Tübingen, 4. August. In den sonst so stillen Klostermauern Bebenhausens ist gestern der Jubel und die Freude der Jubiläumstage wieder ausgelebt. Der König, der sorgsame Förderer von Kunst und Wissenschaft, hatte die Professoren der Landesuniversität und die akademischen Bürger zu sich eingeladen und eine wahre Wallfahrt zu Fuß und zu Wagen fand nach dem Lieblingssitze Sr. Majestät in den ersten Stunden des Nachmittags statt. Es mochten an 1200 Einladungen er­gangen sein. Für weitere Gäste reichte der Raum nicht. Die etlichen 500 Stu­dierenden, welche dieserhalb an dem Feste nicht teilnehmen konnten, wurden auf;Be- fehl Sr. Majestät in der Stadt bewirtet. In Bebenhausen wurden die Gäste durch den Hofmarschall, Freihr. v. Wöllwarth empfangen. Bald erfüllten die Studieren­den die Kreuzgänge und einen Teil des Gartens, in welch letzterem auch die Kapelle des hiesigeu Bataillons Aufstellung ge­nommen hatte. In der Halle des Kreuz­gangs, um das Standbild Eberhards im Bart nahm das Offizierskorps Platz. Die Professoren der Universität, sowie zahl­reiche Ehrengäste und Beamten nahmen an der großen Tafel Platz, die im kühlen Sommerrefektorium errichtet war, während im Winterrefektorium die übrigen Gäste sich einfandeu. Um 4 Uhr betrat unter den Klängen des König-Karl-Marsches und den jubelnden Hochrufen der studentischen Jugend, welche die bunten Mützen schwenk­ten, Seine Majestät der König, geleitet vom Rektor der Universität, Professor Dr. v. Herzog und gefolgt vom Prinzen Wilhelm und vom Herzog Albrecht von Württemberg das Sommerrefektorium, von den dort Versammelten, die sich von den Sitzen erhoben hatten, durch ehrerbietiges Verneigen begrüßt. Seine Majestät ver­fügte sich alsbald zu Ihrem Platze an der Tafel. Der Rektor der Universität hatte die hohe Ehre zur Rechten des Königs und zwischen Seiner Majestät und dem Prinzen Wilhelm seinen Platz einzunehmen. Die Hofdienerschaft servierte einheimisches Bier hell und dunkel und auf silbernen Platten war des Verlockenden an kalten Speisen gar viel geboten. Bald nach Be­ginn des Mahles erhob sich Se. Majestät, um zu trinken auf das Wohl der Pro­fessoren und ihren Beruf, auf das Wohl der Studierenden und auf ihre Zukunft. Kurz daraus ergriff der Rektor das Wort zum Toast auf den fürstlichen Wirt. Der Redner knüpfte an die glanzvollen Jubi­läumstage an, an welchen die Universität von Herzen teilgenommen habe, denn was Seine Majestät für Kunst und Wissen­schaft gethan, das steht für alle Zeiten in den Annalen der Landes-Universität. Brausend wurde dieser Toast auf den ge­liebten Landesvater erwidert. Die Kapelle stimmte die Königshymne an, welche von den Gästen stehend mitgesungen wurde. Dann trank Seine Majestät dem Ober­bürgermeister zu mit den Worten: Ich trinke auf das Wohl der guten Stadt Tübingen. Gegen 5 Uhr erhob sich Se. Majestät, um Cercle zu halten. Auch hie­bei wurde Herr Oberbürgermeister Goes von Seiner Majestät ausgezeichnet. Der König drückte abermals seine höchste Be­

friedigung über den begeisterten Empfang in Tübingen und über die reiche Dekora­tion der Stadt aus, die er in diesem Maße nicht erwartet habe. Auch die Verschöner­ung der Stadt, die Erleichterung des Ver­kehrs habe ihn sehr gefreut. Als der König, vom Rektor begleitet das Refek­torium verließ, um auch die übrigen Gäste zu begrüßen, brachen die Anwesenden in begeisterte Hochrufe aus. Die studentischen Korporationen huldigten dem König durch Salamanderreiben. Im Garten sang die akademische Liedertafel die Loreley. Nach beendigtem Cercle begab sich der König in das Sommerrefektorium zurück. An Stelle des Bieres traten nun edle Hof­kammerweine, Eilfinger (weiß) und Unter- türkheimer (rot) und wurden Zigarren verabreicht. Bald darauf verließen die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften das Fest, welches gegen 7 Uhr sein Ende nahm. Es wird für immer unvergeßlich denjenigen sein, welche die Gäste Ihres Königs zu sein so glücklich waren.

(n. d. W. Ldz.)

Die Feier des 100jährigen Geburtstages Friedrich Lifts zu Reutlingen.

