Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Am 9. Dezember ist von der evangelischen Oberschulbehörde die erste Schulstelle in Lof­fenau. Bezirks Neuenbürg, dem Schullehrer Wacker in Schmieh, Bez. Calw, übertragen worden.

Nach der Bekanntmachung des Evangelischen Konsistoriums, sind infolge der vom 15. bis 26. November d. I. abgehaltenen zweiten Lehrer - Dienstprüsungen zur Versetzung von Schuldiensten für befähigt erklärt worden: Bauer, Peter, Unterlehrer in Conweiler, Wörner, Karl, von Neuenbürg, Unterlehrer in Ottenhausen.

Calw, 10. Dez. Ein von Hrn. Rektor Dr. Müller im Georgenäum gehaltener Vor­trag hatte zum Gegenstandlieber die traurige Zeit vor 200 Jahren." Von der traurigen Zeit vor 200 Jahren, führte der geehrte Redner aus, zeugen in Calw die Steine der nach dem Brand im Jahr 1692 dürftig aufgebautcn Häuser. Die Zerstörung unserer Stadt ist aber im Zu­sammenhang mit der Geschichte Deutschlands in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts zu beleuchten. Die unheilvollen Folgen des 30jährigen Krieges wirken noch immer lähmend aus die Gestaltung Deutschlands und von all den 200300 Staaten konnte keiner dem fran­zösischen König Ludwig XIV. Widerstand leisten. Dieser Fürst, an Herrschergröße, gebieterischem Wesen und königlichem Anstand alle Zeitgenossen überragend, hob die Königsmacht zu merkwür­diger Höhe empor. Aeußerlich streng religiös, innerlich aber nicht so hoch stehend, verfolgte er mit Grausamkeit die Hugenotten und so sehr auch Schmeichler das Zeitalter Ludwigs XIV. preisen mögen, diesen Schandfleck in seinem Leben können sie nicht vertilgen. Bei seinen persönlichen Eigenschaften konnte cs nicht fehlen, daß er auch nach außen mehrmals eingriff. Sein erster Angriff galt den spanischen Niederlanden; sodann überfiel er Lothringen. Der schwache, deutsche Kaiser Leopold I. stand ganz machtlos da. Auf die Frage Ludwigswill der Kaiser mein Freund oder mein Feind sein" fand Leo­pold keine Antwort als Nachgeben, bewogen durch den Rat des Fürsten Lobkowitz. Der französische Machthaber hatte Holland Rache geschworen. Unterstützt von sranzös. gesinnten deutschen Fürsten und auch von Schweden brachte er zwar Holland in die größte Not, mußte aber im Frieden zu Nimwegen alle eroberten Länder und Städte zurückgeben. Das deutsche Reich aber verlor nicht nur Breisgau, sondern mußte sich auch die größten Demütigungen gefallen lassen; selbst der Sieg des großen Kurfürsten von Brandenburg über die Schweden bei Fehr- bellin brachte dem hochherzigen deutschen Fürsten keinen Gewinn. Die furchtbare Nachgiebigkeit des deutschen Fürsten steigerte Ludwigs Ueber- mut jo sehr, daß er mitten im Frieden Straß­burg überfiel und einnahm; ja derallerchrist- lichste König" hetzte sogar die Türken gegen den Kaiser auf. Sengend und brennend rückten die Türken bis vor die^Mauern Wiens. Die Ein­wohner verteidigten sich aber aufs tapferste, so, daß als Hilfe von außen nahte, die Türken eiligst abziehen mußten. Während der Belager­ung soll sich auch ein Calwer Bäckergeselle rühmlich gehalten haben, weshalb vom Kaiser der Calwer Bäckerzunfl das Recht des Glocken­geläutes an ihrem Jahrestag zugestanden wurde. Die pfälzische Ecbschaftssache und die Kölner Erzbischofswahl veranlaßten Ludwig zu dem sogenannten Orleans'schen Krieg. In diesem wurde die blühende Pfalz verwüstet, Heidelberg, Worms, Speier, Baden, Bretten und Pforzheim zerstört. In Württemberg, wo der Herzog und die Landstände in scharfem Gegensatz sich be­fanden, wurden in kurzsichtiger Weise die Huge­notten nicht ausgenommen (wohl aber später die Waldenser in Neuhengstctl u. a. Orten ) Im Jahr 1688 suchten die Franzosen Heiibronn, Crailsheim, Eßlingen, Hohenasperg, Schorndorf. (Verteidigung durch Weiber) Tübingen und Stuttgart heim; im Jahr 1692 verheerte der Mordbrenner Melac in greulicher Weise Mühlacker, Neuenbürg, Liebenzell, Hirsau, Zavel- stein und Calw. Der Friede von RyLwick machte

den Greueln ein Ende; Deutschland aber war allein der verlierende Teil. Ein derartiger Rück­blick auf diese schlimme Zeit erweckt Dankbarkeit für die neue bessere Zeit und patriotische Freu­digkeit, daß solch traurige Zeiten niemals wieder kommen dürfen. (C. W.)

