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eine unerträgliche Schädigung. Die Versamm. lung schloß mit der einstimmigen Annahme der obiqen Resolution, worauf um 4'/, Uhr die Versammlung geschlossen wurde. Nach Leerung des Saales folgte wegen des großen Andranges sofort eine zweite Versammlung, welche ent- Inrechend der ersten verlief. Beide Versamm­lungen beschlossen die Absendung eines Huldig­ungstelegramms an den Kaiser.

Die Aussichten des demnächst zur Beratung gelangenden Zentrumsantragcs auf Aufhebung des Jesuitengesetzes sind im Reichstage keineswegs so ungünstig, wie vielfach angenommen lvird. Außer den 110 Stimmen der Zentrums- sraklion selbst sind noch 16 der Polen, 3 der Welfen, 10 der Elsaß-Lothringer, 36 der Sozial­demokraten und die eine Stimme des Dänen dem Anträge von vornherein sicher. Das sind bereits 176 Stimmen. Dazu dürften noch die lg süddeutschen Volksparteiler kommen, die bis­her stets sür die Aufhebung des Jesuitengesetzes gestimmt haben. Es würden demnach nur noch 13 Stimmen an der absoluten Reichstagsmehr­heit fehlen. Diese würden voraussichtlich von den am weitesten nach links stehenden Mitgliedern der freisinnigen Partei, wie Munckel, Vollrat, Richter u. s. w. aller Wahrscheinlichkeit nach abgegeben werden. Die Annahme des Antrages mit einer knappen Mehrheit ist deshalb überaus wahrscheinlich, wenngleich von geringer praktischer Bedeutung. Ist doch der Antrag wiederholt vom Reichstage angenommen worden, ohne daß der Bundesral demselben beigetreten wäre. Daß das nunmehr geschehen könnte, ist einerseits nach der Erklärung des Grafen von Caprivi vom Lg Januar vorigen Jahres im preußischen Ab­geordnetenhause und anderseits nach der wieder­holten Versicherung von Zentrumsabgeordneten ausgeschlossen, daß auch um den Preis der Rück­kehr der Jesuiten nach Deutschland das Zentrum sür die Militärvorlage nicht zu haben wäre.

(B. N. N.)

Straßburg, 13. Febr. Mit der viel­erörterten Frage der Soldatenmißhand­lungen, die auch bei der Beratung der Mili­tärvorlage noch in der Form eine Rolle spielen dürfte, daß seitens des Reichstages wiederholt die Forderung einer zeitgemäßen Umgestaltung des Militärstrafgerichtsverfahrens und des Be- schwcrdewesens erhoben wird, beschäftigt sich eine augenscheinlich von sozialdemokratischer Seite ausgegangene, unter dem TitelSoldaten und Menschen" bei Pontt und v. Döhren zu Ham­burg erschienene kleine Schrift. Niemand kann schärfer, als wir es stets gethan, dafür eintreten, daß, soweit dies in Anbetracht der menschlichen Verhältnisse überhaupt zu erreichen ist, die Möglichkeit einer schlechten, ungerechten und ungleichmäßigen Behandlung der Heeresange­hörigen verhindert und etwanigen Ausschreitungen mit der allergrößten Strenge entgegengelreten werde. Wenn aber die vorliegende Schrift sich bis zu dem Ausspruche versteigert, daß die »Kasernengreuel" keine zufälligen Erscheinungen seien, sondern notwendige Folgen des modernen Militarismus, derseine Zöglinge vertiere", indem er keine Sorge für die geistigen und see­lischen Bedürfnisse des Soldaten kenne, kein Gefühl der Gemeinsamkeit zwischen Vorgesetzten und Untergebenen erzeuge und was dergleichen ebenso unwahre als gehässige Behauptungen mehr sind, so kann man für derartige Darstell­ungen nur die Empfindung eines tiefen Bedauerns haben. Wäre nicht für die weit überwiegende Mehrzahl der Soldaten die Zeit der Angehörig­keit zum stehenden Heere trotz aller Beschwer­lichkeiten und Verdrießlichkeiten, denen man sich als Soldat ebenso wenig entziehen kann wie in jedem anderen Berufskreise, eine angenehme und "frischende Erinnerung für das ganze nachfol­gende Leben, wie wäre es denn möglich, daß me Bildung der Krieger- und Militär-Vereine, me kein Machtgebot eines allmächtigen Vorge- wtzten, sondern der freiwillige Entschluß der Beteiligten ins Leben ruft, einen solch mächtigen Aufschwung genommen hätte!

