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Und nun haben wir ja gesehen und gehört wohin es führt!"
Nelly trommelte mit den Fingern ihrer unverletzten linken Hand ungeduldig auf den Tisch.
„Ich bitte Dich, Tantchen, was hat denn der Ball mit unserem Unfall zu thun? — Und es wäre auch noch gar nicht so schlimm gewesen, wenn uns nur irgend ein anderer Mensch an Stelle dieses Doktor zu Hilfe gekommen wäre!
— Unsere Verzweiflung und Verlegenheit scheint ihm jedoch eine wahre Augenweide gewesen zu sein."
„Meinst Du das wirklich, Kindchen?" fragte die Tante, die ihren Glühwein unterdessen ausgetrunken und sich wieder so bequem als möglich auf der Matratze plaziert hatte, mit schwacher Stimme. „Das wäre ja eine entsetzliche Barbarei !"
„O, es ist schlimmer als eine Barbarei!
— Es ist eine — ein — nun. es ist abscheulich! Früher war es ein ganz leidlicher Mensch; aber jetzt — brrr! Ich möchte lieber sterben, ehe ich mich von einem solchen Arzte behandeln ließe!"
„Da würde sich die Mamsell doch erst zuvor ein wenig bedenken, meine ich!" mischte sich die Alte ein, die unbeweglich neben ihrem Kochherd stehen geblieben war; und als ihr Nelly nur mit einem kühlen, abweisenden Blick antwortete, fuhr sie in einer rauhen Weise, ohne Gereiztheit, aber auch ohne Höflichkeit, fort:
„Mein armer Mann, der da drinnen auf seinem Krankenbette — oder, wenn Gott will, auf seinem Sterbebette liegt, hat auch immer gesagt: Mir soll keiner über die Schwelle kommen! — Er hatte einen so grimmigen Haß auf die Herren Doktoren alle mit einander. Und er hatte auch einen Grund dazu, der wahrscheinlich besser war als Ihrer, Mamsell!"
Nelly hatte sich durch das Dreinreden der Alten zwar etwas gekränkt gefühlt, aber das ging rasch vorüber, da ihre Teilnahme nur ein wenig vielleicht auch ihre Neugierde rege gemacht war.
„Was für ein Grund war denn das, Mutter Conrad?" fragte sie; und ohne ihre Stellung zu verändern, erwiderte die alte Frau:
„Nun, das werden Sie am Ende kaum verstehen; denn sie find noch sehr jung und können keine Ahnung davon haben, wie es einem Vater und einer Mutter am Krankenbette ihres Kindes ums Herz ist. Außerdem sind Sie reich und sind's wohl gewohnt, daß gleich ein hilfreicher Herr Hausarzt da ist, wenn Ihnen einmal eins von den zierlichen Fingerchen weh thut!"
Mit einer raschen Bewegung streckte Nelly bei diesen Worten die Hand mit den verwundeten Fingern unttr den Tisch; aber die Alte blickte starr vor sich hin in die leere Luft und hatte es nicht bemerkt.
„Aber bei uns armen Leuten ist das anders.
— Wir haben nicht eher Zeit krank zu sein, als bis es uns aufs Aeußerste gepackt hat, und dann ist's freilich zum Helsen meist hohe Zeit. Glücklicherweise sind wir von gutem Schlage, und mein Manu und ich, wir hatten noch keinen Doktor gebraucht, bis zu der Nacht, da es unserm August ganz aus heiler Haut so schrecklich überkam und da wir mit keinem von unseren Hausmitteln etwas gegen den fürchterlichen Husten ausrichten konnten!"
„Und der August war Ihr Sohn, nicht wahr?"
Die Alte nickte.
