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Verwandten und Vettern, wenn Ich aus- rufe: Gott schütze, Gott segne Ew. Maje­stät und Ihr ganzes Haus! Möge es Ew. Majestät vergönnt sein, daß Ihr Volk fest, furchtlos und treu zu Ihnen und Ihrem Hause bis in die fernsten Jahrhunderte halten möge! Ich erhebe Mein Glas und trinke auf das Wohl Sr. Majestät des Königs und Ihrer Majestät der Königin und Ihres ganzen Hauses. Sie leben hoch! und nochmals hoch! und zum dritten Male hoch!

Wiederum erhob sich Seine Majestät der König und sprach:

Ich ergreife nochmals Mein Glas und trinke auf das Wohl Meiner Truppen, sowie auf das Wohl Meiner Regimenter, deren Vertreter hier versammelt sind!"

Gegen 4 Uhr kehrten die Höchsten Herrschaften nach Stuttgart zurück.

Unmittelbar nach der Rückkehr nahm Se. Majestät der König im inneren Schloßhof die von dem Stuttgarter Rad­fahrerverein veranstaltete Huldigungsauf­fahrt der Radfahrer Württembergs ent­gegen.

Bon 9 bis 1I°/2 Uhr abends brachte die Stadt Stuttgart als Zeichen ihrer Huldigung den Königlichen Majestäten ihren pompösen Fackelzug. der sowohl an Ausdehnung als an Mannigfaltigkeit und Prunk der Ausstattung alles übertraf, was man in Stuttgart in dieser Art bis jetzt gesehen hat. Die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften sahen das glänzende Schauspiel vom kleinen Balkon über dem Speisesaal des Kgl. Residenzschlosses ans.

Der Fackelzug bot ein unver­gleichlich schönes Bild von bedeuten­der imponierender Ausdehnung, er zählte über 10 000 Teilnehmer. Es würde zu weit führen, jede einzelne Nummer hier schildern zu wollen. wir können nur einiges hervorheben. Der Zug war in 9 Gruppen geteilt, deren erste mit mehreren Musikkorps die Feuerwehr. Stadt­garde, den Reitklub, die bürgerlichen Kollegien und die städtischen Stiftungs- beamtcn umfaßte. Die zweite Gruppe bildeten Kunst und Wissenschaft. Hier brachte die technische Hochschule einen Wagen in terassensörmigem Aufbau mit der Büste Seiner Majestät und einen zweiten mit Emblemen der verschiedenen Fachschulen, die Kunstschule einen vier­eckigen, bemalten Transparentwagen. Der Verein für Bauknnde zeigte auf seinem Wagen Modelle der bedeutendsten württem- bergischen Bauten und ein Wagen der Ingenieure, der wie ein schnaubendes Un­getüm nahte, versinnbildlichte die Elektri­zität. Dazwischen marschierten die Bau­gewerbeschule, das Konservatorium für Musik, das Baugewerk und die Kunst- genvssenschaft, zumeist mit prächtigen Transparenten. Die dritte Gruppe brachte die Menge der Gesangvereine, ihre Lampions hatten sämtlich Lyraform. Der Liederkranz hatte hier einen Wagen gestellt, auf dem das Volkslied thronte, chm zu Füßen, in den schönsten württ. Frachten das Volk, aus dessen Mitte es unmcr neu geboren wird. In der vierten Gruppe hatten die Gärtner einen pracht­vollen Palmcnwagen, mit den Büsten des

Königs und der Königin, von dem herab! der Frühlingsgenius Blumen unter die Menge streute; die Weingärtner zeigten den Herbst mit all seinen freudigen Bildern. Einen guten Gedanken hatte der württb. Obstbauvercin, der 12 junge Mädchen in hübscher Volkstracht verschrieben hatte, um das dominierende männliche Element wenig­stens in etwas zu unterbrechen. Es waren Mädchen von Lai^' aen, das unter Mit­wirkung des Vere> große Obstanlagen gepflanzt hat. In der fünften Gruppe giengcn alle die Vereine und Klubs, an denen Stuttgart so reich ist. An sie schloß sich in der sechsten Gruppe der Sport, die Ruderer mit einem großen Boote auf schön dekoriertem Wagen. Eine große Anzahl prächtiger Festwagen zählte die siebente Gruppe: Handel, Industrie und Gewerbe. Da war derWelthandel" mit Repräsentanten exotischer Völker und Produkte, derVerkehr" mit hochbeladenen Frachtwagen, aus Erzeugnissen der Heimat aufgebaut. Die Glockengießer führten auf stark gebautem Wagen die im Glanze des frischen Gusses strahlenden Glocken für die neue Kirche in Degerloch, in der Mitte die große Karl-Olga-Glocke. Gambrinus mit seinem Hofstaat, Riescnfäsfer und andere Zeichen des Gedeihens dieses Ge­werbes thronten auf den prachtvollen Wagen der Bierbrauer und Küfer. Glaser trugen einen Baldachin von farbigem Glase, und Transparente mit Zunftabzeichen be­gleiteten die Meister und Gesellen der übrigen Gewerbe. Eine blendende Uebcr- raschung brachte die achte Gruppe, die Turner und Lehranstalten, mit denFlor­entiner Beleuchtungs-Dekorationen", einer glänzenden Neuheit für solch festliche Auf­züge. Diese phantastischen arabeskenartigen Formen, zuweilen ganze Kuppeln, Pavillons und Thorbögen, ein Stück oft von 20 bis 30 Personen getragen, die Glasglöck- chcn in allen Farben erglühend, auf das Bunteste zusammengcstellt, boten einen reizenden Anblick. Die neunte Gruppe, Krieger und Veteranen schlossen den Zug, der im Ganzen 1 '/r Stunden währte. Es darf dieser Fackclzug, mit Aufbietung aller Künste aufs reichste hergestcllt, mit Bienen­fleiß vorbereitet, in bester Ordnung vor- gcsührt, in der That als eine der Haupt- und Residenzstadt würdige Kundgebung zu Ehren des Jubiläums Sr. Majestät bezeichnet werden.

