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Gesetzentwurf in Vorbereitung betreffend die Aufhebung des Septennats, also eine andere Feststellung des Umfangs der deutschen Heeresstärke im Frieden. Die Börsenz. erfährt, die Regierung werde das Sozialistengesetz nicht ablaufen lassen, ohne ein neues Schntzgesetz für die Gesellschaft mitzubringen.

Berlin, 29. April. Die konservative Fraktion beschloß, dem Sperrgeldgesetz zu­zustimmen, aber zugleich eine baldige Do­tation der evangelischen Kirche zu fordern.

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Berlin, 1. Mai. Der Reichsbank­präsident v. Dechend ist gestern abend an den Folgen einer Darm-Operation gestorben.

Wiesbaden, 30. April. Die ehe­malige Kaiserin von Frankreich, Eugenie, trifft heute Abend von Chislehurst über Köln zu einer Swöchentlichen Massagekur hier ein. Sie nimmt Wohnung im Rhein­hotel.

Von der Kundgebung des 1. Mai.

Berlin. Die Stadt ist ruhig, die Straßen bieten das gewöhnliche Bild, Ludwig Löwcs Fabrik ist vollständig in Betrieb, nur etwa 50 Arbeiter stehen aus. Eine nicht besonders zahlreiche Morgen- Versammlung von Feiernden wurde leicht durch einen Schutzmann zerstreut. In der Frister-Roßmann'schen Nähmaschinenfabrik arbeitet alles bis auf 5 Mann. InMetz, Wiesbaden, Münster in Westfalen, Straßburg i.Elsaß, Nürnberg, Kiel, Leipzig, Lübeck, Bremen, Köln, Breslau, Stuttgart, Pforzheim u. s. w. arbeitet alles. In Neunkirchen sind die Bergleute vollzählig angefahren. Ebenso ist im Dortmunder Revier von einer Arbeitsfeier nichts bemerkbar.

Dresden. Alles ist ruhig. Die Ver­sammlungen unter Bebel und Singer ver­liefen ruhig. In Chemnitz liegt Bericht aus 30 Fabriken vor; Alles arbeitet.

Wien, 1. Mai. Der Prater ist mili­tärisch besetzt, doch herrscht bis jetzt voll­ständige Ruhe. Aus Galizien, sowie aus dem Ostrauer Streikgebiet wird gleichfalls Ruhe gemeldet. In Troppau nnd Brünn arbeitet alles. In Proßnitz (Mähren) stürmten 4000 Arbeiter das Gefängnis, um die gestern Verhafteten zu befreien. In Pest fand eine A us sch rei tun g von Arbeitern statt. Bor der Walzmühle griff das Militär mit dem Bayonett an. Mehrere wurden verwundet. Die Walz­mühle arbeitet weiter.

Lüttich, 1. Mai. Ein Zug von 3000 Arbeitern Lüttichs und der Kohlengruben der Umgegend setzten sich vormittags unter Musik und Vorantragung von roten Fahnen in Bewegung, um den Behörden eine Petition zu Gunsten des achtstündigen Arbeitstages einzureichcn. Ueberall herrscht Ordnung.

Paris, 1. Mai. Die Zahl der Ver­hafteten übersteigt 100. Die Anarchisten widersetzten sich der Verhaftung mehrfach mit Revolvern und Dolchmessern. Biele reiche Israeliten forderten und erhielten Einquatierung. 80 000 Soldaten kampieren in Paris. Ein Aufruf der Antisemiten mahnt vor Beteiligung an der Kundgebung. Die Erbitterung der Arbeiter nimmt an­gesichts der Maßregeln zu. Der Minister

des Innern, Constans, teilte dem Korre­spondenten derTimes" mit, die Regier­ung werde nach der Kundgebung 5000 den öffentlichen Frieden gefährdende Ausländer ausweisen. Die Boulevards und andere Stadtteile sind ruhig, die Geschäfte offen. Bisjetzt ist keinerlei Ruhestörung bemerkbar.

Württemberg.

Seine Majestät der König habenden Bahnhofverwalter I. Kl., tit. Bahnhof­inspektor Borel in Wildbad wegen durch körperliches Leiden herbcigeführter Dienst­unfähigkeit seinem Ansuchen gemäß in den Ruhestand versetzt; ferner auf die erledigte Stelle eines Baninspektors in Mühlacker den tit. Bauinspektor Veigelc befördert.

Württemb. Landtag. Die Frage des Baues der Gürtelbahn von Untertürk­heim nach dem Hasenbcrg zur Entlastung des Stuttgarter Bahnhofs und einer kleinen Strecke der Hauptbahn hat ihre Erledig­ung im Sinne der Regierungsvorlage ge­funden, nachdem auf Grund der Bekämpf­ung des Antrags Göz durch den Minister­präsidenten dieser Antrag, welcher inG)er Hauptsache eine in einem viel größeren Kreise, nämlich von Tübingen bis Vaihingen a. E. gezogene Gürtelbahn wollte, mit 56 gegen 30 Stimmen abgelehm worden war. Dieser Linie, von welcher sich ihre An­hänger große Vorteile für den Verkehr besonders mit der Rheingegend versprechen, wies Minister v. Mitt nacht lediglich eine lokale Bedeutung zu. soll sie doch nicht einmal im Stande sein, mit der Linie Pforzheim-Jmmendingcn zu konkurrieren. Auf Antrag des Abg. v. Leibbrand gab der Ministerpräsident sodann einige Daten über den Schaden, welche die Eisen­katastrophe am 1. Okt. v. I. bei der Wild­parkstation verursacht hat. Derselbe wird sich voraussichtlich auf 250 000 bis 375 000 Mark beziffern (darunter 2470 Mk. für Geleise, 38 170 Mk. für Wagenmatcrial, der Rest für Entschädigungen auf Grund des Haftpflichtgesetzes, von denen 46 Fälle mit 27 823 Mk. bis jetzt erledigt sind, 31 Fälle noch der Erledigung harren.) Daß die schuldigen Beamten zum vollen Ersatz des Schadens angehalten werden könnten, meinten zwar einige Abgeordnete; daran ist aber, wie der Minister aus­führte, nicht zu denken, es könne sich nur um den Ersatz eines geringen Teiles des Schadens handeln.

