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ung württembergischer Landsleute unter Führung von Georg Rapp aus Iptingen). Anklagen wegen Betrugs und andere Beschuldigungen wurden vorgebracht gegen verschiedene Führer -er Sekte und bei Gericht wurde ein Antrag auf Ernennung eines Receiver (das ist eines ge. richtlich bestellten Vermögensverwalters) einge­bracht. Dies entspricht den Anträgen der Georg Rapp'schen Verwandten, welche bekanntlich im Prozeß liegen. Obiges ist auf Antrag und Be­weis von hier aus geschehen.

Stuttgart, 13. Febr. Strafkammer. Mehrere hiesige Gasthäuser wurden in der ersten älste Januar unsicher gemacht durch einen ieb. welcher übernachtende Gäste bestahl. Der­selbe wurde heute der Strafkammer I. vorge­führt in Person des 20 Jahre alten ledigen Kellner Karl Albert Berger von Feuerbach. Am 15. Nov. v. I. aus einem badischen Gefängnis entlassen, kam er am 31. Dez. v. I. mittellos hier an. Der geständige Angeklagte erhielt eine ^monatliche Gefängnisstrafe.

Stuttgart. In letzter Zeit wurden mehrere Einbruchoiebstähle in Dienstbotenkam­mern. gewöhnlich über die Mittagszeit, verübt. In einzelnen Fällen haben die Diebe Beträge von 100 bis 180 in bar erbeutet.

Reutlingen. 9. Febr. Welch' treube­sorgte Helferin der Armen und Hilflosen die Königin Olga selbst über das Grab hinaus war, geht in rührender Weise aus dem schriftlichen Wunsch hervor, die Herzogin Wera von Würt­temberg, Großfürstin von Rußland, möge nach ihrem Tode das Protektorat über die Heil- und Pflegeanstalt Mariaberg, (welche bekanntlich die Aermsten der menschlichen Gesellschaft, Schwach­sinnige. Krüppel, geistig und körperlich Zurück­gebliebene aufnimmt) übernehmen. Nun ist die Entschließung der Herzogin Wera bezüglich der Uebernahme des Protektorats zur großen Freude der Anstalt und ihrer Leiter eingetroffen.

Altensteig, 11. Febr. Im Hinteren Wald schneite es so stark, daß man heute die Bahnschlitten in Thätigkeit setzen mußte. Unsre Nagold ist wieder so arg geschwollen wie letzthin und wird auch der Kellbach wieder gefährlich. Auch die Waldach trägt nochmals große Wasser­massen der Stadt Nagold zu, so daß die vom letzten Hochwasser gefährdete Eisenbahnwaldach- brücke aufs neue wieder in großer Gefahr schwebt.

Oberes Murgthal, II. Febr. Nachdem der Eisenbahnbau Gernsbach-Weißcnbach beschlossene Sache ist, wodurch ein größerer Teil vom Verkehr des oberen Murgthals noch weiter dahin abgeleitet werden dürfte, ist die Murgbahnfrage wieder außerordentlich rege ge­worden. Von den Interessenten des oberen Murgthals wurde in Baiersbronn eine Versamm­lung veranstaltet, um die schon mehr als 30 Jahre schwebende Murgthaleisenbahnfrage ein­gehend zu besprechen. Es war denn auch die Beteiligung trotz des stürmischen Wetters sowohl von den Murgthälern als auch Freudenstädtern eine außerordentlich lebhafte, so daß die großen Räume des Gasthauses zum Hirsch kaum genügten, um alle aufzunehmen. Darüber, daß das Be­dürfnis einer Eisenbahn im Murgthal vorhanden und daß der große Verkehr dadurch noch be­deutend gehoben werden könne, gab es nur eine Stimme und es wurde beschlossen, alle Schritte zu thun, um von Seiten der k. Regierung zu erreichen, daß diesem so überaus dringenden Bedürfnis entsprochen werde. Es wurde eine Kommission von etwa 12 Mitgliedern gewählt, die die Aufgabe hat, diese Frage weiter zu ver­folgen. Gewiß würde es von der segensreichsten Wirkung sein, wenn die schon so lange bestehen­den Wünsche der Murgthäler von Seiten der Regierung Berücksichtigung fänden. (S. M.)

Ausland.

Wien, 13. Febr. Der Kaiser hat für die Insel Zante 10 000 Franken gespendet.