ZK. Pforzheim, 13. Dez. Anläßlich des heutigen Jahrmarkts waren nahezu 500 Ver­kaufsbuden errichtet. Es wimmelte mit Jahr­marktsbesuchern derart, daß man sich in den Budenreihen und einzelnen benachbarten Straßen förmlich durchwinden lassen mußte. Mehrere Langfinger wurden ertappt und zur Anzeige gebracht. Eine schöne Bescheerung ward einem fremden Verkäufer bei dem Waisenhausplatze heute zu teil. Der Gerichtsvollzieher kam mit dem Bevollmächtigten eines Gläubigers und pfändete sein Warenlager. Zunächst widersetzte er sich dem Vollzug, als aber die Schutzmann­schaft dazu kam, machte er gute Miene zum bösen Spiel. Bei der heutigen Schöffenge­richtssitzung wurde der 20 Jahre alte Goldschm'id Emil Gerwig von hier wegen Sachbeschädigung, verübt an Fensterscheiben des Wartsaals in Jspringen, zu einer Gefängnisstrafe von 4 Wochen verurteilt und sofort ins Gefängnis abgeführl, da es sich bei der Beweisaufnahme ergab, daß er den Versuch gemacht hatte, Zeugen zu seinen Gunsten zu falschen Aussagen zu verleiten.

Deutsches Weich.

Berlin, 12. Dez. Der Kaiser beriet gestern Vormittag im Neuen Palais mit dem Reichskanzler Grafen Caprivi. Um 1^/» Uhr fand in der Jaspisgallerie des neuen Palais eine größere Frühstückstafel statt, wozu Prinz Ludwig von Bayern, Graf Caprivi, der bayrische Gesandte, die Kriegsministcr von Bayern, Württemberg und Sachsen, sowie der würlt. und der bay. Finanzminister geladen waren.

Die am Samstag stattgehabte erstmalige Erörterung der Militärvorlage im Reichs­tage hat zur Genüge erkennen lassen, daß der Regierungsentwurs in seiner jetzigen Gestalt nicht die Aussicht auf Annahme seitens des Parla­ments besitzt. In dieser Beziehung sind nament­lich die vom Zentrumsredner, dem Abgeordneten v. Huene, abgegebenen Erklärungen von Wert, denn sie besagen, daß die Militärvorlage so, wie sie jetzt aussieht, für das Zeutrum völlig unan­nehmbar ist und daß letzteres nur die Kosten für die Durchführung der zweijährigeu Dienstzeit innerhalb der jetzigen Präsenzziffer bewilligen will. Die bei Weitem stärkste Partei des Reichs­tages hat hiemit zum ersten Male bestimmt Stellung zur Militärvorlage genommen und zwar dahin, daß das Zentrum die Vorlage ab- lehncn wird, wenn sich die Regierung nicht zu erheblichen Einschränkungen ihrer militärischen Forderungen versteht. Aber auch die Aeußer- ungen der am Samstag zu Wort gekommenen Vertreter anderer Parteien eröffnen dem Ent­würfe keine besseren Aussichten.

Berlin, 13. Dez. (Reichstag.) Ben- nigsen, der Führer der Nationalliberalen, spricht sich dahin aus, die unsicheren und un­genauen Angaben über die geforderte Vermehr­ung und die Deckung der Mehrkosten, welche in die Oeffentlichkeit gelangten, bewirkten, daß die unleugbaren Vorzüge der Vorlage ihren Eindruck auf die Bevölkerung verfehlten. Allerdings ver­lange die Vorlage auf einmal eine Truppener­höhung, wie wir sie bisher noch nicht gehabt haben. Die Gründe dafür müssen daher ganz durchschlagende sein. Er habe aber den Eindruck gewonnen, daß die Vorlage in ihrem ganzen Umfange auf eine Mehrheit des Hauses schwer­lich rechnen könne. Wie die Vorredner nur namens der Mehrheit ihrer Fraktion sprechen konnten, so könne er auch namens seiner Freunde die Annahme der Vorlage in ihrem ganzen Um­fange nicht in Aussicht stellen. Der Redner äußerte Bedenken wegen der Beschaffung des erforderlichen Ausbildungspersonals, sowie wegen der vierten Jnfanteriebataillone; er hofft aus eine Verständigung mit der Regierung über eine gesetzliche Regelung der zweijährigen Dienstpflicht. Deutschlands geographische Lage verlange die Aufbietung der gesamten Volks­kräfte zu der Verteidigung des Errungenen.

