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deren Annahme im Herbstlandtage sichert ist, wird die nötigen Wege allein ebnen, um Herrn Hegelmeier entweder zur Ord­nung zu bringen, oder vom Amte zu ent­fernen. Es ist in hohem Grade bedauer­lich, daß Herr Hegelmeier seine unbestreit­bar großen Fähigkeiten nicht zu etwas besserem anwendet, als zu forgesetztem Zank und Streit.

Stuttgart. 31. Juli. (Militär­isches.) Schon seit mehreren Wochen sieht man täglich auf den alten Schieß­platz an der Rotebühlstraße kleine oder größere Abteilungen Mannschaften der hiesigen Jnfanterieregimenter ziehen, die dort den Krieg im Frieden spielen, wenn letzterer Ausdruck für Vorbereitungen zum Krieg nicht ungeeignet ist. Unter Leitung kundiger Offiziere und Unteroffiziere lernen die Soldaten theoretisch und praktisch den Dienst in Ueberwindnng von Terrain­schwierigkeiten im Felde, in und von Be­festigungen. Von einem Tag zum andern entstehen und verschwinden Laufgräben, Erdwälle, Pallisaden, spanische Reiter, Flußübergänge, Berschanzungen, Zelte usw. Es ist ein lustiges Kriegerleben, dem sich da Offizier und Soldat ergeben. Die fröhlichen Gesichter der hierbei im Schatten arbeitenden und nicht übermäßig ange­strengten Marssöhne bekunden deren großes Interesse an ihren Vorrichtungen. Von früh bis spät sind sie von Stuttgarts goldener Jugend umlagert, die all' diesen Arbeiten mit großer Aufmerksamkeit folgt und sie in ihrer Art und Fähigkeit da und dort nachzuahmen sucht. Aber auch mancher ältere Mann betrachtet sinnend die hier sich entfaltende Thätigkeit und kann sich überzeugen, wie vielseitig gegen­wärtig die Anforderung an einen tüchtig ausgebildeten Soldaten sind. ^S. C.-B.)

Ludwigsburg, 31. Juli. Heute vormittag fand bei dem Ulanenregiment König Wilhelm Nr. 20 eine Probemobil­machung statt, die mit großer Ruhe und Schnelligkeit vor sich ging. Das gesamte Regiment trat um 8 Uhr auf dem Arsenal­platze an, Offiziere und Mannschaften in vollständig kriegsgemäßer Ausrüstung, die Pferde in seemäßiger Sattlung und Be- packung. Das Regiment rückte sodann samt Munitions-, Lebensmittel- und Pack­wagen zu einer mehrstündigen Uebung auf den Aldinger Exerzierplatz.

Stuttgart, 1. Aug. Zu dem am Sonntag den 3. August zur Ausführung kommenden Sonderzug über Calw nach Wildbad ist schon eine ziemliche Anzahl von Fahrkarten gelöst worden. Wenn das prächtige Wetter anhält, wird die Be­teiligung eine bedeutende werden.

S ch w e i z.

In Frauenfeld, dem Hauptorte des schweizerischen Kantons Thurgau, wird zur Zeit das eidgenössische Schützenfest gefeiert. An demselben haben sich auch viele Schützen aus Deutschland beteiligt und sind dieselben von den Schweizern sehr herzlich ausgenommen worden, wo­rüber sich die reichstreuen Schützen wieder­holt höchst anerkennend geäußert haben. Sicherlich wird darum auch das Frauen­felder Schützenfest, wie schon das 10. deutsche Bundesschießen in Berlin, das seinige zur Kräftigung der deutsch-schweizerischen Be­ziehungen beitragen.

Ausland.

Athen, 1. August. Die Kaiserin Friedrich ist gestern hier eingetroffen. König Georgios empfing dieselbe amPiräus. Die Kaiserin bleibt bei ihrer Tochter, der Kronprinzessin Sophie.

Petersburg, 31. Juli. Nach einem neuen Erlaß dürfen die Juden bloß noch in Städten wohnen, kein Jude in Rußland darf Land besitzen oder bewirt­schaften. Selbst in den Städten dürfen Juden nur in 16 Gubernien wohnen, müssen also Handelsstädte wie Riga und Libau verlassen. Viele Hundert kleinere Städte wurden den Landdistrikten zuge­zählt. von denen die Juden ausgeschlossen sind. Kein Jude darf künftig eine höhere Schule in Rußland besuchen. Die fremden Missionare werden aus Rußland ausge­wiesen, weil die Bekehrung der Juden ausschließliches Recht der orthodoxen Kirche sei.

Washington, 30. Präsident Harrison übermittelte dem Kongreß eine Botschaft, in welcher er beantragt, ein Ge­setz zu erlassen, wodurch alle Lotterie- Unternehmungen von der Benutzung der Post ausgeschlossen werden.

Mizellen.

Aer SchwanenriLter.

Roman von E. von Martine;.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.,

Achtes Kapitel.

