Württemberg.

Stuttgart, 30. Dez. Seine Königliche Majestät haben an den Staatsminister der Justiz. Dr. v. Fab er, ein huldvolles Hand­schreiben zu richten geruht, um denselben zu seinem heutigen 70. Geburtstage zu beglück­wünschen.

Stuttgart, 30. Dez, Dem Vernehmen nach beabsichtigt Präsident v. Bätzner aus Ge­sundheitsrückfichten seine Pensionierung einzu­reichen.

An Stelle des Ob.Reg.Rats von Schicker im Ministerium des Innern ist der Reg.Rat Magi not in demselben Ministerium zum Vor­sitzenden des Schiedsgerichts I für die Jnvalidi- täts- und Altersversicherung und der Reg.Rat Scheurlen im Ministerium des Innern zum Schiedsgerichtsvorsitzenden für die Unfallver­sicherung bestellt worden.

Der nunmehr auf den 10. Januar einbe- rufene Landtag wird ein sogen. Budgetlandtag werden, weil er den Staatshaushalt für die nächsten 2 Jahre zu beraten hat. Was für Gesetze dem Landtag sonst noch vorgelegt wer­den, ist noch nicht näher bekannt; doch erwartet man die Wiedervorlage des vor einigen Jahren nicht zustande gekommenen landwirtschaftlichen Nachbarrechtsgesetzes und ebenso einen Gesetz­entwurf betr. die Errichtung einer Landeshagel- Versicherungs-Anstalt. Bon neuen Eisenbahn­gesetzen ist nunmehr besonders auch eine Vor­lage betr. die sogenannte Umgehungsbahn jzu erwarten, welche den Stuttgarter Bahnhof ent­lasten und von Untertürkheim hinter Cannstatt vorüber über den Neckar an den Bahnhof Korn­westheim Anschluß gewinnen soll, wodurch die Güterzüge in der Richtung von Bretten nach Ulm und umgekehrt die Bahnhöfe Zuffenhausen, Feuerbach, Stuttgart und Cannstatt nicht mehr berühren werden. Die für die letztgenannten Stationen bestimmten Güter werden in Unter­türkheim bezw. Kornwestheim abgestoßen. Mehrere Etatsentwürfe sind bereits gedruckt ausgegeben; der Etat des Departements des Innern hat nicht weniger als 313 Druckseiten in Großquart. Aus dem Etat des Auswärtigen Amtes ist zu bemerken, daß nur die Kgl. Gesandtschaft in Petersburg künftig wegfallen wird. Für den Gesandten in Wien sind die bisherigen Etatssätze wieder gefordert. Der Rücktritt des seitherigen Gesandten in Wien, Frhr. v. Maucler, nach der Vermählung des mutmaßlichen Thronerben, Herzogs Albrecht von Württemberg mit der Erzherzogin Margarethe von Oesterreich ist zwar eine längst ausgemachte Sache. Wenn der Wiener Gesandtschastsposten gleichwohl beibe­halten wird, so geschieht dies offenbar in Rück­sicht auf die nahen Familienbeziehungen unseres Kgl. Hauses mit dem österreichischen Kaiserhaus. Die Vermutung liegt nahe, daß der bisherige württembergische Geschäftsträger in Petersburg, Freih. v. Varnbüler als Nachfolger des Freih. v. Maucler zum Kgl. Gesandten in Wien.ernannt werden wird. Herzog Albrecht von Würt­temberg. der kürzlich anläßlich seines Weih­nachtsbesuches bei seiner Braut in Wien vom Kaiser von Oesterreich ganz besonders ausge­zeichnet und zum Oberstinhaber eines Regiments ernannt wurde, soll nach feiner Heirat von der Kavallerie (er war bisher Rittmeister im Ulanen­regiment Königin Olga) wieder zur Infanterie versetzt und zum Major- und Bataillons-Kom­mandeur ernannt werden.

In Stuttgart ist wieder viel von einem Notstand die Rede; diese Erscheinung kehrt jeden Winter wieder; doch ist es sehr schwer, die Zahl, und noch schwerer, die Persönlichkeiten der Be­schäftigungslosen sestzustellen. Bis kurz vor Weihnachten, wo der strenge Frost eintrat, hatten noch alle Baugewerbe volle Beschäftigung, und die Maurer und Steinhauer rc. wissen von nichts anderem, als daß sie während der strengen Kälte feiern müssen. Die Leute richten sich auf diese Zeit das ganze Jahr hindurch schon ein. Diejenigen Leute, welche in öffentlicher Armen­unterstützung stehen, sind den städtischen Be- Hörden natürlich genau bekannt; aber die aller­meisten dieser Armenpfleglinge können bei etwaiger Anordnung öffentlicher Arbeiten, z. B. Kanal­

bauten und dergl., zu einer Beschäftigung doch nicht herangezogen werden. Bei den sogenannten Mittelständen soll die Klage weit größer sein als die Wirklichkeit eine solche rechtfertigt. Das Weihnachtsgeschäft hat sich gar nicht so übel gestaltet, und wer den riesigen Verkehr auf den Eisenbahnen während der Weihnachtsfeiertage zu beobachten Gelegenheit hatte, wird an einen Rückgang der Erwerbsverhältnisse unter dem Mittelstände nicht leicht glauben wollen.

