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potenzierten Vanterbilt. einem gottweiß- wievielfachen Millionär. Er hat es nicht gewollt, er hat niemals daran gedacht, er hat als Mensch wie als Gelehrter sich geradezu großartig benommen. Daß die Nation, das ganze deutsche Volk, es sich selbst schuldig ist, dem bescheidenen Ge­lehrten ein Zeichen der Anerkennung zu spenden, versteht sich von selbst, und daß das auf dem Wege der Gewährung einer Dotation zu geschehen hat, liegt auf der Hand. Wir sind nicht reich genug, Koch das zn geben, was er gewonnen hätte, wenn er sein Mittel ausgebeutet haben würde: Milliarden, aber wir können ihm so viel als Nationalgeschenk gewähren, daß er fortan ohne jede Rücksicht auf Ein­kommen und Erwerb sein Leben ganz der wissenschaftlichen Forschung weihen und und dabei mit Ruhe der Zukunft der Seinigen gedenken kann. Der Reichstag ist die Stelle, welche diese Verleihung be­wirken wird, und daß sie erfolgt, daran ist nicht zu zweifeln. Daß der Kaiser es sich nicht nehmen lassen wird, dem Mann, der stelle sich die Wirkung seiner Ent­deckung für die Heilung der Tuberkulose auch wirklich ungünstiger, als man im ersten Ueberschwung der Begeisterung an­nimmt durch seine Forschungen jeden­falls für die Erleichterung der Diagnose der Schwindsucht bereits Außerordentliches geleistet hat und dadurch ein Wohlthäter der Menschheit und ein Mehrer der deut­schen Wissenschaft geworden ist. ein Zeichen der Anerkennung und Dankbarkeit zu ge­währen, ist gewiß. Doch glaube ich nicht, daß die Versetzung in den Adelstand be­absichtigt wird, wie dies einige Blätter melden. Kochs Verdienste liegen nicht auf diesem Felde und eine solche Belohnung wäre nicht in dis Imo, wie der Eng­länder zu sagen pflegt. Die Versetzung in den Adelstand hat für Offiziere und Beamte, für Personen, die mit dem Hof­dienst zu thun haben u. s. w., etwas Lockendes, weil sie ihnen in ihrer Stellung Annehmlichkeiten verspricht oder ihnen Förderung für die Zukunft in Aussicht stellt. Für einen Gelehrten wie Koch ist die Versetzung in den Adelstand etwas seinen Verhältnissen nicht Entsprechendes, etwas ihm Fremdes.

Die Koch'sche Lymphe ist, wie be­greiflich, das Ziel der Sehnsucht aller Kranken und Aerzte und der Andrang das­selbe zu erhalten, ein fast unglaublicher. Das geht schon daraus hervor, daß, als die Kaiserin-für ein Armenspital durch den Unterrichtsminister Dr. von Goßlec um eine Flasche Lymphe ersuchen ließ, dieser sie erst nach langen Bemühungen erhalten konnte. Ein italienischer Arzt bot 5000 Francs für ein Fläschchen voll Lymphe, ohne seinen Wunsch erfüllt zu sehen. Aehnliche Gebote sind noch mehr­fach gemacht, ohne daß sie Erfolg hatten. So wird es auch für die nächste Zeit bleiben. Das Mittel wird bei dem Mangel an ausreichenden Mengen zunächst nur für wissenschaftliche Zwecke behufs Feststellung gesicherter Resultate an Kliniken und Hospitäler abgegeben werden. Daß zu den Krankenanstalten, die bei der jüngsten Versendung der Lymphe berücksichtigt wur­den. auch Görbersdorf gehörte, kann uns, nachdem dieselbe bereits nach Meran

und Davos abgeschickt war, nur zur Ge­nugtuung gereichen.

Berlin, 22. Nov. DerNorddeut­schen" zufolge haben sich die deutsche und französische Regierung durch Vertrag da­hin geeinigt, daß Deutschland das franzö­sische Protektorat über Madagaskar aner­kennt, Frankreich dagegen die deutsche Oberhoheit über das vom Sultan von Sansibar abgetretene Gebiet. Die Ver­handlungen wurden bei der hiesigen fran­zösischen Botschaft geführt und sind soeben abgeschlossen morden.

Berlin, 22. Nov. Der Bundesrat nahm heute den Gesetzentwurf betreffend die Besteuerung des Zuckers an.

Dem Bundesrate sind Vorschläge zu einer Verordnung zugegangen, welche die Jnvaliditäts- und Altersversicherungs­pflicht der Wäscherinnen, Schneiderinnen, Näherinnen, die von Haus zu Haus ar­beiten, festsetzt, sowie über die Befreiung vorübergehender Beschäftigungen von der Bersicherungspflicht Bestimmung trifft.

Hamburg, 22. Nov. Der dritte Reichspostdampfer für die Ostafrikalinie ist heute vom Stapel gelaufen. Frau von der Heiydt-Elberfeld taufte üas Schiff auf den NamenKanzler."

A us F ü n fk irch e n , 21. Nov. wird gemeldet: Die Influenza breitet sich immer mehr aus, und vielfältig folgt ihr der Typhus. In der Schule fehlt die Hälfte der Zöglinge. Die Seuche tritt viel heftiger auf, als im vorigen Jahre.

