Der verewigte Werner v. Siemens hat den Namen „Forschrittspartei" erfunden. Er hat im Jahre 1861 an der Bildung dieser Partei Anteil genommen und erzählt über die Benennung derselben in seinen Lebenserinnerungen Folgendes: „Die Mehrheit war geneigt, für den Namen „demokratische Partei" zu stimmen, während Schultze-Delitzsch sie „deutsche Partei" taufen wollte. Ich schlug vor, den Namen „Fortschrittspartei" zu wählen, da es mir angemessen schien, die Thätigkeitsrichtung als die Gesinnung durch den Parteinamen zu bezeichnen. Es wurde beschlossen, meinen Vorschlag mit dem von Schultze-Delitzsch zu vereinigen und die neue Partei „deutsche Fortschrittspartei" zu nennen." Werner Siemens vertrat in den Jahren 1862 bis 1866 den Wahlkreis Lennep- Solingen als Mitglied der Fortschrittspartei im preußischen Abgeordnetenhause.
Nunmehr ist die Verlängerung der Murgthal-Bahn Rastatt-Gernsbach bis Weißenbach auch von den Aktionären der Murgthalbahn - Gesellschaft definitiv beschlossen und der Vertrag mit einem württembergischen Unter- nehmer genehmigt. Für den Beginn der Arbeiten ist das kommende Frühjahr bestimmt. Abgesehen davon, daß das Murgthal zu den schönsten Thälern des Schwarzwaldes zählt, wird dem Ausbau der Bahn ein strategisches Interesse beigelegt und ist bestimmt, in vielleicht nicht allzu ferner Zeit eine direkte Linie Ulm- Freudenstadt-Rastatt-Metz herzustellen; der völlige Ausbau der noch vorhandenen Lücke Weißenbach-Freudenstadt, ist nur noch eine Frage der Zeit.
Mühlhausen. 10. Dez. Nachdem vor einiger Zeit ein Duell zwischen einem Lieutenant und einem Referendar viel besprochen worden war, macht gegenwärtig ein Duell zwischen zwei Arbeitern lebhaft von sich reden. Die Veranlassung zu dem Duell war eine völlig ritterliche. Der eine Arbeiter war nämlich mit einem Mädchen versprochen gewesen und erging sich, nachdem das Verhältnis sich gelöst, in den rohesten Ausdrücken über die ehemalige Braut, worüber ein anderer Arbeiter ihn zur Rede stellte. Hierdurch erklärte der erstere sich für beleidigt, und beide kamen überein, ihren Streit am Sonntag persönlich auszufechten, wie es Ehrenmännern zukomme. Sie bedienten sich des Messers als Waffe, wobei sie einander so gründlich zerfleischten und so schwer verwundeten, daß nun beide tätlich getroffen fast hoffnungslos darnieder liegen.
Württemberg.
Stuttgart, 13. Dez. Der Großherzog und die Großherzogin von Baden treffen am Donnerstag hier zum Besuche des Köngs- paares ein.
Stuttgart, 12. Dez. Die Bestätigung des Obersteuerrats Rümelin als Oberbürgermeister der Residenz läßt lange auf sich warten und in den Kreisen seiner Anhänger wird die Befürchtung laut, daß sie nicht erfolgen wird. Bon einflußreicher Seite soll dem König von der Bestätigung abgeralen worden sein. Man munkelt so Allerlei und eine ziemliche Aufregung hat sich der Bevölkerung bemächtigt. Der Städtrat, der in seiner überwiegenden Mehrheit gegen Rümelin ist, hat sich bereits wiederholt in geheimer Sitzung mit der Bestätigungssrage befaßt und neuerdings ein umfangreiches Gutachten an die Regierung abgehen lassen. Es hat dagegen am Montag Abend auf Veranlassung der demokr. Partei eine große Protestversammlung stattgefunden.
Saulgau. 12. Dez. Von einer Zigeunerbande, die dem Bauern Lutz in dem benachbarten Dürnau unter dem Vorgeben, in seinem Stalle fei ein großer Schatz vergraben, über 6000 abfchwindelte, wurden 2 Mitglieder in Pfaffenhofen (Bayern) verhaftet und dem Amtsgericht Riedlingen eingeliefert.
