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haben, sind Allerhöchstdieselben schmerzlich berührt worden. Se. Mas. haben sofort den Hinterbliebenen Allerhöchstihre wärmste Teilnahme auszusprechen geruht.
Stuttgart, 17. Mai. Aus Ulm wird uns geschrieben: Heute wurde mit dem Versetzen der Kreuzblume auf dem Münsterturm begonnen. Nächsten Freitag wird der Schlußstein aufgesetzt. Dann ist der Hauptturm des Ulmer Münsters in seinem Steinbau fertig, 161 Mtr. hoch.
Am 10. August und die folgenden Tagen wird in Gmünd das Landesturnfest abgehalten, zu dem die Vorbereitungen eifrig betrieben werden. Das Ehrenpräsidium bei demselben hat auf Ersuchen der Gmünder Turnerschaft Oberbürgermeister Untersee übernommen. Letzten Sonntag war Kreisturntag am Festort, bei welchem dos Festprogramm festgesetzt wurde. Als Festplatz wurde der Wirtschaftsgarteu Hauber nächst dem Bahnhof gewählt.
S ch w e i z.
Bern, 17. Mai. Dem schweizerischen Gesandten in Berlin gegenüber hat Deutschland seine Geneigtheit zu Unterhandlungen über den Niederlassungsvertrag ausgesprochen.
Ausland.
London, 16. Mai. Prinz und Prinzessin Heinrich von Preußen sind heute vormittag hier eingetroffen. Sie führen nach dem Buckingham Palast und begeben sich später zum Besuche der Königin nach Windsor.
London, 17. Mai. Die „Times" meldet, Kaiser Wilhelm werde den Zaren in Moskau besuchen. Auch der König von Dänemark sei dorthin eingeladen.
Die vielverbreitete Fabel, Deutschland habe im Jahre 1888 England peremptorisch zu einem Schutz- und Trutzbündnisse und zum Eintritte in die Tripel- Allianz aufgefordert, ist dieser Tage von Lord Salisbury im englischen Oberhause in aller Form als vollständig erfunden bezeichnet worden. Der englische Premier fügte die erfreuliche Versicherung hinzu, daß zwischen Deutschland und England keinerlei Entfremdung je vorgekommen sei, die gegenseitigen Beziehungen beider Länder seien vielmehr stets sehr herzliche gewesen.
Rom, 17. Mai. Gerüchtweise verlautet. daß Italien zum deutschen Flottenmanöver ein größeres Geschwader von Panzerschiffen entsenden wird.
Marseille, 17. Mai. Auf dem der Kompagnie Transatlantique gehörigen Dampfer „Ville de Tangre" explodierte während der Abladearbeiten der Dampfkessel. Das Schiffsdeck wurde vollständig zerstört, bisher wurden 4 Tote und 12 Verwundete gemeldet.
Sa n si b ar , 17. Mai. Major Wiß- mann besetzte am 11. d. M. Mikin- dani ohne Kampf. In der Umgegend von Lindi fanden kleinere siegreiche Gefechte gegen die Anführer der Araber statt, welche inzwischen ihre Unterwerfung angekündigt haben.
Miszellen.
Eine
WfingsterzäHtung aus Antwerpen.
Bon G. Struder.
(Nachdruck verboten.)
-Schluß.)
Pauline legte zärtlich die Hand auf die Schulter des mächtig erregten Bruders und sagte in leise bebendem Tone:
„Ich wollte Dir mit meinen Worten nicht wehe thun, lieber Oskar, ganz gewiß nicht, und noch viel weniger wollte ich Dir deshalb Vorwürfe machen, weil Dir ein Versehen zugestoßen ist, was selbst bei dem aufmerksamsten Menschen hätte Vorkommen können. Ich glaube, allein das Pfingstfest trägt die Schuld daran, daß ich so kleinmütig und darniedergedrückt bin, wie noch nie in meinem Lebe» zuvor. Die heitere lachende Natur, die überall Glück und Wohlstand verratende Umgebung, die fröhlicher Menschen ringsum und demgegenüber wir Beide, arm und von Allen verlassen in der trostlosesten Lage, das ist ein Kontrast, der mit einem Male mein Gemüt mit einer Wucht ergriffen hat, daß ich blutige Thränen hätte weinen mögen. Aber ich will versuchen weniger schwermütig zu sein, und vielleicht wird es mir gelingen, auch Dich etwas aufzuheitern. Siehe, dort hinten legt ein großes Schiff an das Ufer au. Laß uns dorthin gehen, Oskar; der Anblick der Reisenden, die gewiß aus weiten und fernen Ländern kommen, wird uns Beide hoffentlich auf andere Gedanken bringen."
