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Als sich seine Mühe als vergeblich erwies, wandte er sich an die Dame und sagte:
„Ich möchte Sie doch um den Schlüssel zu diesem Kasten bitten, gnädige Frau?"
Der Kasten ist offen, er ist ja leer, erwiderte die Kommerzienrätin kurz.
„Ich bitte um Entschuldigung, er ist verschlossen."
„So machen Sie keine Umstände und öffnen sie ihn," gebot der Kommerzienrat, ohne auf die Thränen seiner Gemahlin zu achten.
Der Schlosser that sein Werk, der Kasten sprang auf und war — leer.
„Da sehen Sie es!" rief die Dame, „ich wußte es ja schon - "
Sie kam nicht weiter, das Wort blieb ihr im buchstäblichen Sinne des Wortes vor Schrecken im Munde stecken. Der Schlosser hatte sich an dem Kasten zu schaffen gemacht, gerüttelt, gedrückt und plötzlich war der Boden aufgesprungen, hatte einen darunter befindlichen zweiten Boden enthüllt und auf diesem lag — der Becher.
Ja es war der Becher, der lang vermißte, der Gegenstand so schwerer Anklagen, die Ursachen so tiefen Herzeleids. Einige Steine waren herausgebrochen, sonst war er aber unversehrt.
Wie gebrochen sank die Frau Kom- merzienrälin auf einen Stuhl. Das war zu viel. An wen sollte man noch glauben, wenn ein solches Musterbild von Frömmigkeit sich als Dieb entpuppte.
Vielleicht zum ersten Male in seiner Ehe hatte der Kommerzienrat für die Leiden und Thränen seiner Gemahlin weder Aufmerksamkeit noch Teilnahme, sondern eilte mit dem Beamten nach dem Hotel zurück, um die Geständnisse des Verbrechers zu hören, da er nun ja, wo man ihm das eorpus äolieti vor die Augen stellen konnte, nicht zu leugnen vermochte.
In der That verlor der Elende, als man ihm den Becher vorhielt, alle Fassung. Er hatte ihn in dem Behältnis, das er für Reisen hatte anfertigen lassen, da er den Becher nicht zu Hause zurückzulassen wagte, für unauffindbar gehalten. Da er sich in dieser Hoffnung getäuscht sah, legte er sich aufs Bitten und flehte den Kommerzienrat kniefällig an, ihn doch nicht unglücklich zu machen.
„Dich kann jetzt nichts mehr retten," herrschte ihn der Beamte an, „erleichtern aber kannst Du Dir Deine Lage durch ein aufrichtiges Geständnis, also beichte, wie bist Du zu dem Becher gekommen?"
Auf diese Aufforderung legte Emsmann das folgende Geständnis ab.
Er war an jenem Abend, nachdem er Klara den Becher und das Silbergeschirr überliefert hatte, allerdings nach der Lukas-Kapelle gegangen. Auf dem Wege dahin war ihm aber Georg Blanke begegnet und da er vermutet hatte, daß dieser zu Fräulein Klara wolle, so war er ihm nachgeschlichen, hatte, während jener durch das Vorderhaus ging, seinen Weg durch die Hinterpforte, zu der er den Schlüssel besaß, und über die Hintertreppe genommen und war, ohne daß ihn jemand bemerkt hatte, in ein neben dem Speisesaal gelegenes kleines Zimmer gelangt, das er hinter sich
verriegelte. Dort hatte er die ganze Unterhaltung zwischen Klara und Georg mit angehört und Georg's scherzhafte Aeußerung, man könnte die Steine Herausbrechen und durch Glasguß ersetzen, sofort aufgefaßt und sich vorgenommen, sie sobald sich ihm die Gelegenheit dazu biete, in Wirklichkeit auszuführen.
Nachdem Georg sich entfernt hatte, war er im Begriffe gewesen, seinen Lauscherposten zu verlassen, die Ankunft eines zweiten Besuches, in dem er bald Frau Engelhardt, Klaras Schwester, erkannt, hatte ihn aber veranlaßt, noch länger zu bleiben. Durch eine Spalte in der Thür hatte er alles beobachtet, was im Zimmer vorging und so bot sich ihm, schneller als er gedacht, der günstige Augenblick, sich des Bechers zu bemächtigen. Während Klara ihre Schwester durch den Garten begleitete und den Schlüsselkorb auf dem Tische zurückließ, huschte er in den Speisesaal , nahm den Schlüssel, öffnete den kleinen Schrein, ergriff den Becher, verbarg ihn, schloß wieder zu. warf den Schlüssel in den Korb zurück und war, ehe Klara zurückkehrte, verschwunden. Auf demselben Wege, auf dem er ins Haus gekommen war, ging er dann wieder nach der Lukas-Kapelle, wo er zeitig genug ankam, um die Frau Kommerzienrätin in Empfang zu nehmen, sie nach Hause zu begleiten und auf diese Weise darzuthun, daß er dem Gottesdienste beigewohnt habe.
