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qenug, um die erhöhten Lasten zu tragen. In Görlitz fand ebenfalls eine große Versamm­lung statt, welche eine Resolution für die Mili- lärvorlage einstimmig annahm.

Berlin, 16. Febr. Die Militär­kommission lehnte den Antrag des Abgeordn. Bebel ab, für alle Truppen die zweijährige Dienstzeit gesetzlich festzustellen, sie lehnte ferner den Antrag des Abgeordn. Rickert ab, für die Fußtruppen die zweijährige Dienstzeit gesetzlich festzusteUen und lehnte endlich auch den Antrag des Abgeordn. v. Bennigsen, die zwei­jährige Dienstzeit der Fußtruppen für die Dauer der jetzigen Friedenspräsenzstärke gesetzlich fest- zulegen, ab. Ferner wurde in weiterer Ab­stimmung der von der zweijährigen Dienstzeit handelnde Satz des Paragraphen 1 der Re­gierungsvorlage mit allen gegen die Stimmen der konservativen und der Reichspartei abgelehut.

Berlin, 16. Febr. Die Germania kündigt offiziell das Einbringen einer neuen Militär­vorlage seitens des Zentrums unter Zugrund­legung der zweijährigen Dienstzeit an.

Herr Dr. von Koscielski, der bekannte Führer der polnischen Fraktion, äußerte sich in einer Unterredung mit dem polit. Berichtest, derD. W." in folgender sehr bemerkenswerter Weise: Das Schicksal der Militärvorlage läßt sich noch nicht Voraussagen. Die Stellung der Parteien in der Kommission ist noch zu wenig klar gelegt. Es scheint allerdings, daß man im Augenblick bis in die höchsten Kreise Grund zu haben glaubt, auf eine unveränderte Annahme der Regierungsvorlage zu rechnen. Inwieweit das berechtigt ist, entzieht sich meiner Beurteil­ung. Ausschlaggebend wird jedenfalls die Stell­ung des Zentrums sein. Dasselbe hält aber mit seiner wirklichen Meinung noch zurück. Man weiß nicht, wie das Zentrum im letzten Augenblick stimmen wird. Soweit diese Partei sich dis jetzt gegen die Vorlage erklärt hat, so sind nicht nur parteipolitische, sondern viel­mehr noch wahltaktische Gründe dafür maß­gebend gewesen. Das Zentrum fürchtet, in Süddeutschland Mandate zu verlieren, wenn es für die Regierungsvorlage stimmen sollte. Es ist möglich, daß in Süddeutschland die Siglsche Volkspartei die Situation dann zu ihrem Nutzen ausbeutet. Wie weit die Ultramontanen aus Schlesien und Rheinpreußen denen aus Süd­deutschland folgen werden, ist fraglich. Viel­leicht findet eine Absplitterung des Zentrums statt. In solchem Falle könnte man allerdings die Annahme der Vorlage für gesichert halten. Beim Zentrum mag ja die Jesuiten frage auch immer noch im Hintergründe stehen und ihr Volum beeinflussen. Es ist ein Unglück, daß bei uns die wichtigsten vaterländischen Interessen durch Partcihader gefährdet werden. Ich habe schon in voriger Woche im Reichstage darauf hingewiesen, daß die kleinen Gegensätze in den Parteien ruhen sollten, damit überall nur die großen Gesichtspunkte hervor­treten könnten. Meine Partei wird jedenfalls voll und ganz für die Regierungsvorlage ein- treten. Abänderungen würden wir nur insoweit zustimmen, als die Regierung dieselben für brauch­bar hält. Wir im Osten würden ja die Ersten sein, die im Fall eines Krieges mit Rußland alle Greuel desselben zu erfahren hätten. Es ist übrigens der Militärvorlage gegenüber eine so merkwürdige Konstellation der Parteien vor­handen, wie sie vielleicht im parlamentarischen Leben bei uns noch gar nicht vorgekommen ist: die Gegner der Vorlage werden für und ihre Anhänger gegen dieselbe stimmen. Die Konser­vativen verwerfen die Grundlage der Militär- Vorlage. die zweijährige Dienstzeit; sie würden auch den Rücktritt des Grafen Caprivi gar nicht sehr ungern sehen und doch werden sie für die Vorlage stimmen. Der Freisinn wird sie da­gegen ablehnen, obgleich er mit der zweijährigen Dienstzeit grundsätzlich einverstanden ist und den Grafen Caprivi ganz gern behalten möchte. Das sind die Widersprüche unseres parla­mentarischen Lebens, die oft verblüffende Re­sultate zeigen.

Berlin. Mehrere Offiziere sind für sechs Monate nach Petersburg zum Studium der rus­sischen Sprache kommandiert.