Während die Geschwister in der Richtung nach dem Schiffe dahinschritten, bemerkte Oskar mit erzwungenem Lächeln:
„Erinnerst Du Dich noch des Pfingstfestes, welches wir heute vor sechs Jahren zu Lebzeiten unserer Eltern feierten? Damals ging es sehr fröhlich her, obwohl eigentlich keine besondere Veranlassung zu einer außerordentlichen Freude vorlag. Denn wir waren an jenem Tage zum letzten Male mit meinem Freunde Karl Behrend zusammen."
„Weshalb kommst Du gerade jetzt auf jenes Fest zu sprechen?" frug Pauline, deren blasses Gesicht sich mit einer leichten Röte überzog, worauf ihr Bruder erwiderte:
„Einmal aus dem Grunde, weil damals derselbe Pfingsttag war wie heute, ebenso klar und prächtig, und sodann, weil ich eben daran dachte, was wohl aus meinem Freund Karl geworden sein mag? Ob er wohl noch leben wird? Er versprach. recht häufig zu schreiben, ließ aber seitdem kein Wort mehr von sich hören."
„Das hat er nicht versprochen," ent- gegnete Pauline eifrig, „im Gegenteil sagte er zu mir, er würde für uns ganz und gar verschollen bleiben, bis er ein vermögender Mann geworden wäre, dann aber wollte er selbst herüberkommen und mir persönlich hiervon Mitteilung machen."
„Ja, ich glaube, daß er damals ernstlich daran dachte, sich einmal um Deine Hand zu bewerben." meinte Oskar in bitterem Tone, „aber „aus den Augen, aus dem Sinn", heißt ein altes Sprichwort. Er hat vielleicht erreicht, was er wollte, und da waren die Kinder des
armen Buchhalters natürlich vergessen. Denken wir nicht mehr hieran, sondern betrachten wir uns das Schiff und seine Passagiere."
Sie waren inzwischen vor dem letzteren angelangt und standen nunmehr staunend vor dem gewaltigen Fahrzeuge. Es war der Dampfer Westerland der Red Star Linie, ein Schiff, welches alle anderen auf der Schelde befindlichen Dampfer an Größe bedeutend überragte: Bereits hatten die Matrosen den „Westerland" mit armdicken Tauen an das Ufer gefesselt sowie eine Brücke auf das letztere niedergelassen, über welche jetzt die ersten Passagiere hinüberschritten.
„Das Gesicht dieses Mannes kommt mir bekannt vor," sagte mit einem Male Pauline, indem sie auf einen stattlichen, etwa dreißigjährigen Herrn mit einem dunkelgebräunten und von einem mächtigen Barle umrahmten Gesichte hindeutete.
Der fremde Herr, den auch Oskar aufmerksam zu betrachten begonnen hatte, kam gleich darauf an den Geschwistern vorüber. Sein Blick fiel auf dieselben und plötzlich blieb er, anscheinend im höchsten Grade verwundert vor denselben stehen.
„Täusche ich mich auch nicht?" frug er leicht den Hut lüftend, wobei er Beide scharf fixierte. „Sind Sie vielleicht Herr Oskar Schwedler, und ist dies nicht Ihre Schwester Pauline?"
„Allerdings," stammelte Oskar im höchsten Grade betroffen, „aber woher kennen Sie uns und mit wem habe ich die Ehre?"
Der Fremde warf erst einen raschen und teilnehmenden Blick auf die ärmliche Kleidung der Geschwister, und dann trat er mit einem Male auf Oskar zu, umschlang ihn mit beiden Armen und küßte ihn herzlich auf den Mund.
„Aber Oskar alter Junge," rief er mit bewegter Stimme aus, „habe ich mich denn in den sechs Jahren meiner Abwesenheit so verändert, daß Du Deinen Freund Karl nicht mehr wiedererkennst? Und Sie, Fräulein Pauline, auch Sie haben mich in der kurzen Zeit total vergessen und wissen sich meiner nicht mehr zu erinnern? Ja, hätte ich das ahnen können, so wäre ich lieber drüben in Amerika geblieben, denn allein Ihretwegen kam ich hierher!"
Pauline wurde erst rot und dann schrecklich blaß bei dieser Anrede. Ihre Hand, welche sie in diejenige Behrends gelegt hatte, zitterte heftig, und dann senkte sie den Blick vor dem eleganten Aeußern des Jugendfreundes beschämt auf die eigene dürftige Kleidung.
Behrend hatte diesen Blick verstanden. Er ließ ihre Hand, welche sie aus der seinigen ziehen wollte, nicht los, sondern legte auch noch seine andere um dieselbe und schaute ihr dabei innig in's Auge. In eindringlichem Tone sagte er dann:
„Eine Frage müssen Sie mir vor allem erlauben, Pauline: Sind Sie noch nicht verlobt?"
„Warum fragen Sie hiernach?" stammelte sie, unfähig, seinen Blick zu erwidern.
„Warum?" erwiderte er lebhaft und zärtlich. „Weil ich in diesem Falle fragen