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kaiserl. Frühstückstafel teil. Der König von Sachsen empfing heute Vormittag den Reichs­kanzler Grafen Caprivi.

Wie der Berliner Berichterstatter des Temps" seinem Blatte meldet, hätte der Groß­fürst-Thronfolger dem Kaiser ein eingen- händiges Schreiben des Zaren über­bracht.

Ueber Aeußerungen, die der jetzige Reichs­kanzler in einer der letzten Sitzungen der Militär-Kommission in Bezug auf Oesterreich gethan hat, berichtet dieFreisinnige Zeitung«, was folgt:In Bezug auf Oesterreichs Groß­machtstellung und das deutsche Interesse an der Erhaltung derselben habe ich dieselben Ansichten, welche Fürst Bismarck in seiner Rede im Febr. 1888 ausgesprochen hat. Wie wir dieses In- teresse zu bethätigen haben, muß man uns über­lassen. Wir werden unsere Politik nie in den Dienst eines anderen Staates stellen, sondern deutsche Politik treiben."

Frankfurt a. M., 26. Jan. Eine von über 500 Personen besuchte Versammlung des jüngst gegründetenPatriotischen.Vereins Frank­furt" beschloß einstimmig folgende an den Reichs­tag zu sendende Resolution:Zur Sicherheit des Deutschen Reiches und zur Sicherstellung des Friedens halten wir die Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht auf Grund der gesetz­lichen zweijährigen Dienstzeit für die Fußtruppen und die fahrende Artillerie für unbedingt er­forderlich. Wir geben keinem Abgeordneten unsere Stimme wieder, der durch Ablehnung der Militär-Vorlage das Vaterland Gefahren aussetzt. Die Sicherheit des Vaterlandes steht uns höher, als das Interesse irgend einer Partei."

Der Reichstag beriet in der letzten Be­richtswoche über mehrere kleinere Gesetzesvor­lagen, welche größtenteils an Kommissionen verwiesen wurden. Der Gesetzentwurf über Ein­führung einer Einheitszeit für ganz Deutschland, wie wir sie in Süddeulschland bekanntlich schon haben, wurde in erster Lesung genehmigt, ebenso ein Gesetzentwurf über den Verrat militärischer Geheimnisse. Die Entwürfe über die Einschrän- ^ kung der Abzahlungsgeschäfte, über eine scharfe Bestrafung des Wuchers, über eine höhere Be­steuerung der Börsenumsätze u. s. w. verursachten j zum Teil recht lebhafte Debatten. Namentlich die Börse erfreut sich im Reichstage nicht vieler ' Freunde, und es besteht die Gefahr, daß unter i Umständen auch das legitime Börsengeschäft mit­getroffen werden könnte, was im Interesse von Handel und Industrie zu bedauern wäre. Wenn ! man freilich erwägt, daß die Berliner Getreide­börse der deutschen Landwirtschaft alljährlich einen nach Millionen zu schätzenden Schaden zusügt, so läßt sich der Aerger der Landwirt­schaft treibenden Abgeordneten im Reichstag begreifen. Das Schwergewicht der politischen Beratungen lag übrigens in der letzten Woche nicht im Reichstag selbst, sondern in dessen Militärkommission. Mit immer größerer Festig­keit und Energie hält der Reichskanzler an der Militärvorlage fest, und es gewinnt nahezu den Anschein, als ob eine Verschlechterung der poli­tischen Lage ihm den Mut stähle. Seitdem man übrigens im deutschen Volk wahrgenommen hat. daß die Beschaffung der Mehrkosten für die geforderte Heeresvcrstürkung durchaus nicht un­erschwinglich ist, schlägt die Stimmung mehr und mehr zugunsten der Militär-Vorlage um.

Wie derN. Fr. Presse" aus Hamburg berichtet wird, werden dort bereits Vorbereitungen zur diesjährigen Nordlandsreise Kaiser Wil­helms getroffen.

Auch in diesem Jahre dürfte Kaiser Wilhelm wieder in Oe st er eich einen Besuch abstatten. Wie in Wien verlautet, werden im Herbst zwischen Preßburg und Sleinamanger große Manöver stattfinden, an denen fünf Armeekorps teilnehmen sollen. Der deutsche t Kaiser und andere auswärtige Fürstlichkeiten

f werden voraussichtich den Manövern beiwohnen.

Am 25. Januar demselben Tage, an welchem vor 35 Jahren einst zu Schloß Windsor Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen den Herzensbund mit der Prinzeß royal Viktoria *w» England einging entließ die vielgeprüfte

Witwe des erlauchten Verewigten die letzte ihrer l vier Töchter Prinzeß Margarethe in die ' Ehe. An dieser Stelle sei den Wünschen, und der Teilnahme besonderer Ausdruck geliehen, welcher wie stets bei allen freudigen und betrübenden Ereignissen das Hohenzollern- haus im Volke sicher ist!