(Fortsetzung solgt.j
Wie der „Rostocker Ztg." aus dem südlichen Indien mitgeteilt wird, hat unter den dort lebenden Deutschen eine Nach- nicht einer der gelesensten dortigen Zeitungen, der „Madras Mail", viel Heiterkeit erregt. Die Nummer des genannten Blattes vom 17. April enthält ein Telegramm, welches in wortgetreuer Ueber- setzung lautet: „Bismarcks Rückkehr zur Politik. Berlin, 16. April. Fürst Bismarck ist zum Reichstagsabgeordneten für Hannover gewählt worden, nachdem er durch eine große Stimmenmehrheit die Herren Welf und Freisinnig, die Kandidaten der sozialdemokratischen Partei, geschlagen hat.
Stuttgart. Ein tragikomisches Geschick waltete über einen Transport von 2000 Stück junger Hühner und Enten, die eine hiesige Delikatessenhandlung in einem Güterwagen aus Italien zugesandt erhielt. In Eßlingen nämlich entflatterten einige von den Tierchen dem Wagen. Der begleitende Gepäck-Kondukteur schloß hierauf in übertriebener Vorsicht die Schiebcr- thüre desselben und legte eine Plombe an. Entfliegen konnte ihm nun allerdings kein Huhn und keine Ente mehr, aber leider hatte er außer Acht gelassen, daß die erste Lebensbedingung auch für die Tiere frische Luft ist. Als der Wagen hier ankam und man ihn öffnete, lagen 946 Stück seiner gefiederten Insassen verendet in ihren Käsigen, und die Feinschmecker Stuttgarts sind um viel Backhändl und Entenbraten ärmer.
Von der Jagst. Auf eine ganz eigentümliche Weise hat sich ein verschmähter
Freier an seiner Auserkorenen gerächt. Im Dorfe D. war dies Mißgeschick einem Jagdbeflissenen passiert und der Abgewiesene praktizierte nun in einem großen Käfig einen halbzahmen Fuchs und zwei Hähne. Die Zwischenwand des geräumigen Käfigs bildeten eiserne Stäbchen und nachts um 11 Uhr wurde die Zierde über dem Kammerfenster der spröden Schönen, einer Wirtstochter, sehr solide befestigt. Man kann sich denken, was für einen Lärm die in Todesängsten befindlichen Tiere samt dem Fuchse die Nacht vollführten. Kein Mensch im Hause konnte schlafen, aber niemand konnte in der Dunkelheit den Käfig wegbringen. Das Mädchen ging, um dem Gespülte zu entgehen, auf einige Zeit fort. Der Schabernacksbeflissene ist aber wegen groben Unfugs angezeigt.
Berlin. Als eine wahre Megäre entpuppte sich die Arbeiterfrau Luise Mar- quard gcb. Ziebarth, welche heute unter der Anklage der vorsätzlichen Körperverletzung ihres eigenen Kindes vor der 1, Strafkammer hiesigen Landgerichts I. stand. Dieselbe hat ihre 4 jährige Tochter, ein überaus schwächliches Kind mit allen Anzeichen der englischen Krankheit, nicht nur auf barbarische Weise mißhandelt, sondern auch mit brennendem Papier eine große eiternde Brandwunde zugefügt. Der Gerichtshof verurteilte die Rabenmutter zu ß Monaten Gefängnis.
(„I — back!") Daß der Humor auch in der Ethymologie seine Stelle findet, mag aus folgender Sage, wie sie im Hauensteinischen erzählt wird, hervorgehen! Die Vorfahren der Gemeinde Ibach bei St. Blasien sollen in früheren Jahren nur eine Backmulde gehabt haben; diese wanderte alsdann von Haus zu Haus. Manchmal kam es vor, daß zwei Frauen gleichzeitig backen wollten. Natürlich entstand dadurch eine Weiberfehde, wobei das Feldgeschrei hieß: „I back!" und dadurch soll der Ortsname Ibach entstanden sein.
Ueber den Nutzen der Schwalben sind folgende interessante Thatsachen festgestellt: Ein Schwalbenpaar ist täglich 16 Stunden in Bewegung und jede Schwalbe füttert durchschnittlich in der Stunde ihre Jungen 20 Mal, beide Eltern sind daher täglich 640 Mal beim Neste. Da nun jede der alten Schwalben jedes Mal 10 bis 20 Insekten bringt, so vertilgt ein Schwalbenpaar täglich mindestens 6400 Insekten. Zur eigenen Nahrung gebrauchen die Alten etwa 600 Mücken und Fliegen, so daß durch eine Schwalbenfamilie täglich 7000, in einem Monat 210000 schädliche Insekten vertilgt werden. Brauchen die Alten im ersten Monat, wenn sie allein sind, 30000 Insekten, so kommen auf den ganzen Sommer für eine Schwalbensamilie von 7 Köpfen 750000 Insekten. Nisten sich nun in einem Dorse nur 100 Schwalben ein, so würden diese mit ihrer Nachkommenschaft in einem Sommer 75000000 Insekten verzehren.
Auflösung des Fest-Rätsels in Nr. 77
Paulus
Florenz
Immortellen
Rordenskiöld
Graubünden
Saragossa
Teniers
Europa
Niagara.
Pfingsten.
Richtig gelöst von Frau Oberamtstierarzt Böpple, Neuenbürg.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Me eh in Neuenbürg.