Der Vorsitzende der Zentrumsfraktion des l Deutschen Reichstages, Graf Ballestrem, ' hat sich am 12. Februar von Berlin aus nach Rom begeben, um dem Papste zu dem Jubi­läum die Glückwünsche seiner Fraktion zu über­bringen. Er wird in längstens vierzehn Tagen zurückerwartet.

Berlin, 15. Febr. Das Kaiserin-Augusta- Denkmal-Komite beschloß, dem Entwürfe Schapers den ersten Preis zuzuerkennen und diesen Ent­wurf der Ausführung zugrunde zu legen. Zum Platz für das Denkmal ist mit Zustimmung des Kaisers der Opernplatz bestimmt worden.

Landshul, 12. Febr. Vor einigen Tagen ist im Postzuge von Passau nach Plattling bei Vilshofen in einem Wagen 2. Klasse ein Raub­anfall an der Restaurateursgattin Sofie Löwie von München verübt worden. Der Thäter raubte der Frau mehrere Geldbriefe im Betrage von 4000 Mk. und 1000 Mk. in Gold. Es fehlt von ihm noch jede Spur.

Ludwigshafen, 15 Febr. Vergangene Nacht entstand hier in einer Wirtschaft zwischen Bäckersburschen und anderen Personen ein Streit, in dessen Verlauf der Taglöhner Christoph Keller von hier mitten in das Herz gestochen wurde und außerdem sechs weitere Stiche erhielt. Keller war sofort tot. Außerdem erhielten drei weitere Personen schwere Verletzungen. Acht junge Burschen wurden verhaftet.

Metz, 12. Febr. Pariser Blätter erzählen mit großer Entrüstung, die in Nancy verstorbene Witwe Secheret habe den wegen seiner deutschen Gesinnung bekannten Pfarrer Jacot zu Fevtzs (bei Metz) zum Universalerben ihres etwa eine halbe Million betragenden Vermögens eingesetzt.

Offenburg, 13. Febr. Der zum Tode verurteilte Gattenmörder David Steurer aus Kork hat von dem Rechtsmittel der Berufung keinen Gebrauch gemacht. Reue hat der hart­gesottene Bösewicht bis jetzt nicht gezeigt. Ihm sei es, so hat er sich geäußert, ganz gleichgültig, ob er hingerichtet werde oder nicht. Darum drehe er keine Hand um. Denn sein ganzes Leben lang im Zuchthaus sitzen, das sei auch keine Kleinigkeit.

Aus Baden, 13. Febr. Bei Bühlerthal ist ein junger Karlsruher, der Sohn des Ober­landesgerichtsrats Schmidt von der Straße abgekommen und über eine Mauer auf Felsboden gestürzt, wo er mit gebrochenem Genick tot liegen blieb. Der Verunglückte war zum Besuche von Verwandten nach Bühlerthal gekommen.

Württemberg.

Stuttgart, 15. Febr. Die gestern Nach­mittag auf dem Pragfriedhose stattgefundene Beerdigung des Präsidenten v. Bätzner hat Zeugnis abgelegt von der Bedeutung, wie der allgemeinen Beliebtheit des Verstorbenen. Schon die zahllosen Blumen- und Kranzspenden zeigten, welche Liebe der Dahingeschiedene im Leben genossen hatte. S. M. der König hatte einen prächtigen Blumenkranz mit weißer Atlas­schleife gesandt. S. K. H. Herzog Albrecht einen Lorbeerkranz mit schwarz-roter Schleife, ferner waren Kränze vom Staatsminifterium und dem Geheimenrat, von der Abteilung des Ministeriums des Innern für Straßen- und Wasserbau, von der Landesgestüts-Kommission, von den Beamten des kgl. Landgestüts, vom Schwarzwaldverein, dessen Vorstand Bätzner war, vom Fürsten Hohenlohe-Langenburg, von den GhibeUinen, von der Amtskorporation Neuenbürg rc. ein­gelaufen. Den langen Wagenzug, welcher dem Sarge folgte, erösfneten die Wagen Sr. M. des Küttigs und I. M. der Königin mit den Kam­merherren Baron v. Herman und Baron von Raßler; es folgten die Mitglieder des k. Skaats- ministeriums und des Geh. Rats, die höchsten Beamten aus sämtlichen Ministerien, namentlich dem Ministerium des Innern, Geh. Rat Dr. v. Griesinger, der Präsident und mehrere Mit­glieder der Kammer der Standesherren, der ständische Ausschuß, Konsist-Präs. Frhr. von Gemmingen, General v. Reibel, der Gouverneur von Stuttgart Oberst Graf v. Scheler, Baudir. v. Egle, der Stadtdirektor, der Polizeiamtsvor- stand u. s. w. Auch eine Abteilung Landjäger war kommandiert; ferner war der Schwarzwald­

