Tagesneuigkeiten.
Calw. In letzter Zeit haben sich im Lande die Angriffe auf allein ihres Wegs gehende Frauen und Mädchen in bedenklicher Weise gehäuft. Es ist bedauerlich, daß nicht alle Schichten der Bevölkerung zur Ermittelung und Ueberführung so gemeingefährlicher Verbrecher, in dem Maße beitragen, wie es die Rücksicht auf das öffentliche Wohl und die öffentliche Sicherheit erheischt. So ist es, wie das Ausschreiben im Inseratenteil zeigt, bis jetzt noch nicht gelungen, diejenige Person ausfindig zu machen, welche kürzlich der Frau Burkhard von Oberreichenbach zu Hilfe gekommen sein soll. Es ist Pflicht jedes Einzelnen, in solchen Fällen den Polizei- und Sicherheitsorganen durch sachdienliche Mitteilungen an die Hand zu gehen.
Neuenbürg, 30. Dez. Die hiesige Lateinschule, welche seit Jahren an Schüler- Mangel leidet und im laufenden Schuljahr nur von zwei Schülern besucht wird, ist durch Beschluß der Kultministerialabteilung für Gelehrten- und Realschulen vom 1. Januar an aufgehoben. Dafür wird die Realschule einen weiteren Lehrer erhalten.
Ludwigsburg, 29. Dez. Gestern früh wurde in Pleidelsheim der 50jährige Privatmann Gottl. Jung in seinem Bette ermordet aufgefunden. Es liegt ein Raubmord vor. Die Kasse mit etwa 6000 ^ ist geraubt.
Fellbach, 30. Dez. Dem Weingärtner Ulrich Laipple wurde zu seinen 9 Kindern der 7. Knabe geboren. Auf erstattete Anzeige hat der König die Patenstelle übernommen und dem Patenkind ein Geschenk zukommcn lassen.
Heilbronn, 29. Dez. Anläßlich des Weihnachtsfestes der Witwen- und Waisenkasse der hiesigen Silberwarenfabrik P. Bruckmann u. Söhne stifteten Herr P. Bruckmann jr. und Frau Pauline Härle je den Betrag von 5000 ^ für diese Kasse.
Gmünd, 27. Dez. In Rechberg-Hinter- weiler geriet vor einigen Tagen, wie das „Deutsche Volksblatt" zu berichten weiß, der 20jährige Sohn des Forstwarts Kolb in einer Wirtschaft mit andern jungen Leuten in Streit. Er entfernte sich und gab von der Straße aus mit einem Jagdgewehr einen Schrotschuß auf eine Fensterscheibe des Wirtschaftslokals ab, ohne jemand zu verletzen und, wie bei dem als sicherer Schütze bekannten Thäter anzunehmen ist, ohne jemand verletzten zu wollen. Hierauf eilte er, von den andern verfolgt, rasch der Wohnung seiner Eltern auf Kleinrechberg zu. Dort angekommen, teilte er noch mit, er sei gestochen worden, worauf er nach wenigen Augenblicken tot umsank. Die Sektion ergab eine ganz unbedeutende Stichwunde im Herz. In den letzten Tagen wurden wegen dieser Affäre fünf Personen aus der Gemeinde Rechberg in Untersuchungshaft genommen. Wie verlautet, behaupten die am Streite Beteiligten jedoch, daß Kolb von seinen Verfolgern gar nicht eingeholt worden sei. Die gerichtliche Untersuchung
dürfte Aufklärung über den sonderbaren Fall verbreiten. Bemerkenswert ist auch, daß der Verstorbene im letzten Frühjahre von anderer Hand infolge einer Unvorsichtigkeit durch einen Schrotschuß tödtlich verletzt wurde, aber wider Erwarten wieder genas.
Weinheim, 27. Dez. Als bei dem dichten Nebel am Sonntag Morgen der erste Zug der Nebenbahn von Viernheim nach Weinheim fuhr, bemerkte der Führer desselben, daß vor seiner Maschine etwas nicht in Ordnung sei, er hielt den Zug an, und siehe ein Schurkenstreich sondergleichen war hier verübt, zwei Hunde waren mit Schnüren an die Schienen angebunden. Der kleinere derselben kam mit heiler Haut davon, während der größere, dem „Weinh. Anz." zufolge, durch die Maschine entzwei gedrückt wurde.
Neuweiler (A. Bühl), 27. Dez. Als eine Seltenheit darf es bezeichnet werden, daß ein Hirsch sich derart verirrt, wie es hier der Fall ist. Kam da am Montag ein solcher den Rebberg herunter und eilte etwa 100 Meter von den Häusern entfernt in leichtem Trabe dem Walde zu. Daß sich das stolze Wild bei uns heimisch fühlt, beweist, daß es am Christtag und am Stephanstag morgens etwa 600 Dieter von den Häusern gemütlich äste.
