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Leilage M Nr. 47 -cs CnMlers.

Neuenbürg, Dienstag den 24. März 1891.

Aronik.

Ausland

In Bulgarien soll schon wieder ein Mal eine Verschwörung gegen den Fürsten Ferdinand und seine Regierung Mdeckl worden sein. Als Urheber der angeblichen Verschwörung nennt man den Major Benderew, welcher schon bei dem blutig unterdrückten Militäranfstande von Silistria Februar 1887 eine Haupt­rolle spielte.

Gibraltar, 18. Wärz. Ueber den l Untergang des AuswandererschiffesUto­pia" wird noch berichtet: Das Schiff war auf der Fahrt von Neapel nach New- Jork begriffen. Es hatte über 800 ital. Auswanderer an Bord. Die Besatzung bestand aus nahezu 60 Köpfen. Gestern M Abend steuerte es auf den Ankerplatz zu. Als dieUtopia" sich nahe dem PanzerschiffAnson" befand, schien es hin und her zu schweben, als ob es gegen den starken, aus der Meerenge von Gib­raltar kommenden Sturm nicht an könne. DerAnson" lag am Südende der Stadt vor Anker. In einem Augenblicke schlug der Strom und der starke zur Zeit herr­schende Sturm dieUtopia" gegen den Bug desAnson". Der Sporn des Panzerschiffes verursachte einen tiefen Ein­schnitt in die dünnen Panzerplatten der Jepia", welche hin- und Hertrieb, sich schneit mit Wasser füllte und schon fünf Miiuten nach dem Zusammenstoß zu sinken tkgm. DerAnfon" und die anderen intifchen Kriegsschiffe, sowie das schwedische üriegsschiffFreya" ließen sofort die Boote hinunter. Die Panzerschiffe ließen ihr elektrisches Spähelicht gegen die Utopia Achten, um die Rettung zu erleichtern, du es schon ganz finster geworden war. Das Geschrei der Unglücklichen auf der »Utopia" war herzzerreißend. Trotz dem Brausen des Sturmes und der gellenden Kommandoworte war es nur allzu deut­lich hörbar. Der Seegang war so hoch, daß die herabgelassenen Boote sich dem Wrack nicht so weit nähern konnten, daß sie die Leute an Bord direkt aufzunehmen imstande waren. Sie mußten sich viel­mehr damit begnügen, die im Wasser Be­findlichen aufzufischen. Eine furchtbare vzene spielte sich ab. als der Bug der »Utopia" in die Tiefe ging. Die Leute kämpften auf Tod und Leben mit einander, ^ vordere Tauwerk zu gelangen. Minuten später war der Vorderteil des vchfffes dem Auge entschwunden und alle, welche nicht den Mut besessen hatten, in me See zu springen, oder sich nicht in die Masten hatten flüchten können, fandest ihr rab m den Fluten. Sturm und Regen verhinderten fast alle Ausschau. Von vus konnte man nur einen -vsenschenknäuel inmitten von Schiffs- ummern sehen. Diejenigen, welche sich b-n HvvPtmast geflüchtet hatten, wur- »m i Dampspinasse gerettet. Erst llhr abends wurden die letzten be­

freit. Einige waren so erschöpft, daß sie nicht in die Boote hinabsteigen konnten. Die Matrosen mußten hinausklettern und sie hinuntertragen. Die Rettungsmann­schaften liefen bei ihren heldenmütigen An­strengungen selbst die größte Gefahr. Einer Dampfpinaffe des KreuzersJmmortalite" ging die Schraube los und sie wurde gegen den Felsen geschleudert. 2 Matrosen ertranken. Von der Besatzung derUtopia" wurden 24 gerettet, unter ihnen der Ka­pitän, der Schiffsarzt, 2 Offiziere, ein Ingenieur nnd ein Steward. 36 ertranken. Von den 830 Fahrgästen wurden 292 ge­rettet, so daß 538 ertranken. Die Ge­retteten sind einstweilen in Gibraltar unter­gebracht, wo die britischen Behörden ihnen alle mögliche Pflege angedeihen lassen. Eine Anzahl Männer-, Frauen- und Kinderleichen ist schon an die spanische Käst? geschwemmt worden. Taucher unter­suchen jetzt das Wrack. Wahrscheinlich ist die Mehrzahl der Ertrunkenen mit dem Schiffe in die Tiefe gegangen. Bis I I Uhr abends waren in Gibraltar 28 und an der spanischen Küste 26 Leichen ans Gestade geschwemmt worden. Unter den letzteren befand sich die einer Frau mit ihrem Kinde in den Armen. In Gibraltar werden Sammlungen für die Geretteten veran­staltet, welche alle Habe verloren haben. Die Masten und Schornsteine ragen aus dem Wasser hervor. Die Stelle, wo das Schiff untergegangen ist. liegt '/« englische Meile vom Ufer entfernt.

Ml8)1'llkN.

Der Frühling kehrt wieder.

