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Zauber einer großen historischen Vergangenheit umgeben würde. Dieser schönste aller schwäbi­schen Berge gewähre nach allen Seiten eine prächtige, ungehinderte Rundschau. Nach links schweist der Blick zunächst auf die Berge der schwäbischen Alb und über den Rücken der Geis- linger Alb hin, sogar auf die Alpen, nach vorn auf die Höhen von Stuttgart und auf den Schwarzwald, nach rechts auf den Odenwald und die Mainhardter und die Murrhardter Höhen, sowie auf den Schurwald, nach hinten auf den Rechberg, Stuifen und auf den Hesselberg in Bayern. Der Hohenstaufen sei aber mehr als ein schöner Aussichtspunkt, es sei einer der denk- würdigsten Punkte deutscher Erde. Bei einer Rückschau auf die Vergangenheit gelte der erste Gedanke zwar dem großen Kaisergeschlechte. Doch sei schon früh zuvor der Berg ein heiliger Ort unserer Vorfahren gewesen; ein Nachklang davon habe sich noch bis auf unsere Tage erhalten, indem die Bewohner von Hohenstaufen an Som­merjohanni das Sonnenwendfeuer auf dem Berge anzünden. Die Römer haben als Herren des Landes in der Nähe starke Grenzbefestigungen angelegt und wahrscheinlich auf dem Berg einen Bcobachtungsposten aufgestellt; im 3.Jahrhundert seien sodann die Allemannen die Beherrscher des Landes geworden. Von dieser Zeit an sei die Geschichte des Berges in Dunkel gehüllt, bis die Herren v. Büren von dem benachbarten Wäscherschlößchen gegen Ende des II. Jahr­hunderts auf dem Berg eine Burg bauten. Bald wurde dann das Geschlecht der Staufen hoch berühmt. Schon der 1. Staufenkaiser Konrad III. war ein thatkräfliger Fürst; unter Friedrich Barbarossa stand das neue Kaisergeschlecht auf seiner höchsten Höhe. Redner schilderte nun in farbenreichen Worten und in äußerst anziehender Form das ruhmreiche Staufengeschlecht, dessen Nriegsthaten und Kämpfe in Deutschland und Italien, die Bemühungen derselben um Hebung und Förderung des damals in hoher Blüte stehenden Minnegesangs, das Ende des unglück­lichen Konradins. verschiedene Sagen über den Berg und seine Bewohner und die Zerstörung der Burg selbst. Zum Schluß seines interessan­ten und gemütvollen Vortrags hob der Redner die Bedeutung der alten Kaiserburg hervor; er bezeichnte den schwäbischen Berg als ein Wahr­zeichen einstiger deutscher Größe, als ein trauri­ges Sinnbild der früheren großen politischen Zerfahrenheit unter den deutschen Stämmen und als einen Mahnruf zur Einigkeit und Wertschätzung der wiedererlangten Macht unter dem lang ersehnten, nun aber wieder herrlich erblühten, neuen deutschen Kaiserreich.

Deutsches Weich.

DieNordd. Allgem. Ztg." tritt in einer hochoffiziösen Erklärung der in der Presse des In- wie Auslandes vielverbreiteten Anschauung entgegen, als ob die Reden des Reichs­kanzlers vom II. und 13. d. M. in der Militärkommission des Reichstages eine grund­sätzliche Aenderung der deutschen Politik nament­lich in Betreff der Zwecke und Aufgabe des Dreibundes bekundeten. Das halbamtliche Organ versichert bestimmt, daß die Aeußerungen des Kanzlers keinerlei Bemerkung enthalten hätten, welche den Schluß gestatteten, die auswärtige Politik Deutschlands werde jemals für fremde Interessen eintreten. Auch erklärt das Blatt, Graf Caprivi habe mit keinem Worte gesagt, daß die gegenwärtige deutsche auswärtige Politik einen Krieg für Deutschland nach zwei Fronten hin als eine gegebene Notwendigkeit oder auch nur für wahrscheinlicher als in den letzten Jahren erachtete.