Wie verlautet, begegnet der bayrische An­trag wegen weiterer Einschränkungen des Hausierhandels im Bundesrate ernsteren Schwierigkeiten, als ursprünglich allgemein er­wartet wurde. Die hauptsächlichsten Bedenken richten sich auf die Einführung der Bedürfnis­frage, deren Entscheidung man für sehr schwierig hält, so daß sie schließlich der Willkür unterer Lokalbehörden anheimgestellt bleiben müßte. Noch bedenklicher erscheint die Bestimmung, wo­nach der Hausierschein auf den lokalen Betrieb ansässiger Handels- und Gewerbetreibender aus­gedehnt werden solle. Hierüber bestehen bereits im Bundesrat so weil gehende Meinungsver­schiedenheiten, daß an eine baldige Annahme des bayrischen Antrages kaum zu denken ist. Wahrscheinlich wird er lediglich zur Vermehr­ung des Materials dienen, das bereits vor einem Jahr durch Erhebung unter den Bundes­regierungen gesammelt worden ist und aus Grund dessen schließlich im Reichsamt des Innern ein Gesetzentwurf ausgearbeilet werden dürfte.

Karlsruhe, 24. Jan. Das Gesetzesblatt bringt die von der Zentralrheinschiffahrtskommis­sion beschlossenen und von den Regierungen der Rheinuferstaaten genehmigten Ergänzungen und Abänderungen der für die Schiffahrt und Flößerei auf dem Rhein bestehenden Bestimmungen zur Veröffentlichung; dieselben treten milder l.Febr. in Kraft.

Halle a. S., 26. Januar. Bon gestern Mitternacht bis heute Mitternacht kamen in der Provinzialirrenanstalt 4 Erkrankungen und 5 Todesfälle vor. Insgesamt 109 Er­krankungen und 38 Todesfälle. Aus Trotha wird heute eine Ncuerkrankung gemeldet, ferner als neu aufgetreten in dem Dorfe Morl bei Trotha eine Erkrankung.

Auf der Zell-Todtnauer Bahn mußte wegen starken Schneefalls der Betrieb am 24. Januar eingestellt werden.

Metz. 24. Jan. Halb Metz steht heute unter Wasser, nicht etwa, weil es der Mosel und der Seille zu eng in ihrem Bette geworden wäre und diese sich unterhalb der Stadt ver­einigenden Flüsse ausgetreten wären. Nein, in den Häusern haben die während des starken Frostes eingefrorenen und vielfach geplatzten Wasserleitungsröhren stellenweise in mehreren Stockwerken zugleich Ueberschwemmungen und Verheerungen angerichlet. (Solchen Wasserüber- schuß in den Hausleitungen haben wir hier nicht zu befürchten. Die Red.)

Württemberg.

Stuttgart. Im Königsbau ist gegen­wärtig eine ganz eigenartige Art von Malerei zu sehen. Eine junge Dame, Fräulein Theresia Rombello, produziert sich daselbst im Sand- malen, d. h. die Künstlerin hat chemisch prä­parierten Dünensand in den verschiedensten Farben, vermittelst dessen sie vor den Augen des Publikums in erstaunlich kurzer Zeit allerlei Gemälde auf die hölzerne Staffelei hinzaubert. Besonders gelungen sind die Stillleben, aber auch Porträte und Landschaften werden gemalt; ein großer Teppich, fein gemustert, nur aus Sand gemalt, verdient allseitige Beachtung. Die Dame benützt zum Malen nur ihre Hände, durch welche sie mit anerkennenswerter Geschick­lichkeit den farbigen Sand gleiten läßt und die oben angeführten Gegenstände herstellt.

Untertürkheim, 26. Jan. Die vielfach ausgesprochene Befürchtung, daß bei der jüngsten hochgradigen Kälte die Weinreben Schaden ge­litten haben dürften, bestätigt sich in vollem Maße. Gerade in den besten Berglagen, wo das Bedecken der Reben mit Erde über den Winter nicht üblich ist. sind die Reben erfroren, und zwar nicht allein die Frucht- und Blätter­knospen, sondern auch das Mark derselben, ähn­lich dem strengen Winter des Jahrs 1880. In den tieferen Lagen und in der Ebene, wo es

üblich ist, die Rebe mit Erde zu bedecken, dürfte dagegen bis jetzt ein erheblicher Schaden nicht entstanden sein, wenn auch einzelne Partien gleichfalls vom Frost gelitten haben mögen, was sich nach Ablauf des jetzt cingetretenen Tauwetters zeigen wird. Letzteres nimmt bis jetzt einen langsamen Verlauf, was insofern sehr erfreulich ist, als ein rasches Schmelzen der vielen Schneemassen auf dem mehrere Fuß tief gefrorenen Erdboden ein rasches und starkes Anschwellen der Flüsse und einen bei der jetzigen Dicke der sie bedeckenden Eiskruste sehr gefähr­lichen Eisgang herbeiführen müßte.

