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die Spitzeder wohlverwahrt an ihrem Körper trug, außerdem wurden auch ihre Sachen, sowie die ihrer Gesellschafterin be­schlagnahmt und bei den schweizerischen Behörden einstweilen hinterlegt. Von dem Vorgefundenen Gelde wurden der Spitzeder 100 Francs zur Bestreitung der notwendig­sten Bedürfnisse gelassen.

Der

neue amerikanische Zolltarif.

Die Grundsätze, nach welchen die Ab­änderung der bisherigen Tarife erfolgte, lassen sich in drei Punkte zusammenfassen. Zuerst war man bestrebt, die Zollsätze auf Manufakturwaren gründlich zu erhöhen, sodann die Tarife auf Rohstoffe, die in den Vereinigten Staaten nicht in hin­reichender Menge erzeugt werden, teils herabzusetzen, teils unverändert zu lassen, und drittens für eine größere Anzahl von eingeführten Gütern den Wertzoll durch den Gewichtszoll zu ersetzen. Eine Aus­nahme von dieser Regel, wonach Roh­materialien möglichst zollfrei Eingang finden sollen, machen Rohwolle und landwirt-^ schaftliche Erzeugnisse, die auf Drängen der Wollzüchter und westlichen Farmer, mit einem erheblichen Zoll belegt wurden. Ueberhaupt suchte man das Tarifgesetz so! einzurichten, daß alle bedeutenderen Er­werbsklassen aus demselben einen Vorteil wenn auch nur einen scheinbaren ziehen konnten. Das Tarifgesetz ist in 14 Kapitel und 447 Paragraphen eingeteilt und ent­hält einige Tausend verschiedene Waren­artikel, welche dem Einfuhrzoll unterworfen sind. In Chemikalien, Thon- und Glas­waren, in Hölzern und Holzfabrikaten, so­wie in Baumwollwaren sind die Veränder­ungen wenig bedeutend, dagegen haben die Zölle für Metalle, Tabake, landwirtschaft­liche Erzeugnisse, namentlich aber für Roh­wolle und alle Arten von Wollgeweben durchweg beträchtlicheErhöhungen erfahren. Die in dem ersten Kapitel des Tarifs klassifizierten Chemikalien, Oele und Farben werden, wie bereits erwähnt, von Veränderungen nur unwesentlich betroffen. Dagegen erhöht der neue Tarif für Metalle und Metallwaren die Zoll­gebühren um beinahe die Hälfte. Bei Taschenmessern und Rasierklingen wird neben dem Wertzoll in Zukunft »och ein Gewichtszoll erhoben, was die thüringische Stahlindustrie schwer schädigen dürfte. Die Gebühren auf Bauholz sind um die Hälfte ermäßigt und die Einfuhr von Rohzucker freigegeben worden, während raffinierter Zucker mit 50 Cts. pro Pfund belastet wird. Im 6. Kapitel des Tarifs werden die eingeführten Tabaks­sorten behandelt, für die durchweg ein doppelt so hoher Zoll als früher bezahlt werden muß. Die empfindlichste Beein­trächtigung durch die Zollerhöhung erfährt aber die d eutsche Wollindustrie. Die Einfuhr von Geweben ist einmal dadurch erschwert,' daß der Zollsatz um ein gutes Drittel höher gegriffen wurde, außerdem noch durch die Beseitigung des bisher geltenden Wertzolles für verschiedeueManu- fakturwaren und Ersatz desselben durch feste, unveränderliche Gebühren. Man glaubt hiemit die Benachteiligung der Zoll­kasse durch Minderbewertung der einge­führten Waren durch die Händler bezw.

Fabrikanten verhindern zu können. In gleicher Weise ist gegen die Perlmutter- und Hutindustrie Europas vorgegangen worden, für welche die Zollsätze fast ver­doppelt worden sind.

Württemberg.

Stuttgart, 9. Okt. Se. Majestät der König wird am 16. d. M. mittelst Sonderzuges von Friedrichshafen sich nach Tübingen und von dort zu etwa 14 tägigem Aufenthalt nach Bebenhausen begeben. Se. Hoh. Prinz Hermann zu Sachsen- Weimar ist von Sr. Majestät nach Beben­hausen eingeladen worden und wird am 16. d. Mts., nachm. 3 Uhr in Tübingen eintreffen und alsbald nach Bebenhausen Weiterreisen. Ihre Maj. die Königin wird einige Tage nach der Abreise des Königs von Friedrichshafen direkt nach Stuttgart übersiedeln.

