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schöner Pastor, auf dem der Verdacht eines gemeinen Diebstahls ruhte:
Rosel würde auf ihn warten, sie würde an seine Schuld nicht glauben, aber sie mußte auf ihn warten bis zur Ewigkeit, er konnte nicht mehr unter ihre Augen treten.
Franz stöhnte wie ein Verzweifelnder. Er griff mit seinen Händen in die grüne Hecke, als suche er einen Halt und drückte sich die kleinen Dornen so tief in das Fleisch, daß das Blut herunterrieselte, aber er achtete es nicht.
Nur eine Stunde Wegs war es bis zur Stadt. Dort hatte er einen Freund, dem er einen Sparpfennig zum Aufheben gegeben. Er hatte das Geld, das ihm sein Vater gab, nie ganz verbraucht, und es hatte ihm Freude gemacht, den Ueber- schuß zurückzulegen. Franz warf noch einen Blick auf das Vaterhaus, in welchem man ihn um sein Leben gebracht hatte, wo er Vermögen, Braut, Namen, Stand, alles zurückließ, wie in einem tiefen Grabe, aus dem keine Auferstehung möglich, dann wandte er sich der großen Landstraße zu. Er zitterte vor Frost, als wenn es tiefer, grimmiger Winter sei, von innen und außen kam eine Erstarrung über ihn. Nur eine Frage erwog er hin und her auf dem Wege: Wie kann ein Bruder den andern verdächtigen und verurteilen auf bloße Vermutung hin? Als sei es ein zu einer Predigt gegebener Text, mußte er die Frage zergliedern und in einzelne Teile zerlegen.
In der Stadt angekommen, gieng er sofort zu seinem Freunde: „Gieb mir mein Geld", sagte er ohne Gruß, „gieb mir Papier und Dinte und besorge einen Boten in mein Dorf!"
„Franz, was ist mit dir geschehen?" fragte der Freund, tätlich erschrocken.
„Frage nicht, Du wirst es früh genug erfahren. Laß mich nur hier bleiben, um einen Brief zu schreiben."
Der Freund that, was von ihm verlangt wurde. Franz nahm das Geld, schrieb den Brief, übergab ihn selbst dem Boten, nickte seinem Freunde einen kurzen Gruß zu und gieng.--—
Im Dorf, in des alten Bauern Schulze Hause, gieng Rosel Walter in furchtbarster Aufregung hin und her, wartete, daß Franz kommen solle. Sw mußte ihm ja sagen, daß sie's nicht glaube, was der Reinhold ausgesprochen. Sie und ihre Mutter hatten heut in ihr Dorf zurückkehren wollen, aber sie konnte doch nicht gehen, ehe sie Franz gesprochen. Das sonst so stille, sanfte Mädchen war wie verwandelt; die Mutter glaubte fast, die Aufregung drohe ihr den Verstand zu nehmen. Aus ihren Augen sprühte Haß, ihre Hände ballten sich gegen das Zimmer, wo Reinhold war, und über ihre bleichen Lippen kamen drohende Worte.
Wieder und wieder gieng sie an die Hausthür, spähte in das Dunkel hinaus, lief bis an das Ende des Gartens und rief: „Franz! Franz!" aber keine Antwort erfolgte.
So verrann Stunde um Stunde, es war schon spät am Abend. Wieder stand sie an der Hausthür, als ein Bote an sie herantrat mit einem Briefe. Sie
nahm den Brief und hielt ihn zum Licht, das im Hause stand. Franz hatte die Adresse geschrieben. Sie wandte sich um, den Boten zu fragen, der war schon wieder gegangen. Sie erbrach den Brief, las, las immer wieder und stieß einen furchtbaren Schrei aus. Ihre Mutter eilte an ihre Seite, sie stieß die Mutter heftig von sich: „Franz ist fort, Franz ist fort", rief sie, „alles verloren!"
Mit dem Brief in der Hand, den Ausdruck einer Wahnsinnigen in den Zügen lies sie zu Reinhold, stellte sich dicht vor ihn hin und stieß Verwünschungen und Flüche aus, daß Reinhold erschreckt zurückprallte und Rosels Mutter wie versteinert stand.
Rosel war nach dem Ausbruch des Hasses und Zornes wie leblos hingesunken. Als sie wieder zu sich kam und wirr um sich schaute, hatte die Mutter nur den einen Gedanken, sie fortzubringen von dem Ort des Schreckens unter das eigene Dach trotz der hereinbrechenden Nacht. Sie fuhr in ihr Dorf zurück mit Rosel, die den Brief krampfhaft fest in den Händen hielt und wirre Reden führte. Noch in derselben Nacht brach bei Rosel Walter ein Gehirnfieber aus, das sie monatelang ans Bett fesselte. In ihren Fieberphantasien sprach sie fortwährend, daß sie Blumen, viel Blumen haben müsse, um Kränze zu winden für zwei verlorene, erstorbene Leben, und mit den Händen machte sie die Bewegungen des Mindens. Als Rosel Walter wieder gesund wurde, war sie eine andere als vorher. Hart, bitter und menschenscheu war sie geworden, ihr Herz war von Haß erfüllt und aus ihrem Munde kamen Verwünschungen über Verwünschungen.
