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Württemberg.
Heilbronn, 7. Aug. (Corresp. an den Enzthäler.) Während der letzten zwei Tage fand in hiesiger Stadl die Landesversammlung des Württemb. Volks- schullehrer-Vereins statt, an der über 500 Lehrer aus allen Teilen Württembergs teilgenommen haben. Am ersten Tag fand schon um 10 Uhr eine Beratung der Bezirksvertreter des Ulmer Unterstützungsvereins statt, der im letzten Jahr aus 1100 Mitglieder angewachsen ist und auch von günstigen Kassenverhältnissen in allen seinen Verzweigungen berichten konnte. Die Vereinigung dieses Vereins mit dem Allg. Unterstützungsverein in Stuttgart wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Um 3 Uhr vereinigten sich die Abgeordneten der Bezirksvereine im Theatersaal zur Beratung der Standcs- und Vereinsangelegenheiten sowie zur Feststellung der Tagesordnung für die folgende Hauptversammlung. Die bis zum Abend noch übrig bleibende Zeit wurde zur Be- sichligung der Stadt, des Hafens, der Schulhäuser., der Synagoge und der Rauch'schen Papierfabrik benutzt. Von 8 Uhr ab war im Theatersaal ein Festbankett, bei dem Reden mit Vorträgen des Heilbronner Lehrergesangvereins und der Kapelle des IV. Jnf.-Reg. Nr. 122 abwechselten. Am gestrigen Haupttag versammelten sich um Uhr die Mitglieder des Allgem. Untcrstützungsvereins zwecks Vornahme von Wahlen und Beratung der Vereinsangelegenheiten. Um 8 Uhr gab der Verein für klassische Kirchenmusik in der neuhergestellten Kilianskirche ein Kirchenkonzert mit fein ausgewählter Stückfolge, woraut sich die zu ansehnlicher Zahl angewachsenen Teilnehmer in die festlich geschmückte Turnhalle begaben. Nachdem die Versammlung stehend den Choral: „Befiehl du deine Wege" gesungen halte, erfolgten die Begrüßungen seitens des Stadtvorstands, Oberbürgermstr. Hegel- mayer, und des Vorstandes des badischen Bolksschullehrer - Vereins, Hauptlehrer Heydt-Dill-Weißenstein. In der darauf folgenden Festrede sprach der Vereinsvorstand , Oberlehrer Lai stner-Stuttgart, unter stürmischem Beifall der Versammlung der Regierung. den Kammern und der Presse den Dank der württ, Lehrer für das denselben in der letzten Zeit bezeigte Wohlwollen aus, betonte jedoch gegenüber den Verhandlungen über das Ortsschulbehördegesetz und dem fahnenflüchtigen Abschwenken des kath. Volksschullehrervereins, daß der Verein nach wie vor unentwegt auf dem Boden seines Programms von 1886 stehen werde, das die Durchsicht des Volksschulgesetzes von 1836 und die fachmännische Schulaufsicht fordere. Huldigungstelegramme wurden an S. Mas. den König und den Kultusminister Dr. v. Sarwey gerichtet. Hierauf sprach der Dichter des „Sadrach Demgö" und des „Alfadür", Schullehrer Wink von Stuttgart, in schwungvoller und tiefgründender Rede, die zuweilen von rauschendem Beifall unterbrochen wurde über die Frage: „Was kann die Volksschule zur Heilung der Gebrechen unserer Zeit beitragen?" Eine lebhafte Erörterung der Leitsätze folgte dem Vortrag, worauf mit
der Beratung der Anträge der Vorversammlung um 1 Uhr geschlossen wurde. Das Festessen fand um 2 Uhr im Festsaale der „Harmonie" statt; die Kapelle des IV. Jnf.-Reg. Nr. 122 hatte die Tafelmusik gestellt. Oberlehrer Lai st ner-Stuttgart toastete auf die Majestäten, woraus drei Verse des Liedes: „Preisend mit viel schönen Reden" stehend gesungen wurden; Oberlehrer Schüttle-Stuttgart brachte ein Hoch aus auf die Feststadt und ihren anwesenden Vorstand, Honold-Langenau auf das Kultministerium und das ev. Konsistorium. Unterdessen war ein in herzlichen Worten gehaltenes Antworttelegramm von S. Maj. dem König eingelauscn, das die Versammlung stehend anhörte und mit dem Absingen der Königshymne begrüßte. Am Freitag früh fand eine Neckarfahrt von Neckarelz bis Heidelberg stakt, zu der über 250 Teilnehmer sich am Bahnhof versammelt hatten, um mittelst Extrazugs Ncckarelz zu erreichen. Die Stadtbehörde in Heilbronn hat in freigebiger Weise die Kosten getragen, die durch die verschiedenen Veranstaltungen zur Unterhaltung der Gäste dem Ortsausschuß entstanden sind.
Schweiz.