Erzählung von L. Frank.

Klara Andernach hatte nicht das Ge­sicht einer glücklichen Frau. Zwar schienen ihre Augen bestimmt, eine Fülle von Glück und Sonnenschein auszustrahlen, und die Grübchen ihrer Wangen schienen stets be­reit zu sein, die schönen Züge durch ein glückliches Lächeln zu verschönen. Freudig und sonnig blitzte es zuweilen auf, wenn ein Gedanke der Erinnerung gleich einem Sonnenstrahl über ihr Gesicht huschte.

Für gewöhnlich aber trugen ihre Züge einen finstern und unzufriedenen Ausdruck; ein tiefer Gram, ein unversöhnlicher Groll entstellten das feine jugendliche Gesicht. Hoch und stolz trug sie ihren Kopf, hart und teilnahmlos blickten ihre Augen. Schon seit einer Viertelstunde steht sie am Fenster. Wie weltverloren schweift ihr Blick in die Ferne, hinweg über die Dächer und Giebel des städtischen Häusermeeres, weit hinaus in die Ferne, wo im goldenen Strahl der Abendsonne die schimmernden Wogen des Meeres aufblitzen und Schwärme von Schwalben ihre wirren Flugbahnen durch die Lüfte ziehen.

Die Wohnung ist sehr hoch gelegen und abseits vom städtischen Verkehrsleben, im Innern jedoch weich und warm mit einer gewissen Wohlhabenheit, die nicht in diesen Stadtteil zu passen schien, ausge­stattet. Auf dem Stubenboden vergnügt

sich ein kleines blondlockiges Kind, Zeit­ungen und andere Papiere in kleine Stück­chen zu zerreißen und den Boden damit zu bestreuen, eine Beschäftigung, die zu­weilen mit lauten Jubelrufen begleitet wird. Von Zeit zu Zeit wendet sich die Mutter nach ihrem Kind um, und wenn ihre Augen auf dem kleinen Liebling ruhen, so er­strahlen sie im reinen Glanz der Mutter­liebe und des Mutterstolzes. Gleich wieder aber nehmen dieselben den starren und finsteren Ausdruck an und hängen wie suchend am fernen Gesichtskreis, und die Gedanken nehmen den unterbrochenen Gang wieder auf.

Etwas Angenehmes kann es indes nicht sein, was das unglückliche Weib be­schäftigt. Auf ihrem Gesicht spiegelt sich ein innerer Kampf, das Ringen einer Seele, die sich den Fügungen eines harten Ge­schicks nicht beugen will, die sich in ohn­mächtigem Groll dagegen aufbäumt und in vergeblichem Kampf gegen Geschehenes sich verbittert und aufreibt.

Ihre Gedanken weilen im fernen, ver­lornen Elternhaus. Von einem herrlichen Garten umgeben, lag dort in der schönen süddeutschen Stadt im Angesicht der majestätischen Alpen die prächtige Villa des Obersten v. Silfheim. Allabendlich öffnete sie sich gastlich einem großen Kreis guter Freunde und Bekannten; glänzende Bälle und berühmte Prunkmahlzeiten er­regten in der Gesellschaft stets Aufsehen und umgaben den Namen des Obersten mit dem Glanz unermeßlichen Reichtums. Die Perle dieses Hauses war aber die einzige Tochter Klara, die, mit Schönheit, Anmut, Liebenswürdigkeit und namentlich einem bedeutenden Vermögen begabt, stets von einem Kreis begeisterter Verehrer um­geben war. An Stelle ihrer seit 4 Jahren verstorbenen Mutter hat sie stets bei den häuslichen Festlichkeiten den zahlreichen Gästen gegenüber die Stelle der Frau des Hauses zu vertreten, eine Pflicht, der sie mit ebensoviel Takt als Liebenswürdigkeit nachkam.

Sie war 20 Jahre alt. Ihr Vater drängte sie, sie solle sich für einen ihrer Verehrer entscheiden. Ihre Wahl war auf Eberhard Andernach gefallen. Sie war entzückt von der hohen, ritterlichen Lohen­grinsgestalt, dem edlen, männlichen Ge­sicht, das neben einem gewissen sinnenden Ausdruck den Stempel der Thatkraft und Charakterfestigkeit trug; sie schwärmte für die flammenden blauen Augen, die ihr in heißer Liebe tief und klar wie ein Alpen­see entgegenstrahlten. Der Oberst hatte gegen diese Wahl nichts einzuwenden; der junge Mann hatte ihm stets gefallen, und als Besitzer und Leiter einer bedeutenden Fabrik war er durchaus nicht zu verachten, wenn er auch, wie.andere Bewerber, keinen adeligen Namen auf die Wagschale legen konnte. So wurde denn die Verlobung durch ein glänzendes Fest gefeiert, und das in Schönheit und Jugend strahlende Brautpaar wurde von allen bewundert. Wie waren beide so glücklich! Wie ein