Friedrichshafen, 11. Dez. In vergangener Nacht hat sich dem Ufer entlang bis an die Mündung der Aach in den See eine größere Eisfläche gebildet, die heute nachmittag
von der Jugend und Erwachsenen zu Nutzen gemacht wurde.
Ausland.
In Zentralasien drohen die Chinesen den Russen wegen der Pamirfrage ernstliche Konkurrenz zu machen. Wie die „Times" erfahren haben will, hätten chinesische Beamten in Kaschgar erklärt, die Sicherung Chinas erheische die Besitzergreifung des Pamir- und Alichur-Gebietes. Offenbar hegt man in Peking tiefes Mißtrauen gegen den russischen Nachbar wegen der jüngsten russischen Expeditionen im Hochlande von Pamir und wünscht diese bequeme Ausfallspforte gegen China zu verrammeln, so lange es noch Zeit ist. Es fragt sich nur, inwieweit Rußland die chinesischen Ansprüche auf das Pamirgebiet anerkennt und eine Besetzung der chinesischerseits reklamierten Teile jenes strategisch wichtigen Hochlandes zuläßt. Außerdem ist wohl kaum zu bezweifeln, daß auch England einem Versuche der Chinesen, sich im Pamirgebiete festzusetzen, nicht gleichgültig zuschauen würde.
NewIork, 12. Dez. Nach einem Gerüchte seien zahlreiche dem Gewerkvereine nicht angehörende Arbeiter sowie zum Schutze der Camegiewerke in Homestead beorderte Milizsoldaten von einem Koche vergiftet worden. Letzterer habe eingestanden, die für die Arbeiter und Soldaten zubereiteten speisen auf Veranlassung der Führer des jüngsten Ausstandes mit mit Gift gemischt zu haben. Es verlautet, sechs Personen seien gestorben, Mehrere Verhaftungen wurden bereits vorgenommen.
Aus Amerika. Amerika hat die alte Welt wieder mit einer That überflügelt, während man in Europa hin- und herredet. Die längste Fernspr echlinie der Welt ist am 18. Okt. dieses Jahres zwischen New-Aork und Chicago eröffnet worden. Dieselbe, 1539 Kilometer lang, durch die Staaten New-Jersey, Pennsylvanien, Ohio, Indiana und Illinois, berührt unter anderem die Städte New-Dork, Harrisburg. Pittsburg. Joungstown, Sauth-Bend und mündet am Südufer des Michigansees in die Stadt der nächstjährigen Ausstellung. Der in dieser Linie verwendete, vier Millimeter starke Kupferdraht hat das artige Gesamtgewicht von 826 500 englischen Pfund oder 375000 Kilogramm, gleich 375 Tonnen. Dieser Draht ist auf Säulen, die teils aus Cedern. teils aus Kastanienbäumen gezimmert und alle mehr als 10 Meter hoch sind, befestigt; solche ziemlich kostspielige Säulen sind auf der Strecke 42750 eingebaut.
Telegramme an den Enzthäler.
Berlin, 14. Dez. DieNationalztg. dementiert die Blättermeldung, daß der Berliner Magistrat angewiesen worden sei, die Wählerlisten für die Reichstags-Wahlen bis 20. fertigzustellen.
Paris, 14. Dez. An Stelle Rouvier's ist Tirard zum Finanzminister ernannt.
Die „Vossische Ztg." erfährt aus Petersburg: Das Gesuch französischer Kapitalisten um Concession zum Bau eines Hafens in Feo- dosia und einer Eisenbahn durch die Krim wurde vom Ministerkomite abgeschlagen.
Petersburg, 14. Dez. Das Kriminalkassationsdepartement des Senats traf in der Klage des Professor Jäger in Stuttgart gegen einen hiesigen Arzt die prinzipiell richtige Entscheidung, daß außerhalb Rußlands wohnende Ausländer denselben Rechtsschutz genießen, wie russische llnterthanen. Der Petersburger Gerichtshof hatte die Klage Jägers zurückgewiesen, weil dieser im Auslande wohnhaft sei.
Bukarest, 14. Dez. Die Regierung legte den^Handelsvertrag mit England vor.
^Baltimore, 14. Dez. Das Baumwoll- depot Alexander Browus ist abgebrannt. 17 000 Ballen Baumwolle sind zerstört. Der Schaden beträgt 75 000 Dollars.
