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trunkenen vier jungen Männer sind kaum zu trösten, die ganze hiesige Einwohnerschaft nimmt innigen Anteil an diesem schweren und unersetz­lichen Verlust der Angehörigen. Am gleichen Nachmittag hatte Dr. Jmmle, Sohn des hier wohnenden Oberstlieutenants Jmmle, und dessen Tochter beim Schlittschuhlaufen auf dem Unter- fee das Unglück, einzubrechen. Fräulein Jmmle kam in die höchste Lebensgefahr. Glücklicher­weise befand sich der hiesige Schreinermeister Grießer ebenfalls auf dem Eise in deren Nähe und rettete mit eigener Lebensgefahr Frln. Jmmle vor dem sicheren Tode des Ertrinkens.

Niedermodern i. Els., 7. Febr. Der Mühlenbesitzer Lauth hier ist auf eine eigen­artige Weise um sein Geld gekommen. Er hatte N 700A in Papier cinpacken und fortsenden wollen, als der Pfarrer erschien, um dem schwer erkrankten Vater des Herrn Lauth das Abend­mahl zu reichen. Herr Lauth hatte 2 Wert­pakete auf einem Tische liegen, auf dem eine brennende Kerze stand. Als er nach wenigen Minuten zurückkehrte, waren die kleinen Pakete zu Asche verbrannt. Wie dies eigentlich ge­kommen, läßt sich schwer sagen.

Württemberg.

Das Neuvermählte Herzogspaar Albrecht hat letzten Montag bet Hellem Sonnenschein, der eine gute Vorbedeutung für das junge Paar zu einem langen und glücklichen Leben sein möge, seinen Einzug in Stuttgart gehalten. Das junge Paar wurde von S. M. dem König, dem Prinzen Hermann zu Sachsen-Weimar, dem Herzog Philipp und Gemahlin u. s. w. im Bahn­hof empfangen und fuhr zunächst nicht einmal in das schön geschmückte Heim im Kronprinzcn- Palais, sondern zu I. M. der Königin nach dem Wilhelmspalast, um die hohe Frau dort- selbst zu begrüßen. Die junge Herzogin hat durch ihr frisches Aussehen und die gutmütigen Gesichtszüge sofort die Sympathieen der Stutt­garter gefunden. Gleich am Tag nach ihrer Ankunft wurde die junge Herzogin bei der großen Hoftafel sämtlichen Mitgliedern des Kgl. Hauses persönlich vorgestellt und beim Hofball am Diens­tag Abend auch der gesamten Hofgesellschaft, oder vielmehr diese der Herzogin. Die Stutt­garter Geschäftswelt begrüßt den neuen herzog­lichen Hoshalt begreiflicherweise mit Freuden, aber auch die Armen hegen frohe Hoffnungen.

Am 7. Februar starb in Leipzig. 85 Jahre alt, Se. Exz. Herr Geheimrat Dr. Fer­dinand v. Steinbets, früher langjähriger Präsident der Kgl. Württemb. Zentralstelle für Handel und Gewerbe, ein Mann, der ganz hervorragende Verdienste um die Württembergische Industrie, um ihre Hebung und Förderung, wie um die Verbreitung ihrer Erzeugnisse im Aus­lande hat. Die Beerdigung findet in Ulm am Samstag Nachm. 4 Uhr statt.

Um 5200 Mark ist der Eßlinger Konsum- Verein durch die Verbreitung nachgemachter Konsummarken geschädigt worden. Diese über­raschende Entdeckung wurde dadurch gemacht, daß das Markensystem mit dem 1. Februar ge­ändert worden ist. Die Aufregung unter den Mitgliedern ist eine große. Bereits hat die Staatsanwaltschaft den Metzgermeister Bühler verhaften lassen, in dessen Hause noch vieles üachgemachte Konsumgeld teils neu. teils in einer die Oxydation fördernden Beize liegend, vorge­funden wurde.

Altensteig, 5. Febr. Ein 12jähriges Mädchen von Göttelsingen trug an dem stürmi­schen Donnerstag vom 2. Februar Fleisch nach Schernbach. Auf dem Heimweg kam es vom Wege ab und verirrte im Walde. Es kam abends nicht nach Hause. Die Seinigen suchten es die ganze Nacht trotz des großen Regens. Erst um 6 Uhr kehrten sie von der erfolglosen Suche heim. Von der Gemeinde giengen nun Leute aus und endlich fand man um 11 Uhr mittags das Kind ganz erstarrt an einem Fuß­weg am Walde sitzen. Man glaubte anfangs, das Kind habe die Füße erfroren, doch ist sein Befinden ein ordentliches.