(Fortsetzung folgt.)
Berlin. Eine tragi-komische Szene bot sich am Montag vormittag den Passanten am Zionskirchplatz dar. Zwei Schornsteinfeger in vollem Ornat waren zur Frühstückspause in einer Schankwirtschaft aus Brotneid in Streit geraten, der in eine solenne Prügelei ausartete. Der Schankwirt und seine Gäste wollten intervenieren, kamen aber dabei insofern schlecht fort, als sie durch Berührung der schwarzen Gesellen im Gesicht, Händen und Kleidung gehörig angeschwärzt wurden. Schließlich wälzte sich das Kampfgewühl auf die Straße, wo ein Diener der heiligen Hermandad Waffenstillstand gebot. Dies war aber leichter gesagt als gethan; denn einer, der Kaminfeger H., hatte sich im Wutkrampf an seinen feindlichen Kollegen B. festgebissen, daß erst ein großer Kübel Wasser über die Rasenden ausgeschüttet werden mußte, um sie auseinander zu bringen. Beide hatten erhebliche Verletzungen, B. eine Bißwunde in dem rechten Unterarm, H. eine Wunde an der Oberlippe durch Reißen des Schnurrbarts, erlitten; sie begaben sich unter polizeilicher Begleitung zu einem Heilgehilfen und mußten, nach Anlegung von Notverbänden zur Polizeiwache folgen.
Ueber einen merkwürdigen Blitzschlag geht der „Fr. O.-Z." aus dem
Orte Zechin folgende Mitteilung zu: Am 10. v. M. entlud sich nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr ein nicht allzuschweres Gewitter. Gegen 4ft'- Uhr schlug ein Blitzstrahl in den Schornstein des hiesigen Lehrerhauses, zertrümmerte die oberste Kuppe desselben, teilte sich dann hier, wovon ein Teil in dem zweiten Sparren vom Schornstein auf zwei Drittel hinunterlief und auf der Ostseite zum Dache hinausfuhr. Ein Teil schlug in die Vorderstube, lief durch die ganze Breite der Stube an der Decke entlang, beschädigte diese, gieng dann durch die Wand, welche Flur und Stube lrenut, lief in gleicher Richtung durch die Flurdecke und dann durch die Wand auf der Südseite nach außen. Ein Teil gieng in die Küche, kam durch den Mauerkessel, lief am Fußboden entlang, dicht bei der Frau des Lehrers vorbei, zwischen zwei kleinen Knaben im Alter von sechs und acht Jahren hindurch und nahm seinen Weg durch die Wand auf dem Fundamente nach der Westseite, glühte hier außerhalb den Draht des Weinspalicrs auf Meterlänge und ist dann höchst wahrscheinlich in das Wasserfaß, welches hier stand, übergesprungen. Kurz zusammen- gefaßt: In alle Räume, wo sich Menschen befanden, hat der Blitz seinen Weg genommen, ohne zu zünden und ohne Menschen und Möbel zu beschädigen.
Zur Warnung. In Lauf (Bayern) hatten sich vor der Strafkammer vier jugendliche Taugenichtse wegen Sachbeschädigung zu verantworten, die sic durch Abschneiden von 6 Alleebäumchen begangen hatten. Die Thäter erhielten 4?/s Monate bis 21 Tage Gefängnis. Das Ergebnis dieser Verhandlung mag für viele zum Exempel dienen. Der Staatsanwalt hatte gar 10 Monate, bezw. 1 Jahr Gefängnis beantragt.
(Ahnungsvoll.) (Bayerischer Bauer): Muater, eh ich drauf vergesst, schmier mir a Wundpflaster, ich muß heute abend zur Kirchweih.
Gemeinnütziges.
(Das Trinken bei der Feldarbeit.) Viele Landleute bekämpfen bei ihren Feldarbeiten den Durst, um dem heftigen Schwitzen zu entgehen. Dies ist jedoch nicht zweckmäßig und kann untre Umständen zu schlimmen, ja selbst gefährlichen Zuständen führen. Der Durst ist als Mahnung zum Ersätze der dem Körper verloren gegangenen Flüssigkeiten anzusehen und bei Nichtbeachtung dieser Mahnung treten Blutverdickung und Austrocknung der Gewebe, schließlich der sogenannte Sonnenstich ein. Abgesehen von diesen schlimmsten Folgen ist es gewiß, daß durch den wegen Flüssigkeitsmangel geschwächten Stoffwechsel die Kvrpernahruug beeinträchtigt wird. Es erscheint demnach nicht rötlich, den Durst völlig zu unterdrücken, aber man trinke langsam und mäßig; am besten thut man, wenn man dem Wasser Zitronensäure oder einige Tropfen der bedeutend billigeren Salzsäure zusetzt, wodurch auch der durch die Wasserzufuhr bewirkten Verdünnung der Magensäure in rationeller Weise entgegengewirkt wird. Als bestes und billigstes Getränt sür Feldarbeiten bei großer Hitze hat sich saure Milch oder schwarzer, in kaltem Wasser gekühlter Kaffee bewiesen und wird im Auslände schon vielfach gebraucht. Ein Schluck kalten, schwarzen Kaffees stillt sofort den Durst und läßt ihn längere Zeit nicht aufkommen.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.