Von Bern aus wird mit auffallendem Eifer die Anschauung zn verbreiten gesucht, daß der Schweizer Bundesrat endgültig beschlossen habe, Deutschland und Oesterreich-Ungarn gegenüber bezügl. eines neuen Handelsvertrages keine weiteren Zugeständnisse zu machen. Man wird gut thun, diese Versicherungen nicht allzu wörtlich zu nehmen. Das Zustandekommen neuer Handelsverträge mit Deutschland und Oesterreich-Ungarn liegt ebenso sehr im Interesse der Schweiz selbst. wie in demjenigen der beiden großen Nachbarstaaten. Man darf deshalb zuversichtlich annehmen, daß der Schweizer Bundesrat sein letztes Wort in dieser Frage noch keineswegs gesprochen hat.
A n 6 l a n d.
Die französischen Manöver finden in diesem Jahre in den östlichen Departements Frankreichs, wie bereits hervorgerufen wurde, in großem Maßstabe statt, da nicht weniger als vier Armeekorps an denselben teilnehmen. Selbst Pariser Blätter mußten in diesem Zusammenhänge zugestehen, daß die deutsche Presse die Angelegenheit der französischen Manöver, die im Verhältnisse zu früher einen weit bedeutenderen Umfang angenommen hätten, durchaus ruhig betrachtet. Aus Anlaß dieser Manöver steht auch eine Rundreise des Präsidenten der Republik, Carnot, in die östlichen Departements bevor.
Nach Nachrichten aus Konstantinopel und London soll thatsächlich der Sultan bereit sein, den Fürsten Ferdinand von Bulgarien anzuerkennen und sei bereits ein solches Dekret unterzeichnet.
Madrid. Das Amtsblatt veröffentlicht ein königl. Dekret, durch welches der Minister der öffentlichen Arbeiten Maßregeln zum besseren Schutze der Reisenden auf den Eisenbahnen anordnet. So sind die Eisenbahngesellschaften namentlich gehalten, Alarmsignale auf jedem Zug und in jedem Wagen einzuführen. Veranlaßt
ist diese Vorschrift durch die häufigen Morde und Raubanfälle, die in der letzten Zeit auf Eisenbahnen vorgekommen sind. Den häufig vorfallenden Räubereien am eingeschriebenen Gepäck wird das Dekret freilich keinen sonderlichen Abtrag thun, Die Verlegung der Bundeshauptstadt von Brasilien in das Innere des Landes wird der in Porto Alegre erscheinenden deuts. Ztg. zufolge ernstlich ins Auge gefaßt. Es ist für diesen Plan die gut bewässerte Hochebene ins Auge gefaßt, aus der die Stadt Formosa in Goyaz liegt, Wie es heißt, sollen der Direktor der Sternwarte, Dr. Cruls, der Astronom Dr. Morize und ein Arzt an Ort und Stelle die meteorologischen und klimatischen Bedingungen prüfen. Der Ingenieur einer Gesellschaft, welcher sich erbietet, gegen Ueberlassung des Betriebes der Gas- und Wasserwerke u. dgl. die neue Stadt anzulegen , begleitet die Kommission. Ein Name für die neue Bundeshauptstadt ist auch schon gefunden: sie soll „Brasilia" heißen. Das Projekt ist ein guter Bissen für Gründer.
NllüMkN.
(Ein neues Mittel gegen die Schwindsucht.) Obwohl die Sache noch geheim gehalten werden soll, so ist es doch in die Oeffentlichkeit gedrungen, daß seit einigen Tagen in den Kliniken Roms mit einem neuen Mittel Heilversuche an Lungenkranken stattgefunden, und daß diese Versuche zu glänzenden Ergebnissen geführt haben. Es handelt sich um ein neues Mittel des Chemikers und Apothekers Wacchlni aus Casatennovo. Dasselbe wird durch Inhalation in den Körper des Kranken eingeführt. Die Versuche, die von den berühmtesten wissenschaftlichen Autoritäten Italiens an einer großen Anzahl Kranker — selbst solcher, die sich bereits im dritten Stadium der Schwindsucht befanden — angestellt wurden, sollen die heilsame Wirkung des neuen Mittels dargelegt halten. So viel steht fest, daß schon nach einigen der Anwendung des Mittels das Fieder der Schwindsuchtskranken rasch sank. Veröffentlichungen über die neue Heilmethode stehen bevor.
(Die Uhr als Kompaß.) Bei Wandcr- s ung über Heiden und im Gebirge ist es zur Orientierung auf der Karte oft sehr nötig, die Himmelsgegenden genau zu bestimmen. Nun scheint es wenig bekannt zu sein, daß jede gut gehende Uhr zugleich ein Kompaß ist. Dreht man nämlich die Uhr wagrccht so, daß der Stundenzeiger nach der Sonne zeigt, dann liegt Süden gerade mitten zwischen dem kleinen Zeiger und der Ziffer 12 der Uhr. Dreht man den kleinen Zeiger um 6 Uhr nach der Sonne, dann lieg! Süden in der Richtung von Ziffer I I u. s. f. Wie wenig dies bekannt ist, beweist das, daß selbst Stanley, als man ihn bei seiner Rückkehr aus Afrika fragte, ob er diese Methode kenne, sagte, daß er nie davon gehört habe.
Mit einer Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.