MisMen.

Der SchwanenritLer.

Roman von E. von Martine;.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Mein Gott, wenn es Wahrheit wäre, wenn dieser Graf eine Liebschaft mit diesem Weibe hätte, es wäre schrecklich für Elsbeth, ich kenne das Mädchen, solch ein Goldherz! Warum aber auch ist Annette so thöricht sie fortzuschicken. Vielleicht ist es nur die Langeweile bei dem adeligen Herrn, vielleicht nur eine vorübergehende Courmacherei. Auf alle Fälle soll sie heim, wenn der Graf zurück kommt, sieht er Elsbeth wieder, wird er jeden Gedanken

an eine andere aufgeben.

* *

Kolenbcrg war wieder nach Seewinkel gekommen und wohnte jetzt oben auf dem Schloß. Auch Alsenhorn mit Lilli war zurückgekehrt. Er sah mürrisch und ver­drossen, sie bleich und traurig aus. Die Farben auf ihren Wangen kamen aber zurück, als sie auf der Burg eine Flagge wehen sah. Der Dachstuhl war aufgesetzt, der Bau vollendet.

Er war also da. Ob er sie endlich befreien würde, er allein war ihre Hülfe, ihre Rettung. Bisher hatte sie alles ver­sucht, um dem verhaßten Gatten zu ent­rinnen. Es war ihr aber unmöglich ge­wesen. Ihre Eltern, an die sie sich wendete, halfen ihr nicht, Vater und Mutter waren taub für ihre Klagen, ja machten ihr noch dazu die heftigsten Vorwürfe, daß sie keine bessere Frau für den Mann sei, der ihr, dem armen Mädchen, ein so sorgenfreies Leben bereite.

Daß sie ihn nicht liebe, sei eine schwere Sünde, deren sie sich schämen sollte. Sie sei nun einmal seine Frau und dürfe Gott danken, daß sie es sei. An eine Scheidung zu denken wäre Unsinn, sie habe keinen Grund dazu, und sie hofften, daß Lilli ihnen die Schmach nicht anthue, daß ihr ehrenwerter Schwiegersohn Grund zu einer Scheidung finden könnte. Ihre Eltern halfen ihr also nicht die verhaßten Bande abzustreifen. Ihr Gatte hielt sie während der Reise wie eine Gefangene; er war nicht von ihrer Seite gewichen und bei Geschäftsangelegenheiten, die er in Paris und London besorgte, mußte sie zugegen sein. Manchmal dünkte ihr dieser fortwährende Zwang unerträglich, es war ihr als müsse sie ersticken, und die Frei­heit war ihr jetzt um jeden Preis das höchste, selbst der Tod schien ihr erwünscht, wenn er sie aus der Gefangenschaft erlöste, nur die Liebe zu Kolenberg hielt sie noch auf­recht. der Gedanke an ihn war ihr einziges Glück in ihrem Gemüt. Tag und Nacht war er ihr Trost und ihre Zuversicht. Bei ihm ist Rettung, bei ihm ist Ruhe und Friede, er wird mich von diesen un­erträglichen Qualen erlösen.

Die Begrüßung der Schwestern war förmlich und kalt.

Wenn Ihr mich wieder einsperrt," sagte Lilli zu Seraphine.so geschieht ein Unglück, Ihr beide, Du und Konstantin würdet es bereuen, ich lasse mich meiner persönlichen Freiheit nicht mehr berauben."

Sie wurde zwar nicht eingeschlossen, aber so scharf bewacht, daß es ihr unmög­

lich war einen Fuß aus dem Hause zu setzen, ohne daß Seraphine es nicht wußte. Die früher so gastliche Villa war jetzt still geworden. Sämtliche Besuche wurden abgewiesen. Die junge Frau hieß es, sei leidend und brauche Ruhe. Konstantin wollte seine Frau von ihrer Neigung durch die strengste Einsamkeit heilen.

Warum bleibst Du doch noch immer da," fragte Lilli die Schwester.

Ich hüte Dich."

Eine schöne Rolle fürwahr, glaubst Du nicht, daß Du Dich dadurch dem Grafen verächtlich machst."

Verächtlich, nein. Wenn er ein Mann von Ehre ist, sicherlich nicht, ich will Dich von Schmach und Unglück bewahren, weiter nichts."

Du willst Dich ihm aufdrängen, Du bist nicht meinet- sondern seinetwegen da, ich weiß es recht gut."

Und wenn es so wäre, was dann?"

Was dann? Du wartest umsonst, er wird Dich nie lieben, weil Du ihn auch nicht liebst; Dir ist es nur um die gute Partie, um den Reichtum und Titel zu thun, nicht um ihn selbst."

Woher weißt Du denn dies so genau?"

Weil ich Dich kenne, Du hast ein kaltes Herz, Du bist liebelos durch und durch."

Lilli ich will Dir etwas sagen, viel­leicht ist es zugleich heilsam für Dich. Höre denn, daß Du Dich diesmal in mir täuschest, glaube auch nicht, daß es Grau­samkeit gegen Dich war, die mich veran­laßt , Dich so streng zu bewachen, sondern Eifersucht, glühende wahnsinnige Eifersucht, denn ich liebe ihn, ja ich liebe ihn! Ich kann nicht leben ohne ihn, ich hasse das Weib, das mir seine Neigung nimmt, ich hasse Dich! Bisher habe ich immer gelacht, wenn ich von Liebe hörte, jetzt habe ich ihre allbezwingende Gewalt an mir selbst erfahren, ich bin plötzlich ganz anders geworden. all mein Denken, Wünschen, Träumen. Sehnen bezieht sich auf ihn."

