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Ausgabe statt, zu welcher das gesamte Offiziers­korps. an der Spitze der kommandierende General v. Wölckern, erschienen war. Die Kapelle des ^ Jnfanterie-Reg. Kaiser Friedrich spielte unter Leitung des kgl. Musikdir. Prem während des Festaktes den Kaisermarsch von R. Wagner, ferner Jos. Fischers Hoch Deutschland, herrliche Siegesbraul und die Wacht am Rhein mit Ein­leitung von Kolb. Die Mannschaften der Gar­nison haben wie üblich Festessen erhalten, be­stehend in Nudelsuppe, zweierlei Fleisch, Sauer­kraut, 1 Liter Bier, Käse mit Brot und je 3 Zigarren. Nachmittags haben dieselben frei; dieselben tragen Parade-Uniform. Auf dem Schloßplatze spielte die Kapelle des Gren.-Rcg. Königin Olga unter dem k. Musikdir. Sonntag, welcher den Festtag u. a. durch Mussas Hohen- zollernmarsch feierte. Nachmittags fanden in den 3 Osfizierskasinos Festmahle statt, bei wel­chen die Regiments-Kommandeure das Hoch auf den Kaiser ausbrachlen und die Rcg.Musikkorps Tafelmusik machten. Der komm. General von Wölckern gab ein Mahl in den Räumen des Generalkommandos, zu welchem 36 Herren ge­laden waren.

Stuttgart, 26. Jan. Ein interessanter Versicherungsprozeß ist zur Zeit beim K. Land­gericht anhängig. Am 30. Dezember 1891 kam der 36 Jahre alte Kaufmann Paul v. Knobels­dorff zu Allenstein beim Reinigen seines Jagd gewehrs, einer doppelläufigen Flinte, wobei ihm der Nachtwächter Kalinowski von dort behilflich war, dadurch ums Leben, daß sich eine in einem der Zwillingsläufe noch vorhandene Patrone entlud und denselben auf der Stelle tötete, da die Kugel ins Herz eindrang. Nach seinem Tode wurde der Konkurs über das Vermögen Knobelsdorffs eröffnet und es ergab sich, daß derselbe, welcher in den letzten zwei Jahren Kassier des Allen- steiner Vorschuß- u. Darlehens-Vereins, eingelr. Genossenschaft mit einem Jahresgehall von 2400 gewesen war, zum Nachteil des letzteren erhebliche Betrügereien, Unterschlagungen und Wechselfälschungen begangen hatte, ohne daß irgend jemand eine Ahnung davon gehabt hätte, v. Knobelsdorff war bei 6 Versicherungsgesell­schaften mit insgesamt 210 000 gegen Unfall und Tod versichert. Die Witwe v. Knobelsdorff schlug die Erbschaft aus, dagegen würden seine minderjährigen Kinder die Erbschaft antrelen, sofern ein Vermögensüberschuß vorhanden wäre. Da die Versicherungsgesellschaften die Auszahl­ung der Versicherungssummen verweigerten und den Einwand der selbstverschuldeten Tötung er­heben, so hat der Gläubiger-Ausschuß namens der Konkursgläubiger den Rechtsweg gegen die­selben beschrilten. Seitens der Versicherungs- Gesellschaften wird unter Anführung von Be­weisen behauptet, daß von Knobelsdorff, nachdem er eingesehen, daß er seine schlau ersonnenen und verdeckten Betrügereien und Wechselfäljch- unge^ nicht länger fortzusetzen im Stande sein werde, in derselben schlauen Weise beim Ge­wehrputzen einen Selbstmord begangen habe, welcher als solcher nicht erkennbar sein und das Gepräge eines Unfalls tragen und seinen Erden, die für seine Verhältnisse hohe Versicherungs­summe retten sollte. Seitens der klagenden Parteien werden gleichfalls unter Anführung von Beweisen diese Einwendungen bestritten und behauptet, daß in Wirklichkeit ein Unfall vor- liege, die Zuerkennung der versicherten Summe deshalb gerechtfertigt sei. Der Zeuge Nacht­wächter Kalinowski, welcher das Gewehr beim Reinigen festgehalten hat, fiel, als der Schuß losging, in Ohnmacht, v. Knobelsdorfs war bei folgenden Gesellschaften versichert: 1. beim Allg Deutschen Versicherungsverein hier seit 28. Febr. 1888 gegen Unfall und Tod mit 50 000 -45; 2- bei der Transport- und Unfall-Versicherungs- Gesellschaft in Zürich seit 25. Nov. 1891 ebenso mit 30 000 lM; 3. bei der Könischen Unfall- Bers.-Aktien-Gesellschafl seit 10. Oktober 1891 ebenso mit 20 000 ^; 4. bei der Gothaer Lebensoersicherungsbank seil 17. Okl. 1891 mit 50 000 bei der Lebensversicherungs-Gesell­schaft Janus seit .15. Dez. 1891 mit 30 000 6. bei der Unfallversicherungs-Gesellschaft Nord­stern gegen Unfall und Tod seit 16. Dezember 1891 mit 30 000 c/lL, ingesamt also mit 210 000