„Fünf Jahre war er alt und unser Einziger! — Weil er so zart war und so viel Verstand hatte für seine Jugend, sollte er nicht zu unserer harten Arbeit erzogen werden, sondern nach seiner Konfirmation sollte er in die Stadt und etwas Ordentliches werden. Wir hatten schon für ihn gespart, und es wäre zusammengekommen, o gewiß, es wäre zusammengekommen, wenn er nur am Leben geblieben wäre! — Nun was soll ich Ihnen sagen! — Als wir in jener Nacht nicht mehr wußten, was wir mit ihm beginnen sollten, da sagte ich zu meinem Manne: Du mußt gehen und einen
Doktor holen! Und ich sehe es noch, als wenns gestern gewesen wäre, wie er seine Mütze nahm und hinausrannte in die Finsternis. Es war ein Wetter nicht viel besser als heute, und es vergingen drei volle Stunden, bevor er wieder kam. Sie wissen nicht, Mamsell, was für eine Zeit das war! — Sie können sich nicht vorstellen, was drei Stunden sein können in einem Menschenleben, was man erdulden und erfahren kann in einer so winzigen Zeit! Drei Stunden lang kämpfte mein armer kleiner August mit seiner Krankheit. Manchmal packte es ihn, als wenn es das Ende sein müßte. Er hatte keine Luft mehr und röchelte und sein Gesicht wurde jo blau wie mein Kopftuch da! Dabei hielt er meine Hand immer mit seinen beiden Händen fest und drückte sie und streichelte sie — und wenn es ihn für ein paar Augenblicke zu Atem kommen ließ, rief er ganz leise: „Mutter, liebe Mutter! — So dauerte es drei Stunden lang, und ich kniete die ganze Zeit neben dem Bett und hielt meine Thränen zurück und das Angstgeschrei, das mir auf die Lippen wollte, und nur in meinem Herzem betete und schrie ich zu Gott, mir eine Hilst zu senden! Dann endlich kam mein Mann zurück; aber er kam allein!
— Sein Gesicht war verzerrt, von seiner Jacke tropfte das Wasser, und wie er sich auf der anderen Seite neben dem Bettchen zu Boden warf und nichts weiter herausbringen konnte als ein Stöhnen und ein gräßliches krampfhaftes Schluchzen — er, der sonst ein so starker Mann war und sich nichts anfechten ließ — da meinte ich. in der Unglücksnacht müßt ich mein Kind und meinen Mann zugleich verlieren!" — „Wo hast Du den Doktor?" fragte ich ihn immer und immer wieder. „Wann kommt er denn?
— Warum ist er denn nicht da?" — Aber es währte lange, bis er mir eine Antwort gab. „Kommt nicht" ächzte er zuletzt, „kommt nicht
— nicht vor morgen früh! — Und dann legte er sein Gesicht neben das unseres kleinen August auf das Kissen und weinte bitterlich. Noch eine Stunde ging dahin, ganz langsam, als wär's ein ganzer Tag. Die Anfälle wurden immer schrecklicher, der Atem unseres Kindes war nur noch wie ein leises, ängstliches Pfeifen, und dann hörte er mit einem Male auf. Mein Mann warf sich auf die Erde und raufte sich das Haar und stöhnte. Ich hatte keine Thräne und blieb neben dem Bett auf den Knieen liegen und sah nichts Weiler von Allem, was um mich her war, als August's Gesicht und seine kleine Hände, die immer noch meine Hand gefaßt hatten und die zuletzt so kalt waren, so eiskalt."
(Fortsetzung folgt.l
Berlin, 28. Jan. Bisher wurden unliebsame Gäste vor die Thür gesetzt; ein hiesiges Ramschgeschäft aber hat die Praxis angenommen, dieses Geschäft mittels Fahrstuhl zu besorgen. Der „Konfektionär" berichtet darüber: Eine Dame verlangte einen mit 6 im Schaufenster ausgestellten Hut. Dieser wurde ihr vorenthalten, weil er angeblich bestellt sei. Sie bestand aber darauf, den Hut zu erhalten, und als sie ihr Verlangen wohl etwas laut kund gab, erschien ein älterer Herr, der sie bat, mit in den Fahrstuhl einzusteigen, im unteren Stockwerk würde sie den gewünschten Hut bekommen. Die Dame stieg mit dem Herrn in den Fahrstuhl; sie befand sich unversehens im Erdgeschoß; es öffnete sich eine Thür, die nach der Straße führte, und die Dame war — höflich hinauskomplimentiert und stand auf dem Trottoir.