Geh, Seraphine. und sag solch ein Märchen einem andern Menschen. nicht mir. Du liebst Dich selbst, nicht ihn. Wäre er plötzlich ohne Rang, ohne Geld, häßlich und verachtet von der Welt. Deine Liebe erlösche mit seinem Glanze. Er hält Deine Sinne gefangen, das ist alles, weiter nichts, geh, Du bist mir widerlich." * *

*

Onkel Adam hatte einen zweite» Brief von Maier erhalten, der ihm abermals zu bedenken gab

Was da," sagte er zu sich nach einer Weile,das dumme Weib die Annette ist an allem schuld, ich will thun, was das Vernünftigste ist. Elsbeth, rief er,ich muß einer landwirtschaftlichen Maschine wegen nach Nürnberg, mache Dich reise­fertig , Du sollst nicht allein hier sitzen, wenn ich nicht da bin, ich bringe Dich nach Seewinkel und hole Dich auf der Heimreise wieder ab.

Gut, Onkel, wie Du willst, Du kannst Dir denken, wie gerne ich Dir folge. Aus eigenem Antrieb hätte ich es nicht gewagt die Mutter zu bitten, heimkommen zu dürfen. Glaubst Du, daß Kolenberg in Seewinkel ist? Hart ist es, wenn

man nicht einmal weiß, wo der Geliebte weilt, aber diese Prüfung wird vorüber gehen und die Mutter glücklich sein, mich wieder zu sehen."

Als Annette so unerwartet ihre Tochter sah, schrack sie zusammen, schloß sie aber schon im nächsten Moment zärtlich in ihre Arme.

Sei nicht böse," bat Elsbeth,daß ich kam, Onkel Adam wird mich schon in einigen Tagen wieder abholen. Ist Emmerich hier?"

Ja, mein Kind, aber er wird sein Wort halten und Dich nicht aufsuchen. So sehr ich mich auch freue. Dich zu sehen, beinahe wäre es mir lieber gewesen, Du wärest nicht gekommen."

Es dauert ja nicht lange und o, wie schön, wie schön ist die Burg! Wie eine Königin erhebt sie sich auf dem Felsen."

Annette lächelte:Ich sehe es an Deinem sehnsüchtigen Blick, Du möchtest hinaus und die Burg auch von der andern Seite betrachten, ich habe keinen Grund. Dir diesen Wunsch nicht zu erlauben, geh mein Liebling, kehre aber bald wieder zurück."

Der Abend war schon ziemlich weit vorgeschritten, als Elsbeth den Garten ihrer Mutter verließ, aber statt den Berg zu umgehen um auf die andere Seite zu gelangen, bog sie einen Weg ein, welcher in die Anlagen führte. Es war für sie ein tröstliches Gefühl denselben Weg zu gehen, den sie so oft mit Emmerich ge­gangen war. Sie stieg eine Weile auf­wärts ; bei einer Stelle, wo sich die Wege kreuzten, war ein Ruhebänkchen angebracht. Elsbeth setzte sich. Jetzt erst empfand sie, wie schwer die Trennung für sie war.

(Fortsetzung folgt.)

Etwas über das Grüßen.

(Nachdruck verboten.)

Schon die Tiere höherer Gattung Verhalten sich nicht gleichgültig, wenn sie ihresgleichen be­gegnen. Es findet gleichsam eine Begrüßung einfachster Art zwischen ihnen statt, die sich auf die verschiedenste Weise äußert z. B. durch Beriechen, Belecken, durch Töne rc. Fragen wir uns nach dem Grunde dieser Begrüßung, so müssen wir sagen, es ist bei ihnen ein Gefühl der Befriedi­gung, der Freude, ein Individuum ihrer Gattung zu erblicken. Ganz dasselbe ist in erster Linie der Grund des Grußes bei den Menschen, doch kommt als zweiter und hauptsächlichster noch der hinzu, daß man dem andern seine Hochachtung beweisen, ihm eine Ehre anthun will.

Bei den Völkern niedrigster Kultur ist die Begrüßung höchst primitiv und erinnert ungemein an diejenige der Tiere. So begrüßen sich manche Naturvölker z. B. durch Blasen in die Hand und in die Ohren, durch Reiben der Arme, Beine, des Kopfes oder Nasen, durch Klatschen in die vorgehaltenen flachen Hände, durch Spucken in die Hände rc.

Bei Völkern einiger Kultur herrschen bereits verwickeltere Begrüßungsarten, die unzweifelhaft höher stehen als die vorhin genannten. Aus den Palau-Jnseln fragen sich die Begegnenden:Wer bist du?" Nach erhaltener Antwort fragen sie dann nach Neuigkeiten. In Polynesien begrüßt man Fremde durch gesangartig im Chore recitierte Verse. Kriegerische Völker führen wohl eine Art Kricgstanz oder Scheingefecht gegen die zu Begrüßenden aus. Höchst umständlich sind die Begrüßungsceremonien bei den Chinesen. Es gehört dabei zum guten Ton, den andern mit den ehrenvollsten, sich selbst mit den herabwür­digsten Ausdrücken zu bezeichnen. Sogar bei den untersten Ständen ist große Höflichkeit all­gemein üblich. Im Morgenland waren und sind noch heute Verbeugungen die Begrüßungen Niederer gegen Höhere. Doch geht die Verbeu­gung so weit, daß man sich dabei auf den Boden