An den landwirtsch. Winter schulen beträgt im laufenden Winter die Frequenz bei Hall 24. Heilbronn 29, Ravenburg 25, Reut­lingen 31. Ulm 22, zusammen 131. Diese Frequenz übertrifft die des vorjähr. Winters (124) um 7 und ist überhaupt die höchste seit dem Bestehen der landwirtsch. Winterschuten.

Heilbronn. 29. Dez. Der Neckar ist nun fast bis Heidelberg völlig zugefroren.

Schorndorf, 29. Dez. Heute früh'/-3 Uhr brach in der Lederfabrik von Christian Bräuninger wohl infolge maschineller Ent­zündung zwischen dem Kesselhause und einem dahinter stehenden Neubau Feuer aus. Da zuerst die Hundshütte Feuer sing, so schlug der Hund energisch Alarm, weshalb das Feuer rasch wieder gelöscht werden konnte..

Ausland.

Bern, 29. Dez. Der Bundesrat läßt sämtliches Material zusammenstellen, das sich auf Einverleihung Elsaß-Lothringens in Deutschland bezieht. Es soll daraus hervorgehen, daß die einzigen damaligen Unterhandlungen, an denen die Schweiz beteiligt war, den Wunsch der letzteren betrafen, die Verbindung mit Frankreich über Delle-Belfort aufrecht zu erhalten.

Die französische Deputiertenkammer hat sich kurz vor Weihnachten endlich vertagt, nach­dem sie noch zuvor mit größerer Mehrheit den Handelsvertrag mit der Schweiz ohne Ein­gehen in die Detailberatung verworfen hatte. Der Schweiz wurden zwar in der Deputierten­kammer einige schöne Phrasen gewidmet, aber die Schweiz läßt sich dadurch nicht bethören und hat bereits energische Vorkehrungen getroffen, um den französischen Landesprodukten und Fa­brikaten den Eingang in die Schweiz möglichst zu verwehren. Der Zollkrieg mit der Schweiz ist aber für die Franzosen vorläufig noch Neben­sache; der Panama-Skandal raubt den Beteilig­ten Parlamentsmitgliedern wie dem geprellten Volke beinahe die Sinne. Immer neue Schuldige werden entdeckt, und erst am letzten Dienstag soll ein Copie-Buch des verhafteten Direktors Fontane gefunden worden sein, worin die Namen der einzelnen Parlamentarier, sowie die Höhe ihrer Forderungen und der Tag der an sie aus­gezahlten Bestechungsbeträge genau notiert seien. Man sollte es kaum für möglich halten, daß dieser Skandal nicht endlich einmal erschöpft werde. Aber allen bisherigen Erfahrungen zu­folge ist immer noch eine weitere Zunahme des Skandals in sichere Aussicht zu nehmen. Sogar die Frau des Präsidenten Carnot wurde be­schuldigt, von der Panama-Gesellschaft 200 000 frcs. angeblich für Armenzwecke erhalten zu haben. Frau Carnot erklärte dies zwar für eine Lüge, aber die Franzosen glauben was sie wollen. Die Bevölkerung, welche an die Pa­nama-Gesellschaft unzählige Millionen verloren hat. ist aufs Aeußerste verbittert, daß ihr Geld zu solchen Zwecken vergeudet worden ist, und in Nantes wurden die dortigen 2 Deputierten, als sie vor ihren Wählern einen Rechenschafts­bericht geben wollten, mit dem höhnischen Zu­ruf begrüßt:Gebt das Panamageld heraus!" Sogar in Frankreich wird es nachgerade jedem halbwegs anständigen Menschen klar, was man, von einem republikanischen Staat zu halten hat.