vereinsausschuß vertreten. Nach einem Choräle des Stiflskirchenposauncnquartelts hielt Stifts­prediger Prälat v. Burk die Trauerrede, in wel­cher der Verstorbene als treuer Arbeiter von Jugend auf geschildert wurde. Die reichen Kenntnisse, welche er sich erworben, habe er zum Besten des Vaterlandes verwendet. Sowohl in den beiden Oberämtern Neuenbürg und Tüb­ingen als Oberamtmann, wie als hoher Beamter im Ministerium des Innern habe er sich durch seine Gewissenhaftigkeit, Sachkenntnis und uner­müdliche Thätigkeit Anerkennung erworben. In der hohen Stellung, welche er bekleidete, habe er doch seinen einfachen Sinn bewahrt; man müsse wünschen, daß es unserem Lande nie an solchen Männern fehle, wie der Verstorbene einer war. Kaum hatte er die Absicht ausgesprochen, in Folge zunehmenden Leidens seine Thätigkeit auf oie erste Kammer und den ständischen Aus­schuß zu beschränken, ereilte ihn der Tod zum ewigen Ruhestand ohne Schmerz und Kampf. Im Namen des Departements des Innern, be­sonders der Mitglieder der kgl. Oberregierung widmete Oberreg -Rat v. Fleischhauer einen Nach­ruf unter Niederlegung des Lorbeers. Der Da­hingeschiedene sei Allen ein leuchtendes Vorbild gewesen; selbst unermüdlich und gewissenhaft in seiner Amtspflicht, war er milde und freundlich gegen seine Untergebenen, die niemals ohne Rat und That von ihm giengen, wenn sie sich ihm anvertraut hatten. Hierauf legte Oberamt­mann Hofmann namens des Bezirks Neuenbürg einen Lorbeerkranz am Grabe des im dankbaren Andenken bleibenden Ver­storbenen nieder.

Stuttgart. 15. Febr. Von zuverlässiger Seite verlautet, daß auf den vakanten Landge­richtspräsidenten - Posten in Stuttgart diesmal entgegen der bisherigen Regel nicht ein Crimi- nalist, sondern ein Ziviljurist ernannt werden soll. Man nennt als den Ausersehenen den Landtagspräsidenten v. Hohl, der seit vielen Jahren hier Landgerichtsdirektor ist und schon längst auf einen höheren Posten hätte aufrücken können, wenn er nicht immer wieder darauf verzichtet hätte, um seinem Wahlbezirk Geislingen eine Nachwahl zu ersparen. Ein abermaliges Opfer der Verzichtleistung kann man aber Herrn v. Hohl diesmal billiger Weise nicht mehr zu­muten.

Stuttgart. 17. Febr. Die Berichter­statter der einzelnen Kommissionen der Kammer der Abgeordneten, namentlich der Finanzkommis­ston sind in eifriger Thätigkeit und haben ihre Arbeiten schon so weit gefördert, daß die be­treffenden Kommissionen demnächst zur Beratung und Fertigstellung der einzelnen Berichte einbe­rufen werden können. Hienach besteht gegründete Aussicht, daß der Landtag anfangs des nächsten Monats wieder zusammentreten kann, um dann vielleicht ohne längere Unterbrechung mit Aus­nahme der Osterfeiertage bis in den Juni hinein beisammen zu bleiben. Der Gesetzentwurf be­züglich der Steuerfreiheit unbestockler Weinberge hat durch den Berichterstatter, Oekonomierat Stockmayer, eine wesentliche Änderung und man wird wohl auch sagen dürfen Verbesserung da­durch erfahren, daß die Steuerbefreiung nicht nach ganzen Aren u. j. w., sondern nach der Zahl der neueingesetzten Weinstöcke auch in sog. kleineren Gräben berechnet werde. Aus diesem einen Beispiel ist ersichtlich, wie nützlich es ist, wenn in allen einzelnen Fragen der Gesetzgeb­ung wirklich sachverständige Männer auch als Abgeordnete vorhanden sind und zum Wort ge­langen können. Das Bild würde ein wesentlich anderes sein, wenn z. B. eine Frage, welche den mittleren Kaufmanns- und Gewerbestand speziell interessiert, durch ein dem Landtag vorgelegtes Gesetz zur Verhandlung käme. Hier würde es sofort an den nötigen Sachverständigen fehlen.

Eine größere Anzahl von Städten des Landes soll wieder an das würltembergische Telephonnetz angeschlossen werden, so die Städte Aalen und Ellwangen, sowie Crailsheim, wahr­scheinlich auch Heidenheim. Es dürfte sich em­pfehlen, die Leitung von Aalen nach Heidenheim über Gingen nach Ulm fortzusetzen. Ferner sollen Biberach, Kirchheim und Neuenbürg an das Telephonnetz angeschlossen werden. Bei