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kritischen Zeit den Frieden gehütet. Wir erinnern nur an die kretensische Frage. An dem Erfolg der Ausstellung hing der Ausgang der Wahlen, damit der Sieg der Republik und der der jetzigen Mehrheit und des Ministeriums. Für den Dank Frankreichs hat Deutschland nicht ge­arbeitet; aber die Thatsache sollte man anerkennen.

* AusBrasilien liegen augenblicklich keine weiteren Meldungen von Belang vor.

Miszellen.

Aer Mord Sei Marville.

Kriminal-Roman von Paul Labarribre.

Deutsch von Emil Neumann.

(Fortsetzung.)

Jean Trescou an die Gräfin von Vidione.

Marville, 10. Nov.

Teure Cousine!

Wie ich Ihnen bereits von hier aus gestern durch mein Telegramm mitteilte, ist der Zustand des Kranken ein sehr schlimmer, ohne jedoch hoffnungslos zu sein. Die Aerzte erklären, sich vor Ab­lauf von vierzehn Tagen nicht bestimmt darüber aussprechen zu können.

Unser armer Hektar wird fast ununter­brochen von heftigen Fieber-Phantasien gepeinigt. Alle Augenblicke wirft er sich hin und her im Bett, und stößt entsetz­liche Schreie aus. Seine Augen sind weit geöffnet, aber er sieht und erkennt Nie­mand.

Nur einmal, gestern abend, war er für kurze Zeit etwas ruhiger geworden. Ich hielt seine Hände in den weinigen, während seine Mutter ihm einen Eis- Umschlag auf die Stirn legte; ... da blickte er mich an, als wollte er mit mir sprechen. Er murmelte auch einige Worte, von denen ich aber nichts weiter verstehen konnte, als:Der Brief! . . . Der Brief!" . . . Dann verfiel er wieder in die gewöhnliche nervöse Erregung.

Wie Sie sehen, teure Freundin, teile ich Ihnen die volle Wahrheit mit, wie ich Ihnen dies versprach. Sollte unglück­licher Weise eine dringende Gefahr ein- treten, so werde ich Sie sofort davon be­nachrichtigen; das schwöre ich Ihnen!

Halten Sie nun auch das mir ge­gebene Versprechen: nur hierher kommen zu wollen, wenn ich Sie rufen sollte. Ich will Ihnen nicht noch einmal Alles wiederholen, was ich Ihnen vor meiner Abreise von Paris sagte, aber ich frage Sie: was könnten Sie hier thun? Welche Erleichterung würde Ihre Gegenwart unserm armen Kranken gewähren? Sie würden nur Ihren Ruf schädigen, auf dessen Makellosigkeit auch Derjenige ein Anrecht hat, dessen Gattin Sie einst wer­den sollen; und ich bin überzeugt, daß Hektor selbst, sobald er wieder hergestellt sein wird, Ihnen einen Vorwurf daraus machen würde, das beiderseitige Geheim­nis vorzeitig verraten zu haben.

Jedenfalls könnten Sie für Hektor jetzt nur eine Krankenpflegerin sein, und das würde seine Mutter nimmermehr zu­lassen, die ihre Stelle am Krankenbett unbedingt keiner Anderen abtreten wird.

Duldet sie mich doch kaum neben sich, so eifersüchtig ist sie auf die Liebe ihres Sohnes, für den sie sich selbst aufopfert; denn seit seiner Erkrankung hat sie kein Auge geschloffen. Ich begreife nicht, wie sie sich noch aufrecht erhalten kann. Ich, der ich meine gute Mutter schon in meiner frühesten Kindheit verlor, hätte nie geglaubt, welche Schätze von Liebe und Hingebung das Herz einer Mutter birgt.

Zuweilen, wenn ich sehe, wie Madame Lauziore unbeweglich am Bette ihres Sohnes sitzt, jeden seiner Atemzüge be­wachend, und bei all' ihrem Schmerz doch stets die vollste Ruhe bewahrt, dann füllen sich meine Augen unwillkürlich mit Thränen, und ich bin genötigt, mich ab­zuwenden, um diese zu verbergen.

Jetzt wissen Sie alles, liebe Freundin. Verlieren Sie den Mut und die Hoff­nung nicht! Ich werde Ihnen täglich schreiben, wären es auch nur einige Zeilen.

Ihr treu ergebener

Jean."

-t- -i-

*

Derselbe an Dieselbe.

Marville, 30. November.

Die letztvergangene Nacht war eine sehr unruhige. Eine furchtbare Krisis trat ein, glücklicher Weise die letzte, nach der Ansicht des Doktor Roquy. Ein ehrenwerter Mann, dieser Arzt. Er ist zwar ein wenig eitel und von sich ein­genommen, aber, meiner Treu, als er uns mitteilte, daß nun die größte Gefahr überstanden sei, da bin ich ihm um den Hals gefallen. Und dann haben wir Beide, Madame Lauziäre und ich uns die Hände gereicht und geweint wie zwei Kinder!