Mark, wovon 160 000 ^ im letzten Viertel­jahre, bezw. 60000 ^ in den letzten 14 Tagen vor seinem Tode abgeschlossen worden sind. Die meisten der oben genannten Gesellschaften haben bereits Vergleiche abgeschlossen. Die Kläger vertritt hier Rechtsanwalt Adler, den beklagten Versicherungsvcrein Rechtsanwalt Karl Schott. Der Prozeß dürfte demnächst zur Verhandlung kommen.

Stuttgart. DasWochenblatt für Landwirtschaft" soll auch textlich, namentlich auch durch Beigabe von erklärenden Zeich­nungen, wesentlich erweitert werden.

Aus Oberschwaben, 24. Jan. Bei gegenwärtig stattfindenden Brennholzverkäufen von Staatsforst- und herrschaftlichen Verwalt­ungen werden sehr hohe Preise erzielt. So wurden gestern bei einem Verkauf in Schussen- ried und Biberach für buchene Scheiter pro Rm. bis zu II für buchene Prügel pro Rm.

9 vlL 50 und für tannene Scheiter pro Rm. 6 ^ 70 bezahlt.

Ausland.

W i e n, 27. Jan. Dem heutigen Hofmahle anläßlich des Geburtstags des Kaises Wil­helm wohnten bei: Prinz Reuß mit dem Bot­schaftspersonal, der sächsische Gesandte v. Wall­witz mit den anwesenden sächsischen Offizieren, die Minister Kalnoky. Taaffe, Bauer, Kallay, Tisza. Während des Essens brachte Kaiser Franz Josoph den Toast auf das Wohl des Kaisers Wilhelm aus. An dem Frühmahl im deut­schen Botschaftspalais nahmen der bayrische, württembergische und sächsische Gesandte teil.

Die öffentliche Meinung Italiens wird fast vollständig durch die aufgedeckte Scandalosa bei einer Anzahl angesehener italienischer Banken und die sich hieranknüpfende politische Krisis in Anspruch genommen. Nicht weniger als sieben Anfragen und acht Interpellationen an die Re­gierung in Sachen der Bankkatastrophe sind in der Kammer eingebracht worden und vermutlich wird der Ausgang der hierüber entstandenen Debatten entscheidend für das Schicksal des Ministeriums Giolitti sein. Die italienische Re­gierung ist bemüht, Maßregeln zu treffen, welche zur Erleichterung der Ende Januar bevorstehen­den Liquidation, die sich sonst infolge der Bank­krisis sehr schwierig gestalten dürfte, bestimmt sind. Der Direktor des Handelsministeriums, Manzili wurde verhaftet. Es sind 30 Personen vor den Untersuchungsrichter geladen worden.

Petersburg, 28. Jan. Wie der.Re­gierungsbote" meldet, wurden am 15. ds. Mts. (alter Stil), dem Geburtstage des deutschen Kaisers, der deutsche Botschafter und der deutsche Militärbevollmächtigte zum Frühstück in den Palast des Kaisers (Anitfchkowpalais) geladen. Das halbamtlicheJournal de St. Psters- bourg" schreibt:Man hat in den gestrigen Telegrammen die Worte gelesen, mit denen der deutsche Kaiser bei der zu Ehren des Czarewitsch vom Offizierskorps des Kaiser-Alexander-Garde- Grenadier-Regiments veranstalteten Frühstücks­tafel die Gesundheit des Kaisers von Rußland ausgebracht hat. Der erlauchte Herrscher hat beredte Worte den Ueberlieferungen der Freund­schaft gewidmet, welche die beiden kaiserlichen Familien verbindet und von der die dem Czare­witsch bereitete Aufnahme ein neues Zeugnis ist, welches alle Friedensfreunde mit aufrichtiger Freude begrüßen werden."

Belgrad, 28. Jan. Trotzdem der Me­tropolit dem Fortbestände der Ehe der Eltern des Königs keinen Segen erteilte, richteten Milan und Natalie dennoch ein gemeinsames Gesuch au die Synode, worin sie um förmliche Aufhebung des Scheidungsaktes ersuchen. Die Synode entscheidet demnächst in diesem Sinne.

