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dehntere Wirksamkeit als bisher zum Wohl der armen und unglücklichen Bezirksange­hörigen entfalten kann. Die neuen Statuten, welche in der auf Montag den 12. Oktober einberufenen Genecalversamm- lung zur Beratung und Annahme ge­langen werden, sollen gedruckt und jedem neu eintretenden Mitglied eingehündigt werden. Anmeldungen zum Beitritt können bei dem Vercinsvorstand oder dem Kassier oder den Geistlichen des Bezirk angebracht werden.

Pforzheim. Unter der Beteiligung von etwa 200 Mitgliedern, darunter die Reichstagsabgcordneien Payer. Kärcher, Schnaidt. Haußmann hielt am 4. Oktober die deutsche Bolkspartei hier ihren Parteitag ab. Payer erstattete den Rechenschaftsbericht und gab einen Bericht über die letzte Reichstagssession. Bei dieser Gelegenheit empfahl Redner als wirksamstes Agitationsmittel die Gründung von Volks- Vereinen innerhalb des ganzen Bereichs der deutschen Bolkspartei. Herr Payer kam ferner auf die Stellung der Demo­kraten zu den Sozialdemokraten zu sprechen, wobei er eine scharfe Kritik an den sozial­istischen Bestrebungen übte und zu dem Schlüsse kam. daß die Sozialisten mehr und mehr die Interessen nur eines einzelnen Standes vertreten, während sich die Volks­partei die gleichmäßige Vertretung der Gesamtheit angelegen sein lasse. Herr Konrad Haußmann aus Stuttgart legte in längerer Rede die Grundsätze der Volks­partei dar. und beleuchtete die übrigen Parteien der Reihe nach von dem Stand­punkte seiner politischen Anschauungen. In den engeren Ausschuß deutschen Volks­partei wurden gewählt: Payer, Ehni. Konr. und Fr. Haußmann, Hähnle, Schicklcr und Galler.

Kronik.

Deutschland.

Berlin, 6. Oktober. Der Kaiser wird sich dem Vernehmen nach nach Stutt­gart begeben. Wie verlautet hat der­selbe auf die Nachricht von dem Ableben des Königs von Württemberg den Aufent­halt in Rominten abgekürzt.

Berlin, 5. Okt. Die Generale Meersche i dt-Huellessem und Albedy ll hatten ihr Abschiedsgesuch wieder einge- rcicht. Der Kaiser lehnte dieselben mit gnädigen Handschreiben an die Generale ab.

Kassel, 30. Sept. Die Generalver­sammlung des Evangelischen Bundes beschloß an denKaiser folgendes Huldig­ungstelegramm zu senden:Ew. Kaiser­lichen und Königlichen Majestät bringt die in Kassel tagende 5. Generalversamm­lung des Evangelischen Bundes ihre allcr- unterthänigstc Huldigung dar. Bei den schweren Gefahren, welche unser Volk in seinen heiligsten Gütern bedrohen, weiß sich der Evangelische Bund mit^Euer Kaiserlichen und Königlichen Majestät hoch­herzigem Bestreben freudig eins, durch mann­haftes Bekenntnis zu dem lebendigen Gott und seinem eingeborenen Sohn, dem alleini­gen Gründer unseres Heils, der Verblend­ung zu wehren und durch festes Eingreifen in die so vielen Schäden der Zeit von

der^Macht der christlichen Liebe Zeugnis zu geben. Gott schütze. Gott stärke, Gott segne Eure Kaiserliche und Königliche Majestät zum Heile der Kirche und des deutschen Vaterlandes!"

München 5. Okt. Bei dem gestrigen Pferderennen beim Oktoberfeste durchbrach die Volksmenge vor dem letzen Umritt die Polizeischranken. Ein Renn­pferd brach in die Menge hinein, wodurch zahlreiche, leichtere Verletzungen, jedoch keine irgendwie erhebliche vorkamen.

Trier 4. Okt. Gestern Abend 6 Uhr wurde die Wallfahrt geschlossen. Die Gesamtpilgerzahl betrug 1 900 000 gegen 1100 000 im Jahre 1844.

Württemberg.

Stuttgart, 6. Oktbr. Die Bitt­gottesdienste für S. M. den König, welche gestern abend 8 Uhr in sämtlichen evongel. Kirchen stattfanden, hatten die­selben überall bis auf den letzten Platz gefüllt; insbesondere die Schloßkapelle und Stiftskirche waren überfüllt. Der Tod des Königs trat um 6 Uhr 50 Min. in Gegenwart der K. Familie ein. Se. K- H. Prinz Wilhelm verließ um 7 '/4 Uhr das Schloß und begab sich zu Wagen in das Palais I. K. H. der Frau Prinzessin Katharine. Se. K. H. wurde von dem sehr zahlreich anwesenden Publckum ehr­furchtsvoll begrüßt. Kurz nach 7 Uhr ertönte das von der Stadtverwaltung ver­anlaßt? feierliche Trauergeläute sämtlicher Glocken der Kirchen Stuttgarts.

