1854 trat derselbe seine Stelle an und seit dieser Zeit hat er mit Umsicht und Sachkenntnis, mit Friedensliebe und seltener Uneigennützigkeit seinen Dienst auf's beste und zur vollsten Zufriedenheit der Gemeinde verwaltet. (C. W.)
— Rothensol, 30. Juni. Der heutige Sonntag brachte in unser stilles Schwarzwalddorf bewegtes Leben. Herr Schultheiß Kircher feierte nämlich ein Doppelfest, sein 40jähriges Dienstjubiläum als Schultheiß und Acciser und seine goldene Hochzeit. In früher Morgenstunde verkündeten Böllerschüsse den festlichen Tag. Um 12 Uhr fand die Begrüßung des Jubelpaars aus dem Rathaus statt. Betreffs der goldenen Hochzeit hielt der Geistliche des Mutterorts eine gediegene Ansprache, sodann übergab Gemeindepfleger Obrecht im Namen der Gemeinde als Anerkennung seiner treuen Dienste 100 in 5 Doppelkronen mit den Bildnissen der Kaiser Wilhelm I., Friedrich III., Wilhelm II. und des Königs Karl. Daran schloß sich das Festessen im Gasthaus zur Sonne. Verschiedene Toaste würzten das Mahl. Herr Oberamtmann Hofmann feiert in dem Jubilar einen pflichttreuen Ortsvorsteher, der auch den in neuerer Zeit sehr gesteigerten Anforderungen gerecht werde. Herr Pfarrer Mayer von Dobel führt, anknüpfend an die Namen des Jubelpaars aus, daß Schultheiß Kircher seinem Namen „Gottfried" in amtlichem und außeramtlichem Verkehr durch seine Friedfertigkeit stets Ehre gemacht habe. Auch seine Frau, die die altehrwürdigen Namen „Anna Maria" besitze, verdiene als Gattin und Mutter das vollste Lob. Herr Stadtschultheiß Beulter von Herrenalb, der nach Kircher der dienstälteste Ortsvorsteher des Bezirks ist, brachte im Namen der zahlreich erschienenen Kollegen Glück- und Segenswünsche dar, betonte das schöne Verhältnis zwischen Ortsvorsteher und Gemeindeglieder in Rothensol und wünschte dessen lange Fortdauer. Herr Kameralverwalter Löflund erntete mit einem sinnigen und launigen Gedicht, worin er den Jubilar als Acciser feierte, stürmischen Beifall. Gemeindepfleger Obrecht übergab noch einen von den bürgerlichen Kollegien aus Privatmitteln gestifteten Regulateur mit dem herzlichen Wunsche, daß derselbe dem Jubelpaare noch viele glückliche Stunden schlagen möge. Herr Schullehrer Conzelmann von Herrenalb, der Kircher schon 25 Jahre näher kennt, rühmt denselben als sehr fleißigen, sparsamen Hausvater, der mit diesen Eigenschaften seiner Gemeinde ein Vorbild war. Redner glaubt, daß der allgemeineWohlstand derGemeinde Rothensol zum Teil auch auf dieses vorbildliche Wirken zurückzuführen sei. Die Zwischenpausen wurden durch sehr gelungene Gesangsvorträge des Liederkranzes von Neusatz, die allgemeinen und wohlverdienten Beifall ernteten und die den zahlreich Anwesenden ein heiteres und gemütliches Zusammensein bereiteten, ausgefüllt. Die Rothensoler, die durch Beflaggung und Bekränzung der Häuser, durch Triumpf- bogen u. s. w, ihr Dörflein stattlich geschmückt hatten, können mit Stolz auf
diesen Tag zurückblicken. Möge dem Jubelpaar noch ein recht langer, ungetrübter Lebensabend beschicken sein.
Neuenbürg. Von einem der Vertreter der Industrie des Enzthales erhalten wir noch vor der Beratung des Winterfahrplans bei der K. Eisenbahndirektion folgenden, wie uns scheint, sehr praktischen
Vorschlag
für den Winterfahrplan der Enzthalbahn:
Zugs-Nr. Wildbad ab Pforzheim an
136
138 s 1^2
144
146
5.35
6.30
7.05112.45 8.30> 1.40
5.20
6.15
143
8.50
9.45
145
Zugs-Nr.!
135
137
139
Pforzheim ab Wildbad an
7.35
8,38
9,40
11,20
2.10
3.10
7.40
8.40
9.55
10.55
Außerdem die sog. Arbeiterzüge, welche durch vorstehenden Vorschlag nicht berührt würden.
Wenn diesen Wünschen Rechnung getragen würde, dürfte dem Bedürfnis des Bezirks und der Nachbarschaft entsprochen sein.
Mizellen.
Jer Sonnenwirt.
Von Erich Norden.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.',
(Fortsetzung folgt.)
Wilhelm mußte öfter kommen, um ihr Bericht zu erstatten und sie fragte ungeduldig: „Jst's noch nicht so weit?"
„Bald! bald!" sagte Wilhelm, „habt nur Geduld!"