Wie Lilli nach Hause gekommen, wußte sie nicht. Alsenhorn führte sie in ihr Gemach und sagte:

Nun hast Du es selbst gesehen und gehört, wen dieser saubere Herr Graf liebt. Mit Dir hat er nur sein Spiel getrieben, meine Tochter aber wird er heiraten, dazu werde ich ihn nicht zu zwingen brauchen. Ein Graf aus altem Geschlecht mit stolzem Namen wird also Dein L-chwiegersohn, aber nicht Dein Liebhaber sein. Natürlich werde ich einen solchen Eidam mit offenen Armen empfangen, mein Haus wird auch das seine werden. Deine alberne Liebschaft will ich zu ver­gessen suchen. Ich hoffe, daß Du Dich mir dankbar dafür zeigen wirst."

Für Lilli war jedes seiner Worte ein Dolchstich, ober sie zuckte unter der namen­losen Qual nicht zusammen, sondern blieb aufrecht in der Mitte des Zimmers stehen und sah in das höhnische Gesicht ihres Gatten. Erst als er sie verlassen und sie sich allein wußte, brach ein schwerer Seufzer sich aus ihrer Brust Bahn. Ihr Körper war totmüde und ihre Glieder wie ge­schlagen und zerbrochen. Sie lehnte sich mit dem Rücken an den Tisch und sah durch das offene Fenster nach dem See und der Schwanenburg. Sie hörte das leise Geplätscher der Wellen, die an die Kieseln des Strandes schlugen, hörte das Schlagen der Nachtigallen unten im Garten. Trotz ihrer Seelenbetäubung entging nichts in dieser Leidensnacht ihren Sinnen. So in der gleichen Stellung fand sie auch der Morgen. Mit weit geöffneten, thränen- losen Augen sah sie auf den rotglühenden Lichtschimmer. Erschöpft an Geist und Körper war sie m ihrem reichen Gemache

einsam und allein, mit dem großen Schmerz in ihrem jungen Leben, ohne einen einzigen tröstlichen Gedanken, ohne inneren Halt und Stütze, nur das Rasen einer sturm­bewegten , steuerlosen Seele empfindend.

Ich werde noch wahnsinnig," mur­melte sie.Ich kann es nicht ertragen."

Als aber dann die Jungfer kam und das Frühstück brachte, sagte sie ganz ruhig und gelassen:Melden Sie dem Herrn, daß ich Kopfweh habe und nicht bei Tisch erscheinen werde. Volle acht Tage blieb sie allein in ihrem Gemache und zeigte sich gegen Alsenhorn gänzlich gleichgültig und teilnahmlos.

Am Abend des letzten Tages der Woche zog sie ein weißes, mit kostbaren Spitzen besetztes Morgenkleid an. Als die Nacht weiter vorrückte, schritt sie unruhig umher und lauschte mit angehaltenem Atem, bis alles still und stiller wurde. Bei jedem Glockenschlag fuhr sie schaudernd zusammen. Jetzt schlug vom Dome des Städtchens herüber die Mitternachtsstnnde. Sie zählte laut die zwölf Schläge.So," flüsterte sie,alles schläft, jetzt ist es auch Zeit für mich zu schlafen." Leise öffnete sie die Thür und schlich geräuschlos die Treppe hinunler, zog den Riegel der Hausthüre zurück und eilte durch den Garten der Schiffshütte zu. Rasch löste sie die goldene Schale von der Kette, sprang hinein, und stieß kräftig ab. Mit einem Ruck fuhr der leichte Kahn hinaus. Das dichte Ge­wölk, das kurz vorher noch den Mond verdeckte, hatte sich jetzt verzogen. Der See, welcher vor einer Stunde noch stürmisch wogte, lag nun still und tief­schwarz wie in Todesruhe da. Scharf zeichneten die dunklen Berge ihre spitzen Kante gegen den Horizont ab. In könig­licher Erhabenheit schienen sie bis in den Himmel hinan zu ragen, während der Felsen, auf dem die Schwanenburg stolz thronte, sich wie ein Gebilde von weißem Marmor aus dem Wasser erhob. Auf den von dem Ruderschlag sich gräuselnden Wellen glitzerte das 'Silberlicht des Mondes und die Sterne spiegelten ihre zauberhafte Feenpracht auf dem dunklen Wasser wieder. Lautlos glitt der leichte Kahn dahin, ge­rade der Richtung der Schwanenburg zu. Als sie schon ganz nahe war, legte sie die Ruder weg und strich sich mit der Hand einigemal über die Stirn. Ihre Gedanken kehrten plötzlich von dem eigenen Weh ab, sie sah sich unter dem Thor der Villa Alsenhorn, sah Emmerich die totähnliche Schwester eilig daher tragen.

O, mein Gott," stöhnte sie,Du weißt es, das übermächtig begehrende hungernde Herz nach Liebe allein war schuld, nicht ich, die Herzensarmut, das Sehnen nach Liebesglück war es. Da unten ist Ruhe, da unten ist Friede, tiefer heiliger Friede. Sie haben mich behandelt wie eine Puppe, wie eine Marionette zur Lust und Unterhaltung anderer."

Sie stand auf und breitete ihre Arme weit aus, das totenbleiche Gesicht mit dem glühenden Blick der trockenen Augen sah in vorwurfsvoller Qual zum Mond empor und als schmerzte sie das kalte Himmcls- licht, senkte sie den Kopf wieder hinab zu den dunklen Wellen.Wie sie kosend locken, wie sie mich schmeichelnd rufen,