Köln, 17. Febr. Ein schwerer Unglücks- sall ereignete sich heute Vormittag um 9 Uhr in dem Neubau des Empfangsgebäudes des neuen Hauptbahnhofs. Man ist dort zur Zeit mit der

inneren Fertigstellung der etwa 800 Quadrat-1 Meter großen Gepäckhalle beschäftigt. Dieser' 910 Meter hohe Raum erhält eine Deckenver­schalung von Wellblech, die auf einem Gerüst ausgeführt wurde. Die auf letzterem beschäftig­ten Arbeiter, cs sollen 14 Mann gewesen sein, welche während der Arbeit auf verschiedene Punkte des Gerüstes verteilt standen, setzten sich um 9 Uhr an einer Stelle zum Frühstück zu­sammen. Plötzlich brach das Gerüst zusammen und riß 11 der Arbeiter mit in die Tiefe. Das Holzwerk desselben schlug auf die Unglücklichen, welche zum Teil aufeinander gefallen waren, und verletzte sie mehr oder minder erheblich. Einer der Bedauernswerten schlug mit dem Kopfe auf das Mauerwerk, bezw. einen Träger eines erst kürzlich fertig gestellten Heizkanals und erlitt eine schwere Schädelverletzung.

Nürnberg, 12. Febr. In dem hiesigen städtischen Vieh- und Schlachthofe ist die auch an anderen Orten nicht unbekannte Titelsucht ausgebrochen, indem die an jener Anstalt ange- stellten Thorwarte beim Magistrat um die Verleihung eines anderen Titels eingekommen sind. Der Magistrat hat aber das Gesuch ab­gelehnt.

Mannheim, 16. Febr. Pfarrer Kneipp von Wörrishofen hielt heute Abend hier einen interessanten Vortrag über seine Wasserkuren und deren Erfolge. An 6000 Menschen pilgerten nach dem Saalbau, von denen jedoch nur 3000 Personen im Saal Platz finden konnten, während die übrigen wegen Ueberfüllung von der Polizei nicht zugelassen wurden. Kneipp besitzt eine sehr volkstümliche Ausdrucksweise, und seine Reden sind von einem gefunden, zuweilen derben aber nicht verletzenden Humor gewürzt. Der Eindruck, den der 72jährige Greis macht, ist sehr sympatisch, er besitzt eine körperliche und geistige Frische, um die ihn mancher Jüngling beneiden könnte. Kneipp empfiehlt nicht, die kleinen Kinder warm zu baden, wohl aber, so­bald sie einige Tage alt sind, ein bis zwei Sekunden lang in kaltes Wasser zu tauchen. Der Heranwachsenden Jugend soll man keinen Wein, kein Bier und vor allem keinen Kaffee und keinen Thee zu trinken geben, da beide Ge­tränke wahres Gift seien. Das Korsettragen verurteilt Kneipp scharf, diese Unsitte sei die alleinige Ursache der Unterleibskrankheiten. Auch den Erwachsenen empfiehlt Kneipp möglichste Einschränkung des Genusses von Wein und Bier. Gegen die Nervosität sei das Barfußlaufen gut. Die Kleidung müsse einfach sein, überhaupt sei es nötig, den Körper gegen die Unbilden der Witterung abzuhärten u. s. w.

Aus Baden, 17. Febr. In verschiedenen Gewerbsstädten hat sich eine gewisse Zuchtlosig­keit unter den jugendlichen Arbeitern geltend gemacht, die zu nicht geringem Teil auf der allzufrühen Selbständigkeit beruht, als deren Grund wieder die Auszahlung des Lohnes an diese jungen Arbeiter erscheint. In mehreren Bezirken sind deshalb auf Grund der Gewerbe- ordnung ortsstatutarische Bestimmungen erlassen worden, wonach dieser Lohn an die Eltern oder Vormünder zu bezahlen ist, sofern diese nicht ausdrücklich eine anderweitige Zustimmung aus­sprechen.

Ballbronn i. Elf., 13 Febr. Der Wein­verkauf war im Laufe dieses Monats recht rege. Wir haben über 1500 Ohm verkauft. Das edle Naß, welches hier wächst, hat Weinhändlern, denen bis jetzt unser Ort unbekannt war,, sehr gemundet. Die Kellerei Baldeburne, welche im Mittelaller den Hohenstaufen gehörte und der kaiserlichen Tafel denBaldeburner Edelwein" lieferte, sei jedem fröhlichen Trinker aufs beste empfohlen! Gegenwärtig zahlt man 19-FL 80^ für 50 Liter.

Württemberg.

Stuttgart, 17. Febr. Bekanntlich ist vor einigen Jahren der Bauunternehmer Joh. Zimmermann von Pliezhausen zur Zeit des Cannstatter Volksfestes 1889 auf dem Bahnhof in Cannstatt beim Einsteigen durch die anstür­mende Menge zu Boden geworfen worden, wobei er eine ziemlich schwere Quetschung des Unter­schenkels durch ein Eisenbahnwagenrat erlitt.