Berlin, 31. Dez. Nach einem Telegramm aus Wilhelmshafen wird die Andalusia heute Abend auf der dortigen Rhede eintreffen. Die Bemannung wird dann durch einen Hafen-Dampfer an Land gebracht, während die Andalusia nicht erst in den Hafen einläuft. Morgen früh soll eine kleine Andacht aus Anlaß der glücklichen Heimkehr der Geretteten vom Schulschiff Gneisenau stattfinden. Nähere Beschlüsse stehen mit Rücksicht auf das Wetter und die Ungewißheit des Zeitpunktes der Ankunft noch aus. Es herrscht fortgesetztes starkes Schneetreiben aus Nordost bei unruhiger See. Die Stadt ist, dem Lokal-Anzeiger zufolge, vollständig eingeschncit. Weiter wird aus Madrid berichtet, daß ein Fischerboot aus Malaga jetzt die Leiche des Kapitän-Leutnant Berninghaus aufgefunden hat, wofür dessen Familie 5000 ^ ausgesetzt hatte. Ferner wurde die Leiche des Matrosen Meyer und deS Schiffsjungen Johannsen geborgen. Alle drei wurden feierlichst bestattet. Der Rumpf der Gneisenau wird, nachdem einige Kanonen geborgen sein werden, mit Dynamit gesprengt.
Berlin, 31. Dez. Der Kaufmann Engel hat heute früh auf seine frühere Braut, welche in der Berliner Straße in Charlottenburg ein Krawattengeschäft betreibt, in deren Laden drei Revolverschüsse abgefeuert und dieselbe so schwer verletzt, daß sie, wenn sie mit dem Leben dapon kommt, wahrscheinlich ein Auge verlieren wird. Alsdann todtete sich Engel durch einen vierten Revolverschuß in die linke Schläfe.
Berlin, 1. Jan. Die Sylvesternacht ist, soweit bisher bekannt, in Berlin ohne ernste Zwischenfälle verlaufen. In der Friedrichstraße herrschte ein bedeutend stärkerer Verkehr als in den
„Gewiß, und das ist der Grund, weshalb ich mich als Jack Egerton eingeschifft habe, und ich Sie auch bitten muß, mich so zu nennen. Wenn Sie mich Seymour anreden, wird sie sofort wissen, wer ich bin."
Egerton', soll ich sagen? Muß ich?" antwortete sie lächelnd. „Ach, daS wird mir wohl sehr schwer werden." Dann legte sich ein Ausdruck von Unmut auf ihr Gesicht. „Wissen Sie, hübsch ist es nicht von Ihnen, mich verleiten zu wollen, eine solche Komödie zu spielen. Ich wünschte. Sie wären nicht gekommen."
„Mein Gott! wie könnnen Sie nur das Herz haben, so zu mir zu sprechen," erwiderte ich in traurig vorwurfsvollem Tone. „Wenn meine Gegenwart Sie belästigt, will ich auf der Stelle ins Zwischendeck ziehen, und mich niemals diesem Teil des Schiffes, während der ganzen Reise, wieder nähern. Ich werde mir dann daran genügen laßen, wenigstens zu wissen, daß ich mit Ihnen dieselbe Luft atme und Sie aus der Ferne sehen kann. Das können Sie mir nicht verwehren. Als ich mich zu der Reise entschloß, habe ich nicht gedacht. Sie könnten wünschen, ich wäre lieber zu Hause geblieben. Allerdings, daß Sie sich freuen würden, mich zu sehen, das habe ich auch nicht gewagt zu hoffen, aber ich rechnete doch darauf, daß Sie mir nicht gerade böse sein würden, denn Sie mußten sich doch sagen, daß nur einzig und allein meine Liebe zu Ihnen mich dazu trieb, Jhnm zu folgen."
„Ich bin Ihnen nicht böse, Mr. Sey—, Mr. Edg— Mr.— o, wie soll ich Sie denn nennen?" klagte sie errötend. „Sie dürfen nicht diesen Teil des Schiffes verlaßen — ich — ich —
Vorjahren. An der Ecke der Friedrich- und Behrenstraße hatten sich kurz nach 12 Uhr etwa 2000 Personen angesammelt, welche die Passage zeitweise unmöglich machten und versuchten, die die Friedrichstraße absperrende Schutzmannskette gewaltsam zu durchbrechen. Dem Lokal-Anzeiger zufolge mußten berittene Polizisten mehrmals ein- schreiten, die anstauenden und johlenden Massen zu zerstreuen.