Die bulgarische Volksvertretung hat mit großer Mehrheit die Verfassungsänderung an­genommen. wonach Prinz Ferdinand ermächtigt wird, im Falle seiner Vermählung seine Kinder in der katholischen Religien zu erziehen. Zuerst hieß es, Rußland und Frankreich sollen gemein­sam gegen diese Verfassungsänderung protestieren; man scheint aber in Petersburg es für ratsamer zu finden, bei der bisherigen Passivitätspolitik

zu verbleiben, da ohnehin den Russen die Freundschaft mit den französischen Panama­schwindlern umso bitterer ausstoßt, als die Franzosen noch immer keine Lust zeigen, den Russen einen neuen Pump zu gewähren.

Ein großer Juwel en - Di eb st a hl ist in dem englischen Schlosse Leighdourt bei Bristol verübt; es sind etwa für 100 000 ^ Juwelen gestohlen.

Vermischtes.

Eine drastische Zurechtweisung erfuhr kürzlich in einem Gasthause zu Aloisburg bei Rumburg (Sachsen) ein Czeche, der sich daselbst ein Glas Bier bestellte, aber ein Gefäß ver­langte, aus dem noch kein Deutscher getrunken habe. Die Kellnerin meldete dies dem Wirt, der ohne Zögern dem czechischen Gaste einen Spuck­napf vorsetzte, mit der Versicherung, daß daraus noch kein Deutscher getrunken habe. Unter dem Hohngelächter der übrigen Gäste verließ darauf der czechische Nationalheld das Lokal.

Vielseitige Bildung. Vor dem Schwur­gericht in Guestrow gab ein wegen Erpressung unter Anklage stehender Strolch Johannes Kowasewicz aus Serajewo (Bosnien) bei Fest­stellung des Berufes an, er besitze ein Zauber­mittel gegen ansteckende Krankheiten, könne Rappen in Schimmel verwandeln und sei in der (angenehmen) Lage, Gewinnnummern für jede Lotterie nachzuweisen. (Der Mann könnte über­all sein Glück machen.)

(Jägerlatein.) Der Förster X. sitzt in einem Kreise von Jägern, die sich von ihren Hunden die unglaublichsten Geschichten erzählen. Endlich ergreift auch er das Wort und spricht:Was Sie da sagen, meine Herrn, ist ja recht hübsch, aber es kommt alles nicht gegen meinen Caro. Vorgestern hatte ich vergessen, ihm sein Früh­stück zu geben. Was thul das Vieh? Er läuft in den Garten, pflückt eine Blume, kommt wieder und was hält er mir als Mahnung entgegen? Ein Vergißmeinnicht!"

(Gewonnen.)Johann," sagt der Herr Baron zu seinem Kutscher, der Inspektor sagt: Du wärst der größte Lügner, den er je gekannt. Na, probier's 'mal, mir etwas vorzulügen einen Thaler geb' ich Dir, wenn Du das fertig kriegst!"Sie haben mir ja schon zwei versprochen!" erwidert der Lügner schnell.

(Diese Fremdwörter!)Ich sage Ihnen, bei Meyers wurden förmliche Orchideen ge­feiert."

Kleine Panama-Skandälchen.

Ein Mitglied der Untersuchungs-Kommission teilte mit, er habe nichts gefunden, was die schweren Anschuldigungen rechtfertigte. Hiezu bemerkt ein an­deres Mitglied:Ich habe die Kassenschränke der Panama-Gesellschaft inwendig untersucht und dabei überhaupt nichts gefunden."

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Der frühere Minister Antonin Proust leugnet, Geld empfangen zu haben; nunmehr ist durch einen ausgefundenen Brief des Baron Reinach bewiesen worden, daß Lesseps dem Minister 1000 Panama-Obligationen überwiesen hat. Also hat Proust doch Recht gehabt; denn 1000 Panama-Obligationen sind nach dem Börsen- Kours berechnet eben kein Geld.

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Warum hat sich der Baron Reinach vergiftet? Weil er die Ueberzeugung hatte, daß die Panama-Ge­sellschaft verloren wäre; da konnte er Gift drauf nehmen.

Auflösung des Neujahrs-Rätsels in Nr. 203.

Posen. Rebe. Ostern. Silber, Irene, Taunus, Nelson, Elbe. Ulme, Jehova, Armenien, Hohen­staufen. Rubin. Profit Neujahr.

Richtige Lösungen haben eingereicht: Karl Bub, W. Enßlin, Karl Essig, G. Haizmann von Neuenbürg; Hermann Wettbrecht von Liebenzell, Otto Mayer von Ottenhausen und Paul Buck von Gräfenhausen.

Scherz-Logogryph.

Mita" ist es grausig und kostet viel Blut; Mite" wars auf Erden noch nimmermehr gut; Miti" ist es einfach, meist glücklich dazu;

Mito" ists ein Unsinn ein Abgrund mitu".

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeb in Neuenbürg.