Deutschland seinem Friedrich List", so lautet die einfache Inschrift auf dem Grabmal, das auf dem hoch über dem Innthal gelegenen Friedhof zu Kufstein die sterbliche Hülle des um unser deutsches Vaterland bestverdienten Mannes birgt. Eben so bescheiden bezeichnet eine kleine Marmortafel das inmitten des gewerb- reichsten Teils der Stadt gelegene Geburts­haus von Reutlingens größtem Sohn, dessen 100jährigen Geburtstag seine Vaterstadt heute festlich begeht. Die große Zahl von Festgenoffen, die von nah und fern herbeigeeilt waren, legte Zeugnis ab von der Größe und Bedeut­ung des Mannes und seiner universellen Bestrebungen. Die Bürger Reutlingens erachteten es als eine Ehrenschuld, der Stadt am 100jährigen Wiegenfeste ihres besten Bürgers festliches Gewand anzu­legen. Dem aus dem Bahnhof heraus­tretenden Festgast fallen sofort zwei In­schriften in das Auge. Die eine lautet:

Und was erstrebt und was ersehnt,

Wir haben's nun erhalten,

Das Vaterland, wie er's erhofft,

So mußt es sich gestalten.

Gefallen sind der Wege Schranken,

Geeinigt sind die Staaten,

Das ist die schönste Frucht, die sprießt Aus Friedrich Listens Saaten!

Möge auch der Wortlaut der andern folgen:

Ihr Gäste all von fern und nah,

Seid herzlich uns willkommen!

Wir wollen ehren einen Mann,

Der stets zu Nutz und Frommen Des Vaterlandes hat gewirkt,

Der immer gern voll Freudigkeit Sein Alles hat gewagt, gesetzt Für Recht, für Wahrheit, Freiheit!

Das im Jahr 1863 errichtete Denkmal des Mannes, dem das heutige Fest gilt, ist von einem Walde von Palmen und andern exotischen Gewächsen umgeben und längs der beiden Straßen, welche den Karlsplatz mit dem Bahnhof verbinden, sind Flaggen in den Farben des Reiches, Württembergs und der Stadt angebracht,

die durch Blumengewinde verbunden sind. Die den Listplatz umsäumenden Gebäude die Häuser der Karlsstraße und des Karlsplatzes prangen in höchstem Schmuck. Alle Straßen, durch welche der festliche Zug seinen Weg nehmen soll, sind ach prächtigste geschmückt. Bei einem Gange durch die Stadt fällt besonders ein Haus der Wilhelmsstraße ins Auge, in dessen Fenstern die wohlgetroffene Büste Fried­rich Lifts, umgeben von Palmen, aus­gestellt ist. Es ist das Haus, in dem heute vor 100 Jahren der große Denker das Licht der Welt erblickt hat. Am Vor­abend des Festes brachten die Züge Fest- genosfen aus allen Teilen des Reichs.

lS. M.) !

Reutlingen, 4. Aug. Mitglieder der hiesigen Turngemeinde, welche ihre Rückreise vom Münchener Turnfest über die Arlbergbahn bewerkstelligten, legten zu Kufstein auf Friedrich List's Grab im Namen ihrer Gesellschaft einen prächtigen Kranz nieder. Auf der Schleife war folgende Widmung angebracht:Die Turm gemeinde Reutlingen ihrem unvergeßliche» ^ Mitbürger Friedrich List zum 100. Ge­burtstag 6. August 1889." ,

Reutlingen, 6. Aug. Es herrscht ! in hiesiger Stadt prächtiges Festwetter. Ein glänzender Festzug mit ungefähr 200Ü Teilnehmern fand statt. Auf dem Festplatz wurde zuerst gesungen der ChorDie Himmel rühmen" von Beethoven. Sodann begrüßte der Oberbürgermeister Benz die Festgäste. Die ungemein packende Festrede ! hielt Prof. Beißwanger. Es folgte das ! 2. LiedWer ist ein deutscher Mann." sodann wurden Kränze niedergelegt und zwar von der staatswissenschaftlichen Fa­kultät Tübingen, von dem Zentralverband deutscher Industrieller, vom Verband süd­deutscher Baumwoll - Industrieller, vom Landesverein württ. Eisenbahnbeamter rc. Den Schluß bildete ein weiterer Gesangs­vortrag :Das deutsche Lied" von Kalli- woda. (S. M.)

Die erste Wagenladung diesjähriges Obst ist vom Ausland per Bahn in Eß­lingen eingetroffen; dasselbe (Aepfel) kommt aus Süd-Ungarn.

Neuenbürg, 5. Juli. Die einzige Sitzbank auf dem Bahnhof ist den Weg alles Holzes gegangen, und ist nicht mehr. Obwohl sie primitiver Natur gewesen, wird sie dennoch wir sind in dieser Hinsicht bescheiden sehr vermißt; diente sie doch manchem müden oder wartenden Pilger als willkommener Ruheport und andern, die sich gern sahen, als sittsames Stell­dichein. Wenn die Bahnverwaltung kargt und die Beschaffung einer neuen Bank irgend einer noblen Stiftung zu­kommen lassen möchte, so fragen wir, ist Niemand da, der sich dieses Verdienst er­werben will? Statt langen Parlamen- . tierens richten wir an den Verschönerungs­verein die Bitte, sich des Mangels zu er- ! barmen und eine neue Bank anbringen ^ zu lassen, er wird sich damit nur Dank erwerben.

(Fortsetzung in der Beilage.)

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.