Berlin, 1. Jan. Der Lokal-Anzeiger meldet aus London: Nach einem Telegramm aus Grimsby ging das dortige Rettungsboot zu einem viermastigen Schiffe ab, das bei Tetney auf Grund gelassen ist. Der Schleppdampfer Gauntlet sah es, konnte aber wegen des flachen Wassers nicht an dasselbe heran. Es soll ein deutsches Schiff sein.
— Aus Brunnen 29. Dez. wird der N. Zürich. Z. über einen Brand im Grand Hotel Axenstein berichtet: Der Brand des Hotels (Besitzer August Eberle-Faßbind in Brunnen) wurde vermutlich durch Verbrecherhand verursacht. Das Feuer wurde zuerst gegen 2 Uhr morgens von Brunnen aus beobachtet. Aus der gesamten Umgebung eilten die Feuerwehren auf die Brandstätte, vermochten aber bei dem herrschenden Sturmwinde nichts auszurichten. DaS herrlich gelegene Gebäude ist bis auf die Mauern niedergebrannt. Auch der naheliegende Wald fing Feuer. Das Feuer entstand im Mittelbau und griff mit unerhörter Schnelligkeit um sich. Um 4 Uhr Morgens hatte das Element sein Zerstörungswerk vollendet, ohne daß aus dem brennenden Gebäude auch nur das geringste gerettet werden konnte; doch wurden dank den aufopfernden Arbeiten der Feuerwehr wenigstens die Nebengebände und der herrliche Park vor dem verheerenden Element gerettet. Als Brandursache ist fast mit Sicherheit Brandlegung anzunehmen. Es verlautet, daß daS Feuer in den Räumen zum Ausbruch gekommen sei, wo das Silberzeug und andere Wertsachen aufbewahrt waren, weshalb man annimmt, ein Verbrecher habe die Spuren seines Verbrechens verwischen wollen. Das gewaltige Gebäude war in 2 Stunden gänzlich ausgebrannt. Die Dependance fing dreimal Feuer, konnte aber gerettet werden. Im Hotel wohnten 2 Wächter, die von herbeigeeilten Leuten geweckt und aus dem brennenden Gebäude gerettet werden mußten. Alles ist versichert. (Nach weiterer Nachricht ist der Brand während eines Gewitters vermutlich infolge Bliz- schlags entstanden. Das Hauptgebäude, das unbewohnt war, wurde eingeäschert. Es zählte 200 Betten. Das Nebengebäude, in dem der Wärter wohnte, konnte gerettet werden. Auf der Brandstätte waren 3 Spritzen erschienen, die das Wasser aus dem Reservoir schöpften. Das Hotel, eines der bestgeführten am ganzen Vierwaldstätter See, ist herrlich auf dem Brändli gelegen, mit schönster Aussicht über die beiden Arme des Vierwaldstätter Sees. Es hat eine große gedeckte Wandelbahn und schattenreichen Waldpark unmittelbar beim Hotel, in demselben befinden sich zahlreiche Findlingsblöcke und interessante Gletscherschliffe.)
Ach, hätte ich doch in diesem Augenblick die schönen Augen küssen können, die da so verwirrt auf die See blickten, und deren Wimpern zitterten, als ob sie Thränen zurückhalten wollten. Wir standen beide eine kleine Weile sprachlos. Dann drehte sie sich wieder zu mir und sagte schüchtern, mit etwas bebender Stimme: „Es ist ja nur die häßliche Komödie, die ich spielen soll, welche mir so mißfällt. Ich werde Sie nie mit ,Mr. Egerton' anreden können, ohne das Bewußtsein zu haben, unwahr zu sein."
„Nun dann," erwiderte ich, ihr strahlend vor Freude ins Gesicht sehend, „bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als mich, wenn wir allein sind, ,Jack' zu nennen. Wenn andere dabei sind, haben Sie es gar nicht nötig, mich mit irgend einem Namen anzureden. Da genügt ja das einfache,Sir'."
Es entstand eine neue kleine Pause. Plötzlich fragte sie: „Wißen Sie, daß Mr. Morecombe aus dem Schiff ist?"
„Jawohl. Wir sind sogar Kabinengenoßen. Als ich ihn vorhin verließ, war er entsetzlich seekrank. Ich leistete chm dabei die ersten Dienste und brachte ihn zu Bett."
„Was! Er weiß, daß er mit Ihnen zusammenwohnt?"
„Er weiß, daß ich Mr. Egerton bin, sonst nichts."
„Aber sind Sie sich denn früher nie begegnet?"
„Ich habe ihn einmal in Bristol flüchtig gesehen, er aber mich niemals." Sie stand einen Augenblick in Sinnen verloren, dann mochte ihr aber wohl die komische Lage, in der wir uns alle befanden, klar werden, denn sie brach in ein heiteres Gelächter aus. Bald aber wurde sie wieder ernst und warf