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Antw erp en, 30. Dez. Der Ausstand dauert fort. Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen auf ihren Forderungen. Die Arbeitgeber wollen erst dann verhandeln, wenn die Arbeiter ihre neuen Lohnsätze angenommen haben. Die Streikenden erklären aber einstimmig, erst dann zur Arbeit zurückzukehren, wenn die Arbeitgeber darein willigen, volle 14 Tage lang die alten Lohnsätze zu zahlen. Gestern Abend drangen Streikende in eine Diamantschleiferei ein. Sie wurden verhaftet und bei der Untersuchung fanden sich mehrere wertvolle Diamanten bei ihnen vor. Eine Anzahl Streikender drang auf ein englisches Schiff und stahl dort mehrere Gewehre und eine leichte Kanone von 80 Kg. In der Nähe des Hafens wurde ein Packet aufgefunden, worin sich 53 Revolver befanden. Dieselben rührten von einem Diebstahl her, der im Laufe der Woche in einer Waffenfabrik begangen worden war. Die Bürgerwehr ist auch heute zusammenberufen, um die Zugänge zum Hafen für die Streikenden abzu­sperren. Täglich treffen zahlreiche englische und deutsche Ersatzmannschaften für die Streikenden ein. Das Elend macht sich unter den Ausständigen be­reits sehr fühlbar.

London, 30. Dez. Nach einer Meldung aus Kapstadt verständigte Louis Botha alle Buren- Anführer, Krüger habe telegraphirt, daß jede Aus­sicht auf eine Intervention geschwunden sei. Die Buren müßten entweder die Waffen niederlegen, oder den Kampf allein fortsetzen.

London, 31. Dez. Lord Kitchener meldet aus Pretoria vom 29. Dezember: Die Lage in Kapstadt ist unverändert: Die Buren, welche von Osten her in die Kolonie eingedrungen sind, haben sich in kleine Abteilungen zerstreut, welche das Land durchziehen, während sie Verstärkungen von Norden her erwarten. Im Westen dringen die Buren gegen Carnarvon vor, verfolgt von den Generalen Delittle und Thornikorff. General French hat Wenterdorp besetzt. General Clemens stieß auf Widerstand an der Grenze von Rusten- burg. Die Kolonne Knox und die Brigade Rohes verhindern Dewet, nach Süden vorzudringen. Ein zweites Telegramm des Lord Kitchener aus Pre­toria vom 30. Dezember berichtet: Lord Littleton meldet, daß die Buren am 30. Dezember sich des Postens von Helvetia bemächtigt haben. Die Eng­länder verloren 50 Todte und Verwundete und 200 Gefangene. Wie es heißt, wurde dieser Posten später von den Engländern, nachdem die Verstärk­ungen aus Belfast eingetroffen waren, zurück erobert.

Die Wirre« i« Ehi««r.

Berlin, 31. Dez. Der Lokal-Anzeiger meldet aus Peking, daß der Mörder des Freiherrn von Ketteler, der Unteroffizier in der Mandschu-Truppe Enhai nunmehr zum Tode ver­urteilt worden ist. Man hatte das Urteil auf­geschoben in der Hoffnung, noch genauere Einzel­heiten über den Anstifter deS Verbrechens aus dem

Verhafteten heraus zu bringen. Die Vollstreckung der Todesstrafe wird wahrscheinlich an der Stelle der früheren Hatamen, jetzigen Kette ler- Straße erfolgen, wo der deutsche Gesandte ermordet wurde.

London, 31. Dez. Auch der Times- Korrespondent meldet seinem Blatte aus Peking, China habe die von den Mächten unter­breiteten Friedensbedingungen an­genommen. Die Regierung steht im Begriff, die Annahme der aufgeführten Punkte durch einen Spezialgesandten nach Peking zu melden und er­sucht die Mächte, die militärischen Operationen einzustellen.

Vermischtes.