Für England stehen gegenwärtig die egyplischen Dinge auf der Tagesordnung. Wie sie sich weiter entwickeln werden ist noch ziem­lich ungewiß, ganz geheuer ist cs aber jedenfalls am Nit nicht, da von Malta wie von Gibraltar Verstärkungen nach Egypten für die dort befind­lichen Truppen Englands beordert worden sind, auch noch andere militärische Vorsichtsmaßregeln > der Engländer gegenüber etwaigenEreignissen"

am Nil werden gemeldet. Die englische Re­gierung hat verschiedenen europäischen Kabineten die Mitteilung von der Verstärkung der engli­schen Besatzungstruppen in Egypten mit der Versicherung gemacht, daß die Maßregel keine Aenderung der egyptischen Politik Englands in sich schließe. In Paris macht man indessen trotzdem Miene, gegen das neueste Auftreten der Engländer im Pharaonenlande zu prote­stieren, vorläufig aber nur auf dem Papier.

In einer der letzten Nächte wurde das Kapuzinerkloster zu Tivoli bei Rom von Räubern überfallen, welche den Kirchenschatz plündern wollten. Die Mönche kamen hinzu, und es entwickelte sich zwischen ihnen und den Räubern ein Kugelwechsel, bei welchem der Pater Guar­dian an der Hand verwundet wurde. Angesichts der heftigen Gegenwehr ergriffen die Banditen die Flucht.

Telegramm an den Enzlhäler.

Christiania, 30. Jan. In den letzten Tagen wehte auf den.Lofoden ein ungewöhnlich heftiger Sturm. Soweit bekannt sind 7 Fischer- boote mit 41 Personen untergegangen. Man befürchtet übrigens, daß die Zahl der untcr- gegangenen Boote noch größer ist.

Unterhaltender Heil.

Meine erste Liebe.

Humoreske von Karl Keller.

(Schluß.)

Ich war so ermüdet, daß ich bald in einen festen Schlummer fiel. Als ich erwachte, begann es bereits zu dunkeln. Ich erhob mich und lenkte meine Schritte dem Städtchen zu. Der Hunger peinigte mich nicht wenig und ich war nahe daran, bitterliche Thränen zu weinen.

Nach wenigen Minuten hatte ich das Städt­chen erreicht. Vor einem Gasthause auf dem Markte stand ein Wagen, dessen Besitzer sich wahrscheinlich in dem Gastzimmer aufhielt. Das Gefährt hatte nur vorn einen Sitz, der Wagen­kasten selbst war mit einer geringen Quantität Heu ausgefüllt. Schnell entschlossen schwang ich mich hinauf, versteckte mich in dem Heu und streckte meine müden Glieder aus. Ein besseres Nachtlager konnte ich nicht finden, mochte es nun hingehn, wo es wolle. Vor Hunger und Ermattung schlief ich bald wieder ein und wurde erst durch das Rütteln des Wagens, der sich offenbar im starken Laufe befand, geweckt.

Ich verhielt mich ruhig und versank, trotz der heftigen Bewegung des Fuhrwerks, bald auf's neue in Schlummer. Es mußten schon mehrere Stunden vergangen sein, als ich, durch einen heftigen Stoß aufgerüttelt wurde. Der Wagen war jedenfalls an einen Prellstein ange­rannt, denn er hielt plötzlich still und sein Führer erhob sich fluchend vom Sitz, um zu sehen, ob er beschädigt sei. Jetzt erfaßte mich die Befürchtung, daß ich entdeckt werden könne, und in meiner Angst verließ ich schleunigst mein Versteck. Unter dem Schutze der Dunkelheit entkam ich, und bald darauf setzte sich das Fuhr­werk in Bewegung.

Nun befand ich mich wieder allein auf der Landstraße, ahnungslos, an welchem Ort. Ich schaute mich um und bemerkte in einiger Ent­fernung die hellerleuchteuden Fenster eines Hauses. Es stand ziemlich von der Landstraße entfernt und davor befand sich ein Garten, dessen Bäume ich rauschen hörte. Ich näherte mich demselben und konnte fetzt deutlich menschliche Stimmen vernehmen, die aus den geöffneten Fenstern des Hauses herüberdrangen. Merkwürdig, der Ort kam mir so außerordentlich bekannt vor, und die Stimmen der Sprechenden glaubte ich früher schon gehört zu haben. Aber war es denn möglich! Befand ich mich denn in der Thal vor dem Hause, an welchem ich heute früh vor- bcigegangen war, und das ich weil, weit hinter mir glaubte. . . Sollte am Ende gar der Wagen, auf dem ich mich befunden hatte, die umgekehrte Tour gemacht haben, die ich heute zurückgelegt hatte!

Kein Zweifel, es war so! Ich konnte mich