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die Hülle gefallen war, weihte er das herr­liche Banner als ein Zeichen Königlicher Huld, unter welchem der Bund wachsen, blühen und gedeihen möge. Nach der Weiherede trugen die vereinigten Sänger- chörc, die auch gestern beim Bankett mit­gewirkt hatten, ein von Hrn. Hans Ka ul­bersch, musik. Direktor des hies. Krieger­vereins, verfaßtes und komponiertes Weihe­lied vor, worauf PrinzWeimar einen allerhöchsten Erlaß betreffend die Ver­leihung des Bundesbanners mit lauter über den ganzen Marktplatz vernehmbarer Stimme zur Verlesung brachte. Daran reihte sich ein begeistert aufgenommenes Hoch aus den König und die Absingung der Königshymne. Unter den Klängen des König-Karl-Marsches zogen die Fahnen ab, ein prachtvoller Anblick! Bei dem Festessen imAdler" mit ca. 250 Gedecken folgte Toast auf Toast. Um 2 Uhr begann der imposante Fcstzug. Stramm und unter brausenden Hurrayrufen zogen die 4000 Kriegervereinsmitglieder an dem Prinzen Weimar, der auf einer Tribüne vor dem Rathaus Aufstellung genommen hatte, vorüber nach dem Festplatz, dem Unterwöhrd, wo sich ein ungemein leb­haftes Volksfesttreiben entwickelte, bei dem auch die Vorführung des alten höllischen Siedcrstanzes nicht fehlen durfte.

Am Dienstag finden Ausflüge in die Umgebung besonders nach dem Berg­werk Wilhelmsglück und auf den Einkorn statt. Sr. Hoheit dem Prinzen Weimar wird von den Sängern des Musikvereins ein Morgenständchen gebracht werden. Bei allen Festteilnehmern herrscht lebhafte Be­friedigung, ja Begeisterung über den Ver­lauf des Festes.

Ulm, 18. Mai. Die Dienstmagd Apollonia Bauer von Langenau wurde am Dienstag vormittag aus der Straße durch einen Revolverschuß so schwer verletzt, daß sie in der folgenden Nacht im Spital ge­storben ist. Der traurige Fall wird all­gemein besprochen. Das Unglück hat sich, wie man hört, so zugetragen: Der Offi­ziersbursche hatte am abend zuvor, den ungeladenenen Revolver seines Herrn ge­putzt; der Offizier lud denselben vor dem Schlafengehen. Morgens fand der Bursche die Waffe auf dem Tisch liegen und glaubte, sie sei seinem Herrn nicht sauber genug geputzt. Er hielt den Revolver demgemäß für ungeladen, nahm ihn in die Hand und trat damit, um nachzusehen, an's Fenster. Da krachte auch schon ein Schuß, die Kugel fuhr durch die Scheibe und traf die dorten zufällig vorübergehende Magd tötlich in den Arm und den Unter­leib. Der Offizier allerdings sagt, er habe den Revolver an die Wand gehängt und der Bursche habe ihn unbefugter Weise herabgenommen.

Ulm, 18. Mai. In letzter Nacht sind in der Unigebung der Stadt die Früh­kartoffeln und Spargeln erfroren. Oesterreich.

In Wien werden am 23. d. M. die Verhandlungen zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn einerseits, der Schweiz anderseits wegen Abschluß eines Handels­vertrags beginnen. Die Anweisungen für che schweizerischen Unterhändler sind vom eidgenössischen Bundesrate bereits festge­stellt worden.

Ausland.

Belgrad, 19. Mai. Die Königin- Mutter lehnte die Bedingungen ab, welche ihr vom Ministerium bezüglich der Abreise gestellt wurden; sie erklärte im Lande verbleiben zu «ollen. Unter starker Gendarmeriebedeckung wurde hier­auf gestern Exkönigin Natalie aus ihrem Palais auf ein Schiff gebracht. Große Volksmengen verlegten den Weg, es kam zu Angriffen und Handgemenge, schließlich mußten die Gensdarmen weichen und es wurde Natalie in das Palais zurückge­führt. Das Volk verharrte vor demselben und ließ sich nicht eher beruhigen, bis sich die Königin am Fenster zeigte. Die Po­lizei versuchte die Straßen zunächst auf gütlichem Wege zu räumen. Als dies nicht gelang, wurde zu gewaltsamer Straßenräumung geschritten. Die Reiterei gab zwei Dechargen ab; das Volk erwiderte mit Steinwürfen. Verwundete und Tote auf beiden Seiten. Die Regierung ist entschlossen, die Entfernung der Exkönigin Natalie durchzusetzen.

Belgrad, 19. Mai. Die Königin Natalie wurde heute früh unter starker Eskorte zum Bahnhof gebracht und reiste nach Semlin ab. Gestern war gegen Mitternacht die Ruhe wiederhergestellt. Im Volke herrscht eine allgemeine Er­regung gegen die Regierung, die Regent­schaft, den König Milan und das Kriegs­ministerium. Es werden weitere Excesse befürchtet.