Der Kaiser als Wohlthäter. Der Spaziergang des Kaisers am Weihnachts­heiligabend zur Austeilung von Geld­geschenken an Soldaten, Arbeiter, Frauen und Kinder hat auch in diesem Jahre stattgefunden. Um zu verhindern, daß, wie dies früher der Fall war, geflissentlich Personen von mittags ab in der Nähe von Sanssouci den Kaiser erwarteten, wählte er diesmal schon die Vormittagsstunden zu seinem Spaziergang. Die ersten Personen, die Geldspenden erhielten, waren die Wachposten des Lehrinfanterie­bataillons beim Neuen Palais. Da die Posten im Dienst keine Geschenke annehmen dürfen, legte der Kaiser diese in die Schilderhäuser, wo sie, nachdem sie abgelöst waren, das Geld sich holen konnten. Im Park von Sanssouci erhielt hieraus jeder dort thätige Arbeiter und jede Arbeitsfrau von dem Kaiser, der sich nur in Begleitung eines Flügel­adjutanten von der Marine befand, ein neues blankes Silberstück im Betrage von 25 Mark ausgehän­digt. Als der Kaiser dann den Park verließ, kamen gerade viele Frauen von dem Wochenmarkt in Pots­dam zurück. Ihnen warf der Kaiser ganz unver­mutet blanke Geldstücke in die Kiepen auf dem Rücken. Einem Knaben, der sein Schwesterchen in einem Kinderwagen vor sich her schob, ließ der Kaiser durch seinen Adjutanten 2 Mk. geben. Der Junge ließ nun den Wagen stehen, lief sporn­streichs dem Kaiser nach und ries laut:Ich danke schön, lieber Herr Kaiser!"

Ueberfall eines Wachpostens. Einbrecher überfielen nachts einen Wachtposten an der Kaiserwerft in Kiel Tumforde aus dem Hannoverschen. Sie stürzten denselben von der Quaimauer in das Meer. Tumforde ertrank. Die Verecher flüchteten; die Verhaftung eines Ver­dächtigen ist gelungen.

Ein Opfer von Monte Carlo. Die aus Dijon zugereiste reiche Gutsbesitzerin Louisa Baree hat sich am Fensterkreuz ihrer Hotelwoh­nung erhängt. Abends vorher hatte sie weinend und händeringend den. Spielsaal des Kasinos ver­lassen, nachdem sie die letzten Reste ihres 900,000 Franken betrügenden Barvermögens im Spiele verloren hatte. Bei ihr wurden einige Centimes und eine Kasino-Eintrittskarte gefunden.

Die Ursachen der Wirren in China. Im Handelsgeographischen Verein zu Stuttgart hat dieser Tage Herr Geh. Hofrat Bälz aus Tokio einen Vortrag über die Ostasiaten gehalten. In diesem Vortrag, dem der König beiwohnte, wurde nach einem Bericht desStaatsanz. f. Württ." über die Ursachen der Unruhen in China u. A. Folgendes ausgeführt:Ein verhängnisvoller Fehler war, daß man für die Missionäre Mandarinenrang und Siz auf der Richterbank erzwang. Die Art, wie das Christentum dem in religiösen Dingen durchaus toleranten Chinesen ent­gegentrat, die Neuerungen alle, die man ihnen auf­drängte, der erzwungene Eisenbahnbau, die Wegnahme von Land, all das zusammen häufte einen Zündstoff auf, der früher oder später eine Explosion zur Folge haben mußte. Daß diese so nahe sei, hätte allerdings Bälz selbst nicht geglaubt, als er in Nagasaki dem Prinzen Heinrich von Preußen gegenüber seine Ansicht darüber aus­sprach, daß in China über kurz oder lang entweder ein Arminius oder eine sizilianische Ves­per kommen werde. Auch die Thätigkeit der europäischen Gesandten streifte der Redner und hob u. a. hervor, welchen Eindruck eS auf die Chinesen machen mußte, wenn der Doyen des diplomatischen Korps, der dem Tsungliyamen geradezu Befehle diktierte, nach seinem Rücktritt als Geschäfts- agent Krupps nach China zurückkehrte (ge­meint ist augenscheinlich der frühere deutsche Ge­sandte Baron Heyking). Ueber die Art der jetzigen Kriegsführung in China zitierte der Redner Aeußerungen deutscher und englischer Offiziere, die selbst von den Chinesen zu Krüppeln geschossen sich dennoch mit großer Sympathie für China und mit Heller Entrüstung über das barba­rische Vorgehen der Europäer aus- sprachen. Auch auf die Gefahr wies der Redner hin, daß das Odium der ganzen europäischen Aktion schließlich auf demjenigen sitzen bleiben könnte, der das schärfste Vorgehen zeigt. Die Engländer in den Küstenplätzen sehen das schneidige deutsche Vorgehen sehr gern, soweit es zu ihrem Schutze dient, aber sie verfehlen da­neben nicht, die Chinesen gegen Deutschland aufzuhetzen. Eine ersprießliche Ordnung des Verhältnisses der westlichen Kultur zu China sei nur denkbar, wenn man die Vorzüge der chi­nesischen Kultur anerkennt und achtet und den Chinesen nur das bringen will, was wir Besseres haben: den Drang nach einem menschen­würdigen Dasein, die Freiheit und Sicherheit der Person und des Eigentums, die erbarmende helfende Liebe für Unglück und Elend."