Ausland.

Der österreichische Ministerpräsident Graf Taaffe hat wieder einmal ein Fiasko er­

l lebt. Sein berühmtes Majoritätsprogramm, mit 'dem er weiter regieren wollte, ist von allen Parteien mit Ausnahme der Polen abgelehnt bezw. als ein leeres Versprechen bezeichnet wor­den, kür dessen Erfüllung gerade das Kabinet Taaffe die allerwenigste Bürgschaft biete. Aus dem Mehrheitsprogramm ist also ein klägliches Minderheitsprogramm herausgewachsen und nun überlegt sich Graf Taaffe, ob er nicht den österreichischen Reichstag auflösen solle. Bis zum Vollzug der Neuwahlen hat dann Graf Taaffe wieder einige Wochen Frist zum weiter wursteln. Die ungarische Regierung soll das Projekt der Einführung der Zivilehe aufgegeben haben, wahrscheinlich infolge des Widerstandes, den dieses Programm an allerhöchster Stelle findet und ebenso auch bei einem großen Teil des ungarischen Volkes.

Brüssel, 8. Februar. Der Graf von Flandern soll einen anonymen Brief aus London erhalten haben, welcher gegen erheb­liches Lösegeld die Rückgabe der gestohlenen Juwelen verspricht. Das Schreiben wurde dem Untersuchungsrichter übergeben.

Das Kaleidoskop des französischen Pa­namaskandals wurde auch in der abgelausenen Woche fleißig gedreht und bot immer wieder neue und überraschende Bilder. Das Notizbuch Artons, eines Hauptarrangeurs der Panama­bestechungen, ist in den Händen des Untersuch­ungsrichters und dieser erwartet nur die Ver­haftung Artons oder richtiger gesagt Aarons ab, der gegenwärtig in Deutschland unter fremdem Namen herumreisen soll, um neuerdings eine größere Anzahl Deputierter und Senatoren in den Anklagezustand zu versetzen. In der fran­zösischen Depuliertenkammer wurde die Frage aufgeworfen, was mit dem Panamakanal selbst geschehen, d. h. ob dieser zur Ausführung ge­langen soll. Das Ministerium gab sehr diplo­matische Erklärungen ab; es werde mit den vereinigten Staaten von Columbia unterhandeln und mehr könne man jetzt nicht sagen, worauf die Kammer mit einer ziemlich großen Mehrheit dem Wunsche der Regierung gemäß die einfache Tagesordnung annahm. Die Anklagekammer in Paris hat gegen die meisten Panama-Ange- schuldigten das Verfahren eingestellt, was in der Oppositionspresse scharfe Bemerkungen gegen die Regierung hervorruft, indem man sagt, die Re­gierung fürchte entweder die Enthüllungen der Angeklagten oder aber sie habe leichtfertig un­schuldige Männer zu entehren versucht.

Paris, 9. Febr. Das heute Nachmittag verkündete Urteil im Panamaprozeß lautet: auf fünf Jahre Gefängnis und 3000 Franken Geldbuße gegen Charles Lesseps, auf zwei Jahre Gefängnis und je 3000 Franken Geldbuße gegen Fontane und Cottu wegen betrügerischen Hand­lungen und Vertrauensmißbrauchs; gegen Eissel auf zwei Jahre Gefängnis und 20000 Franken Geldbuße wegen Bertrauenmißbrauchs.

Rom, 7. Febr. Der Minister des Aus­wärtigen Brin teilte auf eine Anfrage des Ab­geordneten Cirmeni die Aufschlüsse mit, welche der deutsche Reichskanzler Graf Caprivi über seine Erklärungen in der Militärkommission be­treffs Italiens gegenüber dem italienischen Bot­schafter Grafen Lanza gegeben hatte. Caprivi habe erklärt, niemand habe jeder Zeit mehr als er die Wichtigkeit des Dreibundes anerkannt. Er habe sich stets bemüht, denselben zu erhalten und zu stärken. Die Mstitärvorlage !e> keines­wegs durch ein geringeres Vertrauen zum Drei­bund oder dessen militärischem Werte eingegeben. Aber selbst mit dem Dreibunde müsse Deutsch­land über größere Streitkräfte verfügen als bisher. Die Thatsache, daß die volle Entwick­lung der deutschen Wehrkraft gemäß der Vor­lage erst in 20 Jahren erreicht würde, sei der stärkste Beweis, daß der Entwurf nicht ein Aus­fluß von Befürchtungen oder politischen Erwäg­ungen des Augenblicks sei. Brin fügte hinzu, diese Worte und der ganze Gedanke Capcivis enthalte nichts, was der Wirklichkeit der Lage nichts entspreche.