Brünn, 12. Febr. Gestern Abend ist eine furchtbare, wahrscheinlich anarchistische Mordthat hier verübt worden. Gegen sechs llhr abends erschienen im Geschäftshaus von Max Rosenthal, Inhaber eines Militärausrüst- Mgsgeschäftes, zwei maskierte Männer und forderten Geld. Rosenthal war mit drei Be­

diensteten anwesend und von diesen durch eine Glaswand getrennt. Da die beiden Männer eine sie nicht befriedigende Antwort erhielten und ein Bediensteter zum Telephon eilte, feuerten sie mehrere Schüsse ab. Zwei trafen den Rosen­thal in die Brust; er starb in wenigen Minuten. Bon den Bediensteten wurde einer schwer, einer leicht verwundet. Als die Mörder den Geschäfts­raum verlassen wollten, traf der Advokat Hoze. ein Neffe des Ermordeten, ein; auf diesen schossen die Mörder ebenfalls und verwundeten ihn leicht am Oberkiefer. Die Mörder flüchteten sodann. Bisher hat man von ihnen noch keine Spur. Die ganze Polizei und Gendarmerie ist zur Verfolgung aufgeboten. Während in dem Ge­schäftsräume der Mord verübt wurde, warteten dahinten in der Fabrik einige hundert Arbeiter auf die Samstagslöhnung.

Paris. 13. Febr. Heute begann vor dem hiesigen Schwurgericht der Prozeß wegen der Verschleuderung der Gelder der Dynamitge­sell s ch a f t. Angeklagt sind der ehemlige Senator Le Guay. Vorsitzender des Berwaltungsrats der Gesellschaft, und der Kassierer Prevost, die sich beide gestellt hatten, und der flüchtige Aaron, genannt Alton, der Generalagent der Gesellschaft war. Sie werden beschuldigt, zusammen drei Millionen unterschlagen zu haben. Die beiden Angestellten der Gesellschaft schieben alle Schuld auf Alton.

Der Papst empfing am Donnerstag 32 Generale religiöser Orden und nahm deren Glückwünsche zu seinem Bischofsjubiläum ent­gegen. Zugleich wurden dem Papst 30 000 Frcs. Peterspsennige überreicht.

Die russische Kaiserfamilie soll beab­sichtigen, im kommenden Sommer wiederum einen längeren Aufenthalt im Schloß Frede nsborg bei Kopenhagen zu nehmen. Nach einer Be­hauptung desDanebrog" würde auch Kaiser Wilhelm nach Fredensborg kommen und daselbst jene Begegnung mit den Zaren haben, welche in den Blättern gleich nach dem jüngsten Be­suche des russischen Thronfolgers in Aussicht gestellt wurde.

Aus Rußland. II. Febr. Nach einer telegraphischen Mitteilung aus Baku am Kaspi­schen Meere ist in der dortigen muhamedanischen Badeanstalt für Frauen Feuer ausgebrochen, während sich gegen 300 Frauen und Kinder in der Anstalt befanden. Das Feuer verbreitete sich mit großer Schnelligkeit über die ganze Anstalt, wodurch ein furchtbarer Schrecken ent­stand. Die Mehrzahl der Frauen stürzte, kaum bekleidet, auf die Straße. Mehrere Frauen und Kinder wurden erdrückt oder totgetreten; eine größere Anzahl hat schwere Verletzungen erlitten.

London, 14. Febr. (Unterhaus) Glad- stone hielt in der gestrigen Sitzung bei Einbring­ung seiner Home-Rule-Vorlage eine Rede, welche 2"/« Stunden dauerte. Gladstone bezeichnet« als Zweck der jetzigen Vorlage die Errichtung einer irischen gesetzgebenden Körperschaft mit dem Sitze in Dublin. Diese Körperschaft soll bestehen aus einem gesetzgebenden Rat und einer gesetzgebenden Versammlung unter dem Bicekönig mit voller ausübender Gewalt. Der Bicekönig solle die Gesetzvorlage auf den Rat des aus­führenden Ausschusses genehmigen, jedoch von der königlichen Weisung abhängen. Stimm­berechtigt solle jeder sein, der 400 ^ Jahres­miete entrichtet. Die Richter werden von der Krone ernannt und seien unabsetzbar. Die Polizei geht auf die neue Staatsgewalt über, die jetzigen Konstabler seien allmählich zurückzu­ziehen. Die Zahl der irischen Abgeorgneten wird von 103 auf 80 beschränkt; sie haben Sitz im Reichsparlament und sind von der Abstimmung über rein grobbritannische Angelegenheiten aus­geschlossen. Die Zolleinnahmen Irlands werden als Beitrag für die Rcichsausgaben be­trachtet; die Acciseabgaben verbleiben den irischen Behörden. Gladstone schloß mit den Worten: Die Vorlage würde Stärke. Größe, Ruhm und Einheit des Reiches erhöhen und stärken.