Reden Sie zu keinem Menschen da­von, sonst wäre ich, den meine Freunde für einen Mann halten, den nichts ergreift oder rührt, für immer verpönt! Ob­gleich mir das, Alles in Allem, auch wieder ganz gleichgiltig wäre! Ich freue mich unendlich über diese glückliche Wendung, sowohl um Hektors und seiner Mutter willen, als auch besonders Ihret­wegen, liebe Freundin, . . . und schließ­lich auch um meinetwillen!

Erfahren Sie nun, wie die Sache sich zugetragen hat. In verflossener Nacht schlummerte ich in einem Fauteuil des Krankenzimmers, Madame Lauziore wachte, ihrer Gewohnheit gemäß, am Bette ihres Sohnes, als ich plötzlich durch ein markerschütterndes Geschrei erweckt wurde, welches Hektor ausstieß, der sich wie ein Wahnsinniger geberdete. Der Unglück­liche wähnte sich noch immer im Sitzungs­saal der Assisen; er verteidigte seinen Klienten und beteuerte dessen Unschuld, indem er in den rührendsten Worten um seine Freisprechung bat. Plötzlich unter­brach er die Verteidigungsrede, und rief ln verzweifelndem Tone:

Der Brief! . . . Schickt doch den Brief ab!"

Wir wissen nicht, was er damit sagen will. Ich meinerseits glaube, daß er an Sie. liebe Freundin, einen Brief geschrieben hatte, dessen Adsendung unterblieben war. Madame Lauziore beabsichtigt, gelegentlich unter den Papieren ihres Sohnes nach­zusuchen, ob sich dort ein Brief befindet,

den man abzuschicken vergaß. Von diesem Vorhaben bemühe ich mich sie zurückzu­halten, weil ich unliebsame Enthüllungen befürchte.

Nach einer halben Stunde kam der Doktor Röquy herbei zu dem ein Diener entsendet worden war. Eben als der Doktor in's Zimmer trat, siel Hektor in seine Kissen zurück, atemlos und völlig erschöpft von der gewaltigen Krisis. Regungslos lag er da, als wenn er schliefe.

Uns, die wir Zeugen seiner dicht vor­hergegangenen Erregung gewesen waren, schien dieser Schlaf der Uebergang zum ewigen Schlaf. Diese Gedanken hatten wir Beide zu gleicher Zeit, ohne darüber ein einziges Wort mit einander gewechselt zu haben.

Nie werde ich dieses Bild vergessen, wie der Arzt, über dem Kranken gebeugt, jedem Atemzug desselben lauschte, indem er gleichzeitig seinen Pulsschlag prüfte; dicht daneben die Mutter, stumm in ihrem Schmerz, gefaßt und regungslos, aber die Augen fest auf den Arzt richtend, als wollte sie das Urteil über Leben und Tod in seiner Seele lesen. Und das Ganze beleuchtet durch das fahle Licht einer einzigen, mit einem Schirm bedeckten Lampe.

Rembrandt hat niemals ein wunder­bareres Bild komponiert. Allerdings dachte ich in jenem Augenblick nicht an Rem­brandt und dessen Bilder, vielmehr ist mir dies erst später in den Sinn gekommen, und ich verschwöre es nicht, das Erlebte einstmals auf der Leinwand wiederzu­geben.

Nach einer Minute, die uns eine Ewigkeit schien, richtete der Doktor sich auf und flüsterte uns zu, indem er seinen Zeigefinger auf die Lippen legte:

Seht! ... er schläft! Der Höhe­punkt der Krankheit ist überwunden, und der Leidende tritt in eine Periode der Ermattung ein, die weniger gefährlich ist als die bisherige. Vorausgesetzt, daß keine unvorhergesehenen Zwischenfälle eintreten, glaube ich für das Leben des Herrn Lau- ziore einstehen zu können."

In diesem Augenblick war es, wo ich dem Doktor um den Hals fiel. Er setzte uns dann noch auseinander, daß die jetzt beginnende Periode etwa zwei Wochen, vielleicht noch etwas länger dauern würde, während welcher Zeit der Kranke ein fast unbewußtes Leben führe, unzugänglich für alle äußeren Eindrücke. Der Schlag sei zu gewaltig gewesen, als daß nicht eine längere Ruhe erforderlich wäre, um dem Gehirn die frühere Kraft und Elastizität wiederzugeben.

So viel für heute! Ich denke, es wird genügen, um Sie zu beruhigen. Nächstens Weiteres und noch Günstigeres ... wie

(Fortsetzung folgt.)

Gemeinnütziges.

sGegen Frostbeulen.) Mische für 10^' weißen, dicken Terpentin, für 3^ weißes Baumöl mit der Hälfte vom Weißen eines Eies zu einer Salbe, streiche diese auf einen Leinwandlappen und lege denselben täglich zwei mal aus die Wunde.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.