Vermischtes.
Im Briefkasten der „Burschenschaftlichen Blätter" lesen wir folgende köstliche Notiz: „Professorandus Hfm. in Berlin. Sie überweisen uns als Sprechübung für stotternde Füchse folgendes chemische Wortungeheuer, das wir im Interesse jener beklagenswerten Mitmenschen gern abdrucken; es empfiehlt sich, dieses Wort außerdem von allen denen fehlerfrei aussprechen zu lassen, die trotz gegenteiliger Versicherung nach Schluß der Abendkneipe noch nüchtern zu sein behaupten; es lautet: OKUIO-.
XOIckX." — Die Red. d. Str. P. bemerkt hinzu. (Wir empfehlen unseren Lesern Vorsicht beim Genuß! Ein Redakteur, ein Correktor und drei Setzer sind schon nach einem Versuche, das Riesenwort zu lallen, ohnmächtig niedergesunken.
Jay Goulds Testament. Jay Gould vermacht in seinem Testamente seinem Sohne George extra 5 000 000 Dollars, den Rest seinen Kindern und Verwandten. Oeffentliche Institute und Wohlthätigkeitsanstalten werden nicht bedacht. In dem Vermächtnis an George Gould befinden sich 10 000 Aktien der Western Unron Gesellschaft und 10 000 der Missouri Pacific Eisenbahn. Das Testament bestimmt, daß der Nachlaß von den Erben als Ganzes behandelt werden soll, sobald es sich um Papiere handelt. Bei Meinungsverschiedenheiten soll George Gould den Ausschlag geben.
(Schlauheit.) Ein neues Mittel, um seinen Mietzins zu bezahlen, hat ein junger Mann erfunden. Derselbe ließ einfach in eine Zeitung folgende Annonce setzen: „Jedem, der an mich 25 Cents einsendet, gebe ich das Mittel an, auf welche Weise er sich leicht das Geld für seinen Mietzins verschaffen kann." Natürlich laufen die 25 Centsstücke in großer Anzahl ein, der pfiffige Jankce befriedigt davon seinen Hausherrn und versendet an sämtliche Korrespondenten einfach ein Zirkular mit den Worten: „Machen Sie es so wie ich!"
(Schlechte Zeiten.) Bäckermeister (den Theaterzettel lesend): „. . Trauerspiel in drei Akten . . Da red't man alleweil nur von den Semmeln, daß s' kleiner werden! Net wahr is's — sogar die Trauerspiel werden immer kleiner! Früher waren's fünf Akt, jetzt sind's nur mehr drei!"
(Ein dankbarer Klient.) Strolch (zu seinem Klienten): „Na, Jackl, Dein Verteidiger hat Dich diesmal schön .raus'bracht! Wie hast Du Dich denn bei ihm bedankt?" — „Schnupfen Hab' ich
^--fassen!"
'S Mutterte tyul yertt Springerle öacke!
'S Mütterle thut heut Springerle backe,
'S Fritzle gucket zu —
„Ei, wie d' Springerle herrlich dufte!"
Hot er denkt, der Bua.
Leise zupft mei Fritzle d' Mutter So e Male drei:
„Mütterle, schwätz' derweil au ebbes!"
Hot er g'sait derbei.
„I' Han jetzt kei Zeit zum Schwätze,
Laß mer nur mei Ruh',
D' Springerle muß i fertig backe,
Geh', du närr'scher Bua!"
Doch mei Fritzle zupft se wieder So e Male drei:
„Mütterle, horch, so schwätz' doch ebbes,
S' isch ja glei vorbei!"
„Plog' mi net, i mag net schwätze,
Hot mer gar kei Ruh'!"
Da soll Einer Springerle backe,
Mit so'm böse Bua!"
Doch mei Fritzle zupft halt stärker So e Male drei:
„Mütterle, bitt' schön, schwätz mer ebbes,
G'wiß s' isch glei vorbei."
„Han' halt' mal kei Zeit zum Schwätze!" „Warum denn kei Zeit?" ^ „
Kann'sch net sage: „Will'sch e Springerle? Dees isch doch glei g'sait!"
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeb in Neuenbürg.