Konstantinopel, 8. Febr. Ein starker Schneesturm hat sich neuerdings in der Nacht vom 4. zum 5. ds. Mts. über unsere Stadt entfesselt, nachdem wir seit dem jüngsten Schnee kaum einige Tage schönes Wetter gehabt hatten.

Sibirien in der türkischen Hauptstadt! Seit wenigstens 20 Jahren hat eS keinen so starken Schneefall gegeben, wie dieses Jahr. DaS Goldene Horn ist seit heute Morgen bis über die Hälfte zugefroren. Der Hafen Konstantinopels bietet den Anblick einer weiten weißen Fläche eine Thatsache, welche seit Menschengedenken hier nicht mehr vorgekommen ist.

Kairo. 13. Febr. Dem Afrikasorscher Dr. Peters, der sich auf der Rückreise nach Europa hier einige Zeit aufgehalten, ist heute das Unglück widerfahren, daß ihm auf einem Spazierritt von einem vor ihm gehenden Pferde durch Ausschlagen das Schienbein erheblich ver­letzt worden ist. Voraussichtlich wird Dr. Peters ein bis drei Monate seinen hiesigen Aufenthalt verlängern müssen.

Telegramme an den Enzthäler.

Termonde, 15. Febr. Nach Meldungen aus Baesrode kam es bei der Verhaftung 2er Excedenten durch die Gensdarmerie zu ernstlichen Ruhestörungen. Die Menge griff die Gensdarmen mit Knütteln an und entwaffnete einen. Als Verstärkung eintraf und der Kommandant der Gensdarmen zum Angriff überzugehen befahl, zerstreute sich die Menge. Mehrere Personen wurden verletzt, darunter 2 tätlich, 2 Gensdarmen wurden leicht verwundet.

New-Iork, 15. Febr. Der Hamburg- Amerikanische Dampfer Bohemia erlitt ein Leck während der Ladung in Hoboken. Da befürchtet wurde, daß er untergehe, wurde der­selbe entladen und nach Brock lyn zum Zweck der Reparatur gebracht.

Helsingfors, 15. Febr. Die Direktion der hies. Volksbank teilt mit, daß sich der flüch­tige Direktor Lindroth 90 000 Mark aus der Bankkasse aneignete. Aus dem bisherigen Bücher- Jnventur gehe hervor, daß kein Gläubiger der Bank in Mitleidenschaft gezogen sei.

Unterhaltender Heil.

Nelly's Verlobung.

Eine nächtliche Geschichte von Reinhold Ortman».

< Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung 7.1

Die Antworten aber, die er erhielt, waren höchst einsilbig und bestanden lediglich in wenig artikulierten Kehllauten, so daß er bald erkannte, wie wenig das Schütteln des Wagens Tante Dorette an der Fortsetzung ihres, nach all diesen Strapazen gewiß wohlverdienten Schlummers hinderte. Darauf entstand eine minutenlange, ziemlich verlegene Pause. Alle drei Insassen des Wagens waren in rabenschwarze Finsternis eingehüllt, und daß es gerade unter solchen Umständen sehr schwierig ist, eine Konversation anzuknüpfen, wird Jeder empfunden haben, der sich einmal in ähnlicher Lage befunden hat. Nelly war es. die endlich nach wiederholtem, einleitenden Räuspern den Mut fand, das Eis zu brechen, und ivnderbarer Weise knüpfte sie gerade bei dem Punkte an, an dem sie der Doktor vorhin durch sein anmaßendes Selbst­bewußtsein so empfindlich verletzt hatte.

Sie müssen ein vortreffliches Gedächtnis haben, Herr Doktor, daß Sie sich meiner von Ihrem kurzen Aufenthalt auf unserem Gut er­innerten. Ich war ja damals wenig mehr als ein Kind."

Allerdings! Aber Ihre Gesichtszüge haben sich wenig verändert, und außerdem waren wir wenn Sie das auch wahrscheinlich vergessen haben damals so gute Freunde, daß sich mir diese Züge Wohl emprägen mußten!"

O nein, Herr Doktor, ich habe das durch­aus nicht vergessen!" protestierte sie eifrig. Ich weiß noch genau, was für lustige Spazier­gänge wir mit einander gemacht haben, und wie amüsant Sie mir die Mineralien und die Schmetterlinge der Sammlung meines Papas zu erklären wußten. So oft ich die Sammlung ansah, mußte ich mich dessen erinnern."