Humoristisches.

Kindlicher Wunsch. Der kleine Xaverl:Lieber Großpapa, ich bringe Dir zum neuen Jahre meinen Glückwunsch und wünsche, daß Du in diesem Jahre recht lange leben möchtest!"

öfter ihren Blick nach der Kajütentreppe. Dies veranlaßte mich, sie zu fragen, ob sie ihre Tante auf Deck erwartete.

Nein, ich glaube nicht, daß sie heraufkommen wird; sie fühlte sich etwas unwohl und legte sich zu Bett."

Wird Ihnen die Bewegung des Schiffes nicht unbequem?"

Nicht im geringsten."

Sie sehen aber nicht mehr so frisch und heiter aus wie früher. Sagen Sie, Florence, man hat Sie um meinetwillen wohl sehr gequält?"

Ich erhielt keine Antwort. Ob sie es mir am Ende übelgenommen hatte, daß ich sie wieder .Florence' nannte? Ihr Gesicht zeigte durchaus keine Ab­weisung, es mußte also wohl meine Frage gewesen sein, die ihr nicht gefallen hatte. Deshalb suchte ich dieselbe einigermaßen zu entschuldigen, indem ich sagte: Sophie erzählte mir, daß man Ihnen in Schottland das Leben so schwer ge­macht hätte " Damit brach ich dieses Thema ab und fragte:Wußten Sie, daß Mr. Morecombe Ihr Reisegefährte sein würde?"

Wie können Sie mich das fragen?" entgegnete sie ganz empört.Ich würde nicht hier sein, wenn ich davon gewußt hätte."

Sie bestätigen durch Ihre Antwort nur, was ich geglaubt habe. Als ich das Gepäck des Unverschämten in meiner Kabine fand, dachte ich mir wohl, daß Ihnen seine Anwesenheit eine wenig angenehme Ueberraschung sein würde. Offen gestanden, begreife ich aber Ihren Herrn Vater nicht, wie er Sie in eine solche Lage versetzen, wie er glauben konnte, auf diese Weiserer Erfüllung seines Wunsches näher zu kommen."

Ob er dies glaubte, weiß ich nicht," entgegnete sie, ihren Vater gewisser-.

maßen in Schutz nehmend,denn er ist überhaupt erst durch Tante Damaris bestimmt worden, mich ihr nach Australien mitzugeben. Von ihm stammt der Gedanke also nicht."

Ah so, dann wird sie es jedenfalls wohl auch gewesen sein, welche die Begleitung von Mr. Morecombe ersann?"

Hierüber weiß ich auch nichts Genaueres, möchte es aber vermuten. Doch, bitte sprechen wir nicht weiter über diese häßliche Sache, Mr. Sey, Mr.."

Ach, sagen Sie doch .Jack', Florence. Thun Sie mir den Gefallen. Denken Sie an mich, als an Sophies Vetter, da wird es Ihnen nicht so schwer fallen. Und dann, da Sie nichts dagegen haben, daß ich Sie mit .Florence' anrede, da können Sie doch gar nicht anders als mich ,Jack' nennen."

Ja, Sie nennen mich .Florence' ohne mich um Erlaubnis gebeten zu haben. Woher wissen Sie denn, daß ich nichts dagegen habe?"

Das war eine heikle Frage, und deshalb blieb ich die Antwort schuldig.

Ich war zu sehr in unser Gespräch vertieft gewesen, um auf unsere Um­gebung zu achten. Die Dünung war länger und wuchtiger geworden, und der Schornstein des Schleppschiffes schwankte den Klüsen gegenüber, wenn unser starkes Schiff sich in dem wogenden Kielwasser gravitätisch verneigte. Die einzigen, in unserer Nähe sich noch befindenden Personen waren der Lotse, der Kapitän, der zweite Maat, und Kapitän Jackson mit seiner Frau. Als wir bei Thompson vorbei kamen, lachte er über das ganze Gesicht, und ich nickte ihm verstohlen zu, woraus er erkennen konnte, wie ich im Glück schwelgte.

(Fortsetzung folgt.)