„Geduld!" entgegnete Rosel heftig. „Ich habe Geduld gehabt durch mehr denn zwanzig Jahre hindurch, ich bin alt geworden vor der Zeit, meine Haare sind grau geworden in der Jugend und der Sonnenwirt hat es verschuldet. Nun mögen seine Haare grau werden in den Kerkermauern, nun mag er sein Leben verbringen im Zuchthaus! Aber ach, daß er doch nicht schuldig wäre!"
„Daß er nicht schuldig wäre!" wiederholte Wilhelm erstaunt. „Wünscht Ihr plötzlich ihn freigesprochen zu wissen?"
„Freigesprochen!" Die Blumen-Rosel lachte, daß es dem Wilhelm durch die Glieder fuhr. „Freigesprochen! Verurteilt soll er werden, aber unschuldigerweise ! Wilhelm, unschuldigerweise, wünschte ich! Verstehst Du mich nun? Ich wünschte, daß in Wahrheit ein anderer der Thäter sei, den kein Mensch ahnt, oder daß das Feuer durch Unvorsichtigkeit ausgekommen sei, aber daß die Beweise gegen den Sonnenwirt so klar am Tage, so schlagend seien, daß der Gerichtshof nicht anders kann, als ihn schuldig sprechen. Die Verurteilung eines Schuldigen ist es nicht, was ich wünsche.
Wilhelm gieng ohne weitere Erwiderung.
Als das Frühjahr da war, kam des Sonnenwirtes Sache zur öffentlichen Verhandlung. Seine Haare hatten einen grauen Schein bekommen während der Monate der Untersuchungshaft, seine Haltung war gebeugt und sein Blick finster.
Der Sonnenwirt auf der Anklagebank auf der Verbrecherbank! — Es fuhr wohl manchem wie ein Stich durchs Herz und das Mitleid wurde plötzlich rege.
Wilhelm Härtel als Hauptbelastungszeuge wurde zuerst vernommen und n begründete ruhig und klar seine Anklage auf des Wirts Aeußeruugen in der Schenkstube, und auf sein Herumschleichen um ^ die Scheune.
„Er lügt", sagte der Sonnenwirt heftig, als der Gerichtspräsident fragte, was er der Beschuldigung des Zeugen ^ entgegenzusetzen habe. — „Er lügt, er ! hat einen Haß gegen mich, weil ich ihm ^ meine Tochter verweigert habe." >
Als er aber weiter gefragt wurde, ob er die Aeußeruugen gethan, schwieg er. I
Härtel hatte alle an jenem Abend in ! der Schenkstube versammelten Leute, die ! des Wirtes Aeußeruugen gehört, namhaft ! gemacht, und sie waren vorgeladen worden j als belastende Zeugen. l
Was half es, daß alle aussagten, dem ! Sonnenwirt habe noch keiner etwas an- ! haben können, er sei ein unbescholtener, ! ehrenwerter Mann, der vielleicht durch seine gute Lage etwas hochmütig geworden sei und dadurch sich den Haß einzelner zugezogen habe, sie mußten eben doch alle eingestehen und konnten es beschwören, daß er die von Härtel angeführten Aeußer- ungen gethan habe. Lehfeld mußte, wenn auch widerwillig aussagen und bezeugen, daß der Sonnenwirt, gerade als er mit Härtel nach Herrendorf zurückgehen wollte, ! bei seiner Scheune sich aufgehalten und Wilhelms Zuruf zornig erwidert habe. Gerade als sie in Herrendorf angekommen, hatte er den Feuerschein gesehen undwm mit Härtel zurückgeeilt. Das klang alles so klar und einfach und sah sehr trübe aus für den Sonnenwirt.
Die Verhandlungen und das Zeugenverhör nahmen nur zwei Sitzungen des Gerichtshofes in Anspruch. Am Schluß der Sitzung nahm der Staatsanwalt das Wort und legte kurz die bis ins kleinste ' erwiesene Schuld des Angeklagten dar. Unvorsichtigkeit sei nicht anzunehmen, von einem anderen Thäter sei keine Spur vorhanden und liege auch gar kein Grund vor, einen zu vermuten, da ja mit einem Brande, nach des Sonnenwirtes eigenen Worten, ihm nur gedient sein könne.
Der Angeklagte müsse zugeben, daß er die Verdacht erregenden Aeußeruugen ge- l than, er müsse zugeben, daß er in später Stunde gerade an der Scheuer sich aufgehalten habe, wo das Feuer ausbrach. Sein Einwurf, eine plötzliche Angst habe ihn Hinausgetrieben, könne nicht entlastend . für ihn wirken, da jeder Angeklagte sich zu entschuldigen suche. Er ersuchte den hohen Gerichtshof, auf „Schuldig" zu erkennen, schuldig doppelten Verbrechens j
— vorsätzlicher Brandstiftung und fahr- ^
lässiger Tötung und beantragte lebenslängliche Zuchthausstrafe.
(Fortsetzung folgt.)
Marktpreise. Neuenbürg, 2. Juli.
Kartoffeln <neue Rosen) 8 Pf. pro V 2 Kilo,
später 0 Pt-
Kirschen 14-18 Pf. Pr. -/- Kilo.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.