Zur Abhilfe der Klage der Kleinbrenner

hat die großh. badische Regierung beim Bundesrate jüngst einen Gesetzesentwurf eingebracht, welcher bezweckt:

1. Die Befreiung von der Ver­brauchsabgabe (50 Pf. für das Liter reinen Alkohols) des Branntweins in einer Jahresmenge von nicht mehr als 10 Liter reinen Alkohols, welcher als Haustrunk ans selbst gewonnenen Wein- und Obst­rückständen in einfachen Brennvorichtungen mit unmittelbarer Feuerung hergestellt wird. Ein Ablassen des Haustrunks an nicht zum Haushalte des Brenners ge­hörige Personen gegen Entgelt ist aber untersagt.

2. EineErmäßigungderBrannt- weinmaterialsteuer

a) vom Hektoliter Treber aus Kern­obst von 0,45 v/6 auf 0,25

b) vom Hektoliter Kernobst und ein­gestampfte Weintreber von 0,45 vkL auf 0,35

3. Herabsetzung des Zuschlags zur Verbrauchsabgabe für Brenner­eien, welche auf Antrag von der Brannt­weinmaterialsteuer freizulassen sind und nicht mehr als 1 Hektoliter reinen Alkohols in einem Jahre erzeugen, von 0,20 auf 0,16 o/A für das Liter reinen Alkohols.

Wir zweifeln nicht daran, daß unsere Landesregierung dieses verdienstliche Vor­gehen unseres Nachbarstaates beim Bundes­rate kräftigst unterstützen werde, und sind überzeugt, daß im Falle der Genehmigung dieser Anträge durch den Reichstag die auch bei uns anläßlich der letzten Reichs­und Landtagswahlen so häufig aufge­tretenen Klagen unserer Klcinbrenner über das Reichsgesetz betreffend die Besteuerung

des Branntweines vom 24. Juni 1887 verstummen werden. (W. V. Ztg.)

Württemberg.

Stuttgart, 24. Nov. Die be­kannten Vorkommnisse im Kasino des hies. Ulanenregiments, welche demBeobachter" bereits Anlaß zu solch grandiosen Ueber- treibungcn bezw. Unwahrheiten gegeben haben, daß er sich ihretwegen vor dem Strafrichter zu verantworten hat, erfahren wir nunmehr auch in einer, von einem Stuttgarter findigenBuchhändler" ver­legten Broschüre eine Besprechung, aller­dings in einer Form, durch die wieder einmal der Beweis geliefert wird, daß es bei dem löblichen Bestreben,sittliche Ent­rüstung" in klingende Münze umzuwandeln, nicht allein auf den guten Willen, sondern auch darauf ankommt, daß man die Sache nicht gar zu ungeschickt angreift und seine wahren Absichten einigermaßen wenigstens zu bemänteln versteht. Selten wohl dürfte ein Machwerk von minimalerem Werte in die Oeffentlichkeit gedrungen sein, als ge­rade das in Rede stehende, mit einem alten Kalender-Holzschnittillustrierte" Schriftchen, welches den pikanten Titel führt:Derleichte Ball und seine Folgen", und gegenwärtig hier und im ganzen Lande massenhaft durch Colporteure zur Verbreitung gelangt. Die Schilderung, albern in der Form und zum Erbarmen mangelhaft in der Sprache, ist eine der­artige, daß auch dem leichtgläubigsten Leser bedenkliche Zweifel hinsichtlich der Wahr­heit derselben aufsteigen müssen, umsomehr als er sich bei einigem Nachdenken sagen muß, daß ein Autor von soch' publizistischer Qualifikation wohl schwerlich in der Lage sein dürfte, diesbezügliche zuverlässige Mit­teilungen zu machen, daß ihm vor allen Dingen aber zum Moralprediger ganz und gar das Zeug fehlt. Wie sehr Ver­fasser und Verleger von dem Ernste ihrer Mission durchdrungen sind. erhellt am besten aus dem Umstande, daß die letzten vier Seiten der Broschüre Knittelverse enthalten, die auch nicht in der geringsten Beziehung zu dem behandelten Thema stehen und lediglich zum Ausfällen gedient haben. Wir sind keine Spielverderber und gnnen Jedermann einen ehrlichen Verdienst, auch den Colportagebuchhändlern, aber wir halten er für eine Pflicht der anständigen Presse, einer solch' dreisten Spekulation auf die Nickel des Publikums mit Nach­druck entgegenzutreten.

Dem Schw. M. geht von zuverlässiger Seite die Mitteilung zu, daß am Freitag bei Med.Rat Dr. v. Burkhardt eine kleinere Sendung Koch'scher Impfstoff aus Berlin eingetroffen ist. Mit den Impf­ungen, welche sich aber vorerst noch auf die Kranken im Katharinenhospital be­schränken müssen, soll am Montag be­gonnen werden.

Ulm, 23. Nov. Katholikentag. Die heutige Vorvcrsammlung des württ. Katholikentags war trotz Sturm und Regen von Katholiken aus Ulm und Um­gebung sehr zahlreich besucht. Die Tuch­halle war mit 2000 Personen überfüllt, sehr viele konnten keinen Platz mehr finden und mußten wieder umkehren. Das Ver­sammlungslokal war mit den Büsten des Kaisers, des Papstes, des Königs und des