In der Reichstagssitzung vom Montag den 16. ds. Mts. fand die erste Beratung der Branntweinsteuer-Novelle statt, wobei der Staatssekretär v. Maltzahn hervorhob, daß der Zweck der Vorlage, wie der übrigen Steuer­vorlagen in erster Linie ein finanzieller sei. Die Vorlagen sollen nicht eine Reichssteuerreform im großen Stil einleiten; die Absicht einer solchen Steuerreform bestehe nicht. Die Mili­tärvorlage werde voraussichtlich auch für später keine neuen Steuern oder Steuererhöhungen er­fordern. Von der Vorlage werde ein Erträgnis

von 12'/» Millionen erwartet. Von einer Aenderung des Verhältnisses der Reichsfinanzen zu den Einzelstaaten sei Abstand genommen worden, weil man die Steuervorlagen nicht mit unnötigem Ballast beschweren wollte, ferner mit Rücksicht auf die preußische Steuerreform. Wann an diese Frage heranqetreten werde, darüber stehe noch nicht das Geringste fest. Redner be­tont wiederholt, daß den jetzt vorgeschlagenen Steuern kein weiteres Steuerbouquet folgen werde. Bei der ersten Redaktion der Brannt- weinsteuernoveüe wollte man den oberen Ab- gabejatz von 70 nicht erhöhen, sondern nur den unteren. Im Bundesrat haben namentlich die Süddeutschen gewünscht, daß die Differenz von 20 ^ zwischen dem oberen und den niederen Abgabesatze für absehbare Zeit erhalten bleibe.

Die Militärkommission des Reichstages setzte am Montag vormittag die Generaldebatte fort. Abg. v. Bu o l-Berenberg (Zentr.) führte aus, verantwortlich für die jetzige Lage seien zum großen allergrößten Teil die Militärs- und Staatsmänner, die bisher falsche Wege beschritten, aber auch Redner und seine Partei seien mit verantwortlich, weil sie seit langen Jahren zu sehr bereit waren, die verschiedenen Milirärvor- lagen zu bewilligen, und insbesondere nicht recht­zeitig auf der zweijährigen Dienstzeit bestanden haben. Um so vorsichtiger müsse man jetzt sein. Für die Stellungnahme sei die Volksstimmung in hohem Grade maßgebend. Reichskanzler Graf v. Caprivi bedauerte gewisse Ungeschick­lichkeiten, die allerdings bei der anfänglichen Vertretung der Vorlage in der Presse vorge­kommen seien. Sodann verteidigt er das Ver­hallen der Regierung gegenüber der zwei­jährigen Dienstzeit und verliest die Grundzüge des Verdy'jchen Projekts, um die großen Unter­schiede gegenüber dem neuen Plan zu zeigen. Graf Caprivi wendet sich nun zu der Frage der Verteidigung Süddeutschlands, dabei auf das Strategische näher eingehend und schildert den Unterschied des Grenzenverleidigungs-Systems früher und jetzt; das frühere Kordonsystem sei jetzt unbrauchbar, weil der Krieg wieder elemen­tare Kraft gewonnen habe. Der Redner giebt eine ausführliche Darlegung der wahrscheinlichen Führung eines eventuellen nächsten Krieges, zu­mal gegen Frankreich. Er schildert sodann das Schreckliche eines Krieges im eigenen Lande, selbst für den Soldaten. Das wolle die Vor­lage auch abwenden. Der Reichskanzler be­streitet, daß die Vorlage eine Schraube ohne Ende bilde. Nur die notwendigen Kompen­sationen der zweijährigen Dienstzeit werden ge­fordert. Hierin liege auch die Antwort auf die Frage, ob nach Ablauf des Quinquennats die zweijährige Dienstzeit wieder bestätigt werden würde, so lange nrcht, als die Kompensationen bestehen bleiben. Das Aufschieben auf ein Jahr würde die Armee um 60000 Mann schwächen. Die Verjüngung betreffend, so würden allerdings auch künftig die älteren Mannschaften gebraucht werden, aber nicht in erster Reihe an solchen Stellen, wo sie wenig nützen können. Wieder­holt hob der Reichskanzler an mehreren Stellen, hervor, daß wesentlich auch die finanziellen Sparsamkeitsrücksichten die verbündeten Regier­ungen früher bestimmt hätten, von der Durch­führung weitergehender, wenn auch dringend wünschens- und empfehlenswerter Reformen ab­zusehen. Abg. v. Bennigsen giebt zu, daß der Eindruck der Vorlage auf das Volk bisher überwiegend ungünstig war, aber nach seiner subjektiven Ansicht werde die Stimmung immer günstiger. Und schließlich müsse der Reichstag nur seiner eigenen Uebcrzeugung folgen. Der Standpunkt der Regierung, die zweijährige Dienstzeit nur gegen die Ergänzungen zu ge­währen, welche erforderlich sind, um die Organi­sation unseres Heeres nicht zu schwächen, sei un­anfechtbar.

Gelsenkirchen, 16. Januar. Der Vor­sitzende des Bergarbeiterverbandes, Bergmann Schröder, ist verhaftet worden.