Se. Hoh Prinz Herrmann zu Sachsen- Weimar erhielt von Sr. Maj. dem Kaiser heute früh auf dem Bahnhof aus den Händen desselben den Schwarzen Adler­orden.

Stuttgart, 26. Juni. Wie wir vernehmen, haben Seine Majestät der Kaiser gestern dem Präsidenten des Staatsministeriums Dr. Freiherrn v. Mittnacht die Insignien des schwarzen Adlerordens übergeben.

Stuttgart, 25. Juni. Seine Königliche Majestät haben Ihrer Majestät der Deutschen Kaiserin und Königin von Preußen HöchstJhren Olga-Orden verliehen.

Bier edle Rappen, goldgeschirrt, sind als Geschenk des Kaisers von Ruß­land an den König hier eingetroffen.

lila Wildbad. Dienstag den 25. Juni fand hier die Feier des 25jähr. Regierungsjubiläums unseres ge­liebten Königspaares statt. Die Stadt war festlich geschmückt, nahezu jedes Haus beflaggt. Mittags 1 Uhr marschierte vom Platz des Volksschulgebäudes unsere Jugend unter Vorantritt der Feuerwehr­musik durch die Stadt in die Anlagen, wo­selbst sie beschenkt wurden und den Mittag bis Abends durch Klettern, Aufführung von Spielen, Springen u. s. w. unter Auf­sicht ihrer Lehrer verbrachten. Beim Rück­marsch zur Stadt wurde in der Trink­halle Halt gemacht, woselbst sämtliche Schüler und Schülerinnen gemeinschaftlich einige Lieder sangen. Hr, Stadtschulthciß Bätzner hielt eine der Feier des Tages angemessene Rede, welche mit einem Hoch auf das hohe Jubelpaar endete und in welches Alle herzlich und voll Begeisterung einstimmten. Bei eintretender Dunkel­heit begann die Illumination, die groß­artigste, welche Wildbad je gesehen hat; vom untersten bis obersten Haus der Stadt, nicht allein in den beiden Hauptstraßen sondern auch sämtlichen Nebenstraßen war alles ein Flammenmeer und wir glaubten uns in die Märchen von Tausend und einer Nacht versetzt. Besonders großartig war die Beleuchtung der K. Badanstalt, des Badhotels unv des Hotels Klumpp. Die Kurkapelle konzertierte den ganzen Abend unter der bekannten tüchtigen Leitung ihres Direktors Hrn. Ruß auf dem Kurplatze und wurde hiezu auf dem Dach des großen Badgebäudes ein großartiges Feuerwerk abgebrannt, wodurch der ganze Kurplatz und Umgebung in einen Feengarten ver­wandelt erschien.

Auf das von Hrn. Stadtschultheiß Bätzner an Ihre Königliche Majestäten abgesandte Glückwunschtelegramm ist nach­stehende Drahtantwort eingetroffen:

Stuttgart, den 25. Juni 1889 3 Uhr 25 Min. nachm. Hrn. Stadt­schultheiß Bätzner, Wildbad.

Ihre Königlichen Majestäten auf's Angenehmste berührt durch die Glück- und Segenswünsche Wildbads lassen der Stadt für solche und die bekundete treue Anhänglichkeit gnädigst danken.

Kabinetschef Griesinger.

Ferner teilt Hr. Stadtschulthciß mit, daß Ihre Königliche Majestäten letzten Sonntag bei seiner Anwesenheit in Stutt­gart sich huldvollst nach den derzeitigen Verhältnissen Wildbads erkundigt und Ihr Allerhöchstes Interesse für die Stadt zu versichern geruhten.

.'. Salmbach. Dienstag nachmittag von 1 Uhr an fand die Schulfeier zum Jubiläum Sr. Majestät des Königs hier in Anwesenheit des Ortsvorstehers und mehrerer Mitglieder des Kollegiums statt. Der Lehrer hielt eine treffliche Ansprache und die Kinder, 64 an der Zahl, sangen frisch und fröhlich mehrere Lieder. Zum Schluß wurde an die Kinder die Jubiläumsschrift von Reinöl und Jubi­läumsmedaillen an die Knaben, Jubiläums­medaillen in Form von Brocken an die Mädchen und schließlich an alle Kinder und einige alte bedürftige WittwenJu­biläumsküchlein" verteilt. Nachherige ge­sellige Unterhaltung imLöwen", wobei