Nächsten Mittwoch tritt in Stuttgart die zur Beratung des Verwaltungsreform­entwurfs von der Kammer der Abgeord­neten eigens gewählte Kommission zu­sammen. Von dem raschen oder lang­samen Fortschreiten der Arbeiten dieser Kommission, welcher bekanntlich auch mehrere volksparteiliche Abgeordnete ange­hören, wird es abhängen, wenn der Landtag einberufen werden wird. Möglicherweise wird diese Einberufung erst im Januar erfolgen. Die Stimmen für die unver­änderte Annahme der Verwaltungsreform mehren sich stetig. Die Beiziehung von Höchstbesteuerten zu den Budgetberatungen in neunzig Gemeinden des Landes findet zwar auch bei den Anhängern der Ver­waltungsreform teilweise Bedenken. Letztere werden sich aber beseitigen lassen, da gegen­über der erweiterten Selbstständigkeit der Gemeinden in den wenigen neunzig Aus- nahmsfällen eine Fürsorge dafür getroffen werden muß, daß nicht auf Kosten der Höchstbesteuerten, Einrichtungen zu Gunsten aller Gemeindemitglieder aus der Gemeinde­kasse bestritten werden. Ist es doch vor- gekommsn, daß ein Gemeinderat beschloß, die Hagelversicherung für alle Gemeinde- Mitglieder aus der Gemeindekasse zu be­streiten und die größere Hälfte dieser Versicherungskosten hatte der Staat als Waldbesitzer zu tragen! In einer andern Gemeinde wurde beschlossen, jedem Ein­wohner eine Wasserleitung in Küche und Stall auf Gemeindekosten herzustellen. Ein Großgrundbesitzer in jener Gemeinde hatte aber allein den dritten Teil jener Gesamt­kosten aufzubringen. Solche Vorkommnisse sind ein wahrer Hohn auf die Gerechtig­keit, und ihnen muß ein Riegel vorge­schoben werden.

Von der Firma Vetter in Stuttgart, Hospitalstraße, werden z. Z. für die türk­ische Regierung 20 000 blecherne Patronen­büchsen hergestellt.

Ausland.

Die Franzosen machen wieder ein­mal stark in Spionenriecherei, weil in Nancy ein ehemaliger französischer Offizier wegen Verkaufs französischer Festungspläne an auswärtige Regierungen verhaftet wurde. Einige Pariser Blätter verlangen die Ausweisung aller Deutschen aus Frank­reich, weil diese Berichte über die Fran­zosen nach Deutschland schreiben könnten. Als ob nicht die betreffenden Pariser

Blätter selbst tagtäglich die eingehendsten Stimmungsberichte veröffentlichten! Mehreren panslavistischen Blättern Ruß­lands bereitete der Freundschaftsbesuch unseres Kaisers bei Kaiser Franz Joseph schweren Aerger. Sie verlangten in ihrem Grimme den sofortigen Abschluß eines russisch - französischen Bündnisses. Was diesen Russen alles einfällt! Unser Kaiser müßte nach ihrer Meinung immer zuerst in Rußland um Erlaubnis anfragen, ob er einen fremden Besuch empfangen oder einen befreundeten Monarchen selbst be­suchen darf.

Forenz, 9. Okt. An dem Bankett zu Ehren des Ministerpräsidenten Crispi beteiligten sich etwa 360 Senatoren, Ab­geordnete und andere angesehene Leute. Crispi warnte in einer längeren Rede vor dem das Volk schwer schädigenden Jrredentismus, welcher den Nationalitäts­grundsatz übertreibe. Die Jrredentisten förderten die Bestrebungen des Vaticans auf Sprengung des Dreibundes, wodurch dieser die Wiederherstellung eines katho­lischen Mächtebundes, und der westlichen Herrschaft erhoffe. Die Jrredentisten wünschten eine Vereinzelungspolitik, welche bei dem Berliner Kongreß Italien erst schwer geschädigt und dann auf das Bünd­nis mit Berlin und Wien hingewiesen, welches in den jüngsten drei Jahren zu einem aufrichtig freundschaftlichen gewor­den. Der Bestand Oesterreichs und Frank­reichs bilde für die Grenzen Italiens die Gewähr. Italien, zwischen beiden gelegen, könne nur beider Freund sein.

MiüMkn.

Ahnungen.

Kriminal-Novelle von Gerhard v. Arnim.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Dem Bauer trat der Angstschweiß auf die Stirn bei den Worten des Richters.

Ich habe nichtseinzugestehen," stöhnte er,aber ich kann durch Zeugen, die mich in New-Iork genau kennen gelernt haben, beweisen, daß ich niemals dort mit einer Frauensperson einen Verkehr gehabt habe, daß ich als Junggeselle von dort wegge­zogen bin und auch in meinem Heimats­orte Grummersdorf giebt es Leute genug, die in mir den Johann Brockert wieder- erkennen werden."

Es soll mir lieb sein, wenn Sie von dem Verdachte sich zu reinigen vermögen," sprach der Untersuchungsrichter ernst,so lange jedoch die Angelegenheit mit dem Messer nicht aufgeklärt ist kann ich schon im Interesse der Untersuchung Ihnen den freien Verkehr mit Ihren Mitmenschen nicht länger gestatten. Johann Brockert, Sie sind von diesem Augenblicke an Unter­suchungsgefangener und werden noch heute in Untersuchungshaft abgeführt werden. Polizeisergeant, nehmen Sie den Gefange­nen in Bewahr; ich mache Sie verantwort­lich für denselben."

Kommen Sie, Brockert," sagte jener zu dem Bauer, der wie geistesabwesend den Untersuchungsrichter anstarrte,seien Sie doch nicht so mutlos, wenn Sie un­schuldig sind, und folgen Sie mir. Viel­leicht ändert sich bald schon alles zum Guten," setzte er flüsternd hinzu.