Stralsund, 5. Febr. Eine unerwartete Erbschaft ist dem hier in dürftigen Verhältnisfen lebenden Arbeiter Schindler'schen Ehepaar zu teil geworden. Sie wurden vorgestern zum hiesigen Amtsgericht beschicken, wo ihnen mitgeteilt wurde, daß ein Stiefbruder des Ehemannes, der vor langen Jahren nach Amerika gegangen war und dort ein Mühlenwerk betrieben hatte, plötzlich gestorben sei und sie zum Erben eines Teiles seines eine Million Mark betragenden Vermögens eingesetzt hätte. 180 000 »lL kämen, wie die N. Strals. Z. berichtet, auf den Anteil der beiden glücklichen Erben. Die Freude der
Eheleute war natürlich unbeschreiblich, um so mehr, als sie von dem Verstorbenen nie ein Lebenszeichen erhalten hatten. Der Mann ist Arbeiter und seine Frau war seither als Wäscherin thätig.
Hildesheim. 1. Febr. Hier kam cs bei der Anwesenheit eines Prinzen des königlichen Hauses unlängst zu folgender heiteren Episode. Der Prinz bemerkte, so berichtet die „Braunsch^ L.-Z.", vom Kasernenhofe aus ein großes Gebäude und wandte sich um Auskunft an einen jungen Offizier. „Es ist die Irrenanstalt, königliche Hoheit". — Königlich?" fragte der Prinz. — „Nein, königliche Hoheit". stotterte etwas verlegen der junge Sohn des Mars, „es kann jeder hinein".
(Vom Bräutigam erschossen.) Ein erschütterndes Ereignis hat sich in Nicderzwönitz bei Stollberg zugetragen. Auf dem Gute des Vaters seiner Braut daselbst nahm ein junger Mann von einem in der Stube stehenden Geschirrschran! ein Gewehr, zielte damit scherzweise auf seine Braut und drückte, in der Annahme, das Gewehr sei ungeladen, auch los. Plötzlich entlud sich dasselbe und die volle Schrotladung traf das Mädchen. Trotz sofortiger Entfernung der Schrote aus den Wunden trat hochgradige Entzündung ein und nach langem Leiden erlag das bedauernswerte junge Mädchen seinen Verletzungen.
Ein entsetzliches Unglück ereignete sich in dem Platze Kamli, etwa 12 deutsche Meilen' westlich von Kanton gelegen. Eine Räuberbande hatte einen in Kamli befindlichen Tempel besucht und von dem Abte eine hohe Summe Geldes verlangt, welchem Verlangen nicht Gehör ge- leistet wurde. Am selben Tage fand in einem großen, aus Matten erbauten Schuppen, der vor dem Tempel errichtet war, eine Theatervorstel' lung statt, welcher mehrere Tausend Personen beiwohnten. Die Räuber setzten aus Rache diesen Schuppen in Brand und die Zuschauer stürzten sich in ihrer Angst in den Tempel; dieser fing aber ebenfalls Feuer und brannte nieder. Ueber 1400 Personen kamen dabei um.
(Was eine gute und kluge Frau vermag.) Benjamin Franklin fragte einst einen Handwerker in Philadelphia, warum er immer so guten Mutes und gegen jedermann so freundlich wäre. „Daran ist meine Frau schuld," antwortete der Mann, „sie versüßt mir durch ihre Freundlichkeit und Liebe, durch ihren Fleiß, ihre Ordnungsliebe und Aufmerksamkeit gegen mich, täglich das Leben. Und das erfreut mich und macht mich fröhlich."
Bon einem langjährigen Freund unseres Bl. erhalten wir folgende Abschrift eines uralten Schriftstückes, die wir den Freunden des Rätselschatzes als „Rösselsprung" nicht vorent- halten wollen.
„Könnt Ihr mir '-diese Schrift in rechter Ordnung weisen.
So will ich Euch mit Recht als einen Meister
preisen."
R-daktron, Druck und Verlag von Thrn. Meeh iu Neuenbürg.
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