Wir haben das Lebensbild des ver­ewigten Königs Karl unsern Lesern schon gestern unter dem ersten Eindruck der Trauerbotschaft durch eine besondere Beilage mitgeteilt und entnehmen nun den weiteren Berichten über die letzten Stunden des verewigten Herrschers:

Stuttgart, 5. Okt. S. Kgl. Hoh. Prinz Wilhelm von Württemberg be­gab Sich sofort nach Seiner heule mittag erfolgten Ankunft zu Sr. Majestät und verweilte längere Zeit am Krankenlager, wiederholte auch im Lause des Abends seinen Besuch. Gestern abend sahen Se. Majestät die Prinzessin Katharine von Württemberg, heute den Prinzen und die Prinzessin Herrmann zu Sachsen-Weimar bei Sich. Heute nachmittag 4Uhr empsieng der König bei klarem Bewußtsein gemeinsam mit I. Maj. der Königin dos hl. Abendmahl, das in Abwesenheit des Oberhofprcdigers von Hofprediger Broun gereicht wurde.

Den 6. Okt. Als sich gegen Mitter­nacht eine bedeutende Herzschwäche ein» stellte, wurden die hier anwesenden Mit­glieder der Königl. Familie, sowie die Angehörigen des Kgl. Hofes und der Minister der Familienangelegenheiten des K. Hauses, Frhr. v. Mittnacht, in das Residenzschloß berufen. Die Kräfte des Allerhöchsten Kranken hoben sich zwar noch einmal, indessen stellte sich bald große Unruhe ein, welche bis gegen 3 Uhr ,,svWens anhielt. Von da ab schwand Ms^Bewußtsein, das vorher schon vielfach benommen war, vollständig. Um 6 Uhr 50 Min. verschied Seine Majestät sonst unter den Erscheinungen der Herzlähmung, ohne daß das Bewußtsein zurückgekehrt war. Die ganze Zeit über blieb die Kgl.

Familie um das Krankenlager versammelt während von dem anwesenden Hofprediger in angemessenen Zwischenräumen Gebete i! gesprochen wurden. I

Stuttgart. 7. Okt. Aus spezielle, Wunsch des verewigten Königs wurde dessen ! ' Leichnam seziert; über den Befund der Lektion wurde ein Protokoll ausgenommen welches dem K. Hausarchive einverleibt und nicht veröffentlicht wird. N; Ausstellung des g es ch l o i sen e n Sarko- phages erfolgt am Donnerstag nachmit­tag von 25 Uhr im weißen Saale des K. Residenzschlosses. Der Zugang ist durch das mittlere Portal zu nehmen ; jedermann aus dem ganzen Lande in sonntäglicher Kleidung darf den Sarkophag besichtige». - Die Beisetzung der Leiche des Königs . Karl erfolgt in der Schloßkapelle des alten Schlosses. Dieselbe findet, wie wir hören, am kommenden Freitag vormittags 11 Uhr statt. Der Leichenzug wird sich vom Schloß- Hofe aus über die Planie am Königsbau entlang und von dort über die Planie nach dem alten Schlosse bewegen.

König Wilhelm II., der nunmehr den Thron besteigt, ist am 25. Februar 1848 als Sohn des Prinzen Friedrich und der Prinzessin Katharine, der Tochter König Wilhelms I. geboren, wurde von einheimischen Lehrern gebildet und hat später die väterländische Hochschule Tübingen besucht. Nachdem er in preu- , ßischen Militärdiensten bis zum General i avanciert war, nahm er seinen Abschied und widmete sich seither mit lebhaftem ^ Interesse den Angelegenheiten und der Entwicklung unseres engeren Vaterlandes, wobei er insbesondere an den Arbeiten j der Kammer der Standesherren. welcher ! er als königlicher Prinz angehörte, eifrigen Anteil nahm. Während der mehrmaligen Landcsabwesenheit des hochseligen Königs Karl war er mit dessen Stellvertretung beauftragt, wie er denselben auch in dessen letzter Krankheit auf dem landwirtschaft­lichen ^Hauptfest in Cannstatt vertreten hat. so tritt König Wilhelm II. wohl­vorbereitet sein königliches Amt an, so daß das Land vertrauensvoll der Zukunft entgegenblicken kann.

Königliche Verordnung, belr. de» Wiederzusammentritt der vertagten Stände-Versammlung. Wilhelm von Gottes Gnaden König von Würt­temberg. Da Wir nach Anhörnng Unseres j Staatsministeriums im Hinblick auf den I § 127 der Verfassungsurkundc den Wieder- zusammentritt der vertagten Stände auf Donnerstag den 22. Oktober festzusetzen geruht haben, so befehlen Wir, daß sich die Mitglieder beider Kammern an diesem Tage zur Eröffnung ihrer Sitzungen in Unserer Haupt- und Residenzstadt Stutt­gart wieder versammeln. Gegeben Stutt­gart. den 6. Oktober 189 l. Wilhelm. Miltnacht. Faber. Steinheil. Sarway. Schmid.

Das Regierungsblatt Nr. 22 vom 4. Okt. enthält eine Verfügung des Mini- , steriums des Innern, betr. die Anord- ^ uung neuer Abgeordnetenwahlen für die Oberamtsbezirke Neuenbürg, Oberndorf und Oehrin gen auf Dienstag 3. Nov. d. I.

Redaktion, Druck und Verlag von Cbrn Meeh in Neuenbürg. Mt einer Aeiia-e.