Die Quetschung führte zu einem ausgedehnten Hautbrand und zu dauernder Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit. Hiefür verlangte er von der Kgl. Eisenbahnverwaltung den Ersatz der Kurkosten und eine dauernde Rente. Beim hies. Landgericht erstritt er ein obsiegendes Urteil, wodurch er die Summe von 3911 Mark samt Zinsen vom 1. April 1891 ferner eine jährliche Reute von 500zugesprochen erhielt. Hie- gegen appellierte die Eisenbahnverwaltung beim Oberlandesgericht und erwirkte vor dieser In­stanz eine Abweisung der Ansprüche Zimmer­manns unter dessen Verfüllung in sämtliche Kosten. Zimmermann aber appellierte seinerseits an das Reichsgericht in Leipzig. Dieses hat nunmehr das Urteil des Oberlandesgerichts auf­gehoben und dasjenige des Kgl. Landgerichts in der Hauptsache wieder hergestellt. Die Eisen­bahnverwaltung hat demgemäß an Zimmermann die erwähnte Summe von 3911 -FL nebst Zinsen vom I. April 91 und dazu eine jährl. Rente von 500 -FL vom 1. April 1892 an zu bezahlen und die Kosten sämtlicher Instanzen allein zu tragen. Letztere dürften sich auf mehrere Tausend Mark belaufen.

Stuttgart, 17. Febr. (Strafkammer.) Im Oktober v. Js. gelang es der hies. Polizei, einen gefährlichen Gasthofsdieb festzunehmen, der hier und in Cannstatt in verschiedenen Gast­häusern je einige Tage zugebracht und in jedem einen anderen Namen angegeben hatte, das eine Mal Hugo Schenk, Schriftsteller aus Berlin, ein anderes Mal Julius Stern, Agent aus Frankfurt a. M., endlich Hugo Wild aus Hannover. Eine Menge Schlüssel, Dietriche und gestohlene Gegenstände wurden bei ihm gefunden, die über sein Handwerk keinen Zweifel ließen. Endlich wurde durch den Untersuchungs­richter festgestellt, daß man es mit einer früher vielfach bestraften Persönlichkeit, dem 28 Jahre alten ledigen Bäcker und Konditor Otto Emil Noak aus Kottbus, preuß. Regierungsbezirk Frankfurt a. Oder zu thun habe, der in der Nacht vom 4-/5. Oktober in einem Gast­haus am Marktplatz hier, dessen Hausschlüssel sich bei ihm vorsand, eingebrochen, das Wirt­schaftszimmer durchsucht, Schubladen aufgerissen, einen Schrank angebrochen und zwei ihm zu­sagende Hemden, Wert 7 -FL, sich angeeignet, dann aber im ersten Stocke einem schlafenden Ingenieur, der das Zimmer zu schließen unter­lassen, eine Baarschaft von etwa 215 -FL aus dessen Kleidern gestohlen hat. Auch stahl er in der Weißenburgstraße bei einem Fabrikanten eine Ledertasche samt Inhalt im Wert von 7 -FL Obwohl verschiedene der gestohlenen Gegenstände bei ihm gefunden wurde, brachte der Angeklagte allerlei Ausreden vor. Der Belastungsbeweis war aber geradezu erdrückend. Was er seit 1882 getrieben, war nicht aufzuklären, er be­hauptet, in Paris gewesen und unter falschem Namen gereist zu sein, weil er der Militärpflicht sich entzogen habe. Ein Ausbruchsversuch, den er im hiesigen Untersuchungsgefängnis machte, mißlang ihm. Die Strafkammer fand in ihm einen gefährlichen Menschen und verurteilte ihn unter Ausschluß mildernder Umstände wegen schweren und einfachen Diebstahls im Rückfalle zu der Zuchthausstrafe von 4 Jahren 6 Monaten nebst lOjährigem Verlust der bürgerlichen Ehren­rechte und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht. Wegen Führung falscher Namen wurde er mit 6 Wochen Haft bestraft, welche als durch die Untersuchungshaft verbüßt angesehen wurden.

Stuttgart, 13. Febr. Bekanntlich be­steht ein Reichsgesetz, wonach die Fettwaren­händler in ihren Verkaufsläden an leicht ersicht­licher Stelle ein Plakat aufzuhängen haben, worin event. anzuzeigen ist, daß hier Margarine (Kunstbutter) verkauft wird. Ebenso ist an jedem Margarine enthaltenen Gefäß sowohl oben, als an der ersichtlich zu machenden Seite das Wort Margarine deutlich lesbar anzubringcn, Das Gesetz will dadurch dem Publikum Gelegenheit geben, sich gegen Uebervorteilungen zu schützen, um gleichzeitig den nicht sonderlich appetitlichen Genuß von Margarine denjenigen zu ersparen, die aus leicht begreiflichen Gründen Margarine nicht genießen wollen. Von seiten des hiesigen Stadtpolizeiamts wurde nun letzter Tage bei sämt-