Nagold, 24. Jan. Oberingenieur Cox aus Eßlingen hielt gestern Abend im Hirsch den angekündigten Vortrag über Elektrotechnik. Herr Kommerzienrat Sannwald stellte ihn der zahlreichen Versammlung vor. Bei den Ex­perimenten assistierte Ingenieur Wagner. Zuerst sprach der Redner über die Erzeugung der Elektrizität durch Elemente, dann über die Dynamo-Maschine, ihre Teile und deren Be­deutung, über elektrische Licht-, Wärme- und Kraftentwicklung, über die Verwendung des elektrischen Lichts in Glüh- und Bogenlampen, der elektrischen Wärme zur Schmelzung von Metallen, der elektrischen Kraft zur Uebcrtrag- ung von Maschinen zu mechanischen Zwecken. Glüh- und Bogenlampen waren vorhanden, Metalle wurden geschmolzen, ein elektrischer Motor setzte eine beigeschaffte Drehbank in Be­wegung, an welcher ein Meister arbeitete. Ein elektrisch erwärmtes Bügeleisen, ein elektrischer Cigarrenanzünder rc. wurden vorgezeigt. Zu­letzt sprach Redner über die projektierte elektr. Beleuchtung hies. Stadt. Die Firma Klingler- Barthel hat an ihrem Wasserwerk übrige Kraft, diese will sie zur Produktion von Elektrizität Verwenden. In die Mitte der Stadt soll eine elektrische Leitung kommen und von da sollen die Nebenleitungen ausgehen. Ein Glühlrcht für die Straßenbeleuchtung soll 25 Kerzenstärken haben und einen extra konstruierten Schirm. Eine komplete Lampe samt Sicherung kommt für die Hausleitungen auf 1624 zu stehen, die Beleuchtungskosten betragen pro Stunde 2V» Pfennig.

Ausland.

Wien, 24. Jan. Das württembergische Königspaar und die Prinzen Friedrich und Alb recht von Schaumburg-Lippe reisten um 10'/- Uhr abends nach Nachod ab zum Besuche der hohen Eltern der Königin. Der Kaiser geleitete seine hohen Gäste zum Bahnhof. Der Abschied war sehr herzlich.

Prag, 26. Jan. Die Meldungen einiger Blätter über das schlagende Wetter im Fortschritls- schachlc bei Ossegg sind stark übertrieben. Amt­lich ist festgestelll, daß 17 Bergleute tot, 7 schwer und leicht verwundet sind; sond wird niemand vermißt. Die Grube ist bis zur Entzündungs­stelle untersucht worden; zerschlagenes Rauchzeug wurde vorgesunden, welches als die Ursache des Brandes angesehen wird.

Paris, 24. Jan. In einem neuen Artikel desFigaro", unterzeichnetViäi", wird er­zählt, wie die Bestechungsliste des Baron Reinach in die Hände von Cornelius Herz gekommen ist. Herz, durch dessen pekuniäre Unterstützung die Radikalen große Wahlerfolge errungen und das radikale Kabinet Freycinet gebildet hatten, versprach, wie das Blakt berichtet, im Jahr 1886 den beiden Lesseps und dem Baron Reinach gegen eine Provision von 10 Millionen durch» zusetzm. daß das Kabinet ein Gesetz betreffend die Ausgabe von Losobligationen einbringe. Das Gesetz wurde eingebrachl, jedoch angesichts der in der Kammer herrschenden Stimmung zu­rückgezogen. Herz wurde darauf mit 600000 Fr. abgefunden. Im Jahre 1888 wurde dann durch die Bestechungen Reinachs die Annahme des Losgesetzes in der Kammer durchgesetzl. Als Herz daun mit Enthüllungen drohte und die versprochenen 10 Millionen verlangte, gab Baron Reinach sein ganzes Vermögen her, sowie zwei ; Millionen von der ihm von der Panama-Ge­sellschaft übergebenen Summen 3 300 000 Fr. Herz verlangte dagegen alles. Reinach sandte alsdann, um sich über die Verwendung der