Braun schweig, 14. Jan. Wegen starken Schneetreibens konnte der Eisenbahnpersonen- verkehr letzte Nacht kaum aufrecht erhalten werden. Alle Züge halten große Verspätungen; > ein Güterzug blieb Nachts bei Geidlingen im

Schnee stecken und wurde erst nach 3 Stunden wieder frei.

Metz, 15. Jan. Auch hier sind große Schneemassen niedergegangen; die Züge aus Frankreich treffen mit großen Verspätungen ein.

Halle a. d. S., 17. Jan. DerHalle­schen Zeitung" zufolge ist in der benachbarten Provinzial-Jrrenanstalt Nietleben in den beiden letzten Tagen eine epidemieartige Krankheit auf» getreten, woran bisher acht Personen verstorben sind. Die heute Vormittag vorgenommene bak­teriologische Untersuchung hätte Okolora. no8tras ergeben.

Mühlbach (Münsterthal), 14. Januar. Einen sehr weisen Spruch hat neulich das Amts­gericht von Münster gefällt. Zweiböse Lieben" hatten sich gegenseitig in der Zungenfertigkeit geübt. Man ereiferte sich, die Rede kam immer mehr in Fluß, und zuletzt hörte aller Parla­mentarismus auf. Mit Schimpfereien ging man überaus freigebig um. Wie natürlich kam die ganze Angelegenheit vor Gericht. Das gefällte Urteil mar das Urteil des weisen Salomon: Klägerin und Angeklagte haben je 10 Geld­buße zu tragen. Dazu kommt noch die brüder­liche Teilung in die Unkosten. Es hat seine eigene Komik, wenn der Gerichtsbericht als motivierende Klausel die Worte:zur Besserung" hinzusetzt.

Bruchsal, 16. Jan. In einer hiesigen Familie erfaßte eine 1'/-jähriges Kind in einem unbewachten Augenblick eine auf dem Ofen stehende Kaffeekanne und rieß dieselbe herunter, sodaß sich der siedende Inhalt über das Körper­chen ergoß. Die Brandwunden die das Kind dabei erlitt, sind so schwerer Art, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Es ist das einzige Söhnchen einer braven Familie, die vor einigen Jahren das Unglück hatte, ein 4'/-jähriges Töchterchen auf gleiche Weise zu verlieren.

Württemberg.

Die Vermählung der Erbherzogin Mar­garethe Sofie, Nichte des Kaisers Franz Joses, mit dem Herzog Alb recht von Würt­temberg, ist nunmehr auf den 24. d. Mts. festgesetzt.

Am 30. Januar findet eine Verlosung der Württb. Staatsobligationen statt und zwar: 4°/o Guldenobligationen von 1857, 1860 u. 61, 4 °/o Markobligationen von 1875 u. 1880, 4°/o dergl. LL, 66. 8H von 1885/87.

Im kommenden Frühjahr wird wieder ein Unterrichtskurs über Obstbaumzucht an der Kgl. Weinbaujchule in Weinsberg, sowie er­forderlichen Falles noch an anderen geeigneten Orten gehalten.

Eingabe der Volksschullehrer. Nach­dem der württ. Volksschullerverein schon vor einiger Zeit eine Eingabe um Revision des Volksschulgesetzes an die Kgl. Regierung hatte abgehen lassen, wird auch der katholische Volks- schullehrerverein in den nächsten Tagen ein Bittgesuch zu gleichem Zwecke der Kgl. Regier­ung einreichen. Die letztere Eingabe wird sich im wesentlichen an jene der evang. Kollegen anschließen, will jedoch den konfessionellen Charakter der Volksschule und der Oderschul- behöcde in der bisherigen Weise gewahrt wissen.

Stuttgart, 17. Jan. Die Wiederkehr der außerordentlichen Kälte hat jetzt zum dritten- male stattgefunden. Nach drei schwachen An­läufen zu Tauwetter ist der Frost strenger als zuvor aufgetreten. Das Thermometer zeigte heute früh in der Stabt als Minimum 23,2° 0.; außerhalb war es noch um einige Grad kälter. Diese Kältegrade übertreffen die ans dem als überaus streng bekannten Winter von 1879/80 noch erinnerlichen (23" am 16. Dezember 1879, 22° am 17. Dezember 1879) und auch die im Februar 1845 ( 24,4° am 13.) beobachteten- Temperaturen. Seit 50 Jahren hat also der laufende Winter die strengste Kälte gebracht. Nur im Jahr 1830, also vor 63 Jahren, ist mit 26,8° (2. Februar), ferner im Jahr 1827 mit25,2° (17. Febr.) noch strenger Frost festgestellt worden. In höheren Lagen ist der Frost nicht so streng aufgetreten, wie in der Niederung. In Hohenheim wurde 22,6°, in Freudenstadt nur 21 abge-