London, 9. Febr. Eine Lloyddepesche aus Corunna meldet: Der der Anchorlinie ge­hörige, von Glasgow nach Neapel fahrende

Dampfer Trinacria ist in der Nähe des Kap Villano gänzlich verloren. 37 von der Mannschaft sind ertrunken, nur zwei ge­rettet.

Das englische Parlament hat in den beiden Häusern eine ziemlich nichtssagende Adresse an die Königin als Antwort auf deren Thron­rede angenommen. Im Unterhaus kam die Notlage der englischen Landwirtschaft zur De­batte. Aber nicht einmal eine parlamentarische Enquöte über die Ursache dieser Notlage und über die Mittel zu deren Abhilfe wurde ange­nommen , sondern einfache Tagesordnung be­schlossen. Die Debatte über die Homerule-Vor- lage hat noch nicht begonnen.

Der Vizekönig von Egypten ist nach Oberegyplen zur Eröffnung einer Eisenbahn ab­gereist und erhielt auf der ganzen Reise durch die Bevölkerung äußerst zahlreiche und lebhafte Ovation, welche den Engländern schwere Sorgen machen. Ein weiteres englisches Regiment ist inzwischen in Kairo einmarschiert.

Athener Berichte schildern die Kata­strophe auf Zante als entsetzlich. Die Erdstöße dauern fort. Unter der Bevölkerung herrscht der fatalistische Glaube, die Insel sei dem Untergang geweiht.

Der furchtbare Sturm, der die nördliche Westküste von Norwegen heimsuchte und für die Fischer der Lofoten so verhängnisvoll wurde, stellt sich jetzt noch als viel unheilvoller heraus, als man anfangs vermutete, denn nach den aus Bodö am Westfjord eingetroffenen Nachrichten sind sicher 91 Mann umgekommen. Von 37 Booten von Bärö, einer Lofoteninsel, verun­glückten 8 Boote, wobei 37 Mann umkamen. Bei Gimsö verunglückten 4 Boote mit 20 Mann, bei Oeksnäs gingen 15 Boote verloren, wobei 35 Mann umkamen. Leider scheint hiermit die Zahl der Unglücksfälle noch nicht erschöpft sein. So bemerkte der Lehnsmann in Gimsö weitere drei gekenterte Fischerboote, und aus vielen Orten fehlen noch Nachrichten.

Bei dem Brande der drei großen Baum­wollspinnereien in Osaka sind über 100 Per­sonen, zumeist junge Mädchen, ums Leben ge­kommen. Der angerichtete Schaden beträgt über 824 000 vlL Zur Zeit des Ausbruchs des Feuers befanden sich über 1200 Arbeiter in den Mühlen, und es ist erstaunlich, daß die Flammen nicht noch eine größere Anzahl von Menschenleben zum Opfer gefordert haben. Viele retteten sich dadurch, daß sie aus den Fenstern herabsprangen; die Zahl der Verwundeten ist bedeutend. Das Feuer soll durch Reibung in der Maschinerei entstanden sein.

Unterhaltender Heil.

Nelly's Verlobung.

Eine nächtliche Geschichte von Reinhold Ortmann.

lNachdruck verboten.)

(Fortsetzung 5.l

Nelly wurde von den Frostschauern noch heftiger geschüttelt als vorher. Der starke Ge­ruch des Glühweins, der das ganze Zimmer erfüllte und den sie sonst so sehr liebte, war ihr äußerst unangenehm. Ihre Gemütsstimm­ung verschlechterte sich von Minute zu Minute. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie eine gleiche Empfindung der Verlassenheit und Ver­nachlässigung gehabt. Auch die Tante schien ja bei dem Genüsse des feurigen Trankes ihrer vollständig vergessen zu haben. Sie war wirk­lich ganz außerordentlich unglücklich! Da wollte sie wenigstens mit ihrer Bitterlichkeit gegen den­jenigen nicht zurückhalten, den sie nun einmal hauptsächlich für die Jämmerlichkeit ihrer Lage verantwortlich machte.

Wie hat Dir denn nun dieser Doktor Fischer gefallen, Tante Dorette? Gegen Dich hat er sich ja auch ganz besonders zuvorkommend benommen! Ich glaube, wenn es auf ihn angekommen wäre, lägest Du noch jetzt unter dem Wagen."

Ach, Kind, warum erinnerst Du mich an diese schrecklichen Augenblicke? Wie oft habe ich nicht zu Deinen Eltern gesagt: Gestattet dem Kinde um Gotteswillen nicht, auf Bälle zu gehen, das führt niemals zu etwas Gutem!