Freilich müßten aber auch die Regierungen ihrer schweren Verantwortlichkeit sich bewußt sein und von dem Kern der Vorlage losschälen, was nicht unumgänglich notwendig sei. Eine Auf­lösung des Reichstags würde nur eine beispiel­lose Verwirrung im Wahlkampfe erzeugen, daher müsse eine Verständigung mit der Regie­rung eintreten, alsdann würden wir gegenüber dem Auslande ein erhöhtes Ansehen gewinnen, im Jnlande eine zufriedene Stimmung herbei­führen.

Berlin, 12. Dez. (Reichstag.) Inter­pellation Buhl und Genossen. Abg. Prof. Marquardsen begründet die Interpellation und verlangt eine autoritative Erklärung. Der Reichskanzler Gras Caprivi gibt zunächst die Erklärung ab, daß die Waffe, mit der die deutsche Infanterie bewaffnet sei, in Modell und Aus­führung eine durchaus gute und allen Anforder­ungen des heurigen Standes der Kriegskunst voll entsprechende sei, und daß dies im ganzen Umfange auch für die von Löwe gelieferten Ge­wehre gelte. Dann fährt der Reichskanzler fort: Beunruhigung trete bet jeder neuen Bewaffnung auf. Die vorgekommenen Beschädigungen seien ganz unbedeutend gewesen. Die Weseler Papiere seien nicht durch Vertrauenmißbrauch dem Ahl- wardt zugekommen, sondern durch einen ge­wöhnlichen gemeinen Diebstahl aus einer offenen Mappe, begangen im Weseler Kommando­gebäude. Die Schriftstücke waren nicht geheim. Gras Caprivi schließt: Die Militärverwaltung ist vor Gericht auf die gewissenloseste und un­verantwortlichste Weise verdächtigt worden. Ich muß dieses Verfahren aufs schärfste brandmarken. (Lebhafter Beifall.) Hierzu gab der Reichs­kanzler noch folgende Erklärung in Bezug aus die bekannte Meldung desHamb. Corr." ab: Der Gedanke, die Löweschen Gewehre zurückzugeben oder bei Löwe nicht mehr zu bestellen, sei der Reichs Mili­tär Verwaltung nie gekommen. Der sächsische Kriegsminister Generallieutenant von Planitz erklärt ebenfalls, die einzeln ange­führten Fälle aus der sächsischen Armee seien vollständig erfunden. Die Löwe'schen Gewehre seien vorzüglich. Die Nation könne sich aller Sorgen entfchlagcn. (Beifall.)

Berlin, 12. Dez. Die bündige Erklärung des Reichskanzlers, daß das neue Gewehr der deutschen Infanterie schlechthin allen An­forderungen an eine Kriegswaffe entspreche und daß die von der Löwe'schen Fabrik gelieferten Gewehre von den in den Staalswerkstätlen her­gestellten in nichts sich unterscheiden, wird hoffent­lich der ungesunden Erregung, die die Gemüter so lange gefangen hielt, ein erwünschtes Ende bereiten. Es ist hohe Zeit, daß der Puls des öffentlichen Lebens wieder von dem Fiebertempo zu normaler Gangart herniedersteigr; denn der wirklichen ernsten Sorgen giebt es genug, die vor den nervösen Zufällen der Zeitgeschichte bisher gar nicht recht zur Beachtung und Be­trachtung kamen. Der Antrag, das gegen den Abgeordneten Ahlwardt schwebende Straf­verfahren für die Dauer der laufenden Session einzustellen, ist heute durch den Abgeordneten Liebermann v. Sonnenberg Angebracht worden.

Es war bisher die Rede davon, daß die Bestimmungen der Gewerbeordnungs-Novelle über die Sonntagsruhe für die Industrie und das Gewerbe bereits am 1. April 1893 in Kraft treten sollten. Indessen haben sich in dieser Hinsicht unerwartet große Meinungsver­schiedenheiten und Schwierigkeiten herausgestelll. Die nach den 105e und 1056 festgesetzten Aus­nahmen erfordern zahlreiche Umfragen und ein­gehende Prüfungen. Die emgesorderlen Gut­achten der beteiligten Kreise weisen die größten Abweisungen und die verschiedenartigsten Wünsche auf. Es wird eine längere Zeit in Anspruch nehmen, ehe sich die Ansichten so weil geklärt haben, daß der Bundcsral im Stande sein wird, einen allen berechtigten Ansprüchen und Wünschen einigermaßen genügenden Entwurf auszuarbeiten. Unter dielen Umständen gewinnt es immer mehr an Wahrscheinlichkeit, daß die Bestimmungen über die Sonntagsruhe für die Industrie und das Gewerbe nichl vor dem 1. Januar 1894 in Kraft treten werden.