luft, um auszutrocknen, was je nach ihren Ab­messungen '/i bis 1'/, Jahre dauert. Vor der Verwendung kommen sie in die Dörre, wo durchschnittlich eine Temperatur von 90" 0.