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Nach der Art, in der Sie mir vorhin be­gegneten, hätte man bas freilich nicht glauben fallen!" meinte er, und es war dem Klang seiner Worte anzumerken, daß er dabei lächelte. Aber Nelly wurde dadurch nur noch zu größerer Leb­haftigkeit gereizt.

Sie dürfen sich nicht nach dem richten, was ich vorhin gesagt habe! Ich war so verwirrt und bestürzt von unserem Unfall, daß ich mich wohl recht häßlich und undankbar be­nommen habe. Aber vielleicht hätten Sie gegen eine so alte Bekannte auch immerhin etwas liebenswürdiger sein können. Ich habe mich ja beinahe vor Ihnen gefürchtet."

Wirklich? Es machte nicht den Eindruck.

Aber was meine Liebenswürdigkeit anbetrifft, möchte ich doch um etwas Nachsicht bitten. Meine Gewandtheit in den gesellschaftlichen Umgangsformen ist leider nur sehr gering. Und da Sie, wenn ich nicht irre, eben von einer Festlichkeit kamen, so war der Kontrast gewiß ein sehr anffälliger!"

Sie wollen mich für meine Unart be­schämen. Herr Doktor! Und Sie thun ganz recht daran. Aber Pie sind doch gewiß nicht so rachsüchtig, daß Sie mir nicht verzeihen sollten, nachdem ich in aller Form Abbitte geleistet habe.

Sie glauben gar nicht, wie sehr ich meine Ungezogenheit bereut habe, als ich hörte, daß Sie sich so edelmütig gegen den Mann der Mutter Konrad benommen haben."

Nun. das Verdienst war nicht groß! Die alte Frau vergaß eben, daß ich nicht um eines Haares Breite mehr thue, als meine Schuldigkeit, und sie denkt nicht daran, daß mir meine sehr geringfügige Praxis Zeit genug für meine wenigen Patienten läßt."

Sie haben sich also in der That hier auf dem Lande als Arzt niedergelassen?"

Gewiß! In Schönweide! Mein alter Vater ist so schwach und gebrechlich, daß er schon längst verdient hätte, von seinem alten Tagewerk befreit zu werden. Aber ich kann ihm nicht zumuren, sich für den kurzen Rest seines Lebens von dem Dörfchen zu trennen, in dem er mehr als vierzig Jahre zugebracht hat. Da blieb denn nichts Anderes übrig, als vor­läufig ebenfalls in Schönweide meinen Wohnsitz zu nehmen Er ist um seine Pensionierung eingekommen und wir werden unseren kleinen Haushalt gemeinschaftlich führen."

Wie reizend ist das!" fuhr Nelly heraus. Aber gleich darauf fügte sie etwas nachdenklicher hinzu:Es muß Ihnen doch eigentlich ein schweres Opfer sein, alle die Freuden und Ver­gnügungen der großen Stadt so plötzlich mit der Langweile und Einsamkeit des Dorflebens zu vertauschen. Leiden Sie darunter nicht sehr?"

Der Unterschied ist viel weniger bedeutend, als Sie zu glauben scheinen, mein Fräulein!

Ich war vier Jahre Assistenzarzt an einem großen Krankenhause, in dem es so viel zu thun gab. daß ich von den Freuden und Vergnüg­ungen der großen Stadt genau so viel wahr­genommen habe, als wäre ich durch eine Ent­fernung von hundert Meilen davon getrennt!"

Aber Sie haben doch gewiß während Ihrer Studentenzeit so viel davon genossen, daß Sie jetzt oft eine gewaltige Sehnsucht überkommen muß. Der Assessor von Behrendt, mit dem ich heute Abend sehr viel tanzte, hat mir die lustigsten Geschichten davon erzählt. Ich beneide wahr­haftig alle jungen Männer um diese fröhliche Ungebundenheit, der sie sich da Jahre lang hingeben dürfen!"

Wobei Sie nicht versäumen dürfen, einige kleine Unterscheidungen zu machen. Nicht Jeder findet an dieser fröhlichen Ungebundenheit Ge­schmack und nicht Jedem ist die Möglichkeit ge­geben, sich ihrer zu erfreuen. Ich kannte da z. B. einen Studenten, der sich die achtzehn Arbeitsstunden, welche jeder Tag für ihn hatte, sehr sorgfältig einteilen, mußte, um außer der Zeit, die seine Studien in Anspruch nahmen, auch noch Zeit für die mancherlei anderen Ver­richtungen zu finden, die cs für ihn zu erledigen gab. Da blieb für die Kneipe und den Pauk­boden und was sonst noch zum fröhlichen Burschen

gehört bedauerlicherweise nicht eine einzige Viertelstunde."

Aber was für Verrichtungen konnte denn Ihr Bekannter außer seinen Studien zu besorgen haben?"