Vom 13.. Juni bis 7. August findet bei den Truppenteilen des k. Armeekorps die Hebung ehemaliger Einjährig- Freiwilliger statt. Es werden zu jedem Jnfanterie-Regt. durchschnittlich 45, zur Kavallerie im Ganzen 9, zur Feldart. 5, zum Pion.-Bat. 2 und zum Trainbat. 3 Mann einberufeu werden.

Vom 1. Mai d. I. an werden unter den für den württemb.-badischen Verkehr geltenden Bestimmungen Rundreisckarten II. und III. Klasse auch für die nachver- zeichneten Strecken ausgegeben: Nr. 19 in Tübingen, Calw und Stuttgart für die Strecke: TübingenHorbCalwPforz­heimMühlacker-StuttgartPlochingen Tübingen, oder umgekehrt.

Stuttgart. Die hieß verschiedenen graphischen Vereinigungen, wie der Gutenbergverein" und dergraphische Klub" haben beschlossen, in diesem Jahre

zugleich mit demGutenbergfest" das 150Mr. Jubiläum der Erfindung der Buchdruckerkunst zu feiern. Das Fest soll am Samstag den 21. Juni statt­finden.

Stuttgart, 25. April. Herrn v. Münch ist die Mitgliedschaft des hiesigen Adelsklubs gekündigt worden, was ihn veranlaßt hat, mehrere Personen fordern zu lassen.

Ein Versuch des Reichstags-Abgeordn. Frhr. v. Münch, die Staatsanwaltschaft zur Klage-Erhebung gegen den Freiherrn v. Gültlin gen u. A. zu veranlassen, ist gescheitert und auch eine Beschwerde an die Oberstaatsanwaltschaft von dieser zurückgewiesen worden. Nun bleibt Hrn. v. Münch nur noch der Weg der Privat­klage offen und auch dieser würde sich als Holzweg" erweisen. Dagegen erfahren wir aus guter Quelle, daß die Wahl des Freiherrn v. Münch beim Reichstag selbst angefochten ist und zwar auf Grund der eigenen Geständnisse des Frhrn. v. Münch betreffs seiner Wahlauslagen für Unter­stützungen und Freibier. Man darf begierig sein, wie sich der neue Reichstag zu dieser Frage stellen wird. Am Ende wird gar die Wahl umgestoßen und dann giebt es für gewisse durstige Kehlen im 8. Wahlkreis vielleicht nochmals Freibier zu trinken.

Stuttgart. Bei Balzachi sind gestern prächtige Riesenkirschen aus Paris und Riesenerdbeeren aus Oberitalien ein­getroffen.

Heilbronn, 28. April. Freitag abend war eine hiesige Frau in der Wasch­küche beschäftigt, als ihr kleines Kmd zur Thüre hineinsprang und den mit heißem Wasser gefüllten Kübel umwarf; dabei wurde das Kind so stark verbrüht, daß es am Samstag abend bereits seinen Geist aufgab.

Friedrichshafen, 25. April. Im hiesigenSeeblatt" empfiehlt dasAlpen- rösle" ausgezeichnetePapst - Leo - Zi­garren."

Wieder ist ein kritischer Tag in Sicht. Von dem Erdbebentheoretiker R. Falb ist nämlich der nächste Sonntag, 4. Mai, als ein kritischer Tag zweiter Ordnung prophezeit worden.

Uebungen

der Mannschaften des Beurlaubtenstandes.

Nachdem die beiden Dragonerregimenter mit Lanzen ausgerüstet worden sind, wird es notwendig, daß die Reservisten, welche nicht bei den Ulanen gedient haben, mit der Lanze ausgebildet werden. Zu diesem Zweck werden zum Drag.-Regt. Königin Olga Nr. 25 vom 7. Mai bis 3 Juni 4 Unteroff., 42 Gemeine, vom 4. Juni bis 1. Juli 7 Unteroff., 45 Gemeine und vom 2. bis 29. Juli 4 Unteroff. 48 Ge­meine, beim 2. Dragonerregiment Nr. 26 vom 2. bis 29. Juli 15 Unteroff. 135 Gemeine aus den jüngsten Jahresklassen zur Einberufung gelangen. Nach Be­endigung der Herbstübungen finden beim Trainbataillon wie alljährlich Uebungen von T r a in Mannschaften der Reserve in 2 Uebungskompagnicn statt. Die erste Kompagnie übt vom 1. bis 16. Okt. und werden hierzu 11 Unteroff., 84 Mann aus den Landwehrbezirken der 27. Divis.