In Frankreich scheint ebenfalls ein nicht unscheußliches Pfingstwetter geherrscht zu haben! Aus Lyon. Grenoble, Pau, Nancy, Belfort u. s. w. werden Schnee­fälle gemeldet; die Vogesen sind ganz verschneit.

Auf den Inseln Corfu und Zante sind durch die Judenverfolgungen nachge­rade anarchistische Zustände hervorgerufen worden. Dieselben beschäftigen die Auf­merksamkeit mehrerer Kabinete und heißt es, im Falle die griechische Regierung nicht ungesäumt energische Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ordnung auf den genannten Inseln treffe, würden die Mächte selbst zum Schutze ihrer auf Corfu und Zante wohnenden Staatsan­gehörigen einschreiten. Zunächst soll die diplomatische Führung in der Sache Eng­land, als des früheren Besitzers der Joni­schen Inseln, überlassen werden. Offen­bar hat man in Athen die Bedeutung der antisemitischen Unruhen in Corfu und auf der Insel Zante unterschätzt, sonst würde die griechische Regierung wohl gleich von Anfang an kräftiger gegen dieselben ein­geschritten sein.

Misu'llkn.

EU.

Erzählung von Jenny Hirsch.

^Fortsetzung.)

Emsmann war aber nicht so leicht zu fangen. Er beteuerte seine Unschuld, be­rief sich auf seinen unsträflichen frommen Wandel und ließ nicht undeutlich merken, die ganze Geschichte sei von dem Rat Engelhardt nur ersonnen, um Leute, die ihm ja nahe genug ständen, von einem > auf ihnen ruhenden Verdachte zu reinigen.

Der Gerechte muß viel leiden", seufzte er,Herr ist's möglich, so lasse diesen Kelch an mir vorübergehen, aber nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe!" fügte er mit gefalteten Händen hinzu.

Lästere nicht, Bube!" donnerte der Polizeibeamte,jetzt ists genug. Noch ein­mal, willst Du gestehen oder nicht?" ^

Ich habe nichts zu gestehen."

Wie Du willst", nickte der Polizei­beamte;Du hast mir eines schönen Tages die freundliche Erlaubnis gegeben, Deine Sachen zu untersuchen, ich werde heute von dieser Einladung Gebrauch machen, und wie ich hoffe, mit besserem Erfolge, als wenn ich es damals gethan hätte."

Suchen Sie nur, Sie werden nichts finden", sagte Emsmann ruhig; dem ge­übten Blicke des Beamten entgieng es aber doch nicht, daß er sich verfärbte.

Darf ich Sie ersuchen. Herr Rat", wandte er sich an diesen,hier im Neben­zimmer zu bleiben; ich lasse den Dieb, denn ich nehme trotz seines Leugnens keinen Anstand, ihn so zu nennen, unter Bewachung von einigen Polizisten hier, während ich den Herrn Kommerzienrat bitte, mit mir zu kommen, um Emsmanns Effekten zu untersuchen. Ein Mensch wie der schleppt seinen kostbaren Raub immer mit sich herum, davon bin ich über­zeugt."

Auf einen Pfiff des Polizeibeamten traten zwei handfeste Polizisten herein, die er bereits zu seiner Hilfe requiriert hatte.Bei dem geringsten Versuche, sich von der Stelle zu rühren, wird er an Händen und Füßen gefesselt", gebot er und verließ mit dem Kommerzienrat das Hotel, während der Rat sich in das an­stoßende Zimmer zurückzog.

Es war sehr weise von dem Polizei­beamten gewesen, das erste Verhör mit Emsmann im Hotel abzuhalten, ihn dort gefangen zurückzulassen, während man an die Durchsuchung seiner Habseligkeiten ging, denn die Frau Kommerzienrätin geriet, als man ihr den Sachverhalt mit­teilte, in eine ungeheure Aufregung und wollte trotz aller gegen Emsmann vor­liegenden Beweise nicht an seine Schuld glauben, sondern blieb dabei, der fromme, treue Mensch sei unerhört verleumdet worden. Hätte sie von der Sache er­fahren , ehe man sich der Person des Dieners bemächtigt hatte, so wäre es gar nicht unmöglich gewesen, daß dieser den Raub noch in Sicherheit zu bringen ver­mocht hätte.

Der Polizeibeamte ließ sich jedoch nicht irre machen, sandte nach einem Schlosser und ließ Emsmanns Koffer und die ihm eingeräumten verschlossenen Behältnisse öffnen. Die sorgfältigste Untersuchung ergab nichts; man hatte Emsmanns sämt­liche Effekten durchforscht und absolut keine Spur gefunden. Nur noch ein Kasten war übrig, in welchem die Frau Kommer­zienrätin. wenn sie auf Reisen ging, eine silberne Theemaschine und Frühstücksgerät mit sich zu nehmen pflegte.

Dieser Kasten gehört mir, es kann nur ein Versehen sein, wenn er hier stehen geblieben ist," hatte sie sogleich beim Be­ginn der Untersuchung, der sie beiwohnte, erklärt, und der Beamte war in Folge dessen vorläufig daran vorübergegangen.