O, da gab cs so allerlei! Des Morgens las er einem alten blinden Herrn zwei Stunden lang die Zeitungen vor, eine Leistung, für die er durchaus angemessen, das heißt, ungefähr nach dem Lohntarif eines Laufburschen honoriert wurde, und die ihm obendrein auf die denkbar angenehmste Art zur Kenntnis aller bemerkens­werten Weltereignisse verhalf. Das einzige Unangenehme dabei war nur, daß ihm der alte Herr jedesmal bei der Aushändigung der Be­zahlung die Versicherung gab, er solle dieselbe mehr als eine Unterstützung, denn als einen wohlerworbenen Lohn betrachten, da Borlesen eigentlich als eine wirkliche Arbeitsleistung nicht anzusehen sei. Am Nachmittag halte er den vier ungezogenen und ziemlich beschränkten Rangen eines Zahlmeisters drei Stunden lang wissenschaftliche Nachhilfe zu Teil werden zu lassen, ein allerdings ziemlich trauriges und aufregendes Amt, das ihm indessen außer einem täglichen Salair von sechszig Pfennigen noch die großmütige Zugabe einer Tasse Kaffee ein­brachte Den Rest seiner Zeit aber verbrachte er in Ermanglung eines anderen einträglichen Erwerbszweiges mit Abschriften für einen Theater- Agenten. Er bezog für jeden Bogen eine Ent­schädigung von zehn Pfennigen und hatte oben­drein den Vorteil die neuesten Erzeugnisse der dramatischen Litteratur ohne Opferung der teuren Eintrittspreise zum Theater kennen zu lernen."

Aber das ist ja entsetzlich! rief Nelly mit ungeheuchelter Teilnahme aus.Und der arme Mensch ist nicht zu Grunde gegangen bei einem so erbärmlichen Leben?"

O nein, er hat es vielmehr ganz leidlich überstanden und obendrein manchen Vorteil für seine Zukunft daraus gezogen."

Etwa die Kunst, ohne jeden Lebensgenuß zu existieren? Nun darum wäre er wahr­haftig nicht zu beneiden!"

Auch diese Kunst ist nicht so ganz zu unterschätzen; aber ich denke, mein Bekannter hat noch etwas ungleich Besseres gelernt. Er weiß, wie es dem Entbehrenden und Hungernden, dem Freudlosen und Einsamen zu Mut ist; er kann sich in die Herzensstimmung des Ver­achteten und Niedrigen finden und nichts Mensch­liches ist ihm fremd! Vielleicht wäre es besser für die Bedrängten und Leidenden, wenn man diese Kenntnis und Erfahrung von jedem Arzte, wie von jedem Richter und auch jedem Geistlichen verlangte!"

(Fortsetzung folgt.'»

Nürnberg. 5. Febr. Jnngen Ehefrauen zur Warnung sei folgendes vomNürnb. Anz." erzählte Geschichtchen mitgeteilt: Der jungen Frau eines hies. Kaufmanns war das Schnarchen ihres Gatten ein Greuel und sie beschloß, der Untugend durch ein energisches Mittel ein Ende zu machen. Als in einer der letzten Nächte der Herr Gemahl wieder mit Emsigkeit daran war, Bretter zu sägen", warf sie ihm plötzlich ein vorher in kaltes Wasser getauchtes Tuch über den Kopf. Der auf diese unvermutete Weise aufgeschreckte Mann, der sich angegriffen wähnte, sprang und schlug um sich, wobei er den neben dem Bett befindlichen Nachttisch umwarf, dessen Marmorplatte der bei der Anwendung des Mittels anwesenden Schwiegermutter (!) auf den Fuß fiel und ihr dabei zwei Zehen zerquetschte. Außerdem brach sie dabei einen Finger. Die junge Frau aber erhielt, da der Auftritt in voller Finsternis abspielte, einen Schlag ins Ge­sicht, der das Einsetzen eines ganzen Gebisses zur Folge haben dürfte. Das Schnarchen hat der Mann aber doch nicht verlernt.

Mühlhausen, 8. Febr. Fortschritt im Eisenbahnwesen. Auf dem Bahnsteig des hies. Bahnhofes wird in den nächsten Tagen eine Einrichtung ins Leben treten, die geeignet ist, nicht nur einen schwierigen Teil des Bahnhof­

dienstes wesentlich zu erleichtern, sondern auch dem reisenden Publikum eine Anleitung zur Auf­findung und Benutzung eines bestimmten Zuges zu geben, die sicherer und zuverlässiger ist, als das bis jetzt gebräuchlich gewesene Verfahren, Es handelt sich dabei um einen patentierten von Ingenieur Otto Strohdach in Basel crfuw denen und von der Maschinenfabrik von Heinrich Stockheim in Mannheim erbauten Apparat. Derselbe besteht zunächst aus einem viereckigen mit dreieckiger Krönung und mehreren viereckigen Ausschnitten auf jeder Seile versehenen Kasten, der an stark in die Augen fallender Stelle aus! gehängt wird. Im Innern enthält der Kasten eine gewisse Anzahl Scheiben und Tafeln, welche mit der Bezeichnung des demnächst abgehenden Zuges, als Lokal-, Personen- oder Schnellzug u. s. w sowie mit der Angabe der Fahrklassen, welche er führt, und mit den Namen seiner Hauptstationen beschrieben sind. Durch ein höchst sinnreichesKurbelwerk mit Drahtseilleitung können diese Scheiben und Tafeln von einem bestimmten Punkte in einem Bureau beliebig gestellt werden, wobei der den Apparat bedienende Beamte durch eine vor ihm befindliche verkleinerte Wiedergabe des Schilderkastens sofort selbst die Kontrole über die richtige Stellung der Schilder erhält, Für die Wartesäle ist die nämliche Einrichtung geplant. Hier wird dieselbe noch mit einem elektrischen Leutewerk versehen, welches bestimmt ist, zunächst die Aufmerksamkeit zu erregen. Alsdann erscheint ein Schild mit der Aufforder­ung:Einsteigen in den Zug nach. . ." Diese Einrichtung besorgt also das sogenannte Abrufen der Reisenden auf die denkbar einfachste und zuverlässigste Weise und dürfte wohl berufen sein, den häufigen Beschwerden wegen unge­nügenden oder gar nicht erfolgten Abrufens ein Ende zu machen.

(Schwarzwälder Volksmund.) Die von Heinrich Sohnrey in Freiburg i. B. herausge­gebene empfehlenswerte ZeitschriftDas Land" enthält in ihrer letzten Nummer eine Reihe von kleinen Erzählungen und Zügen aus dem Schwarz­wälder Volkstum, der wir folgendes hübsche Geschichtchen entnehmen: Einst wurden einem Bauern von einem Blitzstrahl zwei Ochsen aus dem Felde erschlagen, was ihn sehr verdroß. Als der Mann nun nach einiger Zeit wieder mit zwei Ochsen auf dem Felde pflügte und wieder ein Gewitter mit Blitz und Donner Herauf­ziehen sah, schaute er blinzelnden Auges in die drohenden Wolken und rief dem Blitz wütend zu:Ah! schmeckst wieder a paar Oechsle?"

(Stumpfnäschen auf dem Heiratsmarkt.) Ein Philosoph rn Philadelphia hat auf Grund statistischer Berechnung in was diese Stati­stiker nicht alles ihre Nase stecken! herausge­sunden, daß junge Mädchen mit Stumpfnäschen früher heiraten als andere!

(Begründung.) A.:Aber warum hast Du denn zur Fahrt nach Hause den teuren Kurierzug und nicht den weit billiger« Bummel­zug benützt?" Studiosus:Ja weißt Du, der hält gar so oft an und nüchtern wollt' ich doch nach Hause kommen!" (Bezeichnend.) Einheimischer:Dies ist das Ministerium des Aeußern und dort drüben das des Alleräußersten!"

Fremder:Was ist denn das für eines?"

Einheimischer:Das Kriegsministerium!"

_ (Fl. Bl.)

(Vorschlag zur Güte.) Richter :Sie sind wegen Landstreicherei zu sieben Tagen Haft ver­urteilt!" Vagabund:Gnad'n Herr Richter, geben S' mir lieber a' bessere Kost und sperren S' mi' dafür a' paar Tag' länger ein!"

(Merkwürdiges Zusammentreffen.) In Eisen- berg versilberte ein Zinngießer einen kupfernen Theekessel, um die goldene Hochzeit feiern zu können.

(Annonce.) Zum sofortigen Eintritt suche ich zum Unterricht für meine beiden Töchter eine Engländerin; eine geborne erhält den Vor­zug- _^

Redaktion, Druck und Verlag von Ehrn. Meeh in Neuenbürg.

Anzeiger i

Nr. 27.

Erscheint Dienstag, ! vierteljährlich 1

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Nach ven gema> seitens der Eltern u> Beachtung geschenkt, holt wird daher auf rufsmäßige Ausbildu betont, daß bei Gest zum Besuch einer S Bewerber eine Lehrt bei Gesuchen um Un Gewerbe und Handel des Moment angesel lingen vor ungeprüf Den 15. Febr

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werden zum Bericht bedeutenderen landr Wässerungen. Flußk und Regulierung vor mit Holzbäumen, A auf ihren Gemeinde» gekommen sind, oder Eventuell ist s Den 15. Febr

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Am Samstag dl vormittags >m Waldhorn zu <l dem Slaatswald I. und 10, II. Schönl und II und Sch, Schöngarn Abt. 11 wald:

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Am Montag den vormittags 1 werden auf dem Ra bach verkauft:

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